Titel: Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in Zürich.
Fundstelle: Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XCVII., S. 363
Download: XML
XCVII. Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in Zürich.Der Verfasser hat diese Abhandlung als Beigabe zum Programm des eidgenössischen Polytechnicums veröffentlicht, dessen Director er d. Z. ist.A. d. Red. Bolley's kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der Färberei. Schon bei den frühesten Versuchen der Chemiker, der in diesem Gebiete weit vorausgeeilten Praxis die Unterlage eines wissenschaftlichen Princips zu geben, haben sich zwei Fragen als unabweislich eingestellt: 1)An welcher Stelle der Faser haftet der Farbstoff? An ihrer Oberfläche? Ist er durch ihre ganze Masse hindurchgedrungen, also bei den Pflanzenzellen (Baumwolle und Leinwand) in die Zellwände? Oder endlich, ist er bei diesen hohlen Fasern in den Schlauch einfiltrirt und dort abgelagert? 2) Findet zwischen dem Pigment und der Faser, die damit gefärbt worden ist, eine chemische Verbindung statt oder ist die Farbenfixirung lediglich auf Flächenanziehung zurückzuführen? Es liegt vor Augen, daß ein sicherer Aufschluß über die erste dieser Fragen vieles Licht auch über die zweite verbreiten müßte, und zugleich ist damit der Weg angedeutet, auf welchem vorzuschreiten war, um zur gesuchten Erkenntniß zu gelangen. Man hat von Seite des chemischen Experiments wie von der der mikroskopischen Beobachtung die Sache angegriffen, keineswegs aber, weder in der einen noch der andern Weise in erschöpfendem Maaße. Derartige speciell auf den Gegenstand gerichtete Untersuchungen sind überdieß erst in neuern Zeiten gemacht worden, früher begnügte man sich zur Erklärung der fraglichen Erscheinungen lediglich mit inductiven Methoden. Es gibt mehrere auf diesem Wege entstandene Theorien des Färbeprocesses, die einander in allen ihren Theilen aufs vollständigste widersprechen; keine derselben beachtet die zahllosen Instanzfälle, auf die man bei genauer Sichtung der Thatsachen stößt, und die sich in dem Maaße vermehren, als man den Dingen genauer nachforscht. Es ist unerläßlich, die Grundzüge der verschiedenen Erklärungsweisen hier vorauszuschicken, um die aus der Erweiterung der Kenntniß des positiven Thatbestandes hervorgehenden Berichtigungen derselben, ohne allzu viele Wiederholungen am Schlusse der Abhandlung darlegen zu können. PersozPersoz, Traité théorique et pratique de l'impression des tissus vol. II p. 126 ff. macht eine verdienstliche Zusammenstellung wenigstens der ältern theoretischen Lehren über diesen Gegenstand. Es ist für unsern Zweck völlig ausreichend, die wesentlichsten Züge einiger derselben, so weit sie sich in der genannten Quelle finden, dieser zu entnehmen. Am frühesten fand die Ansicht ihre Verfechter, daß wir es in der fraglichen Gruppe von Erscheinungen mit Adhäsion zu thun haben. Hellot meint, das Färben der Wolle z.B. beruhe darauf, daß man den Farbstoff in möglichst zarter Vertheilung in die Poren der Wollfaser einzuführen habe, und daß der Unterschied zwischen Aechtfärbigkeit und Falschfärbigkeit darin beruhe, daß im erstem Falle durch „eine adstringirende Substanz“ die gefärbte Faser gleichsam eingehüllt werde, so daß von Außen die gewöhnlichen Agentien: Licht, Wasser u.s.w. nicht zu dem Farbstoff gelangen können, während beim Mangel einer solchen Hülle unächte Farben entständen. An einem andern Orte sagt er: die Poren müßten gereinigt, geöffnet, gefüllt und wieder geschlossen werden, damit darin der Farbstoff festgehalten werde wie der Diamant in seiner Fassung. Er kennt die Bildung von Lacken beim Zusammenbringen gewisser Erd- oder