Titel: Ueber Schwefelkiese zur Schwefelsäurefabrication in Beziehung auf die Verarbeitung der Salzmassen aus den Salzgruben Staßfurt-Leopoldshall; von F. Schoenichen.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CX., S. 448
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CX. Ueber Schwefelkiese zur Schwefelsäurefabrication in Beziehung auf die Verarbeitung der Salzmassen aus den Salzgruben Staßfurt-Leopoldshall; von F. Schoenichen. Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1863 S. 51. Schoenischen, über Schwefelkiese und Schwefelsäure-Fabrication. Die große Ablagerung von alkalischen Salzen, gemengt mit borsauren Verbindungen, welche das auf der Grenze zwischen Preußen und Anhalt entdeckte Steinsalzlager überdeckt, das von beiden Regierungen in Staßfurt und Leopoldshall aufgeschlossen ist, hat selbst über die Grenzen Deutschlands hinaus in der speculativen Handelswelt die gespannteste Aufmerksamkeit auf die technische Verarbeitung dieses interessanten Rohmaterials zu gesuchten Producten gelenkt. Nicht weniger als sechs Concessionen sind bereits zwischen Leopoldshall und Staßfurt zur Errichtung chemischer Fabriken ertheilt, die neben der Verarbeitung von Abraumsalzen auch Steinsalze in das Bereich ihrer industriellen Thätigkeit zu ziehen beabsichtigen, um daraus die verschiedensten chemischen Producte herzustellen. Ein Hauptreagens zur Trennung der aus dem Rohmaterial zu ziehenden werthvollen Stoffe behufs Einführung derselben in andere chemische Verbindungen oder behufs gänzlicher Isolirung ist die Schwefelsäure. Gebunden an alkalische Erden und auch an Magnesia findet sich dieselbe neben dem Rohmaterial abgelagert in mächtigen Schichten von Gyps, Anhydrit, sowie auch im Kinserit dort vor. Der technischen Chemie ist indessen ein billiger und sicherer Weg zur Ueberführung dieser Schwefelsäure an Alkalien zur Herstellung von gesuchten Handelsproducten im Großen nicht bekannt, und die chemischen Fabriken sind daher genöthigt, sich nach einem billigen Rohstoff umzusehen, der ihnen die Schwefelsäure auf leichte Weise in der Menge zu liefern im Stande ist, wie sie von der Menge der von ihnen zu verarbeitenden alkalischen Salze beansprucht wird. Der deutsche Markt bietet dafür Schwefel, die Bergwerke Schwefelkiese und Schwefelverbindungen, aus denen beträchtliche Mengen von Schwefel und Schwefelsäure gewonnen werden und zum Verkauf gelangen. Der Rohschwefel Siciliens, sowie der raffinirte Schwefel hat indessen immer noch einen verhältnißmäßig hohen Preis für die Darstellung billiger Schwefelsäure. Die Schwefelgruben Siciliens haben in den letztverflossenen Jahren nach der Aussage dortiger Grubenbesitzer selbst nicht mehr die reichen Schwefelthone geliefert, wie früher, so daß ein Sinken der Schwefelpreise bei steigender Nachfrage kaum erwartet werden darf. Der Ankauf von Schwefelsäure für den Bedarf im Großen und deren Transport, gebunden an die zerbrechliche Emballage, ist kostspielig und beschwerlich durch das Gewicht des damit verbundenen Wassergehaltes. Die nächste und billigste Schwefelquelle für jene Fabriken wäre demnach der Schwefelkies, der in den Gruben des Ober- und Unterharzes, des Anhaltischen Harzes und in den Braunkohlenablagerungen der Saal- und Gibmulde als accessorischer Gemengtheil der Kohlen und ihrer sie begleitenden Thonschichten gefunden wird. Die Communion Unterharz dürfte aus ihrem Rammeisberge schon eine beträchtliche Menge von Schwefelerzen zu fördern im Stande seyn, da die Fortsetzung des Rammelsberger Erzstockes seit einigen Jahren mit Sicherheit constatirt ist, indessen werden zu dessen