Titel: Die Dampfmaschinen und ihre Concurrenten auf der internationalen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Conrector G. Delabar.
Autor: Gangolf Delabar [GND]
Fundstelle: Band 171, Jahrgang 1864, Nr. LX., S. 241
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LX. Die Dampfmaschinen und ihre Concurrenten auf der internationalen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Conrector G. Delabar. (Schluß von S. 170 des vorhergehenden Heftes.) Delabar, über die Dampfmaschinen und ihre Concurrenten auf der Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862. 3. Die Locomotivmaschinen oder Dampfwagen. Zu den Locomotivmaschinen oder Dampfwagen uns wendend, haben wir zunächst die eigentlichen Locomotiven oder Eisenbahnlocomotiven und alsdann die Straßenlocomotiven und Locomobilen in Betracht zu ziehen. Dabei kann ich mich aber um so kürzer fassen, als darüber schon früher in diesem Journal und in anderen deutschen Zeitschriften, von anderer Seite berichtet worden ist.Siehe die Abhandlungen von: J. Stummer über die englischen und continentalen Locomotiven auf der Londoner Ausstellung, in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins, Jahrgang 1863 S. 65 und 115; H. Bollinger über die Locomotiven der Londoner Ausstellung, im Civilingenieur 1863, Bd. IX S. 155; Bericht über die nicht-englischen Locomotiven auf der Londoner Ausstellung im Mechanics' Magazine November 1862, daraus im polytechn. Centralblatt 1863 S. 171; M. Eyth über die Locomobilen auf der Londoner Ausstellung, im polytechn. Journal Bd. CLXV S. 81 ff.; G. Beylich über die Straßenlocomotiven auf der Londoner Ausstellung, im bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, Jahrg. 1862 S. 694 und Jahrg. 1863 S. 585. a. Die Eisenbahnlocomotiven. An Eisenbahnlocomotiven zählte die Londoner Industrie-Ausstellung von 1862 nicht weniger denn 20 Stücke. Davon waren 11 aus England und die übrigen 9 aus verschiedenen anderen Ländern, nämlich 3 aus Frankreich, 1 aus Belgien, 1 aus Italien, 2 aus dem Zollverein und 2 aus Oesterreich. Die einzelnen Aussteller und Maschinen waren folgende:   1. London and North-Western Railway mit einer unter der Maschinendirection von Mac Connel in den Werkstätten zu Wolverton gebauten Locomotive.   2. London and North-Western Railway, mit einer unter der Maschinendirection von Ramsbottom in den Werkstätten zu Crewe erbauten Locomotive.   3. Neilson and Comp. in Glasgow, mit einer unter Conner's Direction für die Caledonian Railway Company erbaut. Locomotive.   4. Beyer, Peacock and Comp. in Manchester, mit einer für die portugiesische Südwestbahn erbauten Locomotive.   5. Stephenson and Comp. in Newcastle, mit einer unter Sinclair für die Eastern County Railway erbauten Locomotive.   6. Sharp, Steward and Comp. in Manchester, mit einer Locomotive für die London Dover Railway.   7. Sir Will. Armstrong and Comp. in Newcastle, mit einer Locomotive für die East Indian Railway.   8. Will. Fairbarn and Sons in Manchester, mit einer unter Kirtlay für die Midland Railway erbauten Locomotive.   9. Manning Wardle and Comp in Leeds, mit einer kleinen Locomotive für den Kohlentransport. 10. George England and Comp. in New Croß (London), mit einer leichten Tenderlocomotive. 11. Neath Abbey Iron Comp. in Neath Abbey (South Wales), mit einer Locomotive zur Kohlenförderung. 12. Compagnie du chemin de fer d'Orléans-Paris mit einer in ihrer Werkstätte in Ivry unter Forquenot erbauten Locomotive. 13. I. F. Cail et Comp. und Parent, Shaken, Caillet et Comp. in Paris, mit einer für die Gesellschaft der Paris-Orleans-Eisenbahn erbauten Locomotive. 14. Compagnie du chemin de fer du Nord, mit einer von Gouin und Comp. unter der Direction von Petiet erbauten Locomotive. 15. Société Anonyme des Hauts-Fourneaux, Usines et Charbonnages de Marcinelle et Couilet in Belgien, mit einer in den Werkstätten zu Couillet erbauten Locomotive. 16. A. Borsig in Berlin, mit einer Güterzuglocomotive, sammt Tender. 17. R. Hartmann in Chemnitz, mit einer Güterzuglocomotive mit beweglichem Vordergestell. 18. Oesterreichische Staatseisenbahngesellschaft, mit der unter Haswell gebauten Schnellzuglocomotive „Duplex“. 19. Oesterreichische Staatseisenbahngesellschaft, mit der ebenfalls unter Haswell gebauten Güterzuglocomotive „Steierdorf“. 