Titel: Ueber die Zugutebringung von gußeisernen Bohr- und Drehspänen durch Verschmelzung im Cupolofen im k. k. Eisengußwerke zu Mariazell; von Ruttner, k. k. Eisenwerks-Unterverweser.
Fundstelle: Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LVII., S. 189
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LVII. Ueber die Zugutebringung von gußeisernen Bohr- und Drehspänen durch Verschmelzung im Cupolofen im k. k. Eisengußwerke zu Mariazell; von Ruttner, k. k. Eisenwerks-Unterverweser. Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1861, Nr. 25 u. 26. Mit einer Abbildung. Ueber die Zugutebringung von gußeisernen Bohr- u. Drehspänen durch Verschmelzung. Das größte Hinderniß, welches bisher der vortheilhaften Zugutebringung der gußeisernen Bohr- und Drehspäne bei der Verschmelzung im Hoh- oder Cupolofen, im Flamm- oder Frischherde im Wege stand, liegt offenbar in dem fein vertheilten metallischen Zustande dieses Materials. Bei der bisher öfters versuchten Zugabe von frischen Bohr- und Drehspänen zur Erzbeschickung im Hohofen oder zu dem Brucheisen im Cupolofen hat man die Erfahrung gemacht, daß der feine Eisenstaub bei der Gicht ausgeblasen wurde, die gröberen Theile aber zwischen den Erz- oder Brucheisengichten durchrollten, ungeschmolzen in den Eisenkasten gelangten, zum Weißwerden des Roheisens, zu Frischeisenansätzen und förmlichen Versetzungen, zur vorzeitigen Unterbrechung der Schmelz-Campagne, sowie zu Porositäten beim Gusse Veranlassung gaben. Bei den Frischprocessen ist die Anwendung dieses Materials im fein vertheilten metallischen Zustande, der vielen Berührungspunkte wegen, die der Einwirkung des Sauerstoffes der atmosphärischen Luft geboten sind, schon gar nicht oder doch nicht ohne großen Metallverlust ausführbar und kaum irgendwo mit Erfolg in Anwendung. Um dieses sonst so vorzügliche Material (welches im Gußwert von ein- bis zweimal raffinirtem Geschützroheisen abfällt) mit Vortheil zu verwerthen, bleibt daher nichts übrig, als selbes a) entweder im Wege der allmählichen Oxydation im Freien selbst sestwerden zu lassen, um es sodann in gröbere feste Brocken zerschlagen in kleinen Partien den Erzgichten über dem Hohofen zuzusetzen, wo es dann als ein Gemenge von verschiedenen Oxydationsstufen des Eisens mindestens die Stelle eines sehr guten reinen Erzes vertritt, oder b) selbes im frischen Zustande auf künstliche Weise zu binden und zu formatisiren, um es sodann in Form von festen Drehspänziegeln im Cupolofen umzuschmelzen. Beide Methoden sind nun im Gußwerk nächst Mariazell mit Vortheil in Anwendung, indem ad a) die alten, seit vielen Jahren im Freien lagernden zusammengerosteten Drehspänhaufen aufgehauen und in kleinen Brocken den Erzgichten am Hohofen zugetheilt und so nach und nach aufgeschmolzen werden, ad b) die täglich abfallenden frischen Bohr- und Drehspäne aber sogleich in kleine parallelepipedische Stücke von circa 30 Kubikzoll Inhalt künstlich geformt und nach erfolgter Erhärtung durch oberflächliche Oxydation an der atmosphärischen Luft im Cupolofen für sich auf Gußwaare oder Flossen umgeschmolzen werden. Die Aufbereitung der frischen Bohr- und Drehspäne und die Manipulation des Formens zu Ziegeln geht höchst einfach vor sich. Textabbildung Bd. 161, S. 190 Jeder Dreher, Bohrer oder Hobler bekommt ein gußeisernes Formkästchen von untenstehender Figur, sammelt täglich seine abfallenden Späne, gibt selbe in ein Gefäß, in welchem sich Wasser befindet, worin etwas Kochsalz aufgelöst ist, rührt die Masse gut um, gibt sie mit der Hand in die gußeiserne Form, welche mit den engeren Oeffnungen nach oben gekehrt liegt, stößt sie in diese mit einem hölzernen oder eisernen Formstößel etwas ein, und hebt das Formkästchen ab, wornach die so geformten Drehspänziegel