Ankauf chemische Fabriken, welche nicht in unmittelbarer Nähe liegen, sich nicht leicht verstehen können, auch selbst wenn der in den Erzen enthaltene Schwefel zu bedeutend billigerem Preise als der Rohschwefel gegeben würde, nicht nur weil der Verkäufer auch die Bezahlung der gleichzeitig darin enthaltenen Silber-, Blei-, Kupfer-, Nickel- etc. Mengen fordern würde, sondern auch weil der nicht unbeträchtliche Arsenikgehalt derselben nachtheilig auf die Schwefelsäurefabrication in Kammern einwirkt und die Operationen der Darstellung vermehrt. Die Schwefelkiese des Anhaltischen Harzbergbaues, der davon verhältnißmäßig nur geringe Quantitäten zu produciren im Stande ist, welche zum Theil auf dem dortigen Vitriolwerke verarbeitet, zum Theil schon an chemische Fabriken verkauft werden, würden sich in Folge ihrer im Vergleich zu denen des Rammeisberges geringeren Festigkeit und leichteren Röstung besser zur Schwefelsäurefabrication eignen, auch da dieselben ohne andere verwerthbare Metallvererzungen vorkommen und nur sehr geringe Mengen von Arsenikkies eingemengt enthalten. Das dort gewinnbare Quantum ist jedoch zur Verarbeitung von nur mittelgroßen Salzquantitäten bei weitem nicht ausreichend. Es bleiben demnach im Umkreise der chemischen Fabriken nur noch diejenigen Braunkohlengruben zu durchsuchen übrig, denen der Schwefelkies im Gemenge mit der Kohle bis jetzt noch ein Hinderniß zur flotten Debitirung ihres Brennstoffes gewesen ist. Sowohl den Grubenbesitzern, wie den Käufern der Kohle würde sehr damit gedient seyn, wenn die Kohlen reiner von Schwefelkies hergestellt und aus dem ausgeklaubten Kiese eine verkäufliche Waare geschaffen werden könnte. Allein auch das hierdurch erlangte Quantum von Wasserkies würde bei seiner Leichtverwitterbarkeit ein nicht sehr geeignetes Material zum Versenden seyn und den Ansprüchen der Fabriken in Anbetracht auf Reinheit und Menge schwerlich genügen. Die bis jetzt bekannten größten Lagerstätten von Schwefelkies besitzt die Provinz Huelva in Spanien, die seit dem Jahre 1855 als solche ausgebeutet werden. Bis dahin hatte die spanische Regierung seit fast einem Jahrhunderte die Grube von Riotinto spärlich bebaut. Dem Beispiele der Regierung waren einige kleinere Unternehmen gefolgt, und man gewann dort aus den immensen Massen von Schwefelkies nur diejenigen, die sich durch ihren Gehalt an Kupfer zur Gewinnung dieses Metalls durch Cementation am meisten eigneten. Die Zubußen jedoch, die das Gouvernement für diesen Betrieb zu leisten hatte, gaben Veranlassung, die Grube im Jahre 1851 zum Verkaufe auszuschreiben, aber vergebens. Das Ausgebot derselben hatte indessen die Aufmerksamkeit inländischer wie ausländischer Capitalisten herangezogen, die Provinz Huelva wurde dadurch einem geognostischen Examen unterworfen, und bald fand man eine Menge solcher Lagerstätten angedeutet durch große Reihen alter Schächte, Halden und Schlackenhaufen, die, wie sich später zeigte, römischen und phönicischen Ursprungs sind, zu welchen Zeiten, nach der bedeutenden Ausdehnung der Grubenbaue und der Größe der Schlackenhalden zu urtheilen, der Bergbau und die Verhüttung in großem Maaßstabe Jahrhunderte hindurch im lebhaften Betriebe gestanden haben muß. Unter denen, die um die Aufsuchung dieser Lagerstätten am eifrigsten bemüht gewesen sind und die größten Schwierigkeiten bei der Untersuchung und Wiederaufnahme derselben überwunden haben, steht dem Hrn. Deligny das größte Verdienst zu. Sämmtliche Lagerstätten liegen in einer Zone von 5 Leguas Breite, die sich parallel der Sierra Morena von der Westgrenze der Provinz Sevilla