Schwermetallsalze, und meint, wenn man die Feinheit dieser Lacke beliebig so einrichten und die Poren der Faser weit genug öffnen könne, daß die ersteren sich in die letzteren einlagern könnten, so wäre dem Fehler der Falschfärbigkeit abgeholfen. Dieser allzu plastisch gehaltenen Vorstellungsweise, die sich auf den ersten Blick als höchst unklar und in sich selbst widerspruchsvoll erweist, ist bald eine etwas mehr ausgeführte von Le Pileur d'Apligny gefolgt. Er bespricht die Fähigkeit der Wolle, Seide, Baumwolle und Leinwand Farbstoffe aufzunehmen in einer Weise, daß man seine geläuterte Bekanntschaft mit der Färbetechnik deutlich daraus ersieht. Die (übrigens nur unter gewissen Bedingungen richtige) Beobachtung, daß die Wolle in einer Cochenilleabkochung von bestimmter Stärke sich tiefer färbe als Seide, und diese wieder intensiver als Baumwolle, führt er auf die Ursache zurück, daß die Poren der Wolle größer seyen, um den Farblack (den der Farbstoff der Cochenille mit Zinnchlorid bildet) aufnehmen zu können, während die Seide mit engern Poren es nicht könne, und Baumwolle wie Leinwand aus dem gleichen Grunde noch weniger. Persoz ist wohl der erste, der die Ansicht, das Fixiren der Farben bestehe in einer Flächenanziehung, in durchaus wissenschaftlicher Weise, und ohne das täuschende Spielzeug willkürlicher Vorstellungen von der Constitution der Fasern verficht. Die Grundgedanken seiner Anschauungen sind die folgenden: Alle Anziehungserscheinungen lassen sich in drei Gruppen bringen. Die erste umfaßt solche, deren Resultat wir chemische Verbindungen nennen; dieß sind Juxtapositionen von Atomen oder Atomgruppen, die unter gleichzeitiger wesentlicher Veränderung der physikalischen Eigenschaften des Products, verglichen mit jenen der Componenten, stattfinden. Die zweite Reihe sind unmittelbare Juxtapositionen von Atomen oder Atomgruppen, solche Nebeneinanderlagerungen, die nur stattfinden können, wenn die Form und Größe der Atome es zulassen; diese Reihe umfaßt das, was man gewöhnlich Cohäsionserscheinungen nennt. Persoz Ausführlicher in seinem Werke: Introduction à l'etude de la chimie moléculaire, Strasbourg 1839, – in welchem viele treffliche, zum Theil später von Andern erfolgreich weiter ausgearbeitete Ideen zur Molecularchemie, z.B. die vom Atomvolum starrer und flüssiger Körper niedergelegt sind. setzt auseinander, wie die beiderlei Erscheinungen, die man gewöhnlich als höchst verschieden von einander bezeichnet, sich sehr nahe kommen. Die dritte Gruppe von Anziehungserscheinungen, weniger genau verfolgt, steht von jeder der beiden vorigen ferner als diese unter sich, und sie umfaßt: die Anziehung von Gasen und porösen Körpern; die Verbindung von Gasen unter Gegenwart poröser Körper (Contactwirkungen); die Absorptionsfähigkeit gewisser Gase in Wasser; die Abscheidung farbiger Substanzen aus ihren Lösungen durch Kohle; die zerlegende Wirkung von Kohle auf gelöste Salze. Die diesen einleitenden Betrachtungen folgende Frage: in welche der drei Reihen gehört nun die Fixirung der Farben auf den Zeugen und Garnen? wird in folgender Weise beantwortet. Man hat beim Färbeproceß zwei Stadien zu unterscheiden: 1) Das Unlöslichwerden des Farbstoffes. Dieß geschieht entweder durch chemische Veränderung die das Pigment an sich erfährt (Oxydation wie Eisenoxydul und Indigweiß), oder Fällung (Safflor), oder Verdunstung des Lösungsmittels (Schwefelarsen aus ammoniakalischer Auflösung) – alles Beispiele sogenannter substantiver Farbstoffe – oder durch Erzeugung salzartiger chemischer Verbindungen (Lacke), worin das Pigment den einen Bestandtheil ausmacht – das Färben mit Beizen und den sogenannten adjectiven Farbstoffen. Kein Zweifel, daß diese Vorgänge sämmtlich in die Reihe chemischer Anziehungen gehören. 