20. Locomotivwerkstätte in Pietrarsa bei Portici in Italien, mit einer Güterzuglocomotive. Von diesen zwanzig Locomotiven, welche wir im Folgenden zur Abkürzung mit der ihnen im Vorigen beigeschriebenen Ordnungsnummer bezeichnen werden, waren sechs, nämlich Nr. 1, 2, 3, 4, 12 und 18, Schnellzuglocomotiven; sieben, nämlich Nr. 6, 8, 13, 14, 15, 16 und 20, Güterzuglocomotiven; zwei, Nr. 5 und 7, Locomotiven für gemischte Züge; zwei andere, Nr. 17 u. 19, Gebirgslocomotiven und drei, nämlich Nr. 9, 10 u. 11, leichte Tenderlocomotiven. Davon hatten vierzehn, nämlich Nr. 2, 3, 5, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 18 und 19, außenliegende Cylinder und die übrigen sechs, Nr. 1, 4, 6, 8, 15 und 20, innenliegende Cylinder. Eine einzige, Nr. 19, hatte zehn, eine andere, Nr. 14, acht, zwei weitere, Nr. 9 und 11, hatten vier und alle übrigen, nämlich Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 20, sechs Räder. Bei neun derselben, nämlich Nr. 6, 8, 9, 11, 13, 14, 15, 19 und 20, waren je sämmtliche Räder mit einander gekuppelt, fünf andere, Nr. 5, 7, 10, 16 und 17, hatten dagegen je nur vier, und die übrigen sechs, nämlich 1, 2, 3, 4, 12 und 18, gar keine gekuppelten, also je nur zwei Treibräder. Die größten Treibräder hatten die englischen Schnellzuglocomotiven Nr. 3 mit 8' 2'', Nr. 1 mit 7' 8'', Nr. 2 mit 7' 7'' und Nr. 4 mit 7'. Daran reihte sich die österreichische Schnellzuglocomotive „Duplex“ mit 6' 8 7/8'' und die französische Schnellzuglocomotive Nr. 12 mit 6' 7 3/4''. Die kleinsten Treibräder hatte hingegen die kleine englische Maschine Nr. 9 mit nur 2' 9''. Den größten Radstand (d. i. die Entfernung zwischen der hintersten und vordersten Radachse) hatten, außer der österreichischen Gebirgslocomotive „Steierdorf“, ebenfalls die englischen Locomotiven, und zwar beträgt derselbe bei der Locomotive Nr. 3 von Neilson 15' 8'' und bei den übrigen größeren englischen Locomotiven wenigstens nicht unter 15', während er bei den continentalen Locomotiven, mit Ausnahme der Locomotive „Steierdorf“, die einen Radstand von 19' 3 1/4' besitzt, nicht über 14' 2'' mißt. Den kleinsten Radstand mit nur 4' 9'' hatte ebenfalls die kleine Locomotive Nr. 9. Diese figurirte auch mit dem kleinsten Totalgewicht von nur 10 1/4 Tonnen, während die Locomotive „Steierdorf“ das größte Totalgewicht von etwas über 46 Tonnen aufwies. Den größten Cylinderdurchmesser hatten die Maschinen Nr. 14 mit 18 9/10'', Nr. 19 mit 18 1/8'' und Nr. 1 und 3 mit 18'', während der größte Hub sich vorfand bei der Maschine Nr. 12 mit 25 9/16'', welcher sich die beiden österreichischen Locomotiven mit je 24 7/8'' und die Locomotiven Nr. 1, 2, 3, 5, 6, 8 und 13 mit je 24'' anschlossen. Den kleinsten Cylinderdurchmesser und Hub zeigte wieder die Maschine Nr. 9. Endlich finden wir die größte Heizfläche und damit auch entsprechend die größte Verdampfungsfähigkeit bei den Locomotiven Nr. 14 mit 1765 Quadratfuß, auf welche die Locomotiven Nr. 18 mit 1344 Quadrats., Nr. 4 mit 1337 Quadratf., und Nr. 19 mit 1323 Quadratf. folgen. Die kleinste Heizfläche mit nur 237 1/2 Quadratf. hatte wiederum die kleine Locomotive Nr. 9. Aus diesen Angaben ergeben sich nun sofort bezüglich des jetzigen Locomotivenbaues mehrere nicht uninteressante Schlüsse. Zunächst bemerkt man, daß die Wahl der außenliegenden Cylinder jene der innenliegenden bedeutend überwiegt, und daß hierin nun auch die Franzosen und Engländer den Deutschen und Nordamerikanern gefolgt sind, welche jenen schon vor Jahren vorangegangen sind. Der Grund aber, warum man den außenliegenden Cylindern den Vorzug vor den innenliegenden gibt, ist vorzugsweise in dem Umstande zu suchen, daß bei außenliegenden Cylindern nicht nur der Mechanismus ebenfalls viel bequemer nach Außen verlegt werden kann, sondern auch die Achsen der Treibräder mehr Sicherheit gegen Brüche bieten, da sie alsdann nicht gekröpft zu werden brauchen. In Bezug auf den Steuerungsmechanismus war, was hier noch besonders hervorgehoben werden mag, an einigen der ausgestellten Locomotiven, wie z.B. bei Nr. 2, die Steuerung angebracht, wornach der sonst gebräuchliche Steuerungshebel und der mit Kerben versehene Kreissector durch eine Schraube mit Handrad und Kurbel ersetzt worden ist, welche vermittelst eines Hebels auf die Steuerachse wirkt. Die Vortheile der Schraube sind hierbei nicht zu verkennen; sie liegen in der Möglichkeit, damit einen beliebigen Expansionsgrad anwenden zu können, sowie in dem Umstand, daß dadurch die Arbeitsflächen weniger abgenützt werden. Anderseits hat sie aber auch wieder den Nachtheil, daß sie nicht schnell genug zur Wirkung kommt, wenn es bei drohender Gefahr nöthig werden sollte, plötzlich umzusteuern. Im Weitern zeigte die letzte Ausstellung einen wesentlichen Fortschritt, darin bestehend, daß jetzt die Locomotiven mehr als es früher der Fall war, dem Zwecke gemäß, dem sie zudienen haben, gebaut werden. Neben den Schnellzug- und Güterzuglocomotiven, den Locomotiven für gemischte Züge und den Gebirgslocomotiven haben wir nun auch ganz leichte Locomotiven für kurze Zweigbahnen zum Transport von Kohlen und anderen Waaren. Anderseits ist man in der Construction der Locomotiven überhaupt in mancher Hinsicht weiter