Titel: Ueber die Leinenindustrie des Zollvereins.
Fundstelle: Band 169, Jahrgang 1863, Nr. CIII., S. 388
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CIII. Ueber die Leinenindustrie des Zollvereins. Ueber die Leinenindustrie des Zollvereins. Von dem Berichterstatter über die Leinenwaaren und Gespinnste der vorjährigen Londoner Industrie-Ausstellung, dem kgl. preuß. Regierungsassessor Hrn. Bossart zu Minden, wird auch die Zollvereins-Leinenindustrie (in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1862 S. 242) im Allgemeinen besprochen. Er äußert sich hierüber folgendermaßen: Es kann für denjenigen, welcher der Entwickelung der Leinenindustrie im Zollverein aufmerksam gefolgt ist, wohl kaum zweifelhaft seyn, daß das Minden-Ravensbergische und vorzugsweise Bielefeld in dem letzten Jahrzehnt die bedeutendsten Anstrengungen gemacht macht hat, der dort alteinheimischen Leinenindustrie wieder einen höheren Aufschwung zu verschaffen und, gestützt auf die in Großbritannien gemachten Erfahrungen, zunächst wenigstens das ihr noch gebliebene Terrain zu behaupten. Seit der letzten Pariser Ausstellung im Jahre 1855 hat sich die Maschinenspinnerei von Flachsgarnen nicht allein consolidirt, sondern auch bedeutend erweitert. Die Actien-Spinnerei „Vorwärts,“ welche damals nur 5000 Spindeln zählte, hat gegenwärtig 10,716 im Betrieb. Die im Jahre 1855 noch erst im Bau begriffene Actienspinnerei „Ravensberg“ arbeitet jetzt mit 22,000 Spindeln, und wird binnen wenigen Wochen auf ihren vollen Betrieb von 24,000 Spindeln gesetzt seyn. Neben ihr hat sich die Schönfeld'sche Spinnerei in Herford auf ihrem alten Standpunkte von 3000 Spindeln erhalten. Mehrere Bleichen und Appreturanstalten sind seit jener Zeit im Minden-Ravensbergischen nach Irländischem Muster neu angelegt oder umgestaltet worden. Die vor Kurzem etablirte Garnbleiche der Ravensberger Spinnerei, welche täglich 80 bis 100 Centner Garn zu bleichen im Stande ist, kann ihrem Umfange nach dem größten Etablissement Englands dieser Art, dem des Hrn. Gill in Horsforth bei Leeds, an die Seite gestellt werden. Mit der Power-loom-Weberei ist in jenem Theil Westphalens wenigstens ein Anfang gemacht. Außer 30 Power-looms für glatte Leinen, welche in der Spinnerei „Vorwärts“ aufgestellt sind, ist vor kurzem eine Maschinenweberei für feinere und gröbere glatte Leinen von dem Fabrikanten Piderit in Bielefeld eingerichtet, und dort zunächst eine geringe Zahl von Stühlen in Betrieb gesetzt worden. Einen erfreulichen Aufschwung nimmt die mechanische Weberei für Segeltuche von Helling in Borgholzhausen,Im Königreiche Hannover arbeitet die Fabrik der Herren Stelling und Comp. (in der Residenzstadt Hannover) mit ganz entschiedenem Erfolge. welche gegenwärtig mit 72 Stühlen arbeitet. Das Fabricat derselben, welches bald nach der Eröffnung des Betriebes allgemeinen Beifall auf dem Markte fand, hat auch auf der Ausstellung die vollste Anerkennung von Seiten der Jury der Classe XIX sich erworben. Der Plan, eine Power-loom-Weberei im größeren Maaßstabe für Leinen, Drelle und Damaste in Bielefeld auf Actien zu errichten, ist bereits in Folge der auf der Londoner Ausstellung gemachten Erfahrungen aufgefaßt und seiner Verwirklichung nahe geführt worden. Mit Recht läßt sich daher wohl die Minden-Ravensbergische Leinenindustrie, ungeachtet des bei weitem bedeutenderen Umfanges der schlesischen Leinenindustrie, sowohl wegen ihrer rascher vorgeschrittenen Entwickelung als wegen ihrer größeren Concentration, für eine Vergleichung des Standpunktes der deutschen und der englischen Leinenindustrie als die maaßgebende betrachten. Es ist noch in den letzten Jahren selbst in industriellen Kreisen vielfach darüber gestritten worden, ob