2) Ein anderes Stadium aber ist das Haftendmachen der unlöslich gewordenen Pigmente an der Faser. Diese Erscheinungen reiht Persoz in die zweite Gruppe der Anziehungen, das heißt er erklärt sie für Flächenanziehungen.Seine Worte sind: Selon nous, cette adhérence des couleurs est due à une juxtaposition immédiate, la matière colorante se déposant, non dans les pores des brins de coton, de laine et de soie, mais à leur surface, qui, ainsi qu'on peut s'en assurer au microscope, se compose de facettes, assez semblables pour la laine aux écailles de poisson. Man bemerkt, daß hiermit zugleich mit der zweiten der Eingangs erwähnten Fragen, um die sich die Untersuchung dreht, auch die erste in sehr unzweideutiger Weise beantwortet ist. Die von Persoz für seine Ansicht angeführten, der Praxis entnommenen Beweismittel werden von ihm gleichzeitig gegen eine von Walter Crum aufgestellte Theorie der Baumwollfärberei gebraucht. Wir wollen deßhalb von dieser ebenfalls eine kurze Skizze geben, bevor wir die Argumentation von Persoz darlegen. Nach W. Crum Ueber die Art, in welcher Baumwolle sich mit Farbstoffen verbindet, im polytechn. Journal Bd. XCII S. 130. wäre die Gestalt der Baumwollfaser die, daß die Zelle im reifen Zustande ihrer ganzen Länge nach zusammengedrückt, die beiden Ränder aber röhrenförmig hohl und erhaben geblieben wären. Er beruft sich auf die mikroskopischen Beobachtungen von Thomson zu Clitheroe und von Bauer (die aber, wie alle neueren Forschungen beweisen, unrichtig sind), und stellt sich die Sache so vor, daß die Beize durch seitliche Poren in diese Canäle eindringe, dort sich zersetze und eintrockne, und daß die später dargebotene Farblösung den gleichen Weg mache, um mit der Beizbasis einen Lack zu bilden. Der bei der Baumwollfärberei so häufig vorkommenden und nöthig gefundenen Arbeit des Waschens weist er den Zweck zu, daß dadurch alle äußerlich an der Faser anhängende Beize entfernt werde. Er zieht zum Schlusse eine Vergleichung zwischen dem Anziehungsvermögen der Kohle gegen Farbstoff- und Salzlösungen, und erklärt verschiedene Färbeoperationen, namentlich die welche der Beize entbehren können, als zurückführbar auf eine Rolle der Faser, die derjenigen der Kohle analog sey. Persoz fragt sehr richtig: wie soll das Färben der Faser beim Zeugdruck, wo das Pigment mit einem Klebmittel verdickt ist, nach W. Crums Theorie erklärt werden? Man könne doch wohl nicht annehmen, daß die dickliche Masse in die Poren eindringen und die Luft in dem röhrenförmigen Raume austreiben werde. – Küpenblau zu färbende Stoffe werden häufig vorher mit einem dicken Appret von Stärkekleister und Kupfervitriollösung versehen; es ist daher unmöglich daß das Indigblau in die Seitenschläuche der Zelle eingelassen werde. Der Proceß des sogenannten Enlevage- oder Aetzdrucks wäre schwer begreiflich, wenn die Färbung im innern Hohlraume der Baumwolle und nicht äußerlich stattfände. Beim Färben in der Indigküpe wie beim Nankingfärben kann man leicht die Beobachtung machen, daß durch wiederholtes Eintauchen und Trocknen die Indigo- oder Eisenrostschichte immer mehr zunimmt. – Ein Stück küpenblau gefärbtes Baumwollzeug wurde wochenlang in reines fließendes Wasser eingelegt und man fand es zuletzt beinahe ganz entfärbt. – Wie sollte es kommen, daß ein satt rothgefärbter Stoff, das hieße nach W. Crum ein solcher, an welchem die Zellen vollständig angefüllt sind, durch Bedrucken mit Blau ein tiefes Schwarz, und durch Bedrucken mit Gelb ein Orange liefere? – Durch diese Einwürfe macht es Persoz plausibel, daß