vorangeschritten. Zieht man diese Constructionsverbesserungen näher ins Auge, so beziehen sie sich einmal auf die Einrichtung, die sie zum Fahren in stärkeren Curven befähigen. In dieser Beziehung zeichneten sich die Maschinen Nr. 13, 17 und 19 besonders aus. In Nr. 13 können sich die Hinter- und Vorderräder quer gegen die Maschine verschieben und durch horizontale Federn, welche mit ihren Achsen in Verbindung stehen, werden sie alsdann wieder in ihre mittlere Stellung zurückgeführt. Diese Einrichtung ist eine Erfindung des Mitausstellers Caillet. Bei Nr. 19, der Maschine „Steierdorf“, ist dieselbe Aufgabe wieder auf eine andere ebenso rationelle als originelle Weise gelöst worden, indem die fünf Treibachsen nach dem bekannten Engerth'schen System in zwei Gruppen zu drei und zwei Achsen getheilt, die Achsen jeder Gruppe in ein festes Gestell gebracht und beide Gestelle unter einander mittelst eines festen verticalen Drehbolzens und einer horizontalen Blind- oder Leerwelle, nebst verschiedenen Kuppelungsstangen verbunden sind, so daß einerseits beide Gestelle zusammengenommen nur ein Fuhrwerk bilden und anderseits jedes derselben, als ein Fuhrwerk für sich betrachtet, sich in jedem beliebigen Kreisbogen des Schienengeleises so einstellen kann, daß die Achsenstellung des Fahrzeugs eine Sehne des Bogens der Bahn bildet.Siehe die nähere „Beschreibung der Berglocomotive „Steierdorf“ in den Mittheilungen über die zur Londoner Ausstellung im Jahre 1862 von der k. k. österreichischen Staats-Eisenbahn-Gesellschaft gesendeten Gegenstände“. – Die Maschine Nr. 17 endlich erreicht den angegebenen Zweck durch ein bewegliches Vordergestell nach dem Muster des zweiräderigen Vordergestells des Amerikaners Levy Bissell. Dieser verbesserte nämlich den zuerst in Amerika gebräuchlichen vierräderigen Vorderwagen, der sich um einen in der Mitte befindlichen verticalen Bolzen drehen konnte, in einen zweiräderigen, der sich nicht um seinen eigenen Mittelpunkt dreht, sondern um einen ungefähr in der Mitte der Maschinenlänge angebrachten Nagel. Diese neue Anordnung bietet den Vortheil größerer Solidität, sowie eine bessere Anordnung der Cylinder. Die Hartmann'sche Einrichtung zeigt nun diese neue Bissell'sche Anordnung in einer noch mehr verbesserten Form. Bei derselben sind nämlich die Arbeitsflächen des Gestells flach und wird der seitlichen Bewegung durch Ansätze eine Grenze gesetzt, während bei der letzteren die Arbeitsflächen geneigt sind. Die Hartmann'sche Locomotive war die einzige auf der Ausstellung, die mit dieser höchst zweckmäßigen Vorrichtung ausgerüstet war. Hoffen wir, daß dieselbe bei einer künftigen internationalen Industrie-Ausstellung allgemein eingeführt seyn wird! Sodann zeigt sich der Fortschritt auch in der Steigerung des totalen wie des Adhäsionsgewichtes der Locomotiven. Während im J. 1851 keine einzige Locomotive auf der Ausstellung zu sehen war, die mit voller Ausrüstung ein Totalgewicht von 40 Tonnen erreicht hätte, zeigte die letzte Ausstellung von 1862 in den Locomotiven Nr. 14 und 19 Beispiele, deren Totalgewicht jene Grenze weit übertrifft. Denn bei beiden beträgt das totale Gewicht bei voller Füllung mit Brennmaterial und Wasser über 50 Tonnen, und bei einer der durch Zeichnungen repräsentirten beiden Locomotiven der französischen NordbahnDiese Zeichnungen wurden entworfen von Fouché und ausgestellt von Petiet, dem Oberingenieur der Nordbahn, und die Ausführung dieser merkwürdigen, mit zwei unabhängigen Maschinen ausgerüsteten Locomotiven ist ebenfalls Gouin und Comp. übertragen. Die eine, die im Text angeführte, ist eine Lastzuglocomotive und die andere eine Personenlocomotive. In einer von der Gesellschaft veröffentlichten Schrift: Notice sur les trois types de locomotives exposées à Londres en 1862 par la Campagnie de Chemin de fer du Nord (Paris, impr. Claye)“ finden sich diese beiden, wie die ausgestellt gewesene Locomotive, näher beschrieben. ist das totale Gewicht sogar auf 56 1/2 Tonnen berechnet. Noch in bedeutenderem Verhältnisse hat die Steigerung des Adhäsionsgewichtes zugenommen. Während nämlich früher verhältnißmäßig nur ein sehr kleiner Theil des totalen Gewichtes zur Adhäsion und meist nur durch die Treibräder selbst benützt wurde, hat man es nun durch die stetigen und anhaltenden Fortschritte in der Kuppelung der Räder, namentlich seit dem Bau der Semmeringbahn und der seitdem eingeführten Tenderlocomotiven, dahin gebracht, daß, wo es anders nöthig wird, das ganze Gewicht der Locomotive als Adhäsionsgewicht benutzt werden kann. Dieß war denn auch bei neun der ausgestellten Locomotiven wirklich der Fall. So insbesondere bei den oben angeführten Maschinen Nr. 14 und 19, sowie auch bei der erwähnten projectirten und durch Zeichnungen repräsentirten Güterzuglocomotive der französischen Nordbahn, welche somit ein Adhäsionsgewicht von circa. 