Titel: Ueber einige physikalische Arbeiten, welche im Sommer-Semester 1862 im physikalischen Cabinete des kgl. Cadeten-Corps zu München ausgeführt wurden.
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. X., S. 29
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X. Ueber einige physikalische Arbeiten, welche im Sommer-Semester 1862 im physikalischen Cabinete des kgl. Cadeten-Corps zu München ausgeführt wurden. Kuhn, über einige physikalische Arbeiten des kgl. Cadeten-Corps zu München. Die nachfolgenden Berichte enthalten die Resultate einiger derjenigen physikalischen Arbeiten, welche Hr. Franz Mader (Junker im k. bayer. Genie-Regiment und Schüler des II. Curses der Artillerie- und Genie-Schule zu München) im verflossenen Semester durchführte. Da Hr. Junker Mader großentheils nur seine dienstfreie Zeit diesen Uebungen zuwenden konnte, so können die Arbeiten selbst nicht den Grad von Vollständigkeit besitzen, welchen dieselben unter günstigeren Umständen hätten erlangen können. Von einer eingehenden Berücksichtigung der über die in Rede stehenden Gegenstände bekannt gewordenen trefflichen Arbeiten der früheren und neuesten Zeit, konnte aus diesem Grunde vorläufig auch gar keine Rede seyn. Da aber die Untersuchungen mit einer seltenen Ausdauer und Genauigkeit innerhalb der Grenzen, auf welche sie sich erstreckten, durchgeführt worden sind, so nehme ich um so weniger Anstand, die hier folgenden von Hrn. Junker Mader aus seinen größeren Aufsätzen gemachten Auszüge zu veröffentlichen, als dieselben einige Resultate enthalten, die für technische Fragen nicht ohne Interesse seyn dürften. Prof. C. Kuhn. I. Ueber das Combes'sche (Neumann'sche) Anemometer und dessen Gebrauch für Ventilationsversuche. Zum Zwecke von Ventilationsversuchen, auf deren Detail ich hier nicht näher eingehe, benutzte ich ein aus der Werkstätte des Hrn. Neumann in Paris herrührendes Anemometer (Nr. 237), dessen Einrichtung im Allgemeinen bekannt istAnnales des mines, t. XIII p. 103; polytechn. Journal Bd. LXXXI S. 422. und das bekanntlich zuerst von Combes nach dem Principe des Woltmann'schen Flügels construirt, für Grubenventilation in Vorschlag gebracht wurde und zur Ausführung gekommen ist. Combes hat hiefür a. a. O. eine Theorie angegeben, aus welcher hervorgeht, daß man aus der Anzahl der Umdrehungen des Flügelrades die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Luft durch den folgenden Ausdruck bestimmen kann: v = n tang α + √(g R/k.a.γ sin α cos³α'), worin n die relative Geschwindigkeit des Luftstromes, α den Winkel, unter welchem die Flügel zur Achse stehen, g die Beschleunigung der Schwere, R den Widerstands, welchen die Fläche bei der Bewegung erleidet, k einen numerischen, von der Größe der Fläche abhängigen Coefficienten, a den Flächeninhalt der Flügelebene, und γ das Gewicht der Kubikeinheit Luft bedeutet. In diesem Ausdrucke bleiben einige Größen während der Versuche unveränderlich, und wenn man dieses auch von den übrigen annehmen kann, so läßt sich, wenn man √g R/(k.a.γ sin α cos³α) = a und tang α = b setzt die sogenannte anemometrische Formel, die diesem Instrumente angehört, auch so schreiben: v = a + bn . Die Constanten a und b müssen dann in der Anwendung durch wirkliche Versuchsreihen bestimmt werden. Für meine Zwecke war es nun vor Allem darum zu thun, zu untersuchen wie weit die Genauigkeit geht, mit welcher die Einströmungsgeschwindigkeit einer Luftmasse von einem Raume in einen andern unter Anwendung des genannten Anemometers bestimmt werden kann. Es ist zwar jedem aus der Neumann'schen Werkstätte herrührenden Anemometer eine Formel beigegeben, deren Constanten durch wirkliche Versuche ermittelt worden sind; für das von mir benutzte Exemplar war dieselbe: v = 0m,09 + 0m,14 . n, woraus die Geschwindigkeit in Metern ausgedrückt, sich ergibt; ich hielt es jedoch für zweckmäßig, durch neue Untersuchungen jenen Ausdruck zu controliren, um insbesondere sehen zu können, ob derselbe innerhalb der Grenzen, für welche das Instrument anwendbar seyn