Titel: Ueber die Constructionsverhältnisse der Hochdruckmaschinen; vom k. k. Kunstmeister Gustav Schmidt.
Fundstelle: Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XL., S. 165
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XL. Ueber die Constructionsverhältnisse der Hochdruckmaschinen; vom k. k. Kunstmeister Gustav Schmidt. Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1859, Nr. 23. Schmidt, über die Constructionsverhältnisse der Hochdruckmaschinen. Unter obigem Titel theilt Hr. Bergrath und Professor Jenny in dem dießmal von der k. k. Bergakademie in Schemnitz herausgegebenen sehr reichhaltigen Jahrbuche der k. k. Montan-Lehranstalten pro 1858 einen Theil seiner werthvollen Erfahrungen mit, gesammelt während eines einjährigen Aufenthaltes in dem berühmten John Cockerill'schen Etablissement in Seraing, welche Erfahrungen in der Hand des fachkundigen und mit der mathematischen Verarbeitung derlei praktischen Materials wohl vertrauten Verf. sich zu einer wahrhaft wissenschaftlichen fast vollständigen Abhandlung über Hochdruckmaschinen gestalteten, die in dem genannten Jahrbuche nicht weniger als 200 Seiten umfaßt. Der Verf. unterscheidet vier Hauptgruppen von Maschinentheilen: 1) Den Dampfcylinder, sammt Boden, Deckel, Stopfbüchsen, Dampfcanälen und Schieber. 2) Den Dampfkolben sammt Stange. 3) Den Bewegungsmechanismus zur Uebertragung oder Umänderung der hin- und hergehenden Bewegung des Kolbens. 4) Den Steuerungsmechanismus für Schieber und Ventile. Alle diese Theile werden nach jeder Richtung ausführlich besprochen und in fünf vorzüglich gezeichneten, vortreffliches Detail enthaltenden großen Tafeln dargestellt. Die beiden letzten derselben stellen eine horizontale 60pferdekräftige Maschine mit variabler Expansion dar. In den nachfolgenden Zeilen sollen insbesondere die neuen Mittheilungen, oder die von Redtenbacher's „Resultate für den Maschinenbau“, 3te Auflage, abweichenden Daten besprochen werden. Gleich eingangs der Abhandlung (S. 175) begegnen wir einem die Stelle der Drosselklappe vertretenden, conisch geformten drehbaren Moderator, durch dessen sectorähnliche Ausschnitte der Dampf in die Capelle (Dampfkammer) tritt. Nach einer ziemlich ausführlichen Berechnung der zur Schieberbewegung nöthigen Arbeit zeigt der Verf. (S. 186) einen von ihm construirten Entlastungsschieber, dessen Bewegung nur 1,3 Pferdekräfte consumirt, während ein gewöhnlicher Schieber unter gleichen Umständen 3,7 Pferdekräfte consumirt hätte. Die Querschnitte der Dampfcanäle findet Hr. Jenny an den in Seraing ausgeführten Volldruckmaschinen mit 1/20 des Kolbenquerschnittes O bemessen, und bei Expansionsmaschinen bis zu 1/15 O gesteigert (S. 196, 197). Redtenbacher gibt sie nur = O/30 an, ein Beweis, daß das Etablissement auf den Nachtheil des sogenannten schädlichen Raumes kein übertriebenes Gewicht legt und lieber die Hindernisse der Ein- und Ausströmung zu vermindern sucht, und dieß mit vollem Recht, denn der Vertheilungsschieber schließt die Ausströmungsöffnung immer bedeutend vor Ende des Schubes; der Dampf im schädlichen Raum wird daher beim Eintritte des Gegendampfes in Folge der erlittenen Compression keine beträchtlich geringere Spannung besitzen, als der Dampf in der Dampfkammer, und folglich dieser Raum nur noch eine geringe Quantität Dampf aufnehmen können. Auffallend