56 Tonnen besitzt, das eine im gleichen Verhältniß verstärkte Zugkraft oder Leistungsfähigkeit von 1000 bis 1100 Tonnen möglich macht. In Verbindung mit diesen Fortschritten steht die umgekehrte Praxis, wornach man das auf derselben Achse ruhende Gewicht, welches früher 12 bis 15 Tonnen betrug, zur besseren Schonung der Schienengeleise verringerte und jetzt, wenigstens auf dem europäischen Continent, nicht ohne Roth höher als zu etwa 10 bis 11 Tonnen annimmt. Diese wesentliche Verbesserung ist indessen in England noch nicht allgemein durchgedrungen, denn die Maschine von Neilson zeigte sogar das normale Verhältniß, daß die Treibräder mit 14 Tonnen 11 Ctr. belastet sind. Dieß rührt wenigstens zum Theil von dem Umstand her, daß man in England an eine viel größere Fahrgeschwindigkeit gewöhnt ist als auf dem Continent, was natürlich nicht nur größere Treibräder, sondern auch eine größere Verdampfungsfähigkeit, resp. einen größeren, schwereren Kessel mit sich bringt, wodurch gerade die Treibräder stärker belastet werden. Auch dürfte der Umstand, daß in England die Schienen billiger zu haben sind, hierbei von einigem Einfluß seyn. Gleichwohl dürfte auch bei den englischen Locomotiven eine bessere Vertheilung des Gewichts auf die Treib- und Laufräder zu empfehlen seyn. Dieser wesentliche Unterschied in der continentalen und englischen Eisenbahnpraxis erklärt sich weiter durch die örtlichen Verschiedenheiten, wornach auf dem Continent, wo das Brennmaterial geringer und theurer als in England ist, darauf ausgegangen werden muß, die Kraft der Locomotive möglichst zu ökonomisiren, was auf meist ungünstigerem Terrain durch eine kleinere Geschwindigkeit bei größeren Ladungen am besten erreicht wird, während in England nicht so sehr mit dem Brennmaterial gespart werden muß, dagegen, wie gesagt, meist eine viel größere Fahrgeschwindigkeit verlangt wird. Die vergrößerte Leistungsfähigkeit hängt überdieß zusammen mit der größeren Verdampfungsfähigkeit, resp. mit der vergrößerten Heizfläche. In dieser Hinsicht hat man ebenfalls angefangen, von der bisherigen Regel abzugehen, wornach man den Schwerpunkt der Locomotiven möglichst tief zu legen suchte, was den Uebelstand mit sich führte, daß die Feuerbüchse und der Kessel immer zwischen die Cylinder eingeengt werden mußten und daher entsprechend auch nur eine kleinere Heizfläche erhalten wurde. In der Maschine Nr. 14 von Gouin ist ein derartiger Versuch mit Erfolg gemacht worden, indem der Kessel gegen die bisherige Praxis verhältnißmäßig sehr hoch liegt und über die Räder bedeutend hinausreicht und dadurch eine viel größere Breite und Heizfläche (von 1700 Quadratfuß) möglich machte. Bei den beiden anderen durch Zeichnungen repräsentirten Locomotiven ist diese Neuerung ebenfalls angebracht und auf diese Weise bei der Personenlocomotive eine Verdampfungsfläche von gegen 1800 Quadratfuß und bei der Güterzug-Locomotive sogar eine solche von gegen 2300 Quadratfuß erhalten wordenwerden. Im Gegensatz zu dieser Vergrößerung des Kessels nach Außen hat man sich in neuerer Zeit fast allgemein der engeren Spurweite des Schienengeleises angeschlossen. Die größte Spurweite der ausgestellten Locomotiven war 5 1/2 und zwar bei der Locomotive Nr. 4, welche für die breitspurige portugiesische Eisenbahn bestimmt war. Jetzt, nachdem die Wahl der Spurweite allenthalben ein fait accompli geworden ist, nützt es freilich nichts mehr, zu streiten, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, allgemein eine etwas breitere Spurweite einzuführen, weßhalb ich mich auch nicht länger bei diesem Punkte verweilen will. Wichtiger ist die allenthalben zu Tage tretende Erscheinung, wornach die Feuerungsanlage der Locomotive so angeordnet wird, daß man darin unmittelbar Steinkohlen statt Kohks verbrennen und überdieß auch den Rauch weiter ausnützen kann, als dieß früher geschehen ist. Diese sehr wichtige Verbesserung, die, wenn ich nicht irre, ebenfalls zuerst von Amerika ausgegangen, war auch bei den meisten ausgestellten Maschinen vorgesehen und auf verschiedene Weise in Ausführung gebracht. In ausgezeichneter Weise war diese Einrichtung vorhanden in den englischen Locomotiven, besonders in Nr. 2 von Ramsbottom, der sie indessen, wie es scheint, dem Amerikaner Griggs aus Boston, der sie zuerst gebraucht, nachgemacht. In dieser Hinsicht zeichnete sich ferner auch die belgische Locomotive sehr vortheilhaft aus. Diese war mit der Feuerbüchse der patentirten Belpaire'schen AnordnungBeschrieben in diesem Journal Bd. CLXVII S. 95. versehen, und damit in den Stand gesetzt, ganz geringe, magere Grieskohlen, Anthracit und Torf zu verbrennen, was in der That mit dieser