Titel: Ueber Untersuchung der flüchtigen Oele und aromatischen Wasser auf betrügerische Beimengungen; von Dr. Bolley.
Fundstelle: Band 160, Jahrgang 1861, Nr. LXIX., S. 226
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LXIX. Ueber Untersuchung der flüchtigen Oele und aromatischen Wasser auf betrügerische Beimengungen; von Dr. Bolley.Aus dem: Handbuch der technisch-chemischen Untersuchungen. Eine Anleitung zur Prüfung und Werthbestimmung der im gesammten Gewerbswesen oder der Hauswirthschaft vorkommenden und zur chemischen Untersuchung geeigneten Natur- und Kunsterzeugnisse; von Dr. Pompejus Al. Bolley, Professor der technischen Chemie und Vorstand des technischen Laboratoriums am eidgenössischen Polytechnicum in Zürich. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 71 Holzschnitten. Leipzig, 1861. A. Förstner'sche Buchhandlung.“ Die erste, im Jahre 1853 erschienene Ausgabe dieses sehr empfehlungswürdigen Handbuchs der technisch-chemischen Untersuchungen, war schon im ersten Jahre ihres Erscheinens beinahe vergriffen. Bei der Umarbeitung desselben hat der Verfasser sorgsam Alles gesammelt und gesichtet, was die chemische Literatur in der Zwischenzeit für seinen Zweck lieferte. Bei der Wahl der Untersuchungsmethoden waren ihm die Hülfsmittel des Privatlaboratoriums des gebildeten Technikers und die Kenntnisse, welche durchschnittlich auf einer bessern technischen Lehranstalt erworben werden, maaßgebend. Die Titrirmethoden, welche jetzt einen ganz andern Rang in der chemischen Analyse einnehmen als noch vor wenig Jahren, hat er überall, wo sie ihm erhebliche Vortheile vor der Gewichtsanalyse zu bieten schienen, in den Vordergrund gestellt. Neben ihnen sind aber auch die Scheidungs- und Bestimmungsmethoden durch Gewichtsanalyse in ausgedehnterem Maaße berücksichtigt, als in der ersten Auflage. Ueberdieß wurden physikalische Untersuchungsmethoden in größerer Ausdehnung zugezogen als in der früheren Ausgabe.A. d. Red. Bolley, über Untersuchung der flüchtigen Oele und aromatischen Wasser auf betrügerische Beimengungen. Unter den betrügerischen Beimengungen, die bei ätherischen Oelen vorkommen, sind an fremden Substanzen zu nennen hauptsächlich: Alkohol, fette Oele und harzige Materien. Es kommen aber außer diesen beigemengt vor: andere ätherische Oele, wie die wohlfeileren, Terpenthinöl, Rosmarinöl und andere. Betrachten wir zuerst das Verhalten, das die ätherischen Oele im Allgemeinen zeigen, um nachher zu besonderen Fällen überzugehen. 1) Alkohol, wenn er in etwas größerer Menge beigemengt ist, läßt sich erkennen durch Schütteln des Oeles mit Wasser in einer graduirten Glasröhre; nach einiger Ruhe wird sich das Volum des Oeles vermindert, das des Wassers durch Alkoholaufnahme vermehrt haben. Borsarelli schlägt vor, in ein graduirtes Glasröhrchen, zu zwei Drittheilen mit dem Oel gefüllt, nach und nach kleine Stückchen trocknen Chlorcalciums zu werfen, zu verschließen und 4–5 Minuten unter mehrmaligem Schütteln ins Wasserbad zu bringen. Das Chlorcalcium löst sich im Alkohol auf, und entsprechend dem Alkoholgehalt vermindert sich die Oelschichte. Ist nur wenig Alkohol vorhanden, so wird das Chlorcalcium feucht und klebrig. Ist gar keiner in dem Oele enthalten, so bleibt das Chlorcalcium ganz unverändert. Bernoulli empfiehlt anstatt des Chlorcalciums das essigsaure Kali, das in gleicher Weise angewendet sich in Alkohol löst, in reinem ätherischem Oel unverändert bleibt. Man hat auch, z.B. im Bergamotteöl, den Alkohol durch Schütteln mit Olivenöl entdeckt, der Alkohol scheidet sich ab und das ätherische Oel wird von fetten Oelen aufgenommen, die Mischung mit reinem ätherischem Oel geschieht leichter und