Titel: Verfahren, die Spannungen in Eisenconstructionen durch Töne zu messen; von Göbbels.
Fundstelle: Band 170, Jahrgang 1863, Nr. XCIV., S. 343
Download: XML
XCIV. Verfahren, die Spannungen in Eisenconstructionen durch Töne zu messen; von Göbbels. Aus Erbkam's Zeitschrift für Bauwesen, 1863, S. 521. Göbbels' Verfahren, die Spannungen in Eisenconstructionen durch Töne zu messen. Im Architekten-Verein zu Berlin brachte in der Versammlung am 27. December 1862 Hr. Göbbels ein Verfahren in Vorschlag, die Spannungen der einzelnen Constructionstheile in Eisenconstructionen durch die Töne, welche beim Anschlagen erklingen, direct zu messen. Nachdem der Vortragende mehrere Annahmen, welche gewöhnlich bei den Berechnungen der Eisenconstructionen gemacht werden, als mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmend dargestellt und angeführt hatte, daß weder das Messen der Durchbiegungen, noch die Thatsache, daß die Construction in einer längeren Zeit keine augenscheinlichen Formveränderungen gezeigt habe, darüber Gewißheit gebe, daß einzelne Constructionstheile nicht stärker in Anspruch genommen würden, als die Berechnungen ergeben, empfehle er bei den auszuführenden Versuchen zur Controle der Berechnungen das nachstehende Verfahren. Die Constructionstheile, welche in der Construction nicht frei schwingen können, oder beim Anschlagen mit einem Hammer keinen deutlichen Ton erklingen lassen, versehe man mit zwei besonderen, dünnen Drähten von etwa 1/100 Quadratzoll Querschnitt. Diese dünnen Eisendrähte kann man an die gemeinschaftlichen Bolzen, wenn solche vorhanden sind, oder an besondere Bänder, welche am Kopf und Fuß des Constructionstheiles angebracht werden, befestigen. Nachdem der zu untersuchende Constructionstheil, wenn es nöthig war, auf diese Weise vorgerichtet ist, belaste man denselben mit der Maximallast, die er nach den Berechnungen in der Construction auszuhalten hat, gewöhnlich also mit ungefähr 10000 Pfd. per Quadratzoll. Dann gebe man den dünnen Drähten bei den auf Zug in Anspruch genommenen Constructionstheilen eine Spannung von etwa 10000 Pfd. per Quadratzoll, bei den auf Druck in Anspruch genommenen Constructionstheilen eine Spannung von etwa 1000 Pfund per Quadratzoll. Nach und nach nehme man dann die angehängte, resp. aufgebrachte Last weg und bestimme mit einer Stimmgabel die Töne, welche der Constructionstheil selbst, resp. die beiden dünnen Drähte beim Anschlagen mit einem Hammer erklingen lassen. Jedesmal, wenn nach Wegnahme von Last beim Anschlagen ein anderer Ton erklingt, notire man denselben mit der dann aufliegenden Last in einer Tabelle. Nun setze man aus den einzelnen Constructionstheilen, die, wenn es nöthig war, mit den beiden dünnen Drähten versehen sind, den Träger zusammen. Bei den verschiedenen Belastungsarten ist dann aus dem Tone, den der Constructionstheil, resp. die beiden dünnen Drähte beim Anschlagen mit einem Hammer erklingen lassen, in der notirten Tabelle zu ersehen, wie der Constructionstheil in Anspruch genommen ist. Der Vortragende theilte mehrere Tabellen mit. In der ersten waren die Schwingungszahlen (Anzahl der Schwingungen in einer Minute) der auf einem gewöhnlichen Clavier vorhandenen Töne zusammengestellt. Die zweite Tabelle enthielt die Schwingungszahlen von Stangen resp. Drähten von 5 bis 30 Fuß Länge bei einer in Anspruchnahme von 15000, 10000, 5000 und 1000 Pfd. per Quadratzoll. Die dritte Tabelle enthielt die Reihenfolge der spannenden Gewichte für Stangen, resp. Drähte von 10 Fuß Länge, welche der Reihenfolge der gewöhnlichen Töne entsprechen. Die beiden letzten Tabellen waren nach der von Taylor hergeleiteten Formel n = √(2g . P)/(L . g) berechnet. Hierin bezeichnet n die Anzahl der Schwingungen in der Minute, 2g = 31 1/4 Fuß; P das (auf Zug wirkende) spannende Gewicht, L die freie Länge, g das Gegengewicht des schwingenden Körpers. Aus der Tabelle ging hervor: 1) daß bei den gewöhnlichen Inanspruchnahmen des Eisens bis zu Längen von 30 Fuß und noch darüber unter Anwendung des oben beschriebenen Verfahrens Töne erklingen, nicht tiefer und nicht höher als die, welche auf einem gewöhnlichen Clavier vorkommen; 2) daß die durchschnittlichen Spannungs-Unterschiede, welche durch die gewöhnliche Reihenfolge der Töne per Quadratzoll Querschnitt nachgewiesen werden können, weder von der Länge noch vom Querschnitt des schwingenden Körpers abhängen, sondern ziemlich constant sind. Es lassen sich bei Stangen, resp. Drähten von 5 bis 30 Fuß Länge unabhängig vom Querschnitt bei einer Anspannung von 15000 bis 10000 Pfund Spannungsdifferenzen von durchschnittlich 1250 Pfd., bei einer Anspannung von 10000 bis 5000 Pfd. Spannungsdifferenzen von durchschnittlich 833 Pfd., und bei einer Anspannung von 5000 bis 1000 Pfd. Spannungsdifferenzen von durchschnittlich 286 Pfd. per Quadratzoll Querschnitt durch die gewöhnliche Reihenfolge der Töne nachweisen. Von den Mitteln, welche die Physik bietet, geringere Unterschiede in den Schwingungszahlen, also auch in den Spannungen der Constructionstheile nachzuweisen, wurde die Beobachtung der Schwebungen (das Zusammenfallen der Schallwellen) hervorgehoben, welche für das Ohr dasselbe leisten soll, was der Vernier bei Längenmessungen leistet. Endlich wurde der Einfluß der Temperaturdifferenz betrachtet und bemerkt, daß, wenn nach angestellter Rechnung dieselbe auch für die Praxis voraussichtlich vernachlässigt werden könne, nichts im Wege stehe, dieselben genau dadurch zu berücksichtigen, daß man die Vorversuche bei verschiedenen Temperaturen anstelle.