erscheint es aber, daß (S. 198) bei 57 Millimeter Canalweite und 70 Millimeter Excentricität die äußere Ueberdeckung nicht wie sonst üblich = 70 – 57 = 13 Millimeter, sondern = 23 Millimet. genommen wird, so daß der Canal zwar für den Dampfaustritt, nicht aber für den Dampfeintritt ganz, sondern nur auf 47 Millimet. geöffnet wird. Hr. Jenny rechtfertigt dieß dadurch, daß für den Eintritt die 47 Millimeter Maximaleröffnung genügen, der Austritt aber begünstigt werden muß, um den Gegendruck vor dem Kolben möglichst herabzusetzen. Sollte aber, wenigstens in der Regel, eine Ueberdeckung von 13 Millimeter nicht schon vollkommen genügend erscheinen? Die durch größere Ueberdeckung erzielte Expansion hat, wegen gleichzeitig vermehrter Compression, doch nur einen sehr zweifelhaften Werth. Auf Seite 199 könnte noch Zeuner's praktische Regel für die Breite des Steges zwischen dem äußeren und mittleren Canal beigefügt werden: s = a/2 + 10 Millimeter. Bei dieser Stegbreite wird die Weite des mittleren Canals, a¹ nach Jenny = (1,8 bis 2) a, schon größer als unbedingt nöthig wäre. Die Durchmesser d₁, d₂ des Dampf-, Zu- und Ableitungsrohres werden bei Volldruckmaschinen d₁ = 2,22 D, d₂ = 0,32 D, bei Expansionsmaschinen d₁ = 0,26 D, d₂ = 0,34 D genommen, Redtenbacher setzt d₁ = 0,2 D. Die Wandstärke des Cylinders setzt Jenny= 2 + D/50 Centimeter statt Redtenbacher's 1,5 + D/60, also etwas größer. Das Verhältniß des Kolbenschubes zum Durchmesser nimmt der Verf. constant = 2, wenn nicht besondere Umstände eine andere Wahl bestimmen, und er rechtfertigt dieß durch die theoretische Nachweisung, daß der Wärmeverlust ein Minimum sey. Diese Rechtfertigung läßt aber der Berichterstatter nicht gelten, weil im Beharrungszustand, nachdem der ganze dicke mit stagnirender Luft erfüllte Kolben einmal erwärmt ist, die Kolbenfläche nicht mehr so wie die Deckelfläche als wärmeabgebend betrachtet werden könne, sondern wohl mit größerem Rechte als wärmedicht angesehen werden müsse; dann folgt aber nicht l = 2 D, sondern l = D. Referent glaubt, daß alle anderen Gründe, welche bestimmend wirken, daß bei stationären Maschinen die Cylinder oft sehr lang und immer länger als l = D gemacht werden, viel wichtiger sind als das so allgemein als für die Cylinderlänge maaßgebend unterschobene Motiv des mindesten Wärmeverlusts. Bei der sorgfältigen Umhüllung der Dampfcylinder, die jederzeit eine Bedingung sehr guten Erfolgs ist, fällt dieser Grund hinweg. Redtenbacher setzt l/D = 2,8 – D (D in Metern), woran man sich halten kann, wenn man gar keinen Grund für eine andere Länge hat. Sehr interessant sind die ausführlichen Mittheilungen des Verf. über die Construction und Anfertigung der Kolben mit nur einem Dichtungsring (S. 211). Die Höhe desselben wird für liegende Maschinen h = 80 + 0,09 D Millimeter (nach Redtenbacher 80 + 0,08 D) und die ganze Kolbenhöhe H = 2 h angegeben, während bei verticalen Maschinen niedrigere Kolben üblich sind: h = 38 + 0,12 D H = 3/2 h. Sehr empfohlen werden die Ramsbottom'schen Kolben, bei welchen die Dichtung durch 3 bis 5 in schmalen Nuthen der Mantelfläche des Kolbenkörpers liegende Stahlringe bewerkstelligt wird. Die schmiedeeisernen Kolbenstangen erhalten nach Jenny bei verticalen Maschinen einen Durchmesser von d = 0,13 D, bei horizontalen Maschinen d = 0,16 D (nach Redtenbacher 0,15 