vollständig. Redwood empfiehlt für Entdeckung des Alkohol in Bittermandelöl Zusatz des doppelten Volums Salpetersäure von wenigstens 1,42 spec. Gewicht zu einer kleinen Probe des Oels. Ist es rein, so findet anfangs keine Reaction der Säure auf das obenauf schwimmende Oel statt, nach 2–3 Tagen aber verwandelt es sich in krystallisirte, gelblich gefärbte Benzoësäure. Enthält es 8 Proc. Alkohol, so tritt sogleich Entwickelung salpetriger Dämpfe ein. Bei Anwendung einer Säure von 1,5 spec. Gew. erfolgt diese Erscheinung auch bei nur 3 Proc. Alkoholgehalt. Oberdörffer entdeckt den Alkoholgehalt ätherischer Oele an der Eigenschaft eines solchen Gemisches, durch Sauerstoffzutritt Essigsäure zu bilden. Der Apparat, dessen er sich bedient, ist das Glühlämpchen. Er gießt 2–3 Drachmen des zu prüfenden Oels auf einen flachen Teller und stellt in die Mitte ein gläsernes Tischchen (den Hals eines Arzneiglases), darauf ein Uhrglas mit 5–10 Gran Platinmohr. Ueber das Ganze stülpt er eine Glasglocke. Ein Streifen Lackmuspapier, über das Uhrgläschen gelegt, wird im Falle eines Alkoholgehaltes bald roth und die Essigdämpfe sind auch durch den Geruch erkennbar. 2) Seifenspiritus läßt sich am starken Schäumen beim Schütteln des Oeles erkennen. Durch Zusatz einer Säure wird ein (zuweilen festes) Fett ausgeschieden. Die unter dem Oele befindliche Flüssigkeit enthält außer der zugesetzten Säure ein Alkali. 3) Fette Oele machen die ätherischen Oele etwas dickflüssig, beim Schütteln bleiben leicht Luftblasen an der Oberfläche der so verfälschten Oele hängen. Ein ätherisches Oel mit der 8fachen Menge Alkohol von 0,823 (40° Baumé) gemischt, löst sich ganz auf; ein Zusatz fetten Oels (mit Ausnahme von Ricinusöl, das in Alkohol löslich ist) gibt sich durch Ausscheidung zu erkennen. Ein mit fettem Oel versetztes ätherisches Oel gibt einen beim Erwärmen nicht wieder verschwindenden Fleck auf weißem Papier. 4) Eine harzige Beimengung bleibt ebenfalls auf dem Papier zurück und wird durch Alkohol davon leicht entfernt, ein fettes Oel nicht. 5) Die Erkennung anderer flüchtiger Oele von geringerem Preise läßt sich oft nicht ganz leicht bewerkstelligen. Es sind zwei Reactionen in neuerer Zeit angegeben worden, mittelst deren sich die flüchtigen Oele in zwei Gruppen scheiden lassen. Bekannt ist es, daß ein Theil derselben sauerstofffrei ist, die größere Zahl aber Sauerstoff enthält. Ob ein Oel zu der einen oder anderen Gruppe gehört, soll sich nach Hoppe auf folgende Weise erkennen lassen. Das Nitroprussidkupfer (erhalten durch Fällen eines löslichen Kupferoxydsalzes mit Nitroprussidnatrium, Sammeln und Auswaschen des Niederschlages auf einem Filter und Trocknen bei 100° C.) ganz gut getrocknet und in ganz geringer Menge – ein Körnchen von Stecknadelkopfgröße – mit einigen Tropfen eines ätherischen Oeles in einem Reagenzgläschen einige Minuten lang gekocht und dann zur Ruhe gestellt, zeigt mit einem sauerstofffreien Oel, namentlich Terpenthinöl, einen grünen oder blaugrünen Niederschlag, das darüber stehende Oel ist aber farblos oder schwach gelb gefärbt. In sauerstoffhaltigen Oelen, die frei sind von Beimengungen sauerstofffreier, wird das Nitroprussidkupfer schwarz, grau oder braun und das darüberstehende Oel wird dunkler, und zwar dunklergelb, gelbbraun oder grünbraun. Es verhalten sich wie Terpenthinöl: Pomeranzenöl, Neroliöl, Wachholderbeeröl, Citronenöl, Sabinaöl, ätherisches Senföl und Bittermandelöl. Das andere Verhalten zeigten: Kümmelöl, Fenchelöl, Lavendelöl, Krausemünz- und Pfeffermünzöl, Melissenöl, Mayoranöl, Salbeyöl, Wermuthöl, Wurmsamenöl, Nelkenöl, Cajeputöl, Sassafrasöl, Cassiaöl, Rautenöl. Nicht in die gleichen zwei Gruppen werden die