Titel: Kleine Beiträge zur Gährungschemie, insbesondere zur Chemie und Technik des Weines; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag.
Autor: Ernst Friedrich Anthon [GND]
Fundstelle: Band 153, Jahrgang 1859, Nr. CII., S. 385
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CII. Kleine Beiträge zur Gährungschemie, insbesondere zur Chemie und Technik des Weines; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag. (Fortsetzung von S. 314 des vorhergehenden Heftes.) Anthon, Beiträge zur Chemie und Technik des Weines. IV. Ueber den Einfluß der freien Säure in den Beerensäften auf deren Vergährung. Ueber den Einfluß der in den Obstsäften enthaltenen freien Säure auf den Verlauf der weinigen Gährung sind die Ansichten sehr getheilt. Durch die unter I angeführten Versuche habe ich nachgewiesen daß ein Zusatz von Weinsteinsäure, wenigstens bei den Säften des gewöhnlichen Beerenobstes, einen nachtheiligen Einfluß auf den Verlauf der Gährung ausübt. Um mich auch zu überzeugen, ob es mit der in diesen Säften schon von Natur aus vorhandenen Säure eine gleiche Bewandtniß habe, stellte ich folgende Versuche an. Erster Versuch. Zu 16 Gewichtsth. einer Traubenzuckerlösung von 26 Proc. setzte ich 3 Gewichtsth. Saft von halbreifen Johannisbeeren, worauf die Mischung 23 Proc. am Saccharometer zeigte. Diese Mischung ließ ich bei einer Temperatur von 20–27° R. vergähren. Nach vier Wochen fand keine weitere Abnahme der Dichte statt und es zeigte jetzt die Flüssigkeit 12 1/2 Proc. Saccharometer. Zweiter Versuch. Dieser Versuch wurde gleichzeitig mit denselben Stoffen und unter sonst gleichen Umständen und nur mit dem Unterschiebe angestellt, daß dem Johannisbeerensaft vor seinem Zusatz zur Zuckerlösung durch kohlensauren Kalk alle freie Säure entzogen und der Saft dann filtrirt worden war. Nach fünf Wochen war die Gährung beendigt und die Vergährung bis auf 7 1/2 Proc. Saccharometer vorgeschritten. Eingetreten war die Kohlensäureentwickelung bei beiden Versuchen zu gleicher Zeit und durch 14–16 Tage auch die Gährung ganz gleich verlaufen, von welcher Zeit an aber die Vergährung beim zweiten Versuch immer mehr, bis zu ihrer Beendigung, den Vorsprung gewann. Dritter Versuch. Zu 16 Gewichtstheilen Traubenzuckerlösung von 23 Proc. wurden 3 Gewichtsth. Saft von unreifen Stachelbeeren gemischt, wodurch der Gehalt auf nahe 21 1/4 Proc. Saccharometer sank, und diese Mischung bei 18–27° R. der Gährung unterworfen. Als dieselbe nach sechs Wochen beendigt war, zeigte die Flüssigkeit 3 Proc. Saccharometer. Vierter Versuch. Dieser mit dem dritten Versuch gleichlaufend und in ganz gleicher Weise – nur mit dem Unterschied – angestellte Versuch, daß der angewandte Stachelbeerensaft vorher mit überschüssigem kohlensauren Kalk von seiner freien Säure befreit und dann filtrirt worden war, lieferte folgendes Resultat. Die Gährung war schon vor Ablauf von sechs Wochen beendigt und zeigte die Flüssigkeit 0 am Saccharometer. Aus diesen vier Versuchen ergibt sich sonach auf das Deutlichste, daß die in Johannisbeeren und Stachelbeeren vorhandene natürliche Säure eben so hemmend auf den Verlauf der weinigen Gährung wirkt, als wie ein Zusatz von Weinsteinsäure, und daß die Säfte der genannten Beeren viel vollständiger vergähren, wenn man sie vorher von der in ihnen enthaltenen freien Säure befreit. V. Ueber das Vergähren mehr oder minder concentrirter Zuckerlösungen. Es ist eine bekannte Sache daß concentrirtere Zuckerlösungen schwerer vollständig vergähren, als schwächere. Gewöhnlich nimmt man an daß hier der Zucker als ein für sich vor Verwesung schützender Stoff, der Gährung hinterlich sey. Dieses mag nun allerdings der Fall seyn, wenn man sehr concentrirte Zuckerlösungen vergähren lassen will – und auch in diesem Fall kann er nur in Bezug auf den Beginn und den ersten Verlauf der Gährung hemmend einwirken, nicht aber auf den späteren Verlauf und die Beendigung der Gährung, weil bis dahin seine Menge schon so vermindert seyn wird, daß sie nicht mehr vor weiterer Zersetzung schützend einwirken kann. Von diesem Zeitpunkt an ist es nicht mehr der vorhandene Zucker, welcher der ferneren Vergährung entgegen wirkt, sondern die größere Menge gebildeten Alkohols, welcher, in dem Verhältniß als sich seine Menge vermehrt, das noch unzersetzte Ferment niederschlägt, wodurch dasselbe wirkungslos verloren geht. Folgende zwei Versuche weisen diesen Einfluß nach. Erster Versuch. Zu 16 Gewichtstheilen Traubenzuckerlösung von 30 Procent wurden 3 Gewichtstheile unreife zerquetschte Stachelbeeren gegeben und bei 20–26° R. vergähren gelassen. Die Gährung war zu Ende als die Flüssigkeit noch 4 Proc. am Saccharometer zeigte. Zweiter Versuch. Eine ganz gleiche Mischung von Stachelbeeren