Feuerungseinrichtung auch ganz gut geschehen kann. Dieselbe Einrichtung hatte auch die Locomotive Nr. 14 der französischen Nordbahn und mehrere im Dienst befindliche Locomotiven, in welchen durchaus nur Kleinkohlen verbrannt und damit sehr gute Resultate erzielt werden. Die Locomotive Nr. 12 der Paris-Orleans-Bahn war dagegen mit einer Tenbrinck'schen FeuerungsanlageBeschrieben in diesem Journal Bd. CLXVII S. 90. versehen, die nicht minder gute Resultate liefern soll. Zugleich mit Rauchverbrennungsvorrichtungen waren unter anderen versehen die Maschinen Nr. 1 nach Mac Connel , Nr. 6Nr. 6, von Sharp nach Cudworth und von der Compagnie du Chemin de fer d'Orléans-Paris nach Tenbrinck. Doch sind über diesen Punkt, über welchen in den letzten Jahren so viel Geschrei aber wenig Wolle zu Tage gefördert worden ist, die Akten noch keineswegs geschlossen. Was die Speisung der Locomotivkessel mit Wasser durch Pumpen betrifft, so hat die neueste Zeit ebenfalls einen bedeutenden Fortschritt gemacht durch Einführung von Giffard's Injector oder Dampfstrahlpumpe.Diese neue Pumpe findet sich in verschiedenen Zeitschriften beschrieben, so in diesem Journal Bd. CLIV S. 409. Die besten Arbeiten über die Theorie derselben haben geliefert: Weisbach in seiner Ingenieur-Mechanik, III. Theil S. 1190; Reinhardt in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins, 1860 S. 121 (daraus im polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 162); Grashoff in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. IV S. 227; Combes im Bulletin de la Société d'Encouragement, Juniheft 1859 (polytechn. Journal Bd. CLIV S. 409). Es ist dieß eine ohne Kolben arbeitende Pumpe, die sich zum Speisen der Dampfkessel in der That vortrefflich eignet. Das Princip derselben gründet sich auf den hydraulischen Satz, wornach ein unter einem gewissen großen Druck durch eine passende Röhre mit geeigneter Geschwindigkeit durchströmender Flüssigkeitsstrahl eine andere selbst bedeutend dichtere, aber unter einem viel geringeren Druck befindliche Flüssigkeit, die durch ein anderes Rohr mit der erstern in entsprechender Verbindung steht, durch Ansaugen mitnimmt. Bei dem erwähnten Giffard'schen Injector ist der durchströmende active Flüssigkeitsstrahl ein vom Kessel ausgehender Dampfstrahl und die mitgenommene passive Flüssigkeit ist das vom Tender oder Wasserkasten angesaugte Wasser, womit der Kessel gespeist wird. Mit diesem ausgezeichneten Apparat, der seiner bedeutenden Vorzüge wegen in den letzten Jahren besonders bei den Locomotiven in ungeheure Aufnahme gekommen ist, waren nun auch die meisten der ausgestellten Locomotiven ausgerüstet. Daran schließt sich noch eine andere interessante Neuerung. Ich meine den selbstthätigen Speiseapparat von Ramsbottom,Beschrieben in diesem Journal Bd. CLX S. 347. welcher den Zweck hat, den Tender, besonders bei Schnellzügen auf langen Linien, während der Fahrt mit Speisewasser von einem auf der Bahn zwischen den Schienen angelegten Canale oder rinnenartigen Reservoir auszufüllen. Die Anwendung dieser Einrichtung beruht auf dem Trägheitsprincip oder vielmehr dem Beharrungsvermögen des Wassers und besteht kurz darin, daß, wie gesagt, zwischen den Schienen der Bahn ein gußeiserner mit Wasser gefüllter Trog angebracht ist, in welchen dann während der Fahrt eine vom Wasserkasten des Tenders ausgehende, nach vorn parabolisch geformte Röhre hinabgelassen wird, die sofort, ohne weitere Vermittelung, wie bei einer Pitot'schen Röhre, einen ununterbrochenen Wasserstrahl liefert. Ist die Speisung hinreichend geschehen, so wird die Saugröhre wieder aufgezogen. Ein anderer nicht unwichtiger Fortschritt bezieht sich auf das zum Bau der Locomotiven verwendete Material. In dieser Beziehung sind namentlich die deutschen Constructeure durch die sehr zweckmäßige Verwendung des besten verfügbaren Constructionsmaterials, des Gußstahls, zu den Radachsen und Bandagen, sowie zu den Treib- und Kurbelstangen etc. rühmlichst vorangegangen. Unter den ausgestellten Maschinen zeichnete sich in dieser Hinsicht ganz besonders aus die Locomotive von Borsig, bei welcher wirklich auch alle wichtigeren Gestänge des Mechanismus aus Gußstahl gefertigt sind und daher bei hinreichender Sicherheit sich durch schöne, leichte Formen auszeichnen. Dasselbe war auch bei der Locomotive von Cail der Fall. Das meiste Verdienst bezüglich dieser Verbesserung gebührt aber Hrn. Krupp, der die Gußstahlfabrication zu einer so bewunderungswürdigen Vollkommenheit gebracht hat, wodurch eine unberechenbare Sicherheit erzielt werden kann. Auch Bessemer verdient alle Anerkennung, indem in seinem Stahl ein Material geliefert wird, welches das Schmiedeeisen noch in vielen Fällen mit Vortheil zu ersetzen geeignet ist. Einen ganz