Titel: Dampfkesselrevisionen in England; von Lange.
Fundstelle: Band 166, Jahrgang 1862, Nr. LVII., S. 247
Download: XML
LVII. Dampfkesselrevisionen in England; von Lange. Aus Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen, 1862 H. 7–10 S. 405. Lange, über Dampfkesselrevisionen in England. Im Jahre 1854 bildete sich in Manchester eine Gesellschaft zum Zwecke der Verhütung von Dampfkesselexplosionen unter dem Namen „Association for the prevention of steam-boiler-explosions,“ welche in dem ersten Jahre ihres Bestehens 269 Mitglieder mit 843 Dampfkesseln, im Jahre 1861 bereits 430 Mitglieder mit 1454 Dampfkesseln zählte und sich nunmehr nicht bloß auf Manchester beschränkt, sondern die ganze gewerbreiche Umgegend von Leeds bis Liverpool und von Preston bis Sheffield umfaßt. An der Spitze der Gesellschaft steht William Fairbairn als Präsident des ausführenden Comité's, und für die Revisionen der Dampfkessel, welche jährlich viermal vorgenommen werden, sind ein Oberingenieur und mehrere Inspectoren angestellt. Wir geben im Folgenden einen Auszug aus dem Berichte des Oberingenieurs an das ausführende. Comité der Gesellschaft für das Jahr 1861. Von den vier jährlichen Inspectionen der Dampfkessel wird eine von dem Oberingenieur der Gesellschaft vorgenommen, die drei übrigen geschehen durch die Inspectoren. Je nach dem Wunsche der Kesselbesitzer kann eine der letzteren eine „innere“ und „vollständige“ seyn, während die übrigen nur „äußerliche“ sind. Bei der „vollständigen“ Revision werden die Kessel nicht bloß im Inneren untersucht, sondern es werden auch die äußeren Platten, so weit man durch die Züge zu denselben gelangen kann, nachgesehen, die Dicke derselben gemessen und, wenn es die erste Revision ist, eine genaue Zeichnung des Kessels aufgenommen. Hierbei wurden im Jahre 1861 als gefährlich befunden: wegen Bruch in den Platten und Winkeleisen               6 Kessel Rost 21    „ mangelhafter Sicherheitsventile   5    „ fehlender Sicherheitsventile   4    „ mangelhaften Abblaseapparates   7    „ Beschädigung aus Wassermangel   9    „ Nicht gefährlich, aber in unbefriedigendem Zustande befanden sich: wegen Bruch der Platten etc.   80 Kessel Rost 173    „ mangelhafter Sicherheitsventile 163    „ mangelhafter Abblaseapparate 194    „ mangelhafter Wasserstandszeiger 127    „ wegen mangelhafter Speiseapparate   24 Kessel mangelhafter Speise- und Gegendruckventile   97    „ verbogener Feuerröhren 101    „ Um Mißverständnisse zu verhüten, muß hierbei bemerkt werden, daß die Zahl der defecten Kessel nie eine so große war, wie man wohl auf den ersten Blick hieraus entnehmen möchte, sondern daß das Vorstehende nur eine Zusammenstellung aller überhaupt während des Jahres vorgefundenen Mängel ist. Brüche von Blechplatten und Winkeleisen. – Fast alle Fälle dieser Art rühren von der ungleichmäßigen Ausdehnung der verschiedenen Theile des Kessels her; der bei weitem größte Theil derselben kommt bei den Kesseln mit zwei inneren Feuerröhren vor, und zwar erfolgt der Bruch gewöhnlich in der Mitte derselben in den unteren Platten, namentlich wenn die Kessel sehr lang sind, das Feuer zuletzt unter dem unteren Theil des Kessels durchstreicht, das Speisewasser ebendaselbst eintritt und nicht gehörig vorgewärmt ist und die Zwischenräume zwischen der Kesselwandung und den Feuerröhren so eng sind, daß die Circulation des Wassers behindert ist. Die Brüche in den Winkeleisen kommen am häufigsten beim Anschluß der Feuerröhren an die Kesselwandung vor und rühren von dem fortwährenden Zwängen und Zerren her, welches