flüchtigen Oele durch folgendes Reagens geschieden. Greville Williams fand, daß einige ätherische Oele, die man auf ein Papier tropfen läßt, das vorher in Bleizuckerlösung getaucht, dann in Schwefelwasserstoffgas gehalten und darin geschwärzt wurde, nach dem Verdunsten das Papier bleichen, andere nicht. Das Papier wurde gebleicht durch Terpenthinöl, Münzeöl und Lavendelöl, nach Overbeck auch durch Rosmarinöl. Nicht gebleicht wurde es durch Pommeranzenöl, Anisöl, Cassiaöl und nach Overbek auch durch Citronenöl, Sabinaöl, Bergamotteöl, Cajeputöl, Wachholderöl und Thimianöl. Diese Eigenschaft hängt also nicht gerade mit dem Sauerstoffgehalt der Oele zusammen, es scheint hier das Ozon, mechanisch im Oele enthaltener activer Sauerstoff, der sich in Terpenthinöl durch Lichteinfluß und Schütteln mit atmosphärischer Luft bildet, im Spiele zu seyn. Ob nicht das Alter, die Aufbewahrungsart, Verschiedenheit der Beleuchtung beim Versuche selbst großen Einfluß auf das Resultat haben, sind naheliegende Fragen. Specielle Fälle, auf welche man besonders aufmerksam wurde, sind: 1) Dem Neroliöl wird zuweilen die sogenannte Essence petitgrain (aus den Kelchen und ganzen Blüthenknospen der Orangen gemacht) als viel wohlfeiler beigegeben. Dieß soll sich erkennen lassen durch Eintauchen von Zucker in das Oel und Lösen desselben in Wasser, welchem das verfälschende Oel bittern Geschmack ertheilt (?). 2) Rosenöl enthält außer den genannten Beimischungen zuweilen Wallrath. Durch Eintauchen der Originalfläschchen in Wasser von 25° C. wird das ätherische Oel flüssig und der Wallrath setzt sich ab; außer diesem Mittel ist die Untersuchung, wie oben angegeben, auf Fette zu führen. Enthalten die Flacons, wie es auch oft der Fall ist, eine durchscheinende Gallerte, die nur mit reinem Rosenöl imprägnirt und bedeckt ist, so dient ebenfalls Erwärmung, wozu schon Handwärme ausreicht, zur Entdeckung des Betrugs. Ferner dient zur Fälschung des Rosenöls auch Geraniumöl. Gleiche Theile Rosenöl und englische Schwefelsäure zeigen den unveränderten Rosengeruch, Geraniumöl bekommt dadurch einen sehr starken und unangenehmen Geruch, so daß es ziemlich sicher als Zusatz des Rosenöls erkannt werden kann. Rosenholzöl, das auch zur Verfälschung des Rosenöls dient, sowohl als Geraniumöl werden durch Schwefelsäure gebräunt, reines Rosenöl bleibt farblos. Auch lassen sich letztere Oele, wenn sie dem Rosenöl zugesetzt worden, dadurch erkennen, daß das vermischte Rosenöl, wenn es in einem Uhrglase neben einem andern Glas, worauf sich ein wenig Jod befindet, auf einen Teller gestellt und das Ganze mit einer Glasglocke bedeckt wird, von dem verdunstenden Jod sehr bald braun bis schwarz gefärbt wird, während reines Rosenöl farblos bleibt. 3) Cassiaöl wird oft mit Nelkenöl versetzt; Ulex prüft auf nachfolgende Weise: Aechtes Cassiaöl verbreitet, in einem Uhrglase erhitzt, einen milden, süßriechenden Dampf. Bei Gegenwart von Nelkenöl ist dieser scharf und zum Husten reizend. Mit rauchender Salpetersäure schäumt ächtes Cassiaöl nicht, aber es krystallisirt, Nelkenöl macht es schäumen und es läßt ein rothbraunes Oel. Mit sehr starker Aetzkalilauge erstarrt ächtes Cassiaöl nicht, nelkenölhaltiges aber erstarrt. Ein bis zwei Tropfen ächten Cassiaöls, in Alkohol gelöst, werden bei Zusatz einiger Tropfen Eisenchloridlösung rein braun. Frisches Nekenöl wird bei dieser Behandlung blau, altes grün, Gemenge liefern eine Farbe zwischen Braun und Grün. 4) Das Steinöl kommt oft mit Terpenthinöl versetzt vor; diese Verfälschung läßt sich nach Saladin erkennen durch Zusammenreiben des verdächtigen Oels mit einigen Gran Jodkalium und etwas Wasser. Enthält das Steinöl Terpenthinöl, so