Titel: Das Zuckerfabricationsverfahren von Possoz und Perier ; Bericht von Dumas, Pelouze und Payen.
Fundstelle: Band 164, Jahrgang 1862, Nr. CVIII., S. 389
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CVIII. Das Zuckerfabricationsverfahren von Possoz und Perier Man sehe über dasselbe Stammer's Bemerkungen im polytechn. Journal Bd. CLXI S. 136.; Bericht von Dumas, Pelouze und Payen. Aus den Comptes rendus, April 1862, t. LIV p. 752. Possoz's Zuckerfabricationsverfahren. Das Charakteristische dieses neuen Verfahrens scheint uns darin zu bestehen, daß mit Hülfe stärkerer Kalkzusätze als bisher üblich, die Säfte mehr als früher gereinigt werden können, und daß durch diese Abscheidung der fremden organischen Substanzen eine vollkommenere Ausscheidung des Kalkes selbst bewirkt wird. Die glücklichen Konsequenzen dieser doppelten Reinigung stellen sich durch die Resultate der Anwendung des Verfahrens im Großen heraus, welche auch mit unseren Laboratoriumsversuchen übereinstimmen. Die Zuckersäfte erfordern nach dieser Reinigung zu ihrer vollkommenen Klärung nur mehr 1/8–1/10 gemeiniglich angewandten Knochenkohle-Quantums; sie lassen sich bis zur Probe concentriren, ohne kalkige Incrustation in den Kochapparaten zu bilden, und die erzeugten Zucker erweisen sich durch die scharfen Ecken und Kanten, durch ihre Weiße und Durchsichtigkeit als besonders rein. Die Erfinder haben übrigens während der beiden letzten Campagnen die größte Sorgfalt darauf verwendet, die möglichste Wirkung vom Kalke zu erzielen, ohne dessen Menge allzusehr zu erhöhen. Sie wurden so darauf geführt, die Wirkung dieser starken Basis (welche durch den Zucker löslich wird) methodisch dadurch zu steigern, daß sie allmähliche Zusätze zu mehr und mehr gereinigtem Safte in Anwendung brachten. Sie haben endlich vorgeschrieben, das Kalkhydrat in den letzten Stadien der vervollkommneten Scheidung in Form eines continuirlichen Strahles zuzusetzen. Schon haben mehrere geschickte Fabrikanten das Verfahren von Possoz und Perier mit Erfolg angewendet; wir haben die betreffenden Operationen in der Fabrik zu Barberie bei Senlis (Oise-Depart.) beobachtet, wo dieselben unter den Augen vieler Sachverständigen in der letzten Campagne ausgeführt worden sind. Diese Operationen sind folgende: 1) Scheidung, zuweilen mit nachfolgender besonderer Klärung; 2) eine erste, 3) eine zweite Saturation (Behandlung mit Kohlensäure); 4) Aufkochen; 5) Filtration über gekörnte Knochenkohle; 6) Verdampfung; 7) Verkochung zum Krystallisationspunkte; 8) nach der Abkühlung Trennung von dem Syrup und Reinigung des Zuckers durch Centrifugiren. Scheidung. – Der Kalk wird vollkommen gelöscht, durch ein sehr feines Drahtsieb (Nr. 150) geseiht und daraus eine Milch von 0,2 wirklichem Kalkgehalt und 1,040 Dichtigkeit dargestellt. Hievon werden meistens 2 1/2 Liter auf jeden Hektoliter Saft, oder 45 Liter auf 18 Hektoliter Saft angewendet. Diese Kalkmilch wird in einem continuirlichen Strahl oder in 8 bis 10 Absätzen in den Rübensaft gegossen, der vorher auf 60° C. erhitzt und während des Kalkzusatzes umgerührt wird; die Temperatur des Gemisches ist dann etwa 70° C. Man bemerkt, daß zuerst grünliche Albuminsubstanzen coagulirt, und dann mehr und mehr farblosere Körper gefällt werden; schließlich ist der durch Absetzen geklärte Saft merklich reiner und Heller als der in gewöhnlicher Weise durch einmaliges Eingießen allen Kalkes erhaltene. Klärung. – Bei gewissen Arten von Rüben, deren Saft mit Farbstoffen beladen bleibt, und nur zwei Tausendtel Kalk zu lösen vermochte, muß man diesen Saft mit einigen Tausendteln Kalk umrühren, wodurch er, unter Entstehung eines bräunlichen Absatzes, geklärt wird; dadurch wird die spätere Reinigung erleichtert. Erste Saturation. – Der geschiedene und nöthigenfalls geklärte Saft wird in einen Kessel von gewöhnlich 10 Hektoliter Inhalt abgelassen, und ein Strom unreiner Kohlensäure durchgeleitet. Diese wird aus einem besonderen Kalkofen gesaugt, gewaschen, unter 60° C. abgekühlt und durch ein durchlöchertes Rohr in den Saft getrieben; mehrere horizontale Scheidewände vertheilen sie auf einem längeren Wege besser durch den Saft. Die Kohlensäure fällt aus dem Saft, welcher beiläufig 2 Tausendtheile Kalk