bis 0,18 D). Im Abschnitte III, S. 224 werden die in der berg- und hüttenmännischen Praxis üblichsten Bewegungsmechanismen vorgeführt. Auf eine kurze Constructionsbeschreibung der Gleitstücke, Lenkstangen und Kurbeln (S. 271) folgt eine ausführliche Ableitung der Formeln für die Stärke der Gleitstückzapfen, Kurbelzapfen, Lenkstange und Welle, und eine empirische Bestimmung der constanten Coefficienten. Der Verf. folgt hier genau der Methode der Verhältnißzahlen, welche darin besteht, nur eine Grunddimension unmittelbar aus der wirksamen Kraft zu berechnen, für alle anderen Dimensionen aber die analytischen die Kraft enthaltenden Ausdrücke zwar aufzustellen, aber aus ihnen die Kraft zu eliminiren durch Einführung der Grunddimension oder einer daraus abgeleiteten Dimension, so daß man beim Construiren immer nur mit Verhältnißzahlen von Dimensionen und ihren Potenzen und Wurzeln zu thun hat, aber nicht mehr mit den Kräften. Die Durchmesser der Kurbelzapfen fand der Verf. bei Walzwerksmaschinen eben so wie Redtenbacher = 0,13 D, bei Förderungsmaschinen etwas schwächer, die Gleitstückzapfen hingegen 0,8 (statt 0,7) der Kurbelzapfen, mithin relativ stärker. In der Redtenbacher'schen Formel für die Lenkstangendicke (S. 79 der „Resultate“ vorletzte Zeile), findet Jenny den Coefficienten 0,229 zu groß und substituirt dafür 0,187 (S. 279), und in der Redtenbacher'schen Formel für den Durchmesser schmiedeeiserner Wellen (Resultate S. 77 Zeile 4) findet Jenny statt des Coefficienten 0,9: bei Walzwerksmaschinen 1,26, bei Förderungsmaschinen 1,11. Hiermit stimmt der von Moll und Reuleaux angegebene Coefficient auf S. 285 drittletzte Zeile überein, der die schmiedeeisernen Wellen um 1/4 stärker angibt, als Redtenbacher in den Resultaten (S. 48). Die Formel (158, S. 287) für die Armdicke schmiedeeiserner Kurbeln gibt unter gewöhnlichen Verhältnissen ein klein wenig schwächere Dimensionen als die Redtenbacher'schen Regeln (Resultate Tafel XX). Ausgeführten Maschinen entnommene numerische Beispiele erläutern den Gebrauch der aufgestellten Formeln. Es folgt nun (S. 290) die Theorie der Steuermechanismen. Verf. setzt hierbei übereinstimmend mit Zeuner voraus, daß der Schieber auf gleiches lineares Voreilen, und nicht auf gleichen Ausschub zu beiden Seiten adjustirt sey, wie es noch zuweilen zu geschehen pflegt. Die Gewohnheit den Voreilungswinkel („Vorstellungswinkel“ sagt der Verfasser) = 30° anzunehmen (S. 298), findet der Referent nicht gerechtfertigt, indem es passender erscheint, von einem geeigneten linearen Voreilen auszugehen, z.B. = 1/4 der Canalweite. Bei einem Voreilungswinkel von 30° wird das lineare Voreilen zuweilen übermäßig groß. Seite 305 wird die Bestimmung der Dampfvertheilung mittelst des Zeuner'schen Diagramms gelehrt („Die Schiebersteuerungen“ von Dr. G. Zeuner, 1858). Seite 309 wird ein sehr hübsch construirtes Excentric mit variabler Excentricität behufs Bewegung eines Expansionsschiebers für variable Expansion beschrieben, hierauf dessen sehr einfache Theorie entwickelt, und diese wieder durch eine noch einfachere Construction entbehrlich gemacht. Seite 315 wird das Umsteuern mittelst des losen Excentrics beschrieben. Der Rest der Abhandlung (von S. 319 bis 365) ist den Schleifbogenmechanismen und insbesondere dem Stephenson-, Gooch- und Fink'schen Mechanismus gewidmet.