und Zuckerlösung wurde mit 6 Gewichtsth. Wasser verdünnt und in diesem Zustand bei gleicher Temperatur der Gährung unterworfen. – Die Vergährung war hier viel früher eingetreten und so vollständig, daß die Dichte bis weit unter 0 gesunken war. Beim ersten Versuch war der ausgeübte Gähreffect der angewandten Stachelbeeren nur 17,0, während er in der verdünnteren Lösung beim zweiten Versuch 23,3 betrug und wahrscheinlich das Ferment noch gar nicht vollständig erschöpft war. Beim ersten Versuch hatte unverkennbar der größere procentrische Gehalt an Alkohol einen Theil Ferment niedergeschlagen, ehe es seine zersetzende Wirkung ausgeübt hatte, in Folge dessen denn auch die Vergährung bei diesem Versuch unvollständig geblieben. VI. Versuche über die Abnahme des Säuregehaltes beim Reifen der Trauben. Zu diesen Versuchen wurden Weintrauben angewendet, wie sie das vorige Jahr (1858) welches dem Reifen derselben günstig war, geliefert hat. A. Versuche mit dem Trollinger. Säuregehalt.     Am 15. August ganz unreif 31,0 pro mille     Am 30.     „        „       „ 31,5     „     Am 11. September noch ganz unreif; nur einzelneBeeren zeigten auf der Sonnenseite bereits etwas Farbe 28,0     „     Am 23. October im reifen Zustand 13,0     „     Am 4. November deßgl. 13,0     „ B. Versuche mit der Burgundertraube. Säuregehalt.     Am 15. August im ganz unreifen Zustand 34,5 pro mille     Am 30.     „       „     „        „           „ 34,0    „     Am 11. September. Die Trauben bereitsblauroth, einzelne Beeren schon dunkelblau und weich,viele Beeren dagegen auf der Schattenseite noch mehroder weniger grün 17,5    „     Am 15. October im gut ausgereiften Zustand 12,0    „     Am 23.     „         „    „         „               „   9,0    „     Am   4. November    „         „               „   9,0    „ C. Versuche mit weißem Gutedel.     Am 15. August im ganz unreifen Zustand 34,0    „     Am 30. August. Traube, an welcher die Beerenbereits weich und durchscheinend waren 15,0    „     Traube von demselben Stock, deren Beeren abernoch hart und undurchscheinend waren 24,5    „     Am 11. September. Trauben im bereits genießbaren,aber noch nicht völlig ausgereiften Zustande 11,5    „     Am 15. October. Völlig reife Trauben   6,0    „     Am 23.      „            „        „        „   6,5    „     Am   4. November  „        „        „   7,5    „ D. Jacobi-Traube.     Am 15. August. Der Reife sich nähernd, die meistenBeeren halb blau und halb grün, einzelne Beeren nochganz grün, andere schon ganz blau 22,0    „     Im Wachsthum zurückgebliebene noch ganz unreifegrüne Trauben 32,0    „     Am 30. August im ganz reifen Zustand   9,0    „ Aus dieser Versuchsreihe ersehen wir, daß der höchste vorgekommene Säuregehalt 34 pro mille und der niedrigste 6 pro mille war, beides beim weißen Gutedel. Bei derselben Traube stellte sich noch das auffallende Resultat heraus, daß sie am 15. October 6,0 am 23.     „ 6,5 und am   4. November 7,5 pro mille Säuregehalt zu erkennen gab, wonach man schließen könnte, daß der Säuregehalt vom 15. October an wieder zugenommen habe. Ich halte dieses jedoch für unwahrscheinlich und glaube den Grund dieser Erscheinung in der Annahme zu finden, daß die am 15. October benutzte Traube den höchsten Grad der Reife besessen hat, während die später geernteten, in Folge dessen, daß sie auf schwächlichen und zu stark beschatteten Trieben gewachsen, in dem Ausreifen mehr zurückgeblieben waren. Diese Bestimmungen wurden mit Otto's Acetimeter ohne weitere Umrechnungen vorgenommen. VII. Saftgehalt der Weintrauben und der Trester. Bei einer genauen Bestimmung des Saftgehaltes sowohl, als der in Wasser unauflöslichen Bestandtheile der Weintrauben und der Trester, die ich zu dem Behufe vornahm um den Verlust an Wein kennen zu lernen, der durch Beseitigung der meist nur schlecht ausgepreßten Trester veranlaßt wird, ergab sich folgendes Resultat. Abgebeerte weiße Gutedeltrauben bestehen in 100 Gewichtsth. aus Saft 97,0 Hülsen, Kernen und Zellgewebe   3,0 Abgebeerte blaue Burgundertrauben aus Saft 94,8 Hülsen, Kernen und Zellgewebe   5,2 Blaue Burgundertrauben sammt den Kämmen aus Saft 91,0 Kämme, Hülsen, Kerne und Zellgewebe   9,0 Trester von blauen Burgundertrauben welche sammt den Kämmen vergohren und dann gut ausgepreßt worden sind, bestehen aus Wein 69,6 Kämme, Hülsen etc. 30,4 Es ergibt sich hieraus, wie bedeutend der Verlust an Wein ist, den der Weinbauer durch Wegwerfen der selbst ziemlich gut ausgepreßten Trester in gewöhnlicher Weise erleidet, denn es beträgt derselbe bis 70 Procent vom Gewicht der nassen Trester. Dasselbe gilt in Bezug auf Mostverlust von den Trestern weißer Weine, welche vor der Währung beseitigt werden. (Die Fortsetzung folgt.)