über das südlich von jenem Gebirge gelegene Hügelland hin durch Portugal bis an das atlantische Meer erstreckt und eine Längenausdehnung von ungefähr 30 Leguas besitzt. Das herrschende Gestein dieser Gegend ist der anscheinend versteinerungsleere Thonschiefer, der nur zuweilen von krystallinischem Schiefergestein unterbrochen wird. Parallel mit dem granitischen Gebirgszuge der Sierra Morena haben Felsitporphyre und Quarzite die durchgängig aufgerichteten Schieferschichten, die ein Hauptstreichen gleich dem der Granitdurchbrüche von WNW nach OSO bewahren, auseinander gedrängt, und es ist anzunehmen, daß die Porphyre im causalen Zusammenhange mit den Kieslagerstätten stehen, die ausschließlich in der Nähe solcher Durchbrüche angetroffen werden. Die Form der Lagerstätten ist sehr ähnlich der des Rammelsberger Erzstockes bei Goslar; es sind große linsenförmige Einlagerungen im metamorphischen Thonschiefer, die bei einer Mächtigkeit von 20 bis 36 Lachter (50 bis 90 Varas) eine Längenausdehnung von 170 bis 260 Lachter (400 bis 600 Varas) erreichen. Die ganze Lagerstätte ist angefüllt mit reinem Kies ohne irgend welche für das Auge wahrnehmbare Gangmasse, der in einigen Gruben schon 1 bis 2 Lachter unter der Oberfläche der Erde unzersetzt und in sandigem Zustande angetroffen wird, so daß derselbe durch Tagebau gewonnen werden kann. In anderen Gruben, je nach der Topographie des Ortes, reicht die Verwitterungszone 10 bis 15, ja bis 50 Lachter in das Erdinnere und besteht aus Massen von Eisenoxydhydraten und sehr eisenschüssigen Thonmassen. Sämmtliche dort aufgeschlossenen Kiese, die in geringen Teufen mit der Keilhaue, in größerer Teufe mittelst Pulvers gewonnen werden, halten nach der Analyse 5 bis 6 Proc. Quarzeinmengungen und führen einen Kupfergehalt von 2 1/2 bis 40 Proc.; indessen ist die Menge des kupferreichen (über 10 bis 15 Proc. Kupfer enthaltenden) sogenannten schwarzen Kieses nur gering und derselbe tritt nur in kleinen verticalen Zonen innerhalb der großen Massen auf. Nur die Gewinnung der schwarzen Kiese war das Object des römischen und phönicischen Bergbaues. Gegenwärtig beschäftigen sich über 25 Gesellschaften englischer, französischer und spanischer Capitalisten mit der Förderung dieser Kiesmassen behufs Gewinnung des darin enthaltenen Kupfers, und schon haben die größeren derselben bedeutende Kosten auf Anlage von Chausseen verwendet, um die sonst beschwerliche und kostspielige Verbindung mit den 5 bis 8 Leguas davon entfernt liegenden Hafenplätzen Huelva und S. Lucar de Guadiana herzustellen und den Schwefel dieser Erze durch Versendung derselben nach England und Frankreich zu verwerthen. Wie enorm die Kiesmassen sind, die in dieser Provinz zu Tage gefördert werden können, davon mögen die officiellen Angaben zweier spanischen Ingenieure, Cossio und Anciola, über die Gruben von Riotinto Zeugniß geben, welche in ihrer werthvollen Arbeit über dieselben unter Anderem sagen, daß die bis jetzt untersuchte und aufgeschlossene Kiesmasse, die nur einen kleinen Theil der bekannten Lagerstätten jenes Districtes ausmacht, im Stande ist, den Welthandel bei seiner jetzigen Consumptionshöhe von Kupfer auf 11 Jahrhunderte mit diesem Metall zu versorgen. Dabei ist angenommen, daß die dazu erforderliche Kiesmenge mit 50 Proc. Schwefel nur 4 Proc. Kupfer im Durchschnitt halte. – Welche enorme Zahl würde die daraus gewinnbare Schwefelmenge erreichen! – Eine beträchtliche Anzahl dieser Gesellschaften hat Proben ihrer Kiese und Producte von deren Verhüttung auf die letzte Londoner Industrie-Ausstellung gesandt. Die chemischen Fabriken