Titel: Versuche über die Wirkung der Lenoir-Marinoni'schen Gasmaschine; von M. Eyth.
Autor: Max Eyth [GND]
Fundstelle: Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XXVII., S. 85
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XXVII. Versuche über die Wirkung der Lenoir-Marinoni'schen Gasmaschine; von M. Eyth. Eyth, Versuche über die Wirkung der Lenoir-Marinoni'schen Gasmaschine. Die verschiedenen Angaben über den Gasverbrauch und die Leistung der Gasmaschinen veranlaßte den Ingenieur M. Eyth eine von der G. Kuhn'schen Maschinenfabrik zu Stuttgart-Berg durchaus nach Marinoni'schem System gebaute Maschine längere Zeit und möglichst genau zu beobachten; die Resultate seiner Versuche hat er in einer im „Civilingenieur“ 1861 Heft 4 S. 197 erschienenen Abhandlung zusammengestellt. Nachdem die Maschine in vollkommen regelmäßigen Gang gebracht war, wurde auf jeden Cylinderraum ein Federmanometer aufgeschraubt und eine Reihe Indicator- und Bremsversuche angestellt, von denen das Wesentlichste in Folgendem mitgetheilt werden soll. Eine große Schwierigkeit ergab sich hierbei alsbald daraus, daß die plötzliche, explosionartige Entzündung des Gemenges eine entsprechend schlagartige Entwickelung der Spannung zur Folge hatte, wodurch nochwendig der Zeiger des Manometers etwas über die richtige, der Spannung entsprechende Stellung hinausgeschleudert werden mußte. Noch schlimmer zeigt sich dieß bei den Indicatorversuchen, indem bei diesen die schreibende Feder in die heftigsten Schwingungen versetzt wurde. Nichtsdestoweniger werfen die verschiedensten Versuche ein nicht uninteressantes Licht auf die Wirkungsweise des Gases, selbst wenn sie nicht auf Genauigkeit in physikalischem Sinne Anspruch machen können. Der Cylinder hatte einen Durchmesser von 52 und einen Hub von 80 bad. Linien, somit einen Kubikinhalt von 0,170 Kubikfuß. Der Bremshebel war 4,5 Fuß lang, der Umfang des Kreises, durch welchen das angehängte Gewicht bei jeder Umdrehung geschleppt wird, betrug 38,3 Fuß. Die Versuche sind nach der Größe des angehängten Gewichts geordnet. 1ster Versuch. Belastung = 0. Touren = 130. Gasverbrauch = 12 Kubikfuß. Angezeigte Spannung durch das Manometer: 2 Atm. Ueberdruck. Dauer: 15 Minuten. Da der Cylinder bei jeder Umdrehung zweimal halb mit frischem Gemenge gespeist wird, consumirte die Maschine in 15 Minuten 0,17 . 130 . 15 = 331 Kubikfuß Gemenge und 12 Gas. Somit war das Mischungsverhältniß 3,6 Procent. Nach den theoretischen Tabellen sollte demselben eine Spannung von circa 5 Atmosphären absoluten Drucks entsprechen. Anstatt dessen erhielt man aber nur 3 Atm. Dieß rührt einestheils von den Verlusten durch Undichtheit, anderntheils durch die plötzlich eintretende Abkühlung und endlich von einem Umstande her, der sich mit Evidenz aus den Indicatorversuchen ergab. Die Curven zeigen nämlich, daß die Entzündung der Gase nicht immer in dem Augenblick eintrat, wo der Einströmungsschieber schließt und die Funken zu springen beginnen, sondern immer etwas später, und zwar geschieht dieß um so mehr, je weniger der Bremshebel belastet, je niedriger dem entsprechend der Gasgehalt des Gemenges ist. Der Grund hiervon ist wohl nur ein mechanischer, indem bei der angenommenen Menge von Luft- und Gaslöchern die Vermengung beider Stoffe und damit die Möglichkeit, daß sich das Gemenge entzündet, um so langsamer eintritt, je weniger Gas einströmt. 