neuen Fortschritt hat die letzte Ausstellung im Weitern in Bezug auf die Sicherheit im Gange der Locomotive zu Tage gefördert. Man verdankt denselben Hrn. Haswell, dem Maschinendirector der österreichischen Staatseifenbahn-Gesellschaft, nach dessen System und Angabe die Schnellzuglocomotive „Duplex,“ welche diesen Fortschritt in sich verwirklicht zeigte, gebaut worden ist.Man sehe über die Schnellzuglocomotive „Duplex“ die Notiz in diesem Journal Bd. CLXIX S. 153; die vollständige Beschreibung und Zeichnung dieser Locomotive enthalten die schon oben angeführten „Mittheilungen über die zur Londoner Ausstellung im Jahr 1862 von der österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft gesendeten Gegenstände. Wien, Zamarski und Dittmarsch.“ Bekanntlich erleidet jede Locomotive in ihrer fortschreitenden Bewegung auf der Bahn Störungen, welche daher rühren, daß sich die Lage des Schwerpunktes der gesammten Masse der Maschine ändert und daß die Momente der bewegten Massen in Bezug auf die durch den Schwerpunkt der ganzen Masse gelegten Achsen sich nicht immer das Gleichgewicht halten. Diese störenden Bewegungen sind: das ruckweise Vorschreiten der Locomotive oder das Zucken; das horizontale Schwanken der Maschine im Geleise um eine verticale Achse oder das Schlinkern; das Schwanken der Maschine um ihre Längenachse oder das Wanken; das Auf- und Abspringen der ganzen auf den Tragfedern aufliegenden Masse oder das Wogen, und endlich das Schwingen der Locomotive um eine horizontale Querachse, das Galoppiren oder Nicken. Zur Vermeidung dieser verschiedenen nachtheiligen Störungen, besonders des gefährlichen Zuckens und Schlinkerns hat man bisher die Treibräder mit ausgleichenden Massen oder Gegengewichten versehen. Allein dadurch hat man, indem man ein Uebel aufhob, ein anderes eingeführt. Denn diese mit Gegengewichten versehenen Treibräder erzeugen bei der Umdrehung eine veränderliche Belastung auf die Schienen und damit auch ein veränderliches Adhäsionsgewicht, dessen Einfluß um so nachteiliger ist, je größer die Umdrehungsgeschwindigkeit, indem die Differenzen der Belastungen oder vielmehr ihrer mechanischen Arbeiten im quadratischen Verhältnisse der Geschwindigkeiten stehen. Bei der Locomotive „Duplex“ werden diese Störungen nun durch die Einführung von zwei completen, im entgegengesetzten Sinne arbeitenden Dampfmaschinen auf jeder Seite derselben beseitigt. Denn dadurch wird in der That der gestellten Bedingung entsprochen, nämlich daß den bewegten Massen der Maschine gleich große Massen entgegengestellt werden, welche genau dieselben Bewegungen, aber in entgegengesetzter Richtung wie die störenden Massen machen. Diese Ausgleichung ist zwar nicht ganz vollständig erreicht, weil aus praktischen Gründen die Cylinder nicht wohl horizontal und parallel senkrecht über einander angeordnet werden konnten, sondern so angebracht werden mußten, daß ihre Achsen einen kleinen Verticalwinkel von 2 1/2° mit einander bilden und in verticalen Ebenen liegen, deren horizontale Entfernung 4 1/2'' beträgt. Bevor diese neue und interessante Locomotive zur Ausstellung nach London geschickt worden ist, wurde sie mit Bezug auf die erwähnten Einflüsse genau geprüft. Die bei diesen Probefahrten erhaltenen Versuchsresultate haben die Theorie, wornach sie gebaut wurde, vollständig bestätigt. Die horizontalen Störungen betrugen im Maximum bloß 1 Linie und die verticalen Störungen nur 3 Linien (österr.), was im Verhältniß dieser Störungen bei einer gewöhnlichen Locomotive sehr unbedeutend ist.Das Nähere siehe in der wiederholt angeführten Schrift: „Mittheilungen etc.“ Die gleiche Verbesserung, wenn auch in etwas anderer Weise ausgeführt, zeigten auch die im Entwurfe vorgelegten beiden Locomotiven der französischen Nordbahn, welche ebenfalls auf vier Dampfmaschinen berechnet sind. Dabei sind diese zugleich so angeordnet, daß je zwei derselben auf der gleichen Seite eine Anzahl Räder unabhängig treiben und sich gleichsam verhalten wie zwei der Länge nach aneinander gefügte Locomotiven, die den Kessel gemeinschaftlich haben.Das Nähere siehe in der oben angeführten Schrift Notice sur les trois types etc. Was endlich die technische Ausführung bezüglich der guten Arbeit unter gut gewählten Constructionsverhältnissen betrifft, so schmeichelten sich die Engländer, die schönsten Locomotiven zur Ausstellung gebracht zu haben. Dem war aber in der That nicht ganz so. Denn wenn auch zugegeben werden muß, daß ihre ausgestellten Locomotiven im Allgemeinen in dieser Beziehung große Vollendung zeigten, so namentlich Nr. 4 von Beyer, Nr. 6 von Sharp, Nr. 8 von Fairbairn etc., so darf doch füglich behauptet werden, daß ihnen die continentalen Locomotiven auch darin keineswegs nachstunden, sondern sie wenigstens