die Färbung auf der Oberfläche geschehe. Dufay hat schon 1737 und Bergmann 1776 eine der obigen ganz entgegengesetzte Meinung ausgesprochen; ihnen folgte später Macquer (1778), Berthollet und endlich Chevreul. Die ganze Reihe dieser Forscher, unter welchen wir die glänzendsten Talente ihrer Zeit finden, hält die Verbindung der Pigmente (und Lacke) mit den Fasern für eine chemische. Die Eigenschaft der Wolle, sich besser als Seide, und diejenige dieser, sich besser als Baumwolle und Leinwand färben zu lassen, wird den verschiedenen Graden chemischer Verwandtschaft, den diese Fasern zu den Farbstoffen haben, zugemessen. Wir dürfen nicht unterlassen, den Darlegungen der Ideen und Versuche Chevreul's, die Persoz ganz unerwähnt läßt, genauer zu folgen. Dieselben finden sich in der Abhandlung: Allgemeine Theorie der Färbekunst.Dictionnaire technologique T. XXI p. 365; polytechn. Journal Bd. LIV S. 343. Er hebt im Eingang der manches Lehrreiche enthaltenden Abhandlung hervor, daß der Gegenstand der Färberei der sey: auf den verschiedenen Fasern gefärbte Körper anzubringen, welche sich darauf durch die chemische Verwandtschaft und nicht mechanisch befestigen. Die unser Thema berührende Partie der Abhandlung zerfällt in sechs Abtheilungen, worin von zahlreichen eigenen Beobachtungen und Versuchen berichtet wird. 1) Das Verhalten der vegetabilischen und thierischen Fasern, als ternärer und quaternärer Verbindungen zu den Grundstoffen ist, wie zu erwarten, das, daß letztere sich ungern und in geringer Menge mit ersteren verbinden. 2) Die Säuren verhalten sich nach Chevreul's Versuchen in folgender Weise: Eine Flüssigkeit, die 1 Gramm Schwefelsäure mit Wasser auf 10 Kubikcentimeter verdünnt enthielt, gab an Wolle und Seide, die damit digerirt wurden, Säure ab, da die abgegossene saure Flüssigkeit sich weniger sauer erwies. Bei Baumwolle hat sich das entgegengesetzte Resultat gezeigt, d.h. die Faser hatte Wasser aufgenommen und eine stärkere Säure zurückgelassen. Das Verhalten der Chlorwasserstoffsäure wurde nur gegen Wolle geprüft. Eine Lösung, die in 10 Kubikcentimeter 1,1628 Gram. Cl H enthielt, hat an Wolle Säure abgegeben. Die Säuren können aus den Fasern wieder durch längeres Auswaschen entfernt werden. 3) Von den Basen berichtet Chevreul: Bittererde und Kalk können sich mit der Wolle verbinden, über die Art des Zusammenbringens ist nichts gemeldet. Eisenoxydhydrat, in Wasser vertheilt, färbte nach einem Jahr in verschlossenen Flaschen Wolle und Seide, aber nicht Baumwolle. 4)Salze, mit Fasern zusammengebracht, liefern vier Möglichkeiten: a. Keine Einwirkung: ein Fall der unentschieden gelassen, von dem aber bezweifelt wird, ob er je vorkomme.b. Es können sich die Salze in ihrer Zusammensetzung unverändert mit den Stoffen verbinden. Kaliumeisencyanid soll, sich aus einer verdünnten wässerigen Lösung abscheidend, mit Wolle und Seide sich verbinden, und aus diesem Verhalten wird abgeleitet, daß dasselbe bei vielen Salzen der Fall seyn werde. Es wird der Versuch von Thenard und Roard angeführt, daß Alaun sich mit den Fasern (welchen?) verbinde und aus ihnen wieder ausgewaschen werden könne.c. Ein anderer Fall ist die Aufnahme eines basischen Salzes aus einem neutralen und das Zurücklassen eines sauren. Eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd, mit Seide zusammengestellt, färbt diese nach kurzer Zeit rostfarben, was von Ablagerung eines schwer löslichen basischen Salzes herkommt. Chevreul hebt ausdrücklich hervor, daß diese Zersetzung nur der chemischen Verwandtschaft der Seide zum basischen Eisensalze zugeschrieben werden könne. Das Anziehungsvermögen der Seide zu dem basischen Salze