2ter Versuch. Belastung 3 Pfd. Touren 105. Gasverbrauch 60 Kubikfuß. Dauer 60 Minuten. Angezeigter Ueberdruck 2 1/2 Atm. Das verbrauchte Gemenge wäre während 1 Minute 0,17 . 105 = 17,85 Kubikfuß, darunter ist 1 Kubikfuß Gas, somit das Mischungsverhältniß 5,6 Proc. Das Resultat des Bremsversuchs ist pro Secunde 105/60 . 28,3 . 3 = 148,5 Fußpfund. Es wäre sonach der Gasconsum pro Stunde und Pferdestärke 500/148,5 . 60 = 202 Kubikfuß. Theoretisch sollte bei dem angegebenen Mischungsverhältniß die Spannung 6 Atm. Ueberdruck, anstatt 2 1/2, betragen, der Gasconsum aber 12,5 Kubikfuß pro Stunde und Pferdestärke, anstatt 202 Kubikfuß seyn. Der Motor gab hiernach nur 6,1 Proc. Wirkungsgrad. Dieses sehr ungünstige Resultat erklärt sich theilweise daraus, daß die beiden Schieber und namentlich auch die Kolbenringe zu wenig angezogen waren und dadurch ein beträchtlicher Verlust an Spannung entstehen mußte. Aehnlich verhielt es sich auch noch mit dem nächsten Versuche. 3ter Versuch. Belastung 5 Pfd. Touren 100. Gasconsum 45 Kubikfuß. Dauer 37 Minuten. Angezeigte Spannung 3 1/2 Atm. Ueberdruck. Das verbrauchte Gemenge während des Versuchs ist 37 . 100 . 0,17 = 629 Kubikfuß, der Gasconsum 45 Somit das Mischungsverhältniß 7,1 Proc. Die gebremste Kraft beträgt 100/60 . 28,3 . 5 = 235 Fußpfund. Hiernach wäre der Gasconsum pro Stunde und Pferdestärke 500/235 . 60/37 . 45 = 155 Kubikfuß. Theoretisch sollte bei dem Mischungsverhältniß von 7 Proc. Gas eine Spannung von 8,5 Atm. und ein Gasconsum von 12 1/4 Kubikfuß erzielt werden. Es ergibt daher der Versuch nur 7 Proc. Wirkungsgrad. Die nun folgenden Versuche wurden gemacht, nachdem Kolben und Schieber genau untersucht und theilweise frisch eingeschliffen waren. Namentlich kann der nächste Versuch, welcher dreimal zu verschiedenen Zeiten wiederholt wurde und immer ganz dieselben Resultate gab, als besonders maaßgebend betrachtet werden. 4ter Versuch. Belastung 7 Pfd. Touren 105. Gasconsum 18 Kubikfuß. Dauer 15 Minuten. Angezeigte Spannung 4 1/2 Atm. Ueberdruck. Somit das consumirte Gemenge während der ganzen Dauer des Versuchs 0,17 . 105 . 15 = 268 Kubikfuß, Gas 18 Mischungsverhältniß 6,8 Proc. Resultat des Bremsversuchs: (28,3 . 105 . 7)/60 = 347 Fußpfund. Hiernach Gasverbrauch pro Stunde und Pferdestärke 500/347 . 60/15 . 18 = 104 Kubikfuß. Dieß ergibt, da theoretisch bei dem angegebenen Mischungsverhältniß 12,25 Kubikfuß Gas pro Stunde und Pferdestärke gebraucht werden sollten, einen Wirkungsgrad von 12 Proc. 5ter Versuch. Belastung 8 1/2 Pfd. Touren 100. Gasconsum 20 Kubikfuß. Dauer 14 Minuten. Angezeigte Spannung 5 Atm. Ueberdruck. Somit wurde in der ganzen Zeit gebraucht: an Gemenge 0,17. 100. 14 = 238 Kubikfuß, an Gas 20 Das Mischungsverhältniß ist somit 8,4 Proc. Gas. Gebremst wurden: (28,3 . 100 . 8,5)/60 = 401 Fußpfund. Somit Gasverbrauch pro Stunde und Pferdestärke 500/401 . 60/14 . 