es für die deutsche Leinenindustrie zweckmäßig sey, den Gang der englischen einzuschlagen, und sich, soweit als irgend angänglich, auf mechanische Kräfte zu stützen. Der Streit wird gegenwärtig nur noch sehr vereinzelt geführt und kann als zu Gunsten der englischen Methode entschieden angesehen werden. Dagegen wird jetzt häufiger von Leinenfabrikanten und Leinenhändlern die Frage aufgeworfen, ob der englischen und selbst der belgischen Concurrenz gegenüber die deutsche Leinenindustrie noch günstige Elemente zu ihrem Fortbestehen und ihrer Entwickelung besitzt. Diese Frage wird leider häufig verneinend beantwortet, glücklicher Weise jedoch mehr aus Gründen, welche aus dem neuesten Entwickelungsgange der deutschen Leinenindustrie zu folgen scheinen, als aus einer durch genaue Berechnung der Productions-Factoren gewonnenen Ueberzeugung. Die Thatsache, daß der deutsche Leinenhandel in dem letzten Jahrzehnt auf immer engere Grenzen zurückgeführt worden, und der früher blühende überseeische Export schlesischer Leinen gegenwärtig als erloschen anzusehen ist, diese Thatsache kann leider nicht bezweifelt werden. Ihr gegenüber steht jedoch eine andere, erfreuliche und hoffnunggebende, die unbestreitbare Ausdehnung und Consolidation der Leinengarn-Spinnereien. Die Zahl der Spindeln für Leinengarn stellt sich zur Zeit im Zollvereinsgebiet auf ungefähr 158,000, und bleibt mithin nicht weit hinter der Zahl der 180,000 Spindeln Belgiens zurück. Vergleicht man hiermit die in Großbritannien arbeitende Spindelzahl, so ergibt sich allerdings für dieses Land ein Vorsprung, der wohl schwerlich weder von Deutschland noch von Belgien abgewonnen werden wird. Nach dem dem englischen Parlament in diesem Jahre erstatteten Berichte beläuft sich die Zahl der in Großbritannien beschäftigten Flachsspindeln auf 1,216,679, und es steht diese in Folge der ungünstigen Conjuncturen der letzten Jahre gegen die im Jahre 1856 vorhanden gewesene Spindelzahl von 1,288,043 noch um etwas zurück, selbst wenn zu jener die inzwischen entstandenen 36 Jute-Fabriken mit 32,982 Spindeln hinzugerechnet werden. Daß die Flachs- und Hede-Spinnerei im Zollvereinsgebiete, und hier gerade die dem Umfange nach bedeutendste, nämlich die Ravensberger Spinnerei in Bielefeld, durchschnittlich mit günstigem Erfolge arbeitet, beweist indeß, daß die Leinenindustrie auch bei uns in dem neuen Boden frische Wurzeln geschlagen hat und einer gesunden Entwickelung fähig ist. Die weitere und entscheidende Frage ist hiernach, ob es möglich und an der Zeit ist, behufs einer solchen Entwickelung den nächstliegenden Schritt zu thun und allgemein zur mechanischen Weberei überzugehen. Diese Frage ist bereits in dem amtlichen Berichte der allgemeinen Pariser Ausstellung des Jahres 1855 berührt, indeß dabei vor sanguinischen Hoffnungen in dieser Beziehung gewarnt worden. Man hat folgende vier Punkte, als den damaligen Erfahrungen entsprechend, aufgestellt: 1) Da, wo die gewöhnliche Menschenkraft ein befriedigendes Gewebe herzustellen im Stande ist, liefert der Power-loom, zumal in Bezug auf Schwere und Dichtigkeit, keine bessere Qualität des Fabricats. 2) Die Kettenfäden, vermöge der geringeren Elasticität des Leinengarns, brechen, wenn die Anzahl der Schläge eine zu große wird, und um dieses Brechen möglichst zu verhüten, wird man genöthigt, bessere und deßhalb kostspieligere Garne zu benutzen. 3) Der Einschlag dagegen verhält sich indifferent und es können selbst Handgespinnste dazu verwendet werden. 