ist größer bei einer gewissen Concentration, kleiner in verdünnter Lösung: bei zu starker Concentration nimmt aber die Ausscheidungstendenz des basischen Salzes eher wieder ab. Verschiedene Eisensalze werden um so mehr basisches Salz abgeben, je größer ihre Neigung ist, basische Salze zu bilden.d. Die letzte Möglichkeit ist, daß nur einer der beiden Bestandtheile eines Salzes, die Säure oder die Basis fixirt wird. Es soll nach Thenard und Roard die Wolle den Weinstein zersetzen, indem sie sich mit Weinsäure und etwas unzersetztem Salze verbinde und neutrales weinsaures Kali zurücklasse. Baumwolle in essigsaure Alaunerde getaucht, getrocknet, dann mit heißem Wasser gekocht, soll lediglich Alaunerde zurücklassen. 5) Ist die Rede von der Wirkung der Faser auf die neutralen, nicht salzartigen, binären, ternären etc. Verbindungen. Verbindungen unorganischer Natur, die hieher gezählt werden müssen, sind die Schwefelmetalle, die entweder aus ammoniakalischer Lösung durch Verdunsten des Ammoniaks, oder in Lösung eines fixen Alkalis durch Nachbehandlung mit einer Säure, oder durch Beizen in einem Metallsalz und passiren durch Schwefelkaliumlösung niedergeschlagen worden. Die organischen Farbstoffe endlich werden noch in ihrem Verhalten bei directem Zusammenkommen mit der Faser betrachtet. Es wäre völlig nutzlos, die Mittheilungen, die in dieser Beziehung gemacht sind, zu wiederholen. Die Erfahrungen, die man seit dem Jahre 1833, in welchem der Aufsatz geschrieben seyn mag, über die organischen Farbstoffe gemacht hat, haben so wichtige Veränderungen in diesem Gebiete der organischen Chemie hervorgebracht, daß das Wenigste aus Chevreul's Abhandlung noch auf der Höhe unserer Kenntnisse steht. Eben so wenig erheblich sind die Betrachtungen in der Abtheilung: 6) der Abhandlung: Wirkung der Fasern, der basischen Säuren oder salzartigen Verbindungen und der organischen Pigmente, d.h. also Ueberblick der Verhältnisse, die sich ergeben bei gleichzeitigem Zusammentreffen von Beize, Faser und Pigment. Es werden in den beiden letzten Abtheilungen zudem ganz bekannte Erscheinungen aus der Praxis der Färberei berichtet, die zu den Beweisen, daß wir es mit chemischen Verbindungen zu thun haben, so viel als nichts beitragen. Auf Chevreul's Ansichten und Arbeiten werden wir später noch zurückkommen müssen. Es ist nun noch über drei verschiedene Arbeiten, die das Verdienst der beobachtenden Methode für sich haben, in ihren hauptsächlichsten Ergebnissen zu berichten, um so mehr, als dieselben noch nirgends im Zusammenhang mit einer allgemeinen Theorie der Färberei besprochen worden sind. A. Oschatz Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Nr. 1–11; im polytechn. Journal Bd. CX S. 342. lieferte im Jahre 1848 eine sehr beachtenswerthe Abhandlung: Ueber den Bau der wichtigsten, technisch verwendbaren Faserstoffe,“ an deren Schluß sich eine kurze Betrachtung: Mikroskopische Grundlagen zur Theorie des Färbens findet. Die Folgerungen, die er aus seinen Beobachtungen zieht, sind, in seinen eigenen Worten ausgedrückt, die folgenden: „Wenn man feine Querschnitte gefärbter Fasern herstellt und diese der mikroskopischen Prüfung unterwirft, sieht man, daß die ganze solide Substanz der Fasern gleichmäßig gefärbt ist. Die selbst bei der Baumwolle verhältnißmäßig beträchtliche Stärke der Wandung läßt darüber auch bei dieser keinen Zweifel übrig. Daß indessen, namentlich bei türkischrother Baumwolle, die äußerste Schicht der Wandungen mitunter eine größere Intensität in der Färbung zeigt, ist nicht in Abrede zu stellen, wogegen bei Wolle und Seide die ganze Fläche des Querschnittes die größte Gleichförmigkeit zeigt. „Es ist