Titel: Ueber Kittmaterialien; kritische Beurtheilungen von H. Creuzburg, technischer Chemiker.
Autor: H. Ch. Creuzburg [GND]
Fundstelle: Band 163, Jahrgang 1862, Nr. LVII., S. 195
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LVII. Ueber Kittmaterialien; kritische Beurtheilungen von H. Creuzburg, technischer Chemiker. Creuzburg, über Kittmaterialien. Ich stelle hier eine Anzahl Kittcompositionen – für Porzellan und Glas sowohl, als für Bau- und andere Zwecke – zusammen, um sie bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit zu beurtheilen; auch werde ich mitunter einiges ganz Neue in diesen: Fach mittheilen. Es werden so häufig Kittmassen für allerlei Zwecke öffentlich als vortrefflich angepriesen, die dieses Lob aber nicht verdienen, deren praktische Anwendung vielmehr zu unangenehmen Täuschungen und Verlusten führt. Dieß gilt besonders für die Kitte für Porzellan und Glas. Die Porzellan- und Glaskitte müssen eigentlich eingetheilt werden in unächte und ächte Kitte. 1) Die unächten sind die bekanntesten, und werden häufig übertrieben angepriesen; die damit gekitteten Gegenstände halten aber nur dann vortrefflich, wenn sie bloß im Glasschrank aufgestellt werden. Größere Ansprüche können an diese Kitte kaum gestellt werden. Wollte man z.B. in einer mit dergleichen Kitten gekitteten Tasse heißen Kaffee Präsentiren, so würde der Kitt bald aufweichen, und die Scherben der Tasse würden wieder auseinanderfallen. Zu diesen unächten Kitten gehören u.a. der sogenannte türkische Kitt aus Hausenblase, Ammoniakgummi, Mastix und Branntwein. Er hält kaum kaltes, viel weniger heißes Wasser aus. Der Kitt aus Käse und Kalk wird zwar sehr hart, hält auch im Wasser besser aus als der vorhergehende, aber probehaltig im Wasser ist er doch nicht. Wenn gesprungene Kochgefäße Wasser durchlassen, und man reibt diesen (oder den folgenden) Kitt in die Risse tüchtig ein, von innen und außen, so kann man sie in der Regel noch eine Zeit lang wieder in Gebrauch nehmen. Sonst dienen diese Kitte am besten zum Befestigen der Pfeifenbeschläge, zum Ausfüllen von Fugen an Holz und Stein, auch als Glaserkitt. Kitt aus Eiweiß und Kalk, und der aus Leim und Kalk finden ähnliche Verwendung wie der vorhergehende. Von allen diesen aus gebranntem Kalk und einem Bindemittel zusammengesetzten Kitten ist (z.B. für Bauzwecke) keine lange Dauer zu erwarten. Sie verlieren bald den Zusammenhang, indem das organische Bindemittel nach und nach verweset, und es bleibt zuletzt bloß der Kalk, kohlensauer, zurück. Neuerdings ist ein Kitt aus Eiweiß, arab. Gummi und Austerschalen, wiederum als vortrefflicher Kitt für Porzellan empfohlen worden. Derselbe theilt, wie man aus dessen Zusammensetzung urtheilen kann, die Mängel und Gebrechen der erwähnten übrigen unächten Kitte. Man wird begreifen, daß man mit allen diesen Kitten nicht einmal einen porzellanenen Pfeifenkopf kitten kann, ohne zu riskiren, daß derselbe gleich beim erstenmal Rauchen wieder auseinander geht, weil das organische Bindemittel von der Hitze zerstört wird. Auch möchte ich Niemand rathen, den Henkel oder das Ohr an einer Kanne oder Tasse mit einem dieser Kitte zu kitten, es sey denn daß das zu kittende Gefäß bloß zum „Aufstellen im Glasschrank“ bestimmt ist. Aber auch dann mag es rathsam seyn, an den gekitteten Henkel ein Zettelchen anzuhängen mit der Warnung: „das Gefäß ja nicht am Henkel zu nehmen.“ Zu den unächten Kitten gehört endlich auch das Wasserglas. Es ist dasselbe vielfach als der beste Glas- und Porzellankitt empfohlen worden, aber auch hier hat man vergessen, die Mängel desselben als Kittmaterial hinzuzusetzen, und dabei zu sagen, daß die damit gekitteten Gefäße heiße Flüssigkeiten nicht, – oft nicht einmal kaltes Wasser für die Dauer halten. Man glaube nämlich ja nicht, daß das Wasserglas zwischen den Bruchflächen nach dem Trocknen ein wahres Glas zurückläßt, welches wie dieses allen Flüssigkeiten widerstehet. Auch das beste Wasserglas thut das nicht. Es giebt aber jetzt im Handel mitunter Wasserglas, welches nicht einmal eine glasartige Fläche zurückläßt, sondern einen zähen, an der Luft Feuchtigkeit anziehenden Teig, der gar nicht hart wird. Ein solches