stehen bleiben. Das Formen geht auf einem Brete vor sich, das etwas geneigt ist, damit das Wasser ablaufen kann. Ist das Bret mit Ziegeln voll, so trägt es der Arbeiter ins Freie zum Trocknen. Man glaubte anfangs die Bindung der Späne zu befördern, und den Erhärtungsproceß zu beschleunigen, indem man das bei der Schmelzung anzuwendende Flußmittel zugleich als Bindemittel benützen wollte, die frischen Bohr- und Drehspäne in ein mit Kalkmilch und Thonschlich gefülltes Gefäß gab, durchrührte, die Masse dann ins Formkästchen drückte, und die so geformten Ziegel der Erhärtung durch Einwirkung der atmosphärischen Luft im Freien überließ. Es zeigte sich jedoch bald, daß eben dadurch der Erhärtungsproceß, statt befördert, vielmehr bedeutend verzögert wurde, indem durch den Kalk und Lehm die Poren verstopft, und so die Einwirkung der atmosphärischen Luft verhindert wurde. Die auf diese Weise geformten Drehspänziegel bleiben selbst nach acht- bis vierzehntägigem Liegen im Freien noch immer weich und waren nicht zu handhaben; während jene Ziegel, welche bloß mit Wasser, in welches etwas Kochsalz oder Essig gegeben wurde (jedoch nur so viel, daß die Lösung kaum merklich sauer reagirt), nach der oben beschriebenen Methode in einem Gefäße abgerührt und geformt wurden, beim Liegen in der atmosphärischen Luft im Freien so rasch verhärteten, daß sie schon nach 2 bis 3 Tagen zu handhaben und zu verwenden waren. (Ruf diese Methode wurde der Verfasser auf der bayerischen Eisenhütte zu Achthal aufmerksam gemacht, und hat den Versuch nach der Rückkehr von seiner Bildungsreise im Sommer 1860 sogleich im Gußwerk angestellt.) Steht warmes Wasser zu Gebote, so geht die Auflösung des Salzes viel schneller und vollkommener und der Erhärtungsproceß viel rascher vor sich. Die Kälte dagegen verzögert die OxydationOydation bedeutend. Ebenso hat der Umstand, ob die Späne fein oder grob sind, einen bedeutenden Einfluß auf das schnellere oder langsamere Erhärten. In längstens 8 Tagen sind jedoch ohne Unterschied alle Drehspänziegel fest und zum Verschmelzen geeignet. Das Ziegelformen, wie es hier eingeführt ist, gibt dem Arbeiter einen Nebenverdienst. Für 1 Kästchen = 4 Ziegelstücke (à 30 Kubikzoll = 2 1/2 bis 2 3/4 Pfd.) erhält er 2 kr. österr. Währ., wovon er das Salz selbst bestreitet. Die Erzeugung per Tag ist sehr verschieden und richtet sich nach dem Quantum der abfallenden Späne. Der Arbeiter verrichtet dieses Formen neben seiner gewöhnlichen Dreharbeit. Eine große Partie unter Dach angesammelter frischer Bohr- und Drehspäne von mehreren 100 Centnern gab Veranlassung, selbe durch eigene Arbeiter aufmodeln zu lassen, wodurch man die Leistung beurtheilen konnte. Es arbeiteten 2 Mann zusammen und erzeugten im Durchschnitte täglich 230 Kästchen à 4 Stück, also 920 Stück Drehspänziegel. Das Geding per Kästchen (à 4 Stück) betrug dabei nur 1 kr. österr. Währ. Die Verschmelzung der Drehspänziegel geschieht in dem gewöhnlichen Cupolofen bei unveränderter Zustellung. Bodenstein, Gestell und Schacht besteht aus feinkörnigem grauen Sandstein aus dem eigenthümlichen Ofensteinbruche (ein Kohlensandstein mit feinen Quarzkörnern und thonigem Bindemittel). Die Füllung zwischen Kernschacht und Cylinder besteht aus eingestampfter Masse von demselben grobgemahlenen Sandstein. Der Gichtencylinder ist mit gewöhnlichen Mauerziegeln eingemauert und steht auf dem Kernschacht auf. Geblasen wird mit 2 Formen mit kaltem Winde, 18''' Düsenöffnung und 18–20''' Quecksilberpressung. Die Satzführung besteht bei Beginn der Campagne (nachdem der Ofen bis zur Gicht mit Kohl gefüllt ist), per Gicht aus Drehspänziegeln     60 Pfd.   „ Wascheisen- oder Brucheisenklein         10   „   „ Holzkohl 1/2 Vrdb. Faß = 3,896 Kub.