Titel: Ueber die Wirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle; von de Commines de Marsilly.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. VII., S. 24
Download: XML
VII. Ueber die Wirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle; von de Commines de Marsilly. Aus den Annales de Chimie et de Physique, 3me série, t. LXVI p. 167. de Marsilly, über die Wirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle. Pelouze und Fremy sagen in der ersten Ausgabe ihres Traité de Chimie générale, t. III. p. 264: „Die Steinkohlen bestehen aus einem Gemenge verschiedener, in allen Lösungsmitteln unlöslicher Körper, welche man folglich nicht von einander trennen konnte. Delesse hat meines Wissens zuerst die Wirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle untersucht; er spricht sich darüber in seiner Abhandlung über den Metamorphismus (Annales des mines, t. XII. p. 101) folgendermaßen aus: „Die Brennmaterialien können ihre bituminösen und flüchtigen Bestandtheile noch auf andere Weise als durch die Wärme verlieren. So löst das Benzin gewisse Theile derselben auf. Jacquelain, welchen ich mit der Ausführung der bezüglichen Versuche beauftragte, fand, daß das Benzin von dem Torfe eine beträchtliche Menge auflöst, welche 25 Procent überschreiten kann; selbst von der Braunkohle löst es mehrere Procente auf. Bei der Steinkohle ist das Verhältniß gewöhnlich geringer.“ Ich hatte schon vor ihm dieselben Thatsachen beobachtet, ohne sie zu veröffentlichen; hernach stellte ich weitere Versuche über die Wirkung der Lösungsmittel auf die Steinkohle an, in der Hoffnung einige ihrer näheren Bestandtheile abzusondern, ein neues Licht auf ihre wirkliche Zusammensetzung zu werfen und neue Eigenschaften zu entdecken, welche mir die Veränderungen erklären würden, die sie an der Luft oder durch Einwirkung einer schwachen Wärme erleidet; diese Veränderungen habe ich in meiner Abhandlung über die Steinkohlensorten welche auf den Markt zu Paris kommenAnnales des mines, 1857, t. XII p. 347; polytechn. Journal Bd. CXLIX S. 126. auseinander gesetzt. Die betreffenden Versuche lieferten mir aber keine wichtigen Resultate; ich will dieselben jedoch hier mittheilen, weil neue Thatsachen bezüglich eines Materials von so allgemeiner Verwendung wie die Steinkohle nicht ohne Interesse sind. Ich ermittelte die Wirkung der Lösungsmittel auf die trockenen Steinkohlen mit langer Flamme, auf die fetten (backenden) Steinkohlen mit langer und mit kurzer Flamme, und auf die mageren Steinkohlen; ich wandte dabei auch die verschiedenen Apparate an, welche die kochende Flüssigkeit und ihren Dampf auf den zu untersuchenden Körper wirken zu lassen gestatten, und stellte sogar Versuche unter einem Druck von 15 Atmosphären in einem Popin'schen Topfe an. Die Resultate waren in den beiden letzteren Fällen nahezu die nämlichen, wie diejenigen welche man erhält, wenn man die gepulverte Steinkohle 48 Stunden lang in der Flüssigkeit bei gelinder Temperatur digeriren läßt, oder die Digestion in der Wärme einige Stunden dauern läßt. Die Lösungsmittel, welche ich versuchte, sind: 1) Schwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure, Aetzkali. Dieselben zeigen keine oder fast keine Wirkung auf die Steinkohle, so lange die Digestion auch dauern mochte. 2) Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff, Benzin und Chloroform. Der Alkohol hat eine sehr schwache Wirkung auf die Fettkohlen und färbt sich kaum; die anderen Lösungsmittel wirken mehr auf dieselben und nehmen eine dunkelbraune, in Grün stechende Farbe an. Am stärksten färbt sich das Chloroform und dasselbe scheint die größte Menge von Substanz aufzulösen. Man braucht es nur 48 Stunden lang bei gelinder Temperatur mit Steinkohle digeriren zu lassen, welche in kleine Stücke zerstoßen und frei von feinem Pulver ist, von Zeit zu Zeit zu schütteln, dann ruhig stehen zu lassen, endlich zu decantiren. Man thut gut, die Flüssigkeit mit der Steinkohle einige Minuten lang zu kochen und dann ruhig stehen zu lassen; auf diese Weise färbt sie sich mehr. Man trennt sie von der Steinkohle