Wasserglas kann man natürlich gar nicht zum Kitten brauchen. Gutes Wasserglas hat vor den übrigen unächten Kitten den Vorzug, daß es rein mineralischer Natur ist, und darum weder einer Zerstörung durch Hitze noch durch Verwesung ausgesetzt. Es ist deßwegen auch der beste Kitt für Gegenstände, welche der Wärme ausgesetzt werden, z.B. für Pfeifenköpfe von Porzellan, wenn man zu diesem Zweck nicht den besseren „ächten Glaskitt“ anwenden kann. Zum Kitten wird bloß das auf 30° Baumé concentrirte Wasserglas angewendet. Man erwärmt die zu kittenden Scherben gerne etwas, dann aber muß man sich beeilen im Bestreichen der Bruchflächen, damit nicht die ersten Scherbenflächen trocken werden, bevor man die letzten angestrichen hat, was ein Mißlingen des Kittens zur Folge haben würde. Hat man daher mehrals zwei Stückchen zusammenzukitten, so ist es besser, die Scherben nur lau zu erwärmen, und wenn die mit Wasserglas bestrichenen Flächen zusammengepaßt sind, das Geschirr nun erst stärker zu erwärmen, die Bruchflächen aber jetzt noch einmal fest aneinanderzurücken, um das durch's Erwärmen flüssiger gewordene überflüssige Wasserglas herauszudrücken und wegzuwischen. Gesprungene Glasflaschen, welche Wasser durchlassen, können nach einem von mir ermittelten Verfahren durch Wasserglas wieder wasserhaltend gemacht werden. Es ist dabei aber ein physikalischer Kunstgriff nothwendig, um das Wasserglas in die oft kaum sichtbar kleinen Risse der Flaschen hineinzubringen, da das bloße Bestreichen damit dieß nicht bewirkt. Es geschieht dieß dadurch, daß man die Flasche stark erwärmt, um darin einen luftverdünnten Raum zu erzeugen. Die erhitzte Flasche braucht nun bloß mit einem gutpassenden Kork verschlossen und deren Risse von außen mit Wasserglas überstrichen zu werden. Beim Erkalten wird das Wasserglas durch den Luftdruck in die Risse hineingedrückt. Die entkorkten Flaschen braucht man nun nur einige Stunden in die Wärme zu stellen, dann allenfalls noch mit Kalkwasser, hinterher mit reinem Wasser, auszuspülen; sie sind wieder brauchbar zum Aufbewahren jeder Flüssigkeit, Säuren ausgenommen. Gesprungene Steinkrüge kann man natürlich auf dieselbe Weise curiren. Bei Steinzeugtöpfen mit weiten Oeffnungen muß der Kort durch eine große Rindsblase ersetzt werden, welche in Wasser erweicht, straff auf die Oeffnung festgebunden wird, wenn der Topf stark erwärmt ist. Mit dem Erkalten des Topfes wird man sehen, daß durch den Luftdruck die Rindsblase concav in die Topföffnung hineingedrückt wird; gerade so wird auch das Wasserglas in die Risse des Topfes hineingedrückt. Das Wasserglas ist überhaupt zu unendlich vielen anderen nützlichen Zwecken verwendbar, nur darf dazu die richtige wissenschaftliche Anleitung des Praktikers nicht fehlen; sie fehlt aber, irre ich nicht, bis auf den heutigen Tag noch. Hierüber ein andermal. 2) Die ächten Kitte für Porzellan und Glas – sind stets Glasflüsse, welche in Breiform wie jeder andere Kitt zwischen den Bruchflächen angebracht, nachher aber im Glühfeuer zu einem wirklichen Glas eingeschmolzen werden. Dadurch werden die Scherben so dauerhaft zu einem Ganzen verbunden, daß das gekittete Gefäß in jeder Hinsicht wieder brauchbar ist, als wäre es ganz unverletzt und gar nicht zerbrochen gewesen. In einer damit gekitteten Suppen- oder Punschterrine muß man z.B. wie zuvor wieder heiße Suppe oder Punsch serviren können, und der Kitt muß überhaupt so fest haften, daß das Gefäß eher an eineranderen als an der gekitteten Stelle entzwei geht, wenn man Gewalt anwendet. Es ist einleuchtend, daß abgebrochene Henkel und Ohre an Porzellan- und Glasgefäßen nur mit solchen ächten Glaskitten zuverlässig dauerhaft zusammengekittet werden können. Was nun deren Bereitung und Anwendung betrifft, so ist dieß jedoch in der Art mit Umständen verknüpft, daß nur selten Jemand sich damit abgeben wird, und dieß ist denn auch die Ursache, warum diese Glaskitte einigermaßen in Vergessenheit gerathen sind. Zunächst hat man sich den nöthigen Glasfluß herzustellen, wozu man z.B. 4 Loth Mennige, 4 Loth gebrannten Borax und 1/2 Loth Kreide nimmt. Jedes wird für sich pulverisirt, dann die drei Species zusammengemischt, und