somit den fernerhin aufzustellenden Theorien über die Färberei durch Feststellung dieser durchgängigen Thatsache, von der mall sich auf dem angegebenen Wege leicht überzeugen kann, wenigstens ein sicherer Ausgangspunkt gegeben. Eine Ausscheidung von Farbenpartikeln, die etwa durch die ganze organische Substanz vertheilt wären, ist hier eben so wenig, selbst nicht bei den stärksten Vergrößerungen wahrzunehmen, wie die Kalksalze in der organischen Grundlage der Knochen sich gesondert erkennen lassen, oder die Kieselsäure in den Zellenwandungen des Schachtelhalms und der Gräser. Wenn man daher nicht eine chemische Verbindung der Farbstoffe mit der Substanz der Fasern annehmen will, so ist man genöthigt vorauszusetzen, daß die ausgesonderten Partikeln so klein und so gleichmäßig vertheilt sind, daß sie selbst der stärksten Vergrößerung sich noch entziehen.“ VerdeilComptes rendus, Dec. 1858 Nr. 24; polytechn. Journal Bd. CLI S. 204. übermachte im December 1858 der französischen Akademie der Wissenschaften eine Mittheilung über die Färbung der Zeugfasern thierischen und vegetabilischen Ursprungs,“ deren Inhalt sich im Folgenden zusammenfassen läßt: 1) Es sind Wolle, Seide und Baumwolle mittelst Durchdringung gefärbt. Sie erscheinen unter dem Mikroskop gleichmäßig mit Farbe imprägnirt und durchsichtig. Eine Ausnahme bilden die mit chromsaurem Bleioxyd oder mit Chromoxyd gefärbten Stoffe, denn diese sind zum Theil mittelst Ablagerung des Farbstoffs auf der Oberfläche der Faser, zum Theil mittelst Durchdringung gefärbt. In einigen ausnahmsweisen Fällen ist die schwarzgefärbte Seide durch eine der Faser wenig anhaftende Kruste gefärbt; diese Hülle zerbricht und zeigt die Faser gleichmäßig mittelst Durchdringung gefärbt. Abgesehen von diesen eigenthümlichen Fällen sind die gefärbten Zeugfasern stets mittelst Durchdringung des Farbstoffs und durch seine innige Vereinigung mit der Substanz der Faser gefärbt. 2) Die Verfahrungsarten, welche man in der Praxis zum Färben der Stoffe anwendet, sind nach der Natur der Gewebe verschieden. Während nämlich die Fasern thierischen Ursprungs, Wolle und Seide, sich der Farbstoffe bemächtigen, die in einem Färbebad aufgelöst sind, welches ein Metallsalz als Beize enthält, wird dagegen der Holzstoff unter denselben Umständen keine Spur von Farbe fixiren. Damit Baumwolle, Flachs oder Hanf sich so färben können, daß weder das Waschen mit Wasser noch das Reiben die Farbe beseitigt, muß nothwendig der Farbstoff, nachdem er die Substanz der Faser durchdrungen hat, unauflöslich gemacht worden seyn. Die Wolle und die Seide scheinen hingegen eine wirkliche Verwandtschaft zu den mit den Beizen gemischten Farbstoffen zu besitzen. 3) Fand er, daß Wolle und Seidenstoffe, mit Lösungen von Thonerde-, Eisen- und Zinnsalzen zusammengebracht, die Eigenschaft besitzen, eine gewisse Menge von der Basis der Beize zu fixiren. Die kleine Zusammenstellung ist folgende: Wolle, gebeizt mit Alaun, enthielt in 100 Theilen 0,75 Asche deßgleichen 0,72     „ schwefelsaurer Thonerde 0,86     „ Alaun und Weinstein 1,12     „ essigsaurem Eisen 0,75     „ Zinnchlorid 1,25     „ Seide, gebeizt mit essigsaurer Thonerde 0,50     „ essigsaurem Eisen 1,00     „ Alaun 0,40     „ Es hat endlich O. Maschke Journal für prakt. Chemie von Erdmann und Werther, Bd. LXXVI S. 37. eine Abhandlung bekannt gemacht, deren Tendenz zwar nicht ist, eine Theorie der Färberei zu geben, in der aber Beobachtungen aufgezeichnet sind, die so sehr in die vorliegende Frage einschlagen, daß wir sie nicht unberührt lassen dürfen. Die Abhandlung führt den Titel: „Pigmentlösung als Reagens bei mikroskopisch-physiologischen Untersuchungen.