4) Lose und batistartige Gewebe sind mehr für Power-looms geeignet, als dichtere, und es tritt bei denselben, selbst bei bedeutend feineren Garnen, ein Brechen der Kette seltener ein. Nach den neueren Erfahrungen können diese Aufstellungen nicht mehr als zutreffend angesehen werden. Zu 1. Das Gewebe des Power-loom ist dem Handgewebe deßhalb vorzuziehen, weil es eine größere Gleichmäßigkeit besitzt. Die Dichtigkeit des Gewebes richtet sich ganz nach der Construction des loom, der Aufnahme- und Nachlaß-Bewegung. Zu 2. Die Stärke des Schlages ist Sache der Construction, und es wird die Elasticität der Kettenfäden durch ein geeignetes Schlichtverfahren in genügender Weise hergestellt. Zu 3. Es ist hier bereits bemerkt, daß der Einschlag sich indifferent verhält, Handgespinnste werden übrigens zum Einschlag thatsächlich nicht verwendet. Zu 4. Die Bemerkung ist thatsächlich nicht mehr richtig. Es werden alle Sorten von Leinwand, von der gröbsten bis zur feinsten, von der losesten bis zur dichtesten, auf Power-loom hergestellt. Die Anwendbarkeit und Anwendung des mechanischen Webstuhls für alle Arten von Leinengeweben, glatten, gemusterten und Drellen, steht durchaus außer Zweifel. Ein jeder kann sich hierüber durch einen kurzen Besuch englischee Power-looms-Webereien die vollste Ueberzeugung verschaffen. Ein Zweifel über diesen Punkt existirt auch in Großbritannien nicht mehr. Der beste Beweis hierfür liegt in der ungemein raschen Ausdehnung der mechanischen Webereien Englands, welche sich selbst in den letzten 6 Jahren, trotz der ungünstigen Verhältnisse, trotz eingetretener Handelskrisen und trotz der nachtheiligen Folgen, welche der amerikanische Krieg auch für den Leinenmarkt gehabt hat, nicht unerheblich vermehrt haben. Im Jahr 1856 waren nach den amtlichen Ermittelungen des Parlaments in Großbritannien in Thätigkeit: I. mechanische Webereien:   1) in England und Wales 19 mit 1452 Stühlen,   2)  „ Schottland 25 3995   3)  „ Irland 13 1033 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 57 mit 6480 Stühlen, II. mechanische Webereien und Spinnereien:   1) in England und Wales 17 mit 535 Stühlen,   2)  „ Schottland 17 1016   3)  „ Irland 9 685 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 43 mit 2236 Stühlen, mithin in der Totalsumme 100 mechanische Webereien, theils allein, theils in Verbindung mit Spinnereien, mit 8716 Power-looms. Für das Jahr 1861 stellt sich die Anzahl der arbeitenden mechanischen Webereien und Power-looms wie folgt: I. mechanische Webereien:   1) in England und Wales 27 mit 1062 Stühlen,   2)  „ Schottland 41 3896   3)  „ Irland 15 1446 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 83 mit 6294 Stühlen, II. mechanische Webereien und Spinnereien:   1) in England und Wales 14 mit   466 Stühlen,   2)  „ Schottland 24 2061   3)  „ Irland 19 2491 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Summe 57 mit 5456 Stühlen, also in der Totalsumme auf 140 Fabriken mit 11,750 Power-looms. In der Zwischenzeit jener 6 Jahre hat sich sonach die Zahl mechanischer Webereien um 40 und die Zahl der Power-looms um 3061 vermehrt. Der Zuwachs ist ein noch größerer, wenn man den mechanischen Webereien auf Flachs die in den letzten Jahren in Schottland entstandenen 27 Jute-Webereien mit 554 Power-looms hinzurechnet. Dem Beispiele Englands folgend, haben Belgien und Frankreich und in neuester Zeit dem Vernehmen nach selbst Rußland die mechanischen Leinewebereien als eine unbedingte Nothwendigkeit der weiteren Entwickelung ihrer Leinenindustrie erkannt, und es hat namentlich Belgien mit gewohnter Thatkraft das neue System anzuwenden begonnen. Diese offenliegenden, aus praktischen Erfahrungen hervorgegangenen Thatsachen haben ihr volles Gewicht auch für die Leinenindustrie im Gebiete des Zollvereins. Es tritt hier jedoch noch ein Grund zur Annahme jenes Systems hinzu, welcher bisher ein Haupthinderniß bei der Bekämpfung des siegreichen Einflusses englischer