das Gemisch in einem Schmelztiegel zwischen starkem Holzkohlenfeuer zu Glas geschmolzen. Wenn dasselbe vollständig geschmolzen ist, gießt man es rasch in kaltes Wasser aus; es läßt sich dann leicht stoßen. Das feingesiebte Glas wird nun aber auf einer mattgeschliffenen Glasplatte mit Läufer, mit etwas Wasser zu einem ganz feinen Brei abgerieben. Damit werden die zu kittenden Flächen bestrichen, genau zusammengepaßt, der überflüssige Kitt sauber abgewischt, und der so gekittete Gegenstand einem Glühfeuer ausgesetzt, um die Kitte einzuschmelzen. Ein anderes, etwas schwerflüssigeres Glas wird zusammengesetzt aus 9 Loth Mennige, 3 Loth Feuersteinpulver und 1 1/2 Loth calcinirtem Borax, und wie oben zu Glas geschmolzen. Das Einschmelzen geschieht in sogenannten Muffeln, wie sie die Porzellanmaler zum Einbrennen der Porzellanfarben brauchen, bei einer Temperatur, welche den Schmelzpunkt des Silbers nicht ganz erreicht. Wer gerade keine Muffel und doch Lust hat, solche Kittung im Feuer an einem vielleicht werthen Gegenstand selbst vorzunehmen, kann sich dazu auch eines neuen Topfes (gewöhnliches Töpfergeschirr) bedienen. Ist der Topf innen glasirt, so streut man etwas Sand hinein, stellt das zu kittende Geschirr darauf, legt eine gutpassende Stürze auf, verschmiert deren Fugen mit Lehm, und setzt nun den Topf einer viertelstündigen Glühhitze aus. Nach dem Erkalten öffnet man die Stürze, und man wird das Geschirr mit Glaskitt festgekittet, etwa darauf befindliche Gemälde aber unverletzt finden. Bei kleinen Kittflächen und dünnwandigen Gegenständen kann häufig diese umständliche Arbeit des Einschmelzens ganz übergangen und resp. durch das Löthrohr ausgeführt werden, was z.B. bei Henkeln an Tassen etc. binnen 10 Minuten geschehen ist. Jeder Apotheker wird sich zu solcher Löthrohroperation bereit finden lassen. Die Kittkunst könnte, als besonderes Gewerbe betrieben, Wohl in jeder größeren Stadt einem fleißigen Mann Beschäftigung und Unterhaltgewähren, doch dürfte es kein Stümper (wie gewöhnlich), sondern es müßte ein Mann seyn, dem man in seiner Kunst Vertrauen schenken kann. Es handelt sich weniger um Erhaltung gewöhnlicher Porzellan- und Glaswaaren, die ja jetzt wohlfeil und leicht zu ersetzen, vielmehr um Erhaltung von Sachen, die entweder Kunstwerth, oder obgleich an sich werthlos, doch vielleicht als Familienheiligthum betrachtet werden, und deren Verlust man bitter beklagen, deren Rettung vom Untergange man aber um jeden Preis versuchen würde. Wie nützlich sich zuweilen der Kittkünstler machen kann, darüber hier nur ein Beispiel. Eine antike Hebe in Lebensgröße von gebranntem Thon war in vielen Scherben angekommen. Es war ein Meisterstück plastischer Kunst, edel und anatomisch richtig geformt. Die Scherben waren bereits dem Schutthaufen überantwortet, als ich noch zu rechter Zeit gerufen und dringend gebeten wurde, zur Rettung des Kunstwerkes das Mögliche zu thun. Mit einem guten, doch wohlfeilen Cementkitt wurde die Figur mühsam, aber glücklich wieder zusammengefügt, das hie und da Fehlende durch den Cementkitt complettirt und egalisirt, und so das Mögliche gethan. Allein die Kittstellen waren sehr in die Augen fallend, und beeinträchtigten die Schönheit der geretteten Statue bedeutend. Das führte mich auf den Gedanken, die Figur von Kopf bis zu Fuß zu bronziren, nachdem vorher die Kittstellen gehörig mit Bimsstein egal geschliffen. Die vom Scherbenhaufen gerettete Statue producirte sich in ihrem Bronzekleid schöner als sie je vorher war, und die gekitteten Stellen waren kaum bemerkbar. In den nämlichen Fall kommt man häufig bei Gypsfiguren. Eine zerbrochene, und, wenn auch noch so geschickt zusammengekittete Gypsfigur ist und bleibt verdorben, daß man sie gar nicht mehr ansehen mag, weil man den zarten weißen Gypsguß nie so subtil zu kitten vermag, daß das Gekittete nicht sehr auffallend bemerkbar ist, und einen unangenehmen Eindruck auf das ästhetische Gefühl hinterläßt. Das Bronziren macht das Alles wieder gut, und kostet wenige Groschen. – Der Kittkünstler muß daher auch mit Bronziren umgehen können. Heldburg bei Coburg, den 15. Januar 1862. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)