“ Im Eingang werden die erheblichsten Resultate aus den Untersuchungen Hartig's, über die Einwirkung gewisser Pigmente auf die Zellkernmasse, zusammengestellt. Der für unsere Zwecke allein wichtige Satz Hartig's betrifft die Erklärung der Erscheinung, daß der Zellkern Pigmente anziehe. Maschke gibt Hartig's Meinung in folgender Redaction. Auch für Maschke's eigene Erklärung dieser Beobachtungen bedienen wir uns seiner eigenen Worte. „1) Carmin sey keineswegs der einzige Farbstoff, der von dem Chlorogen (Kernmasse) des Zellkernes aufgenommen werde; ein Gleiches geschähe mit dem Safte von Phytolacca decandra, mit Lackmus, Gummigutt, Kupfervitriollösung, Zinnober, Tinte. „2) Das Chlorogen habe er als Pflanzenleim und Eiweiß erkannt und ebenso bestehe der Kleber des Weizens aus denselben Bestandtheilen, deren jeder einzelne die Eigenschaft der Farbenaufspeicherung zeige. Auch das thierische Eiweiß (aus Eiern), die Faserbündel der Hausenblase vor und nach ihrer Auflösung in Leim, ferner das stickstoffreiche Klebermehl der übrigen Sämereien und die stickstofffreien Schleimschichten der Gummi-Traganth Zellen und anderer schleimiger Zellwandungen (Entwickelungsgeschichte des Pflanzenkeims von Hartig S. 6) besäßen ein gleiches Verhalten gegen Farbstoff. „3) Von einer chemischen Reaction könne keine Rede seyn, aber auch nicht von einer einfachen Färbung oder Durchdringung, da die geringste kaum wahrnehmbare Beimengung zum Zellsaft das Chlorogen und nur dieses färbe, nicht die Zellhäute und Zellsäfte, in die es eingeschlossen sey. Die Färbung trete schon nach einigen Secunden ein und steigere sich nach wenigen Minuten zur gesättigten Färbung. „4) Es lasse sich die ganze Erscheinung wohl nicht anders erklären, als durch die Annahme eines außerordentlich raschen Durchganges der umgebenden Flüssigkeit durch die Chlorogenmasse, wie durch einen Filtrirapparat, wobei dann der in dieser Flüssigkeit gelöste Farbstoff in ihr zurückbleibe und in Folge dessen sich anhäufe. „5) Unter den verschiedenen in Anwendung gebrachten Farbstoffen behalte Carminlösung den Vorzug, weil die gefärbten Objecte trotz tiefer Röthe noch durchscheinend genug bleiben. „Wenn die unter 1) aufgeführten Beobachtungen Hartig's vollständig richtig wären, so hätte seine Ansicht über die Färbung des Zellkernes wenig Befremdendes, namentlich in Anbetracht seiner schon vor längerer Zeit aufgestellten Theorie über die physiologische Bedeutung dieses Centralorgans. „Es ist aber leicht nachzuweisen, daß die stickstoffhaltigen Bestandtheile der Zelle durch Pigmente sich leicht färben, wenn sie nur im vertheilten Zustande dargeboten werden, wie das beim Zinnober z.B. nur der Fall seyn kann. „Wenn lösliche Pigmente allein zur mikroskopischen Färbung geeignet sind, so liegen hier offenbar dieselben Verhältnisse, wie beim Färben der Wolle und Seide im Großen, vor: stickstoffhaltige Substanzen und Farbebäder. Man weiß nun schon lange, daß die Pigmente zur Substanz der Wolle und Seide in einer chemischen Verwandtschaft stehen; auch ist es bekannt, daß gewisse Farbestoffe, z.B. Indigo, die man deßhalb substantive Farben nennt, eine so große Verwandtschaft besitzen, daß selbst die Anwendung von Mordants überflüssig wird; es ist demnach nichts natürlicher, als daß man etwas Aehnliches auch bei den mikroskopischen Färbungen vermuthet und die am Zellkern durch irgend ein Pigment entstehende Farbenreaction einfach durch die chemische Verwandtschaft zwischen der Substanz des Zellkernes und dem angewandten Pigmente erklärt. „Daß hierbei in der That die chemische Verwandtschaft im Spiele sey, geht a priori schon daraus hervor, daß andere körnige oder bläschenartige