Titel: Ueber die Löslichkeit des Kochsalz-Glucosates in Wasser und seine Zersetzung durch dasselbe; von E. Friedr. Anthon.
Autor: Ernst Friedrich Anthon [GND]
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XVII., S. 69
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XVII. Ueber die Löslichkeit des Kochsalz-Glucosates in Wasser und seine Zersetzung durch dasselbe; von E. Friedr. Anthon. Anthon, über die Löslichkeit des Kochsalz-Glucosates in Wasser. Wenn man reines fein pulverisirtes Kochsalz-Glucosat (in jedem beliebigen Verhältniß bis zu 150 Gewichtstheilen) mit 100 Gew. Thln. Wasser von circa 15° R. zusammenbringt und anhaltend schüttelt, so löst sich das Glucosat vollständig auf, obgleich hierzu ein mehrstündiges und noch längeres Schütteln nothwendig seyn kann, wenn das Glucosat nicht fein genug pulverisirt war oder man das erwähnte größte Mengenverhältniß von Glucosat gegen Wasser angewendet hat. Das Auflösen findet dabei ohne bemerkenswerthe Erscheinungen statt und bleiben auch die Auflösungen beim Stehenlassen unverändert. Bei Anwendung von 160 Gew. Th. (oder darüber) trocknem Glucosat auf 100 Gew. Th. Wasser von 15° R. findet keine vollständige Auflösung mehr statt, die jedoch bewirkt werden kann, wenn man Wärme zu Hülfe nimmt. Bei 160 bis 200 Th. Glucosat auf 100 Gew. Th. Wasser genügen schon 40–45° R. um vollständige Lösung zu bewerkstelligen. Binnen wenig Tagen schießt der Ueberschuß von Glucosat in schönen kandisähnlichen Krystallen und von seiner gewöhnlichen Zusammensetzung an. Die verbleibende bei 15° R. gesättigte Lösung besitzt ein spec. Gewicht von circa 1,280. Wenn man dagegen 100 bis 150 Gew. Th. pulverisirtes Kochsalzglucosat mit 100 Gew. Th. Wasser gut durcheinander rührt und dann ruhig stehen läßt, so tritt schon nach wenigen Minuten eine auffallende Veränderung ein, indem sich die durch das Umrühren ziemlich dünnflüssig gewordene Mischung allmählich ohne eine bemerkbare Temperatur-Veränderung so verdickt und gestockt, daß man das Gefäß umwenden kann, ohne daß sich die Masse in Bewegung setzt. Außerdem nimmt die Krystallmasse ein anderes Aussehen an, indem die klaren, durchsichtigen und schweren Körnchen des Kochsalz-Glucosates in eine weiße, undurchsichtige, voluminöse Krystallmasse übergehen, welche sich jedoch mittelst eines Glasstabes zu einem Brei zerrühren läßt. Bringt man diesen Krystallbrei zwischen Fließpapier und drückt ihn stark aus, so erhält man ein weißes Krystallmehl, welches viel süßer schmeckt als das Kochsalz-Glucosat und viel weniger Kochsalz enthält als das Glucosat selbst. Bei einem Versuch, bei welchem das Krystallmehl so angewendet wurde, wie es nach dem Ausdrücken zwischen Fließpapier aus demselben genommen wurde, enthielt dasselbe im trockenen Zustand 2,63 Proc. Kochsalz, während es bei einem andern Versuch, bei welchem das Mehl nach dem ersten Auspressen zwischen Fließpapier mit wenig Wasser benetzt und dann nochmals zwischen Fließpapier ausgepreßt wurde, nur 1,93 Kochsalz in 100 trocknem Kochsalz-Glucosat enthielt. Das zu diesen Versuchen angewendete Kochsalz-Glucosat enthielt 13,21 Proc. Kochsalz, war also die gewöhnliche von Brunner analysirte Verbindung. Es unterliegt sonach kaum einem Zweifel, daß das ausgeschiedene Krystallmehl Traubenzucker war, dem der geringe Gehalt an Kochsalz nur noch mechanisch anhieng. Als ich im weiteren Verlauf meiner Versuche 100 Gew. Th. einer bei gewöhnlicher Temperatur (bei 12° R.) gesättigten Kochsalz-Glucosat-Lösung mit 10 Gewichtstheilen trockenem Kochsalz versetzte und nach anfänglich öfterem Umschütteln (in eine Glasröhre eingeschmolzen) gegen 14 Monate lang liegen gelassen hatte, erschienen die Glaswände mit schön krystallisirtem Kochsalz-Glucosat überzogen, dessen Menge 17 Gew. Th. betrug. Genau dieselbe Menge Glucosat wurde in ausgeschiedenen Krystallen erhalten, als 100 Gew. Th. der Kochsalz-Glucosat-Lösung mit 10 Gew. Th. Kochsalz versetzt, letzteres durch Erhitzen bis auf 80° R. in die Lösung übergeführt und diese wie beim vorstehenden Versuch längere Zeit der Ruhe überlassen wurde. In beiden Fällen hatten die 10 Gew. Th. des in Lösung übergegangenen Kochsalzes 17 Gew. Th. Kochsalz-Glucosat in Krystallen ausgeschieden. Uebereinstimmend hiemit vermag auch eine bestimmte Menge Wasser für sich angewendet, mehr Kochsalz-Glucosat aufzulösen, als wenn das Wasser schon etwas Kochsalz aufgelöst enthält, oder demselben neben dem Kochsalz-Glucosat auch etwas Kochsalz dargeboten wird. So erhält man z.B. bei gewöhnlicher Temperatur keine vollständigen Lösungen, wenn man 100 Gew. Th. Wasser mit 100–130 Gew. Th. Kochsalz-Glucosat nebst 15 bis 20 Gew. Th. Kochsalz zusammenbringt. Es bleibt selbst nach dem anhaltendsten Umschütteln eine größere Menge ungelöst, welche man zwar durch Mitanwendung von Wärme ebenfalls in Auflösung überführen kann, die sich aber beim Erkalten wieder ausscheidet. Aus dem Gesagten ergibt sich nun Folgendes: 1) Das Kochsalz-Glucosat wird bei gewöhnlicher Temperatur von Wasser in Traubenzucker und Kochsalz zerlegt, die sich jedoch schon durch anhaltendes Schütteln, schneller unter gelinder Erwärmung, wieder vereinigen. 2) Diese Zersetzung des Kochsalz-Glucosates durch bloßes Wasser und bei gewöhnlicher Temperatur scheint nur durch die Annahme erklärbar, daß das Kochsalz-Glucosat in verdünnten wässerigen Lösungen gar nicht bestehen könne, sondern seine Bildung und Existenz in solchen Lösungen durch eine bestimmte Concentration derselben bedingt sey. 3) Von 100 Gew. Th. Wasser können bei 15° R. 150 Gew. Th. trockenes Kochsalz-Glucosat aufgelöst werden. 1 Theil Glucosat erfordert sonach zu seiner Lösung nur 0,66 Theile Wasser von 15° R. 4) Die Gegenwart von freiem Kochsalz vermindert die Löslichkeit des Glucosates in Wasser. 5) Eine bestimmte Menge Wasser vermag viel mehr Traubenzucker im Zustand von Kochsalz-Glucosat, als wie in reinem Zustand aufzulösen.