theilweise noch überflügelt haben. Unter den englischen Locomotiven ließ in dieser Hinsicht die Maschine Nr. 10 von G. England u. Comp. am meisten zu wünschen übrig. Es war dieß die einzige Maschine, bei welcher die verschiedenen Gestänge (Kolben- und Treibstangen) runde statt der sonst üblichen eben abgeflachten Querschnittsformen hatten. Unter den continentalen dagegen war in dieser Beziehung die Locomotive Nr. 20 aus Italien wohl die schwächste. Indessen ist nicht zu übersehen, daß dieselbe aus einer erst im Entstehen begriffenen Werkstätte hervorgegangen ist, und daher in der Beurtheilung der billigen Nachsicht verdient. Zudem zeigte sie in ihrer Anordnung einige gute neue Gedanken in Ausführung, so die elliptische Querschnittsform des Kessels und die Balancirung des Steuerungshebels durch eine Spiralfeder in einer Messingbüchse, statt der sonst üblichen plumpen Gegengewichte. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zudem die Folgerung, daß die meisten und wichtigsten Verbesserungen von continentalen Werkstätten besonders den deutschen Ich verstehe darunter ganz vorzüglich auch die österreichischen. und französischen, ausgegangen sind, und daß namentlich Oesterreich, beziehungsweise die österreichische Staatseifenbahn-Gesellschaft, seit dem Bau der Semmeringbahn am meisten zu der jetzigen Vervollkommnung des Locomotivenbaues beigetragen hat, was hier nur mit der größten Anerkennung ausgesprochen werden kann. Großes Verdienst um den schnellen Aufschwung des Locomotivenbaues in Deutschland gebührt namentlich auch dem Etablissement von Borsig in Berlin, sowie jenem von Keßler – früher in Carlsruhe – jetzt in Eßlingen, das sich jedoch bei der letzten Ausstellung in London leider nicht betheiligt hatte. Aus den, den ausgestellten Locomotiven angeschriebenen Ordnungszahlen konnte man ersehen, daß die Locomotive von Borsig die Zahl 1361 trägt, was sagen will, daß dieselbe die 1361ste ist, die aus dessen Werkstätte hervorgegangen – eine Zahl, welche nur von dem ältesten Etablissement, nämlich jenem von Stephenson etc. Comp. in Newcastle, um etwas übertroffen werden soll, indem aus demselben gegen die 1400 Stücke hervorgegangen seyn mögen, was aber nicht viel sagen will, wenn man bedenkt, um wie viel früher diese Werkstätte den Locomotivenbau begonnen hat. Die Stephenson'sche Werkstätte datirt nämlich schon aus dem Jahre 1829, in welchem sie bekanntlich mit ihrer Erstlings-Locomotive „Rocket“ den von der Liverpool-Manchester-Eisenbahngesellschaft zur Concurrenz ausgeschriebenen Preis gewann, während Borsig seine Werkstätte für Locomotiven erst 1847 eröffnete und dennoch im Jahre 1858 schon die 1000ste und wie wir gesehen, auf das Jahr 1862 zur Zeit der Eröffnung der Londoner Ausstellung, sogar die 1361ste Locomotive gefertigt hatte. Die Locomotive von Sharp, Steward u. Comp., dieser ebenfalls altern und bedeutenden Firma, trägt die Nr. 1350, und dann folgen erst weit nach die Firma von R. u. W. Hawthorn und die übrigen englischen und französischen Firmen. Die beiden bedeutendsten amerikanischen Etablissements, The Norris Locomotive Works und M. W. Baldwin & Comp's factory, beide in Philadelphia, haben jedes erst die Zahl 1000 erreicht. Und doch haben alle diese Werkstätten den Locomotivenbau lang vor 1847 angefangen. Um so mehr dürfen sich die genannten deutschen Häuser ihres Sieges freuen! – Fassen wir nun auch bei dieser Abtheilung der Locomotiven-Ausstellung die Hauptresultate nochmals kurz zusammen, so stellen sich als solche heraus: 1) Die Thatsache, daß die Locomotiven jetzt nicht nur im Allgemeinen viel vollkommener construirt werden als im J. 1851, sondern daß dieselben jetzt auch ihrer ganzen Construction nach mehr dem speciellen Zwecke gemäß, für welchen sie bestimmt sind, gebaut werden als damals. 2) Die weitere Thatsache, daß das zum Locomotivenbau verwendete Material jetzt viel sorgfältiger ausgewählt wird und eben deßhalb im Allgemeinen auch in viel besserer Qualität zur Verarbeitung kömmt als früher. 3) Die Bestätigung, daß im Allgemeinen nun überall, in England und Frankreich wie schon seit längerer Zeit in Deutschland und Amerika, den außenliegenden Cylindern gegen die innenliegenden der Vorzug gegeben wird. 4) Der Fortschritt in Bezug auf die Steigerung sowohl des totalen als des Adhäsionsgewichtes, namentlich bei den Güterzug- und Gebirgslocomotiven, womit zugleich auch eine Vermehrung ihrer Zugkraft oder vielmehr ihrer Leistungsfähigkeit verbunden ist. 5) Die Erscheinung, daß umgekehrt, zur besseren Schonung der Räder, wie der Schienen, das auf einer Radachse, sey es nun eine Treib- oder Laufradachse, lastende Gewicht mehr reducirt wird. 6) Die Verbesserung am Rahmengestell, namentlich die Einführung des verbesserten beweglichen Vordergestells, wodurch die Locomotive befähigt wird, sich mit Leichtigkeit auch in stark gekrümmten und geneigten Bahnen zu bewegen. 