Leinenindustrie auf dem Markte war, nämlich die Mangelhaftigkeit der deutschen, mit der Hand gewebten Leinen bezüglich der Bleiche und Appretur. Daß dieser Mangel vorzugsweise den Manipulationen beim Weben mit der Hand zugeschrieben werden muß, und daß auf Maschinen gewebtes Leinen ungleich leichter und besser zu bleichen und zu appretiren ist, als jenes, darüber herrscht bei Fachmännern wohl kaum noch ein Zweifel. Der Grund hiefür liegt darin, daß das Schlichtverfahren für den mechanischen Webestuhl ein durchaus anderes ist und seyn muß, wie für den Handstuhl. Der Handweber gebraucht, weil ihm das Schlichten in der Regel selbst überlassen wird, zu diesem Proceß gewöhnlich die schlechtesten und unreinsten Materialien, ein Verfahren, welches später den Bleichproceß entschieden erschwert und selten vollständig gelingen läßt. Bei der mechanischen Weberei wird das Schlichten durch eine besondere Maschine besorgt, welche nicht allein mit reinen und guten Materialien versehen ist, sondern auch die Schlichte gleichmäßiger vertheilt. Ist eine Spinnerei mit einer Power-looms-Weberei verbunden, so kann für mittlere Sorten Leinen die Schlichte ganz erspart und der Bleichproceß noch mehr begünstigt werden, wenn das Garn nicht vollständig getrocknet, sondern mit einem zurückbleibenden Grade von Feuchtigkeit sofort auf die Ketten- und Schuß-Spulmaschinen (warp and weft winding machines) gebracht wird. Es ist ferner zu beachten, daß mechanische Webereien größeren Umfangs zugleich eine Theilung der Arbeit in der Bleiche veranlassen, welche dem Bleichverfahren eine größere Gleichförmigkeit in der Behandlung und bessere Gelegenheit zur Gewinnung praktischer Erfahrungen gewährt. Die Ungleichartigkeit der Gewebe, welche den zollvereinsländischen Bleichereien in Massen zur Bearbeitung zugehen, gibt einen Hauptentstehungsgrund für die Klage ab, daß das Bleichresultat im Allgemeinen so häufig kein befriedigendes ist. Daß das britische Klima und noch mehr das irische den Bleichproceß vor dem unseren begünstigt, soll nicht bezweifelt werden. Indeß wird auf diesen Punkt in der Regel zu viel Gewicht gelegt, da die Rasenbleiche, wenn auch ein nothwendiger Bestandtheil des Bleichverfahrens, doch nur eine Nebenrolle in demselben spielt. Es kann hiernach die Frage über den Vorzug des mechanischen Webestuhls vor dem Handstuhl in technischer Beziehung als abgeschlossen angesehen werden, und die vorhin aufgestellte Frage, ob im Zollvereinsgebiete mit der Einführung mechanischer Webereien vorzugehen sey, reducirt sich einfach auf eine Frage kaufmännischer Berechnung. Daß letztere sich den Verhältnissen nach verschieden stellt, ist selbstverständlich. Im Allgemeinen nimmt man in England an, daß sich die Generalkosten der mechanischen Weberei den Löhnen für die Herstellung eines Gewebes auf dem Handstuhl gleichstellen, wenn der Dampfwebestuhl gerade doppelt so viel webt, wie der Handweber. Hierbei sind jedoch die Arbeitslöhne in der mechanischen Weberei außer Ansatz gelassen. Das Verhältniß zwischen den Kosten der einen und anderen Art der Weberei ist hiernach überschläglich leicht zu berechnen. Bei einem 80gängigen Stück webt der Hand weder durchschnittlich 14 Tage, der Power-loom noch nicht 3; das Verhältniß stellt sich mithin hier zu Gunsten des Power-loom's fast wie 1 : 5. Der Webelohn des Handwebers beläuft sich im Minden-Ravensbergischen für das Stück jener Art auf ungefähr 3 Thlr. Bei dem Power-loom wird es darauf ankommen, welche Uebung die Arbeiter bereits besitzen. Sind dieselben eingelernt, so kann der Einzelne, namentlich für gewisse Sorten Leinwand, bequem zwei Stühle übernehmen. Jene generelle Berechnung wird sich unter günstigen Bedingungen auch für die Zollvereins-Verhältnisse