aufgelöst enthält, kohlensauren Kalk mit gefärbten Stoffen; in dem Maaße als diese Fällung stattfindet, läßt man Kalkmilch wie das erstemal in einem continuirlichen Strahl zufließen. Der Kalk wird so abwechselnd in Saft gelöst und daraus gefällt, und erschöpft hierbei allmählich den Gehalt an fremden gefärbten Stoffen, so daß die letzten Theile des Kalkniederschlages viel weniger braun sind als die ersten. Die Quantitäten Kalk, welche bei dieser ersten Saturation angewandt werden, wechseln je nach der Qualität der Rüben; für die besten braucht man nicht mehr als 2–8 Tausendtheile Kalk, während man meistens 10–15 Tausendtheile anzuwenden pflegt. Jedenfalls muß man mit der Saturation aufhören, wenn der Saft nur noch 1–2 Tausendtheile gelösten Kalk enthält. Diesen Punkt kann man an dem raschen Klarwerden einer Probe Saft erkennen; besser noch geschieht dieß, indem man eine Probe des trüben Saftes mit ihrem gleichen Volumen einer Lösung von Eisenchlorür (von 1,0035 Dichtigkeit bei 15° C.) mischt und prüft, ob ein Tropfen des Gemisches mit einem Tropfen einer Lösung von rothem Blutlaugensalz (von 0,001 Gehalt) eine blaue Färbung bewirkt; tritt diese Färbung nicht ein, so müßte man noch einige Zeit länger saturiren. Ist der richtige Punkt erreicht und eine Temperatur von 60–70° C. vorhanden, so läßt man in ein Gefäß ablaufen, wo sich der kohlensaure Kalk rasch absetzt. Zweite Saturation. – Nach dem Absetzen, welches in 15–20 Minuten geschehen ist, decantirt man den Saft in Kessel, die den vorhergehenden ähnlich sind und leitet Kohlensäure hindurch, bis wenigstens noch die Hälfte des zurückgebliebenen Kalkes ausgefällt ist. Man setzt dann 1 Tausendtel Kalk hinzu, welcher gleich gelöst, und sofort wieder gefällt wird, indem man die Kohlensäure diesesmal im Ueberschuß anwendet. Um den Endpunkt zu erkennen, prüft man, ob der filtrirte Saft Kaltwasser trübt; noch leichter und ohne Filtration kann man die Probe anstellen durch Vermischen gleicher Volumina des nicht filtrirten Saftes mit der Eisenchlorürlösung (von 1,0035 Dichtigkeit), die vorher mit ihrem 7fachen Volumen Wasser gemischt und durch rothes Blutlaugensalz gebläut ist. Die anzuwendenden Kalkmengen können je nach dem Gehalt der Rüben an Kali und Natron wechseln; man verificirt sie, indem man probirt, ob sie mit der Trübung übereinstimmen, welche Kalkwasser im filtrirten Saft bewirkt. Uebrigens sind die Proben, wenn titrirte Lösungen vorräthig gehalten werden, so leicht, daß sie selbst von Kindern ausgeführt werden können. Gleich nach der zweiten Saturation erhitzt man zum Kochen, um den Kohlensäure-Ueberschuß zu verjagen und läßt den Saft sich in Absatzkästen klären, worauf man den klaren Saft auf die Kohlenfilter leitet. Verdampfung. – Die vollkommenere Reinigung der so behandelten Säfte erleichtert derart die Verdampfung, sowie die Anwendung der Röhrenapparate mit dreifacher Wirkung und vermindertem Luftdrucke, daß das Kochen nicht mehr bei zunehmender Concentration dieselben Schwierigkeiten wie sonst darbietet. Auch ist der Kohlenverbrauch bei den Dampfkesseln, welche sämmtlichen Maschinen- und Koch-Dampf liefern, auf 1 Hektoliter per 1000 Kilogr. Rüben herabgebracht, während man früher 2–3 Hektoliter nöthig hatte. Concentration. – Der auf 25° Baumé gebrachte Saft wird in Vacuum fertig gekocht; es geht dieß mit dem auf die beschriebene Weise behandelten Saft viel besser als sonst von statten, indem sich in Folge seiner größeren Reinheit die Krystalle leichter abscheiden und vergrößern, und somit der Syrup von geringerer Dichtigkeit und die Verdampfung rascher wird. Die Krystallisation ist nach dem Ausfällen in wenig Stunden beendet; die Trennung der Krystalle von Syrup geschieht durch Centrifugen mit 1200 Umdrehungen in der Minute. Man deckt 1 oder 2mal mit Wasser und endlich mit Dampf, wodurch aller Syrup von den Krystallen losgelöst wird, die man endlich in einem Luftstrom trocknet. Man erhält so reine und weiße Zuckerkrystalle, welche direct in den Consum gehen können, wie dieß auch schon in großem Maaße geschehen ist. Außerdem ist solcher Zucker leicht und einfach zu raffiniren. Im Ganzen hat das Verfahren der Zuckerextraction durch die HHrn. Possoz und Perier eine erhebliche Verbesserung erfahren.