wird das Wasser sofort gelb bis orangefarben, was bei Abwesenheit des Terpenthinöls nicht eintritt. Man soll durch dieses Mittel 1/30 Terpenthinöl nachweisen können. Wird durch eine Probe von Steinöl, das sich in einer von außen gut abgekühlten (mit Schnee oder einem Gemisch von Glaubersalz und Salzsäure umgebenen) Glasröhre befindet, ein Strom trocknen salzsauren Gases geleitet, so scheiden sich, falls es auch nur einige Procente Terpenthinöl enthält, bald, namentlich nach mehrstündigem Stillestehen in der Kälte, Krystalle von dem sogenannten künstlichen Kampfer aus, die sich in reinem Steinöl nicht bilden. Auch im Bernsteinöl läßt sich durch dieses Mittel das Terpenthinöl nachweisen. 5) Statt des Bittermandelöls wird ein Surrogat in den Handel gebracht, das Nitrobenzol, dem man den Namen Essence de Mirbane gegeben hat. Etwas verschieden ist zwar der Geruch dieses Products von dem des Bittermandelöls, doch so wenig, daß nur Geübtere den Unterschied erkennen. Nicht nur daß das Mirbanöl an der Stelle von Bittermandelöl verkauft wird, es wird auch dem letztern in betrügerischer Absicht zugesetzt. Zur sichern Erkennung dieser Fälschung kann man sich nach Maisch des Verhaltens des Nitrobenzols zur alkoholischen Kalilösung bedienen. Während nämlich das ächte Bittermandelöl sich durch Behandlung mit alkoholischer Kalilösung in Benzoësäure, die an das Kali tritt, verwandelt, geht das Nitrobenzol unter demselben Einflusse in ein dunkelbraunes Harz über, welches in Wasser unlöslich, in Alkohol oder Aether löslich ist, in gelben Krystallen daraus anschießt und von seinem Entdecker Zinin den Namen Azoxybenzid erhalten hat. Der Versuch wird so angestellt, daß man etwa 1 Gramm des verdächtigen Oels in 8 Grammen Alkohol auflöst, 1 Gramm Kalihydrat hinzusetzt, das Ganze so lange erhitzt, bis zwei Drittel des Alkohols verjagt sind, und dann bei Seite stellt. War das Bittermandelöl rein, so hat man nur eine braungelbe Flüssigkeit ohne alle krystallinische Ausscheidung und mit Wasser klar mischbar. Enthielt es aber Nitrobenzol, so findet man, je nach dem Grade der Verfälschung, eine größere oder kleinere Menge einer harten braunen krystallinischen Masse ausgeschieden, und die dazwischen liegende alkalische Flüssigkeit ungefärbt. 6) Perubalsam soll mit Ricinusöl und Copaivabalsam verfälscht vorkommen. Ersteres ist nach Ulex zu erkennen durch Mischen von 10 Tropfen des fraglichen Balsams mit 20 Tropfen concentrirter Schwefelsäure, wobei sich ein brüchiges nicht schmieriges Harz bilden soll. Copaivabalsam entwickle bei dieser Behandlung Geruch nach schwefliger Säure. In einem Bad kochender Schwefelsäure (bei 190° C.) erhitzt geht eine Flüssigkeit über, die bei einem reinen Perubalsam ganz erstarrt und mit Aetzkali versetzt kein Oel zurückläßt. Geschieht dieß, so wird die salzige Flüssigkeit entfernt und dem Oel Jod zugegeben, das Explosion veranlassen soll, wenn Copaivaöl in dem Destillate sich befindet. Die destillirten oder aromatischen Wasser sind bekanntlich Auflösungen ätherischer Oele in Wasser, die bei der Bereitung ersterer mitgenommen worden. Es soll auch da Beimischung eines wohlfeileren zu den kostbareren vorkommen. Wenn die Unterscheidungsmittel für die flüchtigen Oele unzuverlässig sind, so ist noch weniger Sicheres für diese Fälle bekannt. Dagegen verdient folgende Erfahrung unsere Aufmerksamkeit. Die Wasser enthalten, namentlich das Orangeblüthwasser, Kupfer und Blei, von den sogenannten Estagnons, den dünnen, gelötheten, oft schlecht verzinnten Gefäßen, worin sie versendet werden, herrührend. Durch Concentriren und Einleiten von Schwefelwasserstoff in das bis auf 1/4 abgedampfte Wasser lassen sich diese Metalle erkennen.