in denselben durch die zeitweise Ausdehnung und Zusammenziehung des oberen Theiles der Röhren hervorgerufen wird. Es empfiehlt sich daher, die Verbindung der Platten hier so einzurichten, daß denselben eine geringe Bewegung möglich ist. Wo die Feuerröhren durch eine Flantsche mit der Kopfplatte verbunden sind und der Raum zwischen den Röhren eng ist, bricht die Flantsche leicht ab, und die Reparatur ist in diesem Falle schwierig. Doch kommt diese Construction bei neuen Kesseln wohl nicht mehr vor. Brüche aus Ueberhitzung der Platten, welche durch Kesselsteinbildung oder aus anderen Ursachen entstanden, kommen nur selten vor und sind leicht erklärlich. Rost. – Verrostung der Bleche im Innern des Kessels rührt stets von der Beschaffenheit des Speisewassers her, und solches Wasser wirkt namentlich bei Kesseln, welche nicht ganz sorgfältig gefertigt sind, auf schnelle Zerstörung hin. Kleine Undichtheiten an den Stößen, welche sich sonst beim Gebrauch bald schließen, werden dadurch von Tage zu Tage weiter ausgefressen. Die Gesellschaft hat durch einen Chemiker alles Speisewasser in ihrem Districte analysiren lassen, um die Mittel gegen das Verrosten der Kessel aufzufinden, und namentlich Soda mit vielem Erfolge dagegen angewendet. Der äußere Rost entsteht sehr häufig dadurch, daß die Stöße oder Niete der Bleche undicht sind, und wirkt namentlich dann sehr zerstörend, wenn der durch die Undichtheiten dringende Dampf oder das Wasser vor dem Mauerwerk an den Platten zurückgehalten wird. Darum sind denn auch diejenigen Kessel, deren unterer Feuerzug durch eine Zunge (mid feather) der Länge nach getrennt ist, auf welcher der Kessel ruht, dem Roste sehr ausgesetzt. Es helfen hiergegen nur eine durchaus sorgfältige Ausführung des Kessels, gutes Material und eine vollständige und accurat gearbeitete Garnitur. Undichtheiten der Mannlöcher, Probirhähne, Wasserstandsgläser etc. sind häufig die Ursachen des Rostes. Es empfiehlt sich daher, den Kessel nach seiner Aufstellung, jedoch vor der Einmauerung, mit der Druckpumpe zu prüfen und alle sich dabei ergebenden Undichtheiten zu beseitigen. Sicherheitsventile. – Es ist wünschenswerth, daß dieselben dem Heizer stets sichtbar sind und nur ein nach dem höchsten zulässigen Dampfdrucke zu bestimmendes Gewicht an dem Belastungshebel und zwar an dem äußersten Ende desselben angebracht sey oder, wenn das Gewicht nicht am Endpunkte des Hebels angebracht werden kann, an der entsprechenden Stelle desselben festgenietet werde, damit jedermann den Kesselwärter controliren kann. Es empfiehlt sich aus diesem Grunde nicht, das Ventil und die Belastung zu verschließen, sondern dieß ist im Gegentheil schädlich, weil der Kessel gewöhnlich durch den in dem Verschlußkasten condensirten, abgeblasenen Dampf, welcher auf die Blechplatten tröpfelt, beschädigt wird. Abblasevorrichtungen. – Es wird empfohlen, denselben eine ganz besondere Sorgfalt zu widmen, da ihre Anwendung vorzugsweise für die Erhaltung der Kessel von Werth ist. Bei den sehr verschiedenen Einrichtungen derselben ist hauptsächlich darauf zu sehen, daß sie bequem und gefahrlos zu handhaben sind und daß ein gehörig weites Abflußrohr vorhanden ist, damit das Fundamentgemäuer des Kessels nicht vom Wasser durchdrungen werde und in Folge dessen die Platten desselben rosten. Speisevorrichtungen. – Die Ventile, welche behufs Speisung des Kessels erst durch eine Schraubenspindel gegen den Druck des Speisewassers geöffnet werden müssen, sind durchaus verwerflich, weil es vorkommt, daß die Spindel abbricht, das Ventil alsdann