durch bloßes Decantiren; sollte sich feines Pulver gebildet haben und dieses mitgerissen werden, so filtrirt man über Glas, um eine vollkommen klare Flüssigkeit zu erhalten. Wenn man diese Flüssigkeit im Wasserbad bei 65° C., dem Siedepunkt des Chloroforms, destillirt und die Operation in dem Zeitpunkt unterbricht, wo die Temperatur erhöht werden mühte, damit die Destillation fortdauert, so bleibt in der Retorte eine Flüssigkeit zurück, welche sich in einer engen vertical gestellten Röhre in zwei Theile trennt: der untere Theil ist ein schweres und gefärbtes Oel; der obere Theil ein leichtes und farbloses, mit Chloroform gemischtes Oel. Der Geruch dieser Oele ist derjenige des Holzgeistes, zum Theil durch den des Chloroforms maskirt; wurde die Steinkohle aber mit Aether behandelt, so ist der Holzsäuregeruch sehr deutlich wahrnehmbar. Obgleich ich bei meinen Versuchen gewöhnlich 500 Gramme bis 1 Kilogr. Steinkohle in sehr kleinen Stücken mit 500 Grm. bis 1 Kilogr. Chloroform behandelte, erhielt ich doch nicht genug Oele, um dieselben gehörig rectificiren zu können, ihrer Reinheit sicher zu seyn und von denselben die Analyse zu machen. Wenn man, anstatt die Destillation zu unterbrechen, sobald die Temperatur 65° bis 66° C. überschreitet, fortfährt zu erhitzen, so steigt dieselbe ohne einige Zeit stationär zu bleiben; von 150° – 180° zersetzt sich die Flüssigkeit, und in der Retorte verbleibt ein fester, schwarzer und schwammichter Körper, welcher deren Wände überzieht und nichts anderes als reiner Kohlenstoff ist. In einer Platinschale verbrennt er in der Muffel eines Probirofens vollständig, ohne den geringsten Rückstand zu hinterlassen. Durch die Digestion unter einem Druck von 15 Atmosphären hoffte ich mehr von den Oelen zu erhalten, aber meine Erwartung wurde getäuscht. Die Steinkohlen, womit ich hauptsächlich meine Versuche anstellte, sind diejenigen der Agrappe (Becken von Mons), fette Schmiedekohlen, diejenigen des nördlichen Gehölzes von Broussu, Fettkohlen mit langer Flamme, diejenigen des Haut-Flénu, trockene Kohlen mit langer Flamme; die Resultate, welche ich mit diesen verschiedenen Steinkohlensorten erhielt, waren ziemlich die gleichen. Mit den halb-mageren oder halb-fetten Steinkohlen, wie denjenigen des Beckens von Charleroi, färben sich die Lösungsmittel schwach. Mit den mageren Steinkohlen färben sie sich gar nicht und die decantirte Flüssigkeit destillirt ohne Rückstand; aus dieser Thatsache ist zu schließen, daß die mageren Kohlen nicht dieselben näheren Bestandtheile enthalten wie die Fettkohlen; die näheren Bestandtheile der letzteren sind vielleicht der eingedickte Theer (brai) und einige der gekohlten Oele, welche sich daraus beim Erhitzen entbinden. Es wäre sehr interessant zu wissen, ob diese Substanzen in der Steinkohle präexistiren, oder ob sie durch die beim Erhitzen erfolgende Zersetzung der die Steinkohle bildenden näheren Bestandtheile entstehen; meine Versuche gestatteten nicht diese Frage zu entscheiden, weil die Wirkung der Lösungsmittel zu schwach ist; ich habe auch nicht bemerkt, daß die Kohks, welche die mit den Lösungsmitteln behandelten Steinkohlen lieferten, einen geringeren Zusammenhang hatten. Das Ergebniß meiner Versuche ist also, daß die Wirkung der Lösungsmittel nur zwischen den mageren Steinkohlen und den anderen Steinkohlenarten einen charakteristischen Unterschied herausstellt, indem sie auf erstere nicht wirken, während sie auf letztere wirken; sie gestatten aus denselben kleine Mengen von flüssigen Kohlenwasserstoffen auszuziehen, nämlich einen gefärbten und einen ungefärbten, von denen ersterer eine viel größere Dichtigkeit hat als letzterer; jener ist ein schweres Oel, dieser ein leichtes Oel; diese Oele zersetzen sich bei einer Temperatur von ungefähr 180° C., indem sie einen kohligen Rückstand hinterlassen und einen starken Holzsäuregeruch verbreiten. Die Definition, welche Pelouze und Fremy von den Steinkohlen geben, muß also dahin abgeändert werden, daß dieselben aus einem Gemenge verschiedener in den Lösungsmitteln unlöslicher oder wenig löslicher Körper bestehen.