soll, hinreichende Resultate liefert. Die Mittheilung der aus diesen Untersuchungen hervorgegangenen Resultate ist nun der eigentliche Zweck des vorliegenden Berichtes. Die Versuche zur Ermittelung der Constanten a und b wurden, da mir zur Anwendung von geeigneten mechanischen Vorrichtungen die Mittel nicht zu Gebote standen, in folgender Weise vorgenommen. In einem Saale von hinreichender Länge, der die Beseitigung aller Nebeneinflüsse auf die Bewegung der Flügelwelle zuließ, wurde eine Gerade genau bezeichnet, abgemessen und hierauf mit gleichförmiger Bewegung, die Flügelwelle in die angegebene Richtung bringend, abgeschritten. In Folge dieser Bewegung mußte die Flügelwelle in Rotation kommen, und dieselbe Winkelgeschwindigkeit beibehalten, so lange die fortschreitende Bewegung des Instrumentes eine gleichförmige war, vorausgesetzt, daß dasselbe durch Nebeneinflüsse eine Aenderung nicht erleiden konnte. Die Dauer der Bewegung wurde durch ein Chronometer gemessen, und man konnte also aus der Länge L des zurückgelegten Weges und der hiezu nöthigen Zeit T die der Anzahl n von Umdrehungen der Flügelwelle entsprechende Geschwindigkeit v mittelst des Ausdruckes v = L/T bestimmen. Für diese Versuche wurden nun dreierlei Räume gewählt, und zwar der große Turnsaal des Cadetencorps, der noch eine Länge von 145 b. Fuß darbot; ferner der Schlafsaal der Anstalt mit einer Länge von beiläufig 270 b. Fuß, und der große Zeichnungssaal von einer viel kleineren Länge, die nur 45 b. Fuß betrug. Vor dem Beginne einer jeden Versuchsreihe wurde der Gang des Chronometers durch Vergleichung mit einer genauen Pendeluhr bestimmt. Diese Bestimmung wurde von Viertelstunde zu Viertelstunde während der Dauer der Versuche wiederholt und die Correction an die während eines jeden Versuches ermittelten Zeitintervalle angebracht. Auf diese Weise wurden also die Fehler des Chronometers eliminirt. Weitere Vorsichtsmaßregeln bestanden darin, daß während der Versuche nicht nur die Thüren und Fenster sorgfältig geschlossen wurden, sondern selbst alle sowohl an den Wänden, als auch an den Thüren angebrachten Oeffnungen der genannten Räume so verklebt wurden, daß dieselben zur Entstehung von secundären Luftströmungen keine Veranlassung geben konnten. In jedem jener Räume wurde eine große Anzahl von Versuchen vorgenommen. Die Zahl der im Turnsaale ausgeführten Versuche betrug 84, im Schlafsaale wurden 54 Versuche ausgeführt, und die im Zeichnungssaale betrug 100, so daß die Zahl der sämmtlichen Versuche 238 ausmachte. Einige an verschiedenen Stellen der genannten Räume aufgestellte Thermometer waren dazu bestimmt, anzuzeigen, ob Temperaturveränderungen während eines Versuches stattfanden oder nicht. Da nun solche Temperaturänderungen im Zeichnungssaale (vermuthlich herbeigeführt durch die vielen an Wänden und Thüren angebrachten Oeffnungen) wirklich vorkamen, deren Einfluß nicht eliminirt werden konnte, so wurden die in diesem Saale angestellten Beobachtungen für die weiteren Ermittelungen gar nicht mehr benutzt. Aus gleichem Grunde wurden aus den im Schlafsaale ausgeführten Reihen nur jene ausgewählt, bei welchen die Temperatur in dem ganzen Räume nahezu constant blieb. Im Turnsaale blieb während der Dauer der Versuche die Temperatur immer unveränderlich, so daß die sämmtlichen hier erhaltenen Reihen zu dem oben bezeichneten Zwecke zur Benutzung kommen konnten. Bei Anstellung der einzelnen Versuchsreihen bemühte ich mich mit gleichbleibender Geschwindigkeit die Versuche auszuführen, und es gelang mir nach und nach mit den Geschwindigkeiten von 3,5 bis 10,53 bayer. Fuß das Abschreiten jedesmal gleichförmig auszuführen. Ich nahm zwar Bewegungen von 11,1 Fuß bis 13,3 Fuß Geschwindigkeit per Secunde bei 20 Versuchen vor, legte aber den Resultaten derselben weniger Werth bei, obgleich dieselben immer noch eine gute Uebereinstimmung zeigten. Um nun die sämmtlichen Versuche zu verwerthen, wurden anfänglich die Beobachtungen im Turnsaale unter sich vereinigt und mittelst Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate die Constanten a und b bestimmt. Gleiches geschah dann auch mit den im Schlafsaale ausgeführten Messungen. Da nun die auf diese Weise erhaltenen Resultate noch einige Anomalien zeigten, die weder der Versuchsmethode noch anderen Umständen zugeschrieben werden konnten, so wurde es als zweckmäßig erachtet, für größere Geschwindigkeiten eine andere Formel als für die kleineren zu benützen. Die Versuchsreihen wurden daher in Gruppen zerlegt, von welchen die erste die Geschwindigkeiten von 3,5 bis 5,5 Fuß per Secunde, die zweite die Geschwindigkeiten von 5,5 bis 8,0 Fuß per Secunde und die dritte die Geschwindigkeiten von 8,0 bis 13,0 Fuß per Secunde umfaßte. Für jede solche Gruppe wurden dann unter Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate die Constanten a und b ermittelt. Hiebei zeigte sich nun, daß die für eine jede Gruppe erhaltene Formel den Beobachtungen sich mit großer Uebereinstimmung anschloß. Es wurde daher diese Methode beibehalten, und für das Instrument nicht bloß eine allgemeine Formel, sondern auch für jede der genannten Grenzen der Geschwindigkeiten eine eigene Formel für das Anemometer construirt. Um zu zeigen, daß eine solche Vorsicht bei Anwendung des Anemometers für Ventilation nicht unnöthig ist, mögen hier die Resultate der im Turnsaale angestellten Versuche folgen. Bezeichnet N die Anzahl der Versuche, so ist mit Benutzung aller im Turnsaale ausgeführten Versuchsreihen: N = 84; (v) =   601,491; (n) =   1082,865 (nv) = 8815,2464; () = 16056,0125 a = 0,63496   und  =   b 0,5062. Für die erste Gruppe ist N = 30; (v) =   140,362; (n) =   246,155 (nv) = 1164,7922; () = 2048,1104 a = 0,890   und b = 0,461749. Für die zweite Gruppe ist N = 27; (v) =   182,853; (n) =   324,938 (nv) = 2208,9417; () = 3932,0369 a = 2,10572   und b = 0,38786. Für die dritte Gruppe ist N = 25; (v) =   264,916; (n) =   491,502 (nv) = 5306,109; (n²) = 9869,2948 a = 1,2739   und b = 0,47419. Was die Uebereinstimmung in den einzelnen Gruppen der aus den einzelnen Formeln berechneten Werthe mit den Beobachtungen betrifft, so mag die folgende Tabelle hierüber Aufschluß geben, die aus der umfassenderen ausgezogen wurde: Textabbildung Bd. 166, S. 34 Mit Benutzung aller Versuche; Erste Gruppe; Zweite Gruppe; Dritte Gruppe; Geschwindigkeit; Beobachtung; Berechnung; Differenz Aus den vorstehenden Mittheilungen mögen nun die nachstehenden Folgerungen gezogen werden dürfen: 1) Die oben beschriebene Methode zur Graduirung des Anemometers kann für Geschwindigkeiten bis zu etwa 10–12 bayer. Fuß per Secunde mit Sicherheit in Anwendung kommen, wenn man auf die während der Versuche eintretenden Nebeneinflüsse sorgfältig Rücksicht nimmt; 2) das Combes'sche Anemometer liefert,- vorausgesetzt, daß dasselbe gut ausgestattet ist und während der Versuche sorgfältig conservirt wird – ganz brauchbare Resultate, wenn man für Geschwindigkeiten, die höchstens um 3–4 Fuß von einander verschieden sind, eine gemeinschaftliche Formel construirt. Es erscheint hingegen nicht als rathsam, ein und dieselbe Formel für Geschwindigkeiten, die zwischen 0 und 12 Fuß liegen, oder um noch mehr sich unterscheiden, in Anwendung zu bringen; 3) viel weniger jedoch kann es gestattet seyn, eine Formel, die aus Beobachtungsreihen ermittelt worden ist, zur Bestimmung solcher Geschwindigkeiten in Anwendung zu bringen, die außerhalb der Grenzen, auf welche die Beobachtungen sich erstrecken, liegen. Unter Anwendung jenes Anemometers habe ich einige Versuchsreihen durchgeführt, welche den Zweck hatten, die Brauchbarkeit eines im physikalischen Cabinet befindlichen Ventilators für Ventilationszwecke zu untersuchen. Ohne auf diese Versuche bei dieser Gelegenheit weiter einzugehen, bemerke ich nur, daß es mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, die Menge Luft, welche ein Ventilator innerhalb einer bestimmten Zeit einem gegebenen Raume zuzuführen im Stande ist, zu bestimmen, wenn man nicht alle Nebenumstände sorgfältig dabei in Rücksicht nimmt. Es ist nämlich