als zutreffend erweisen. Es läßt sich jedoch nicht verkennen, daß sich hier auch in den Hauptfactoren die Berechnung etwas modificirt. Vergleicht man die Verhältnisse Minden-Ravensbergs mit denen Englands, so gelangt man zu folgenden Resultaten: 1) Hinsichtlich der Beschaffung des Rohmaterials stehen Minden-Ravensberg und Irland auf gleicher Stufe. Die englischen und schottischen Spinnereien verbrauchen zum größten Theil ausländischen Flachs – russischen, preußischen, belgischen und holländischen, – Irland vorzugsweise eigenen. Der Marktpreis für die irischen Flachse stellt sich mit dem Preise, zu dem das Material in Bielefeld zu haben ist, durchschnittlich gleich, für die englischen und schottischen aber etwas niedriger. Die gröberen und mittleren Nummern Garne können bei uns zu demselben Preise producirt werden, wie in Großbritannien, die feineren noch nicht. 2) Die Kohle hat in Bielefeld den gleichen, zu Zeiten einen etwas geringeren Durchschnittspreis, wie in Irland. Sie ist dagegen nicht ganz so billig, wie in England und Schottland. 3) Die Maschinen, wenn von Großbritannien bezogen – und die Power-looms müssen noch von da bezogen werden, – sind hier in Folge der Fracht und der Verpackung für den Seetransport etc. wohl um 20 Proc. theurer als dort. 4) Ungünstiger für die hiesigen Verhältnisse, namentlich durch die höheren Preise des Eisens, stellen sich auch die Kosten für die Errichtung der erforderlichen Fabrikgebäude. 5) Die Arbeitslöhne halten sich durchschnittlich gleich hoch mit denen Englands und Schottlands, und etwas höher als die irischen. Es ist hierbei jedoch noch zu beachten, daß der geübte englische Arbeiter außerordentlich viel leistet. Es geht hieraus hervor, daß England unter den gegenwärtigen Verhältnissen, namentlich so lange das Eisen einen hohen Schutzzoll genießt, unter theilweise etwas günstigeren Bedingungen arbeiten wird, wie die Länder des Zollvereins. Auch muß dabei ferner in Betracht gezogen werden, daß Großbritannien durch die Concentration seiner Leinenindustrie auf bestimmte Punkte, Durchführung des Systems der Theilung der Arbeit, ungemeine Entwickelung seines Creditsystems und durch seine Capitalfülle ungleich vortheilhaftere Fundamente für seine Industrie gewonnen hat. Es sind jedoch alle diese Bedenken, welche zum Theil auch unserer Wollen- und Baumwollen-Industrie entgegengestellt werden können, nicht so durchgreifender Art, daß um ihrethalben von der weiteren Entwickelung der Leinenindustrie auf dem von Großbritannien eingeschlagenen Wege Abstand zu nehmen wäre. Zunächst handelt es sich nicht um den Beginn eines Kampfes mit England auf dem Weltmarkte, sondern um die Behauptung des Zollvereinsmarktes, ein Ziel, welches im Hinblick auf den früheren Flor der deutschen Leinenindustrie gewiß nicht zu hoch gestellt ist. Es handelt sich ferner um die Frage, ob das durch den mechanischen Webestuhl hergestellte Gewebe neben seiner größeren Vollkommenheit, auch seinen Productionskosten nach, dem Handgewebe, wie es gegenwärtig gefertigt wird, vorzuziehen ist, und es wird diese Frage in den meisten Fällen, namentlich bei Segeltüchern, Sacktüchern, gröberen und mittleren Sorten von Leinen, bejahend entschieden werden müssen. Endlich handelt es sich darum, daß bei Errichtung von mechanischen Webereien von vorn herein alle Momente für die Ermäßigung der Productionskosten auf das Sorgfältigste erwogen werden. Zur besseren Uebersicht über die hierbei in Betracht zu ziehenden Verhältnisse wird nachstehend noch der generelle Betriebsplan einer sich auf die Verhältnisse im Zollvereinsgebiet stützenden mechanischen Weberei beigefügt: Die zollvereinsländische Leinenindustrie hat einmal durch Errichtung von Garnspinnereien