Titel: Ueber den Bleikammerschlamm der Schwefelsäurefabriken; von Fr. Kuhlmann.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CXII., S. 456
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CXII. Ueber den Bleikammerschlamm der Schwefelsäurefabriken; von Fr. Kuhlmann. Aus den Comptes rendus, t. LVI p. 171. Kuhlmann, über den Bleikammerschlamm der Schwefelsäurefabriken. Als Berzelius im Jahr 1817 das Selen in einem Bleikammerschlamm der Schwefelsäurefabrik zu Gripsholm entdeckte, welche mit Schwefel aus den Kupferbergwerken von Fahlun betrieben wird, war er offenbar der Entdeckung des Thalliums sehr nahe, und doch war ein halbes Jahrhundert und die Auffindung einer neuen höchst empfindlichen analytischen Methode erforderlich, um die Chemiker auf die Spur des neuen Metalls zu führen. In dem erwähnten Schlamm fand Berzelius außer Selen, gemengt mit viel der Verbrennung entgangenem Schwefel, Eisen, Kupfer, Zinn, Zink, Blei, Quecksilber und Arsenik; er konnte aber kein Tellur darin entdecken, zu dessen Auffindung er seine Untersuchungen unternommen hatte. Man erhielt bei der spectralanalytischen Untersuchung einer großen Anzahl von Kiesen verschiedener Herkunft unzweifelhafte Anzeichen darin enthaltenen Thalliums, und doch theilte mit Hr. Prof. Böttger in Frankfurt a. M. am 27. Dec. v. I. brieflich mit, daß es ihm trotz aller Sorgfalt nicht gelang, das neue Metall in dem Bleikammerschlamm der Fabrik in Zwickau aufzufinden, welche mit Zinkblende betrieben wird, und eben so wenig im Schlamm der Fabrik zu Aussig in Oesterreich, welche Schwefelkiese brennt. Gleich negative Resultate ergab die Untersuchung des Bleikammerschlammes der Fabrik in Griesheim bei Frankfurt, in Nürnberg, und endlich derjenigen zu Hellstädt, wo man Kupferkies brennt. Hr. Böttger, welchem ich eine Probe des Schlammes meiner Bleikammern überschickt hatte, woraus in meiner Fabrik das Thallium dargestellt worden war, bezeugte mit seine Verwunderung über diese zahlreichen negativen Resultate, indem er mich benachrichtigte, daß er das Thallium, und bloß Spuren davon, nur im Bleikammerschlamm einer Schwefelsäurefabrik bei Aachen gefunden habe, wo man sowohl Zinkblende als Schwefelkiese brennt, und im Kammerschlamm der Okerschen Schwefelsäurefabrik bei Goslar am Harz, wo man die Schwefelsäure mittelst Kupferkiesen darstellt. Ich will nun die Umstände mittheilen, unter denen sich das Thallium in meiner Schwefelsäurefabrik ausnahmsweise angehäuft hat. Die durch Verbrennung der Kiese erhaltene Schwefelsäure enthält oft ziemlich beträchtliche Mengen von Arsenik, was für gewisse Anwendungen derselben ein sehr nachtheiliger Umstand ist. Als ich daher den Schwefel durch die Kiese zu ersetzen beabsichtigte, mußte ich mich bemühen diese Verunreinigung der Säure zu vermeiden und das Verfahren, bei welchem ich stehen blieb, besteht darin, vor der Reihe der Bleikammern, worin die schweflige Säure sich in Schwefelsäure verwandelt, eine geräumige Kammer anzubringen, worin die Verbrennungsgase der Kiese, indem sie sich abkühlen, außer den mechanisch mitgerissenen festen Körpern, die leicht condensirbaren flüchtigen Substanzen, und insbesondere die arsenige Säure absetzen. In diese Vorkammer wird weder Wasserdampf geleitet, noch findet darin eine Circulation von Schwefelsäure statt, so daß deren Schlamm, wenn man die tägliche Verbrennung von beiläufig 3000 Kilogr. Kiesen einige Monate lang fortgesetzt hat, verhältnißmäßig beträchtliche Massen von arseniger Säure und Selen enthält; man fand darin auch Quecksilber und Thallium, von letzterm bis 1/2 Proc. in manchen Theilen dieses Schlammes. Wenn, mein Verfahren zur Verhinderung der Verunreinigung der Schwefelsäure in den Fabriken von Zwickau, Aussig und anderen angenommen würde, so könnte wahrscheinlich das Thallium in dem Verbrennungsproduct ihrer Kiese nachgewiesen werden. Die oft negativen Resultate des Hrn. Böttger erklären sich durch den Umstand, daß, wenn das bei der Verbrennung der Kiese mitgerissene Thallium sich dem am Boden der Kammern befindlichen schwefelsauren Bleioxyd beimengt und wenn dieser Absatz durch die sich erneuernde Schwefelsäure beständig gewaschen wird, dieses Metall, anstatt sich in der ersten Kammer anzuhäufen, in der Schwefelsäure aufgelöst wird, in dem Maaße als sich dieselbe condensirt, so daß der Absatz von schwefelsaurem Blei nur noch ganz schwache Spuren davon enthalten kann, welche selbst mittelst des Spectroskops nicht mehr wahrzunehmen sind. Es kann jedoch Kiese geben, welche kein Thallium enthalten. Diejenigen, welche den Kammerschlamm lieferten, womit Lamy seine Untersuchungen anstellte, waren aus den Gruben von Oneux bei Spa. Es ist dieß ein mit Adern von Zinkblende und Bleiglanz durchsetzter Schwefelkies. Diese Kiese geben einen an Thallium ziemlich reichen Kammerschlamm, während die Kiese von Saint-Bel bei Lyon, welche weder Schwefelzink noch Schwefelblei enthalten, und die ich gegenwärtig verwende, nur Spuren des neuen Metalls liefern.