Titel: Ueber ein neues Verfahren die Härtegrade verschiedener Stahlsorten zu untersuchen; von Prof. Dr. A. v. Waltenhofen in Innsbruck.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. LIX., S. 201
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LIX. Ueber ein neues Verfahren die Härtegrade verschiedener Stahlsorten zu untersuchen; von Prof. Dr. A. v. Waltenhofen in Innsbruck. von Waltenhofen's Verfahren die Härtegrade verschiedener Stahlsorten zu untersuchen. Bei meinen magnetischen Untersuchungen bin ich zu einigen Resultaten gelangt, welche nicht nur in theoretischer, sondern auch in technischer Hinsicht von Interesse seyn dürften. Ich habe namentlich ein Verfahren aufgefunden, die Coërcitivkraft und den damit zusammenhängenden Härtegrad verschiedener Stahlsorten, so wie die Aenderungen welche diese Eigenschaften durch das Anlassen des Stahles erfahren, auf elektromagnetischem Wege mit einer bisher unbekannten Sicherheit und Genauigkeit zu bestimmen. Dieses Verfahren beruht auf folgenden Thatsachen, die ich durch zahlreiche Versuche nachgewiesen habe. Wenn ein Stahlstab, dessen Durchmesser nicht größer ist als der zwanzigste Theil seiner Länge (ich habe in der Regel Stäbe von 103 Millimeter Länge und 3 bis 5 Millimeter Durchmesser benützt) in einer Drahtspirale von ungefähr gleicher Länge (die meinige war 91 Millimeter lang und 30 Millimeter weit) mit immer stärkeren elektrischen Strömen magnetisirt wird, so zeigt sich, daß der Magnetismus des Stahlstabes mit der Potenz 4/5 der Stromstärke proportional zunimmt; ein Gesetz, welches sich durch die einfache Gleichung y = kx4/3 ausdrücken läßt, wenn y das magnetische Moment des Stabes und x das magnetische Moment der Spirale vorstelltWeil das magnetische Moment der Spirale mit der Stromstärke proportional ist, so wird die Form der Gleichung y = kx4/3 natürlich nicht geändert, wenn man unter x die nach einer beliebigen Einheit gemessene Stromstärke versteht., während k eine von der Beschaffenheit der Stahlsorte und den Dimensionen des Stabes abhängige Größe bedeutet. Werden gleichlange Stäbe von derselben Stahlsorte aber von verschiedenen Durchmessern auf die besagte Art magnetisirt, so zeigt sich ferner, daß der Coefficient k der obigen Gleichung mit der Potenz 3/4 des Durchmessers (oder mit der Potenz 3/4 des Gewichtes) proportional ist; man kann daher k = Nd3/2 und somit y = Nd3/2 x4/3 setzen, wenn d den Durchmesser des Stabes vorstellt und N eine Zahl, welche nur von der Beschaffenheit der Stahlsorte abhängt. Will man statt des Durchmessers lieber das Gewicht g des Stabes in der Rechnung haben, so hat man nur zu berücksichtigen, daß g = (πd²ls)/4, wenn l die Länge und s das specifische Gewicht des Stabes bedeutet; setzt man daher N(4/πls)3/4 = C, so erhält obige Gleichung die Gestalt y = Cg3/4 x4/3, wobei also C bei gleicher Stablänge nur von der Beschaffenheit der Stahlsorte abhängt. Dieses Gesetz bestätigt sich innerhalb ziemlich weiter Grenzen, die sich freilich nicht genau, wohl aber annähernd bestimmen lassen. Ich fand bei meinen Versuchen obige Gleichung durchschnittlich so lange bestätigt, als der temporäre Magnetismus, welchen die angewendeten Stahlstäbe erlangt hatten, nicht größer war als der vierte Theil desjenigen, welchen ein gleichgroßer Eisenstab in derselben Magnetisirungsspirale nach dem Müller'schen Gesetze beim Sättigungspunkte erreichen