-Schuh. Als Zuschlag wird bei jeder Gicht 1 Schaufel (circa 10 Pfund) Schlackensand (durch Pochen der Hohofenschlacke gewonnen) und bei jeder dritten Gicht 1 Schaufel roher Kalkstein (circa 9 Pfund) aufgegeben. (Wenn kein Schlackensand zu Gebote steht, dürfte denselben Dienst ein vermehrter Kalkzuschlag, jedoch im gebrannten Zustande, verrichten.) Bei gleichbleibender übriger Beschickung wird mit dem Satze der Drehspänziegel nach und nach auf 120 bis 150 Pfd. gestiegen. Die Beigabe von 10 Pfd. Wascheisen bleibt unverändert, ist jedoch keine nothwendige Bedingung, da der Schmelzproceß ohne derselben ebenso gut vor sich geht. Die Drehspänziegel zerfallen, während sie nach und nach ins Gestell vorrücken, nicht, sondern kommen in fast unveränderter Gestalt vor die Formen, vor welchen sie dann rasch einschmelzen. In der Stunde gehen 6 bis 7 Gichten nieder. Die Campagne kann beliebig lang fortgesetzt werden. Die Ausfälle ergaben sich mit einem Calo von 17 bis 18 Proc., also mit einem Ausbringen von 82 bis 83 Proc. per Ctr. Drehspänziegel und einem Kohlenverbrande von 4 Kub.-Schuh per Ctr. Erzeugung. Bei einer ohne Störung durch 10 Tage ununterbrochen fortgesetzten Campagne ergab sich der Calo sogar nur mit 13 Proc., also das Ausbringen mit 87 Proc. Die Qualität des erblasenen Roheisens kann nach der Satzführung beliebig, grau zum Gusse oder weiß für Flossen erhalten werden. Das Eisen ist selbst im letzteren Falle stets sehr hitzig, dünnflüssig, und von ausgezeichneter Reinheit und Güte. Die mit Drehspänflossen abgeführten Frischversuche ergaben ein ganz ausgezeichnetes Stabeisen. Die Schlacke ist stets sehr dünnflüssig, leicht, und vom Aussehen der Hohofengarschlacke, die sich beim Begießen mit Wasser zu einer weißen bimssteinartigen Masse aufbläht. Auf die beschriebene Weise wurden seit September v. J., also seit 5 Monaten, bereits circa 4000 Ctr. Roheisen aus Drehspänziegeln Welche Wichtigkeit diese Einführung insbesondere für das Gußwerk Mariazell hat, kann ermessen werden, wenn man bedenkt, daß von einem einzigen Geschütze größeren Calibers 10 bis 15 Ctr. Bohr- und Drehspäne abfallen, und daß der gesammte Abfall an Bohr- und Drehspänen in einem Jahre die Ziffer von 2000 bis 3000 Ctr. und darüber erreicht, daß diese Späne bis jetzt als Appreturs-Calo behandelt außer aller Verrechnung und Bewerthung gesetzt, größtentheils bei Seite gestürzt, höchstens zu Trottoirpflasterungen, zu Kitt bei Wasser- und Apparatröhren oder Canalmauerungen etc. verwendet, und zu dem bestandenen Verkaufspreise von 80 kr. per Ctr. nur selten und nur in kleinen Partien in Verkauf gebracht worden sind; in Folge dessen beim Kanonenbohrwerke im Laufe der Zeit sich Halden von vielen Tausend Centnern angehäuft haben. Versuchsweise wurden mit derselben Beschickung auch Schmelzungen mit frischen, losen, dann mit verrosteten Bohrspänen im Cupolofen angestellt, wobei sich jedoch alsbald Frischeisenansätze bei den Formen und an der Gicht bildeten, was der längeren Fortsetzung der Campagne hinderlich war, sehr viel Bohrspäne bei der Gicht ausgeblasen wurden, das Eisen vorwaltend weiß und matt, zum Gusse nicht geeignet war, und der Calo sich auf 28 Proc. steigerte. Jene Bohrspäne, bei denen durch vieljähriges Liegen im Freien die Oxydation so zu sagen schon ins Mark gedrungen ist, die also bloß mehr aus einem Gemenge verschiedener Oxydationsstufen, wie Eisenoxydhydrat, Eisenoxydoxydul etc. bestehen, eignen sich nicht mehr gut zur Verschmelzung im Cupolofen, da es in diesem an reducirenden Gasen mangelt. Es fällt eine sehr zähe, eisenreiche schwarze Schlacke, nur wenig oder gar kein Eisen ab, und der Schmelzgang wird alsbald durch Versetzungen unterbrochen. Diese Drehspäne eignen sich aber, wie schon Eingangs bemerkt, ganz gut zur Beigabe über dem Hohofen.