in seinen Sitz zurück fällt und den Kessel von dem Speisewasser gänzlich abschließt. Es sind hierdurch vielfache Störungen, sogar Explosionen und Verluste von Menschenleben hervorgerufen. Diese Ventile werden daher am besten weggelassen und die Speisung dadurch geregelt, daß der Hub des Gegendruckventils durch eine Schraubenspindel, welche sich über demselben befindet, aber nicht mit ihm verbunden ist, regulirt wird. Was die Stellung des Gegendruckventils betrifft, so erscheint es am zweckmäßigsten, dasselbe an der Kopfplatte des Kessels neben dem Wasserstandsglase anzubringen; der Heizer kann hier das Klappen des Ventils hören, es ist ihm besser zugänglich, als wenn es oben auf dem Kessel angebracht ist, und die Speisung kann von ihm regulirt werden, ohne daß er den Feuerplatz zu verlassen braucht. Wasserstandsgläser. – Ein einziges Wasserstandsglas genügt für einen Dampfkessel nicht, sondern es müssen deren zwei oder noch ein Schwimmer angebracht seyn. Neuerdings hat man eine Vorrichtung erfunden, mittelst deren das Innere des Kessels erleuchtet wird und man in denselben hinein sehen kann; diese Erfindung empfiehlt sich sehr, um den Stand des Wassers im Kessel zu beobachten. Beschädigungen durch Wassermangel. – Dieselben entstanden in einem Falle durch Unvorsichtigkeit des Heizers, in einem anderen Falle durch Schadhaftigkeit des Abblasezapfens, und in noch anderen deßhalb, weil das Wasserstandsglas zerbrochen und kein anderer Wasserstandszeiger vorhanden war. Unter Bezugnahme auf mehrfache Beispiele wird bestritten, daß die Kessel mit innerer Feuerung in ihrem Betriebe gefährlicher seyen, als diejenigen Kessel, welche von unten geheizt werden, da gerade bei den letzteren es öfter vorkomme, daß Platten, obgleich sie vom Wasser bedeckt sind, erglühen und Beulen oder Lecke bekommen. Kesselsteinbildung. – Das wirksamste und sicherste Mittel hiergegen ist ein regelmäßiges Abblasen des Kessels und zwar zwei oder dreimal täglich zu der Zeit, wo die Maschine still steht und das Wasser zur Ruhe gekommen ist, so daß der Schlamm sich unten am Kessel hat setzen können. Auch ist es nicht genügend, nur durch eine einzige Oeffnung am Boden des Kessels zeitweise abzublasen, sondern es muß die Wirkung durch die ganze Länge des Kessels gleichmäßig seyn, wenn die Kesselsteinbildung stark ist, und es empfiehlt sich dazu ein durchlöchertes Rohr, das von einem Ende des Kessels bis zu dem anderen durchgeht. Außerdem muß aber auch dafür gesorgt werden, daß diejenigen zur Kesselsteinbildung geeigneten Theilchen, welche als Schaum auf dem Wasser schwimmen, bevor sie sich an die Kesselplatten setzen können, abgeblasen werden, und dieß geschieht bei den Marinekesseln bereits allgemein durch eigens zu diesem Zwecke angebrachte Röhren. Der Gebrauch von Soda bei kalkhaltigem Speisewasser hat sich sehr vortheilhaft erwiesen. Construction der Kessel. – In neuerer Zeit ist man allgemein darauf bedacht, die Feuerröhren etc. in ihren Wandungen gehörig zu verstärken durch Flantschen, T-Eisen und Winkeleisen beliebiger anderer Formen. Auch geht man davon ab, die Kesselwandungen durch große Oeffnungen für die Dampfdome (welche oft 3 bis 4 Fuß im Durchmesser hatten) oder durch eine zu große Anzahl kleinerer Oeffnungen neben einander oder in einer Reihe zu schwächen. Bei einer sehr folgenschweren Explosion fand sich, daß der Kessel gerade durch die Oeffnung am Fuße des Dampfdomes und durch das Mannloch gerissen war. Wenn man Kessel recht kräftig mit der Druckpumpe prüft, so findet man schwache Stellen zuerst an diesen Theilen