könnte. Nach dieser Regel lassen sich die Stromstärken reguliren, welche zur Ausführung des hier besprochenen Verfahrens geeignet sind. Der Coefficient C der obigen Gleichung ist offenbar ein Maaß der magnetischen Inductionsfähigkeit der betreffenden Stahlsorte, und soll deßhalb „Inductionscoefficient“ heißen; er ist nämlich offenbar desto größer, je leichter die betreffende Stahlsorte temporären Magnetismus annimmt, je leichter also die kleinsten Theilchen des Stahles unter dem Einflusse einer magnetisirenden Kraft eine Verschiebung erleiden; der Inductionscoefficient fällt daher natürlich desto kleiner aus, je größer die Coërcitivkraft oder der Härtegrad des Stahles ist, und kann deßhalb auch zur numerischen Vergleichung dieser Eigenschaften bei verschiedenen Stahlsorten benützt werden. Ich habe für mehrere Stahlsorten die magnetischen Inductionscoefficienten bestimmt und miteinander verglichen. Nimmt man den Inductionscoefficienten des glasharten Wolfram-Stahles als Einheit an, so ergeben sich aus meinen Versuchen die Zahlen, welche in der zweiten Rubrik der nachstehenden Tabelle enthalten sind. Die dritte Rubrik enthält die Coërcitivkräfte oder Härtegrade in Procenten, wenn man jene des glasharten Wolfram-Stahles = 100 setzt. Stahlsorte. Inductions-Coefficient. CoërcitivkraftundHärtegrad. Anmerkung. Mayr's Wolframstahl,glashart 1,000 100 Der Wolframstahl, der Gußstahl  Nr. 1 und der Manganstahl sind Mayr's Gußstahl Nr. 1,glashart 1,068   94   aus der Fabrik von Franz Mayr  zu Kapfenberg in Steiermark. Huntsman-Stahl,glashart 1,287   78   Die übrigen hier bezeichnet.  Stahlsorten nicht unmittelbar Mayr's Manganstahl,glashart 1,336   75   aus den betreffenden Fabriken  bezogen. Englischer Rundstahl,glashart 1,423   70 Fischer-Stahl,glashart 1,535   65 Sonnen-Stahl,glashart 1,634   61 Mayr's Gußstahl Nr. 1,gelb angelassen 2,215   45 Englischer Rundstahl,gelb angelassen 3,002   33 Mayr's Gußstahl Nr. 1,blau angelassen 3,780   26 Englischer Rundstahl,nicht gehärtet 4,005   25 Englischer Stahldraht,nicht gehärtet 5,564   18 Die vorstehenden Resultate genügen, um die Brauchbarkeit meiner Methode an den Tag zu legen, welche, wenngleich nur annähernde, doch immerhin viel empfindlichere Prüfungsmittel an die Hand gibt, als rein mechanische Proben seyn können. Die obigen Zahlen zeigen zugleich das bemerkenswerthe Ergebniß, daß die Coërcitivkraft des gelb angelassenen Stahles immer nahezu die Hälfte von derjenigen ist, welche dieselbe Stahlsorte im glasharten Zustande besitzt. Viel weniger genau läßt sich der Einfluß des Blauanlassens angeben, weil die Temperaturen, welche den verschiedenen Abstufungen der blauen Anlaßfarbe entsprechen, viel weiter auseinander liegen als es bei der gelben Anlaßfarbe der Fall ist. Ich habe die Coërcitivkraft des blau angelassenen Stahles selten kleiner gefunden als ein Drittel von der des glasharten Zustandes. Meine Angaben über den Einfluß des Anlassens setzen übrigens voraus, daß dasselbe auf Blech über Kohlenfeuer, nicht aber z.B. an der Gasflamme geschehe; im letzteren Falle bleiben die Stäbchen im Ganzen etwas härter, weil sich die rasche Einwirkung der Flamme mehr auf die Oberfläche beschränkt. Zur Ausführung dieser Stahluntersuchungen habe ich einen einfachen Apparat construirt, dessen Einrichtung und Gebrauch ich bei nächster Gelegenheit bekannt geben werde. Innsbruck, den 8. October 1863.