Gebilde der Zelle, die in morphologischer Hinsicht ganz ähnliche Verhältnisse darbieten, aber von anderer chemischer Constitution sind, sich nicht mit Pigmenten zu verbinden im Stande sind; noch klarer wird die Richtigkeit dieser Ansicht sich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit bei den einzelnen Stoffen herausstellen. „Allein so ganz und gar ohne Wirksamkeit scheint mit die physikalische Beschaffenheit des zu färbenden Stoffes nicht zu seyn; außer der chemischen Anziehung ist sicherlich in einigen Fällen auch die Flächenanziehung, wie wir sie bei der Kohle und dem Platin kennen, thätig, so daß die Wirkungen der ersteren durch die der letzteren um ein Bedeutendes erhöht werden. „Ich habe nun die folgenden Versuche vorläufig darauf gerichtet, diejenigen physiologisch wichtigen Substanzen zu ermitteln, denen die farbeanziehende Kraft inne wohnt; da es aber aus der Färberei bekannt ist, daß stickstoffhaltige Substanzen, wie Wolle und Seide, sich vorzugsweise zum Färben eignen, so habe ich mit dieser Gruppe, oder vielmehr mit der Gruppe der Proteinsubstanzen, die Reihe meiner Versuche begonnen.“ Maschke theilt auch eine Reihe eigener Beobachtungen mit, aus welchen wir nur einiges für uns Bemerkenswerthes herausheben. Ueber die Hornsubstanz z.B. sagt er: „Die Farbenanziehung der Hornsubstanz ist durch die Kunst der Färberei bekannt; desto mehr mußte es mich überraschen, als ich bei wiederholt und auf die sorgsamste Weise ausgeführten Färbeversuchen kaum eine Andeutung von Färbung unter dem Mikroskope erhielt, selbst wenn die mit Aether behandelten Haare oder die Wolle viele Stunden lang in einem Farbebade gelegen hatten; nur an ihren Schnitt- oder Bruchstellen wurde nach längerer Einwirkung die Färbung sichtbar, oder da, wo durch Druck oder Reibung das Oberhäutchen des Haares in der Weise entfernt worden, daß die Rindensubstanz der Einwirkung des Pigmentes bloß lag. „Dieser Widerspruch löste sich jedoch sofort, als ich das Object unter dem Deckgläschen in der Farbelösung stark erwärmte; alsdann sieht man die Färbung von den Schnittflächen der Haare ausgehen, dann an den Haarspitzen auftreten und von hier sich über die ganze Länge der Haare herabziehen. Es scheint demnach, daß diese Eigenthümlichkeit daraus entspringt, daß das Oberhäutchen sich dem Eintritt der Pigmentlösung hartnäckig widersetzt, und daß dieses sowohl, wie die Rindensubstanz in wässerigen Flüssigkeiten bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr langsam aufzuquellen vermag.“ Endlich wird auch der Cellulosegruppe gedacht und darüber Folgendes berichtet: „Diese Stoffe, sämmtliche Cellulose (und auch die Substanz wohl sämmtlicher Schlauch- oder Bläschenmembranen, die ich für Korksubstanz zu halten geneigt bin, d.h. für dieselbe Substanz, aus der die Kartoffelschalen und die Cuticula der Pflanzen bestehen), ferner Amylum, Zucker, Schleim, gaben durchaus negative Resultate;“ und am Schlusse heißt es: „Wir haben also zwei Gruppen von organischen Körpern, von denen die eine sich mit Farbstoffen verbindet, während die andere nichts derartiges unter dem Mikroskope erkennen läßt; beide Gruppen gewinnen dadurch an Bedeutung, daß zu der einen sämmtliche Glieder der Proteinfamilie, während zu der anderen die der Cellulose-Familie gehören, und daß fast alle Glieder dieser Familien beinahe ausschließlich den Pflanzenkörper zusammensetzen.“ Es geht aus dieser Zusammenstellung aufs deutlichste hervor, daß über die beiden Eingangs erwähnten Fragen, um welche sich die Untersuchung dreht, durchaus keine Uebereinstimmung unter den verschiedenen Autoren herrscht. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)