und ist gewöhnlich genöthigt, die Kessel an den Dampfdomen zu verstärken. Da dieselben durchaus nicht unentbehrlich sind, sondern durch ein durchlöchertes Dampfrohr im Innern des Kessels sehr gut ersetzt werden können, so erscheint es am rathsamsten, die Dampfdome bei hoher Spannung ganz aufzugeben und die Mannlöcher durch aufgenietete Mundstücke gehörig zu verstärken. Explosionen. – Im Bereiche der Gesellschaft explodirte kein Dampfkessel im Jahre 1861. In England überhaupt wurden während dieses Jahres 20 Explosionen bekannt, bei welchen 27 Personen getödtet und 47 verwundet wurden. So weit diese Explosionen von dem Oberingenieur der Gesellschaft untersucht wurden, waren zwei durch äußeren, eine durch inneren Rost, eine durch Unaufmerksamkeit auf den bereits gefährlichen Zustand des Kessels, eine durch schlechte Construction des Kessels, indem die Oeffnungen für den Dom und das Mannloch zu groß und nicht gehörig verstärkt waren, entstanden, und endlich zwei dadurch, daß die inneren Feuerröhren zusammenklappten, weil sie ebenfalls nicht durch Ringe oder dgl. verstärkt waren. Dampfmaschinen. – Die Beamten der Gesellschaft sind neben der Revision der Dampfkessel auch bemüht, Daten über den Verbrauch an Kohlen behufs der Erzeugung des Dampfes und über den Nutzeffect desselben in den Cylindern der Dampfmaschinen zu sammeln, um auf diese Weise die zweckmäßigsten Constructionen zu kennzeichnen. Bei jeder Revision wird deßhalb gegen eine besondere Gebühr durch einen Indicator die in jedem einzelnen Cylinder entwickelte Kraft des Dampfes abgenommen und auf die daraus ermittelten Pferdestärken der Verbrauch an Steinkohlen per Stunde reducirt. Da jedoch noch ein großer Theil der Mitglieder der Gesellschaft die Kosten dieser Untersuchung nicht tragen will, außerdem aber in vielen Fabriken auch Dampf zu anderen Zwecken, als zum Betriebe der Dampfmaschine, benutzt wird, so ist hierdurch bisher ein nutzbares Resultat noch nicht erzielt. Es wird jedoch auf die große Zweckmäßigkeit der Cylindermäntel (steam-jackets) hingewiesen und auf die besonderen Vortheile der Ueberhitzung des Dampfes. Alle Einwände gegen die letztere, als starker Verschleiß des Cylinders, Kolbens und der Schieber, Begünstigung des Rostens des Metalls, größere Gefahr der Explosionen u. dgl. werden als eingebildete bezeichnet und beispielsweise angeführt, daß die Peninsular and Oriental Steam Navigation Company bei Anwendung von überhitztem Dampf eine Ersparniß von 30 Proc. und mit Dampfmänteln sogar eine solche von 50 Proc. des Brennmaterials erzielt habe. Es empfiehlt sich, den Dampf bis zu 100° über die gewöhnliche Temperatur desselben zu überhitzen, demnächst aber auch dafür zu sorgen, daß derselbe mit dieser Temperatur wirklich in den Cylinder gelangt. Zum Heizen ist überhitzter Dampf nicht zweckmäßig. Dem vorstehenden Berichte des Oberingenieurs fügen wir noch hinzu, daß sich neuerdings auch in London eine Gesellschaft zur Verhütung von Dampfkesselexplosionen gebildet hat, welche im Allgemeinen nach denselben Grundsätzen verfährt, wie diejenige in Manchester. Die Revisionsgebühren, welche mit dem Jahre 1861 bedeutend herabgesetzt sind, betragen nunmehr: für 1 Kessel jährlich 20 Shilling = 6 Thlr. 20 Sgr.  „   2 und 3 Kessel für jeden 18 Sh. = 6    „    –    „  „   4   „   5     „       „      „     16  „   6 d. = 5    „    –   „  „   6   „   7     „       „      „     15  „   – = 5    „    –    „  „   8   „   9     „       „      „     14  „   6 d. = 4    „   20   „  „ 10 und darüber   „      „     13  „   – = 4    „   10   „