nicht bloß auf die Größe der Querschnitte, durch welche die Luft einströmt, Rücksicht zu nehmen, sondern auch insbesondere auf die Weglängen, welche die Luft vom Ventilator aus bis zum ventilirten Raume zurückzulegen hat. Ich habe bei meinen Versuchen Röhren von 2 verschiedenen Längen, nämlich eine 6' 8'' 4''' lang und eine 13' 4'' 4''' lang angewendet; die erste lieferte bei 10 Umdrehungen des Schwungrades des Centrifugalventilators in der Minute: 165,5 bayer. Kubikf. per Stunde; bei 40 Umdrehungen in der Minute: 873 Kubikfuß per Stunde; die zweite unter gleichen Umständen beziehungsweise nur 161,5 Kubikfuß und 686,8 Kubikfuß per Stunde. Nimmt man daher von jeder dieser Angaben nur 60 Proc. als wirklichen Nutzeffect des Ventilators, so liefert bei 10 Umdrehungen des Schwungrades des Ventilators in der Minute die Röhre von 6' 8'' 4''' Länge: 99,3 Kub. Fuß Luft in der Stunde; die Röhre von 13' 4'' 4''' 96,9     „ Bei 40 Umdrehungen des Schwungrades des Ventilators in der Minute liefert die Röhre von 6' 8'' 4''' Länge: 523,8 Kub. F. in der Stunde, und 13' 4'' 3''' 412,1 Die hier angegebenen Resultate sind nicht aus dem arithmetischen Mittel, sondern durch Ausgleichung von 46 Beobachtungen mittelst der Methode der kleinsten Quadrate aus einem Ausdruck erhalten worden, der sehr gut übereinstimmende Zahlenwerthe lieferte. Es können daher jene Abweichungen, welche die vorstehenden Zahlen zeigen, nur in dem Einflusse der Röhrenlänge auf die Bewegung der Luft herrühren. Da die genannten Röhren aus Gutta-percha vollkommen luftdicht angefertigt waren (der Querschnitt einer jeden dieser Röhren war 0,0237 bayer. Quadratfuß), so möchten bei Anwendung von Windröhren aus Holz, deren Innenflächen nicht sorgfältig geglättet sind, die Einflüsse noch größere seyn. Will man daher angeben, wie viel Luft ein Ventilator zu liefern im Stande ist, so darf man sich nicht damit begnügen, aus der Größe des Querschnittes der ganzen Windleitung und der mittelst des Anemometers ermittelten Ausströmungsgeschwindigkeit der Luft, die austretende Luftquantität zu berechnenHr. Prof. Dr. Pettenkofer hat bekanntlich eine Methode angegeben und bei seinen umfassenden Versuchsreihen angewendet, welche unabhängig von allen Nebenumständen einen sicheren Maaßstab liefert, um den Luftwechsel eines bewohnten Raumes beurtheilen zu können (m. s. Abhandl. der naturwissenschaftl. techn. Commission der k. b. Akademie der Wissenschaften Bd. II S. 71). Die Anwendung dieser Methode erfordert jedoch Operationen, die nur von Sachvertrauten mit Sicherheit durchgeführt werden können, und die man bei militärischen Anwendungen auch nicht immer auszuführen im Stande ist. Hier ist es erforderlich, den Nutzeffect eines zur Benutzung kommenden Ventilators für alle vorkommenden Umstände vorher genau zu ermitteln.Kuhn.(Die Fortsetzung folgt.) und davon etwa 60 Procent (die Zahl 6/10 als sogenannten Contractionscoefficienten benutzt) zu nehmen, sondern es ist auch nothwendig, an verschiedenen Stellen der Windleitung die Geschwindigkeit der durchströmenden Luft zu bestimmen, und da es noch außerdem unsicher bleibt, mit welchem Coefficienten die berechnete Luftmenge zu multipliciren ist, um den wirklichen Nutzeffect zu erhalten, so muß es als nothwendig erscheinen, vor der Anwendung des Ventilators denselben genau zu untersuchen und das von ihm unter verschiedenen Umständen gelieferte Luftquantum mittelst eines geeignet ausgestatteten Gasometers direct zu messen. Auf diese Weise wird man sodann, wenn die Versuche sorgfältig ausgeführt werden, unmittelbar auf den Werth des sogenannten Contractionscoefficienten geführt. Die Versuche in dieser Weise auszuführen, war mir der obwaltenden Verhältnisse halber nicht möglich; ich hielt es aber nicht für unnöthig, bei dieser Gelegenheit die vorhin genannten Umstände zu erwähnen, da die Fragen über Ventilation für militärische Zwecke, sowohl für Minenräume als auch für die bewohnten Localitäten, von großer Wichtigkeit sind. Franz Mader,         Junker im k. b. Genie-Regiment.