Englands und Frankreichs kaufen gegenwärtig mehr als 1 1/2 Millionen Centner jener Kiese, und Wohl an 2 Millionen Ctr. Schwefel werden bei der Röstung der kupferarmen Kiese an Ort und Stelle als Schwefeldampf und schweflige Säure unbenutzt in die Atmosphäre gejagt. Hunderte von Schritten in der Umgebung der Röststätten der größeren Cementationsanstalten sah der Verfasser das abgestorbene Gestrüpp bereift mit feinen Schwefelblumen, während die Gebirgswasser jener Provinz schon Legionen Centner gelösten Eisenvitriols aufgenommen und zersetzt haben, so daß die Ufer und Gerölle jener fischleeren Bäche meilenweit dick mit gelbem Eisenocker überzogen sind. (Daher der Name Riotinto.) Der Schwefel der dortigen kupferarmen Kiese hat für jene Gruben bis jetzt keinen Werth. Es dürfte nun das Augenmerk der chemischen Fabriken seyn, den Schwefel dieser Kiese, die sich durch den fast gänzlichen Mangel an Arsen auszeichnen und aus diesem Grunde in England so beliebt sind, billiger als den Rohschwefel zu erlangen. Außer den Kiesen liefert die Provinz Huelva auch beträchtliche Mengen von Braunstein, wovon der Centner mit 60 bis 70 Proc. Manganhyperoxyd loco Hamburg zu 1 bis 1 1/4 Thlr. zu erlangen seyn dürfte. Die von Spanien nach England verschifften Kiese haben gewöhnlich 3 1/2 bis 4 1/2 Proc. Kupfer und 46 bis 50 Proc. Schwefel. Je nach dem Kupfergehalt und dem Standard steigt oder fällt die Bezahlung dieses Metalls, während die des Schwefels mehr constant bleibt. So werden z.B. Kiese von 3 Proc. Kupfer und dem angeführten Schwefelgehalte in England bezahlt mit 4 Pfd. Sterl. 3 Shilling. Die Transportdifferenz für Hamburg und Bremen gegen England beträgt ein Plus von durchschnittlich 5 Shilling per engl. Tonne, so daß an der Nordseeküste Deutschlands eine engl. Tonne dieser Kiese auf 4 Pfd. Sterl. 8 Shilling zu stehen käme. Daraus folgt der Preis per Centner preußisch zu 1 Thlr. 14 Sgr. für 46 bis 50 Proc. 8 und 3 Proc. Cu.Die Bestimmung des Schwefelgehaltes geschieht durch Chlorbaryum, die des Kupfers nach der bekannten englischen Tiegelprobe, welche, gegen die nasse Probe gehalten, den Fabriken ein nicht unbedeutendes Remedium sichert. Rechnet man hierzu noch die Land- und Wasserfracht bis Staßfurt-Leopoldshall und zieht in Erwägung, daß der Preis der Rohsalze an Ort und Stelle, sowie die Arbeitskräfte gegen England, um so viel billiger, als die Kiese theurer sind, so dürften die Productionskosten der von den chemischen Fabriken zu erzielenden Producte den englischen gleichkommen. Da aber das Ausgebot spanischer Kiese die englisch-französische Nachfrage um Vieles übersteigt, so ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die fraglichen Kiese in Staßfurt-Leopoldshall zu demselben Preise bezogen werden könnten, als in England. Die Verschiffung von Kiesen unter 3 Proc. Kupfergehalt nach den Nordküsten Deutschlands würde die Selbstkosten freilich nicht tragen; mit dem Wachsen des Kupfergehaltes hingegen erweitert sich der Absatzkreis. Der Gehalt derselben an Kupfer dürfte bei der leichten Ueberführbarkeit in Vitriole oder in den metallischen Zustand durch Cementationen, oder auch in chemisch reines Schwefeltupfer bei der völligen Abwesenheit anderer Metalle, für die chemischen Fabriken ein nicht unerwünschtes Material seyn und in Berücksichtigung der Verdoppelung des Gehaltes an diesem Metall in den entschwefelten Rückständen für den Fall der Nichtverarbeitung seitens der chemischen Fabrik selbst bei billigen Transportmitteln ein Handelsartikel werden können. Die in den Kiesen enthaltenen Spuren von Gold tragen zur Preisbestimmung nichts bei.