den ersten Schritt zur Wiederbefestigung ihrer Stellung und zwar mit Erfolg gethan, der zweite muß gleichfalls genommen werden, soll nicht der erste nutzlos seyn. Die Errichtung von mechanischen Webereien ist eine absolute Nothwendigkeit für uns geworden, wenn wir nicht eine weitere Rückwärtsbewegung der ganzen Leinenindustrie und den allmählichen Untergang derselben herbeiführen wollen. Plan für eine mechanische Weberei.Dieser Plan ist mit Hülfe des Civilingenieurs Heinrich Landwehr zu Bielefeld ausgearbeitet, welcher sich während seines mehrjährigen Aufenthalts in Großbritannien fast ausschließlich mit allen die Leinenfabrication betreffenden technischen Fragen beschäftigt hat.Wer sich genauere Information in dieser Beziehung zu verschaffen wünscht, möge sich an die gedachte Adresse wenden. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Leinengeschäfts im Zollverein ist bei Errichtung einer mechanischen Leinenweberei von folgenden Grundsätzen auszugehen: 1) Die Anlage ist zunächst allein auf den zollvereinsländischen Markt zu berechnen. 2) Sie ist so herzustellen, sowohl was die in Anwendung zu bringende Dampfkraft, als den Umfang der Fabrikräume betrifft, daß sie der Aufstellung einer größeren Anzahl Stühle und im Allgemeinen einer weiteren Ausdehnung fähig ist. 3) Damit sich das Etablissement nach den Bedürfnissen des Marktes richten kann, sind die gewöhnlichen Stühle auf glatte Leinen (Plain-linen-looms) so zu construiren, daß sie ohne Mühe in Drellstühle umgewandelt werden können. 4) Es erscheint zweckmäßig, neben dieser Art von Power-looms auch Damaststühle, und zwar von verschiedenen Breite-Dimensionen, für das Verfertigen von Tafeltüchern und Servietten aufzustellen, und einige Stühle für Bettzeuge (sheeting-looms) von nicht zu geringer Breite einzuschalten. 5) Die Anlage ist von Anfang nicht zu groß zu bemessen, und ist deßhalb dem nachfolgenden Kostenüberschlage ein Etablissement von 50 Stühlen zu Grunde gelegt worden. Kostenüberschlag.   1) 10 light plain-linen-looms zu 9 Pfd. St. 10 Sh.       95 Pf. St. – Sh.   2) 10 middle plain-linen-looms à 13 Pfd. St.     130     „     –   „   3) 15 Drell-Stühle à 14 Pfd. St.     210     „     –   „ –––––––––––––––––––– Latus     435 Pfd. St. – Sh. Transport     435 Pfd. St. – Sh.   4) 10 Damast-Stühle von verschiedenen Dimensionen,durchschnittlich 18 Pfd. St.     180   „         –   „   5) 5 Bettzeug-Stühle (sheeting-looms) von verschiedenenDimensionen     110   „          –   „   6) eine Garnerweichungsmaschine       12   „         10  „   7) 2 Kettspulen-Maschinen (warp windig machines)zu 60 Spindeln à 18 Sh. 6 Pence für die Spindel     111   „         –   „   8) 2 Schlichtmaschinen à 90 Pfund St. (dressing machines)     180   „         –   „   9) 1 Aufbäumemaschine (beaming machine)       40   „         –   „ 10) 2 Schußspulmaschinen (weft winding machines)zu 50 Spindeln à 18 Sh. pro Spindel       90   „         –   „ 11) Für Garnbäume, Schützen, Picker, Lederriemen,Oelkannen, Bürsten, Scheren, Ständer u. Heddles     200   „         –   „ –––––––––––––––––––– Summe   1472 Pfd. St. 10 Sh. oder 9816 Thlr. 20 Sgr. 12) Eine 30 Pferdekraft Dampfmaschine mit variablerExpansion und einem 30 Pferdekraft Dampfkessel,3 Atm. Ueberdruck   4300       „      –    „ 13) Vorwärmer, Regulator     270       „      –    „ 14) Transmissionen, Röhren   3000       „      –    „ –––––––––––––––––– Summe 17386     Thlr.  20 Sgr. Rechnet man für den erforderlichen Grund und Boden, die Fabrikgebäude mit Kessel- und Maschinenhaus circa 13000 Thlr., so stellt sich die Totalsumme der Anlage mit Hinzurechnung von Fracht und Zoll auf ungefähr 36000 Thlr. (Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1863, S. 120.)