20 = 107 Kubikfuß. Da nun ein Gemenge mit 8,4 Proc. Gas theoretisch nur 12,28 Kubikfuß Gas pro Stunde und Pferdestärke gebrauchen würde, so ist der Wirkungsgrad des Motors 11,4 Procent. Bei diesem Versuch blieb die Maschine trotz alles Schmierens in Folge der übermäßigen Erhitzung stehen, woraus sich namentlich die unerwartete Abnahme des Procentsatzes erklärt. Er gibt somit die äußerste Grenze an, bis zu welcher man mit der Gaszuführung, mit Spannung und Temperatur gehen darf, obgleich schon der vorige Fall für Material und Schmiermittel auf die Dauer zu nachtheilig wirken wird. Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, welcher Theil der theoretischen Kraft durch Umsetzen der Wärme in Spannung und wie viel weiter durch Uebertragung der Kraft der expandirenden Gase in die auf der Schwungradwelle gebremste verloren geht. Mit Zugrundelegung des 4. Versuchs sollten bei 6,8 Proc. Gas im Gemenge ca. 9. Atm. absoluten Drucks entstehen. Da statt dessen das Manometer 5,5 Atm. anzeigte, so sieht man, daß in Folge der momentanen Abkühlung, der Verdünnung des Gemenges durch das Ansaugen etc. nur 61 Proc. der theoretischen Spannung übrig bleiben. Die 5 1/2 Atm. ergeben, wenn die Expansion in richtigem Verhältniß vor sich geht, eine Leistung von (1850 . 5,5 . 0,17 lg. nt. 2–1850 . 0,17) . 105/60 = 1548 Fußpfund pro Secunde. Statt dessen erhielt man durch die Bremsversuche 347 Fußpfund, d.h. 22,4 Proc. der theoretischen Leistung. Dieser im Vergleich mit Dampfmaschinen so überraschend geringe Effect erklärt sich weniger aus der großen Reibung der sehr heißen Schieber und Kolbenringe oder aus zufälligen Verlusten an gespannten Gasen, als aus dem natürlichen und nicht zu vermeidenden Umstande, daß die Abkühlung der Gabe während des Expandirens die Anwendung des Mariotte'schen Gesetzes nahezu aufhebt. Die 61 Proc. des Effects bei der Entwickelung der Spannung mit den 22,4 Proc. bei der Umsetzung derselben in eine bewegende Kraft combinirt, geben im betreffenden Fall einen Wirkungsgrad von 61/100 . 22,4/100 = 13,5 Proc. Direct vom Gasverbrauch auf die Kraftentwicklung geschlossen, erhielten wir aber 12 Procent. Diese Differenz erklärt sich aus der unrichtigen, d.h. zu hohen Angabe des Manometers, indem bei richtiger Angabe der Spannung für den ersten Effect merklich weniger als 51 Proc., für den zweiten aber nicht im Verhältniß mehr als 22,4 Proc. herauskommen würden. Auf denselben Fehler weisen die Indicatorcurven hin. Der höchste Punkt, welchen dieselbe erreichen, entspricht zwar einer Spannung von 5 1/2 Atm. Ueberdruck oder 6 1/2 Atm. absolutem Druck. Nimmt man aber nach dem Grundsatz, daß die Schwingung um die Gleichgewichtslinie stattfinden müsse, eine Curve durch die Mittel der auf- und absteigenden Wellen als die annähernd richtige an, so wird man nur etwa 3 Atm. Ueberdruck bekommen. Aus den Indicatorcurven sieht man ferner, abgesehen vom Augenblick des Entzündens und dem Vorrücken des Kolbens gegen die Mitte des Laufs bei größerer Belastung des Bremshebels, daß die Wirkung der Gase eine mehr stoßartige, als ruhig expandirende ist. Die Schwingungen, welche um so heftiger werden, je mehr Gas zugeführt wird, machen es fast unmöglich, die Curven als Grundlage weiterer theoretischen Betrachtungen zu benutzen, und es dürfte sehr schwierig seyn, einen Indicator zu construiren, der diesen im vorliegenden Falle so hinderlichen Mangel des existirenden Apparats vermiede.