Titel: Ueber Straßenlocomotiven, insbesondere über die von L. Schwarzkopff construirte derartige Maschine; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin.
Autor: Robert Schmidt
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. III., S. 16
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III. Ueber Straßenlocomotiven, insbesondere über die von L. Schwarzkopff construirte derartige Maschine; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin. Schmidt, über Straßenlocomotiven, insbesondere über Schwarzkopff's derartige Maschine. Nachdem englische Maschinenfabriken bekanntlich auf der letzten Londoner Industrie-Ausstellung eine größere Anzahl Straßen-Locomotiven ausgestellt hatten, die zu verschiedenen und combinirten Zwecken bestimmt waren, hat dieser Gegenstand auch bereits mehrseitig Beachtung in Deutschland erfahren. Einerseits sind nämlich im verflossenen Jahre mehrere englische Maschinen der Art in Betrieb gesetzt worden, andererseits haben mehrere Maschinenfabriken solche Maschinen in einzelnen Exemplaren zur Ausführung gebracht. Solange es sich in letzterer Hinsicht lediglich um Copirung der englischen Maschinen handelt, darf uns dieß weniger Wunder nehmen als mit einiger Scham erfüllen. Erfreulich erscheint es jedoch, daß schon jetzt eine deutsche Straßenlocomotive auf der Hamburger Ausstellung Siegerin über die dort ausgestellten englischen Maschinen wurde. Ueber diese Maschine, welche aus der durch Intelligenz hervorragenden Maschinenfabrik von L. Schwarzkopff in Berlin hervorgieng, sowie über die Ansichten, die Hr. Schwarzkopff auch ferner bei dem Bau von Straßenlocomotiven leiten werden, wollen wir hier einige speciellere Mittheilungen machen. Hr. Schwarzkopff erkennt einstweilen die Anwendung der Straßenlocomotive als fruchtbringend für die Industrie an, durch welche auf vorhandenen Chausseen und solchen besonders angelegten Straßen die Verfrachtung von Hüttenproducten, Kohlen, Frachtgütern, auch Bau-Utensilien in billigerer, regelmäßigerer und schnellerer Weise als bisher durch Pferde bewerkstelligt werden kann. Als das Gegebene tritt dabei hervor: unsere Straßen mit ihren Ueberbrückungen und Steigungen; als das zu Schaffende: Maschinen, welche ein Gewicht von höchstens 180–200 Ctr. haben, – die bei ihrer relativen Maximalleistung Steigungen von 1 : 20 machen und mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von wenigstens 1 Meile per Stunde fahren können, – die Biegungen behufs des Auslenkens schnell machen, und endlich sofort angehalten werden können. Das zulässige Gewicht der Maschine, 180–200 Ctr., bestimmt die mögliche Kraftstärke derselben; aus constructiven Rücksichten wird dieselbe höchstens zu 20–25 Pferdestärken zu nehmen seyn. Als Eigenthümlichkeiten der Schwarzkopff'schen Maschinen in Bezug auf die englischen sind erwähnungswerth: 1) daß jede Radachse, deren zwei vorhanden sind, auf Federn ruht, die, wie bei allen anderen Fuhrwerken, nicht nur alle Theile der Maschine schonen, sondern auch eine Kraftersparniß herbeiführen, ein Umstand, der bei Eisenbahn-Locomotiven schon längst beobachtet wurde, obgleich viel weniger in Betracht zu ziehen war als bei Straßen-Locomotiven; 2) die Anwendung einer zweicylindrischen Maschine mit Coulissensteuerung, ähnlich wie bei Locomotiven. Diese Anwendung allein macht es möglich, die Maschine auch bei größeren Geschwindigkeiten sofort anhalten und ebenso ohne Nachhülfe vor- und rückwärts in Thätigkeit setzen zu können. Letzteres wird noch dadurch unterstützt, daß Tender und Maschine fest zusammenhängen. Die Lenkung der Maschine wird durch Direction von der Wagenachse und vom Führerstande aus bewirkt, von wo aus auch die Coulissensteuerung dirigirt werden kann. Die Räder sind aus Schmiedeeisen construirt, da weder Holz noch Gußeisen auf die Dauer hinreichende Widerstandsfähigkeit besitzt; dieselben haben eine Breite von 10 bis 12 Zoll, die sich nicht bloß hinreichend erwiesen hat, sondern selbst noch auf Chausseen nach Art der Chausseewalzen wirken würden. Die Dampfmaschine setzt zunächst eine horizontale Welle in Bewegung, auf welche zwei Zahnräder befestiget, die – auf nahe horizontalen Wegen, – in entsprechende Räder greifen, welche auf der Betriebsradwelle sich befinden; für größere Steigungen können Vorgelege zwischen die erwähnten Achsen gebracht werden, welche, bei normaler Geschwindigkeit der Maschine, die Bewegung der Betriebsachse vermindern. Eine Maschine, deren Gewicht (mit Tender und Betriebsmaterial für etwa vier Meilen) 200 Ctr. nicht übersteigt und welche, wie oben angegeben, 20–25 Pferdestärken hat, ist mit Leichtigkeit im Stande, 400 Ctr. mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 1 Meile per Stunde fortzuschaffen. Die Maschine, welche in Hamburg ausgestellt war, und dort wie hier in Berlin eine größere Anzahl von Probefahrten im Beiseyn von Sachkundigen und Regierungsbeamten machte, hat ein Gewicht von 110 Ctrn. und etwa 18 Pferdestärken. Bei diesen Fahrten fuhr die Maschine mit einer Geschwindigkeit von drei Meilen per Stunde, und konnten bei dieser Geschwindigkeit kurze Krümmungen mit der größten Leichtigkeit gemacht, sowie die Maschine sofort zum Stillstand gebracht werden. Hieraus möchte sich das Erreichbare für die Zukunft ergeben. Der Preis einer Schwarzkopff'schen Maschine wird sich je nach der Größe, die wegen der vortheilhaften und möglichen Anwendung zwischen ziemlich engen Grenzen liegt, auf 3500 bis 6000 Rthlr. belaufen; der von 5 bis 6 Stück solid gebauter Transportwagen zur Aufnahme von 400 bis 500 Ctrn. 2000 bis 3500 Rthlr., so daß der Anschaffungspreis eines derartigen Trains, der mit einer Geschwindigkeit von 1 Meile per Stunde Lasten von 400–500 Ctrn. transportiren könnte, circa 7000 bis 8000 Rthlr. betragen würde. Bei 10 stündiger Arbeitszeit per Tag würden sich die Unterhaltungs-, resp. Transportkosten eines solchen Trains per Tag etwa wie folgt stellen: für Bedienungsmannschaft, höchstens 6 Mann   6 Rthlr.  – Sgr. für Brennmaterial per Stunde höchstens 25 Sgr.   8    „ 10  „ für Schmiere und sonstiges kleines Material   1    „ 20  „ für Amortisation, Verzinsung, Remonte und allgemeineVerwaltungskosten 12    „ 15  „ für Chausseegeld höchstens   5    „  –  „ ––––––––––––– Summa: 33 Rthlr. 15 Sgr. Die Kosten für den Transport von Frachtgütern würden sich also bei Anwendung einer Schwarzkopff'schen Straßenlocomotive per Tag von 10 Stunden auf 33 Rthlr. 15 Sgr. belaufen, und dieß beträgt, bei Annahme von 400 Ctrn., per Ctr. und Meile 3 Pfennige.