7) Der Fortschritt bezüglich der besseren Balancirung der Locomotive während ihres Ganges, durch Einführung von zwei auf jeder Seite in entgegengesetztem Sinne arbeitenden Dampfmaschinen. 8) Die Einführung verschiedener Verbesserungen, wie der Giffard'schen Dampfstrahlpumpe zum Speisen des Kessels mittelst des Wassers im Tender und der selbstthätigen Speisevorrichtung von Ramsbottom zur Speisung des Kessels während der Fahrt von einem zwischen den Schienen der Bahn angelegten Wasser-Reservoir aus, sowie die Ersetzung des Steuerungshebels durch eine Schraube und der Gegengewichte derselben durch eine Spiralfeder etc. 9) Die Steigerung der Heizfläche und damit auch der Verdampfungsfähigkeit der Locomotive durch Erhöhung und Erweiterung des Kessels im Allgemeinen und der Feuerbüchse im Besonderen. 10) Die Einführung der unmittelbaren Steinkohlenverbrennung statt der früheren Kohksverbrennung und der damit in Verbindung stehenden vervollkommneten Feuerungsanlagen, womit auch bei einzelnen zugleich Einrichtungen zur Rauchverbrennung verbunden werden. b. Die Straßenlocomotiven. Indem ich mich schließlich den Straßenlocomotiven zuwende, habe ich zunächst die Bemerkung vorauszuschicken, daß solche einzig von England ausgestellt waren, daß aber diese englische Ausstellung, welche 11 Stücke in Größe, Form, Construction und Einrichtung sehr verschiedener Straßendampfwagen zählte, gleichwohl hinreichte, um sich über den jetzigen Zustand dieser neuesten Anwendung der Dampfmaschinentechnik einen deutlichen und vollständigen Begriff machen zu können. Die erwähnten 11 Maschinen wurden ausgestellt von folgenden Firmen:   1. A. F. Yarrow in Barnsbury.   2. Carrett, Marshall u. Comp. in Leeds.   3. A. Chaplin u. Comp. in Glasgow.   4. Tuxford u. Sohn in Boston.   5. Bray's Traction Engine Company in London.   6. B. D. Taplin & Comp., Traction Engine Works in Lincoln.   7. J. Taylor u. Comp. in Birkenhead.   8. C. Burrell in Thetfurd.   9. J. Aveling in Rochester. 10. J. Fowler jun. in London. 11. Robey u. Comp. in Lincoln und London. Davon waren die Maschinen Nr. 1 und 2 der beiden ersteren Aussteller vorzüglich zur Beförderung von Personen bestimmt, und tragen dieselben deßhalb auch den Namen Steam carriages (Dampfwagen und Dampffuhrwerk). Sie können etwa 12 Personen aufnehmen und sollen nach den Prospect-Angaben bis 15 engl. Meilen per Zeitstunde zurücklegen. Ihre Construction, besonders bei der von Cowan ausgeführten Yarrow'schen Maschine, machte einen günstigen Eindruck, und dürfte wohl beim Bau neuer Maschinen zur Grundlage genommen werden. Die beiden anderen, Nr. 3 und 4, waren dagegen für Personen- und Güterbeförderung bestimmt, weßhalb diese Art Maschinen in England auch vorzugsweise Road Locomotives oder Straßenlocomotiven genannt werden. Dieselben sind auf mittlere Geschwindigkeiten und mittlere Belastungen berechnet, und unter ihnen zeichnete sich namentlich die Maschine Nr. 4 von Tuxford sowohl durch ihre Construction an und für sich als durch ihre gute Ausführung aus. Die vier folgenden Maschinen, Nr. 5, 6, 7 und 8, waren als eigentliche Frachtlocomotiven zum Transport schwerer Lasten bestimmt und als solche im Stande, je nach ihrer Stärke, von 200 bis 1000 Ctr. zu befördern, jedoch nur bei einer verhältnißmäßig kleinen Geschwindigkeit von nicht über 4 engl. Meilen per Zeitstunde. In England heißen die Maschinen dieser Art Traction Engines oder Zugmaschinen. Unter denselben zeichnete sich die Maschine von Burrell noch ganz besonders dadurch aus, daß sie mit einer „endlosen Bahn“ aus zusammengekuppelten kleinen Schienen-Stücken (aus Holz und Eisen) nach Boydell's Patent, einer sogen. Schleppbahn, versehen ist.Die Beschreibung des Boydell-Burrell'schen Straßen-Dampfwagens siehe in diesem Journal Bd. CLII S. 248. Ist auch diese Construction erst nur als eine ziemlich rohe Lösung der Aufgabe zu betrachten, so ist doch damit ein neuer Weg eröffnet, auf welchem das Problem der schwereren Straßenlocomotiven weiter vervollkommnet werden kann. Dieß wird um so weniger ausbleiben, als die Maschine jetzt schon gute Dienste leisten soll. Die beiden ersten Maschinen dieser Kategorie, Nr. 5 und 6, wurden von Gesellschaften ausgestellt, welche sich auf diesen neuen Industriezweig ganz speciell verlegt haben, was als Beweis gelten kann, welche hohe Bedeutung man in England bereits demselben zuschreibt. Die große Aufmerksamkeit, welche man seit der letzten Ausstellung dem Gegenstande auch anderwärts und ganz besonders in Deutschland zuwendete, beweist indessen am besten, daß man die Wichtigkeit desselben auch da erkannt hat, und sich deßhalb ernstlich bemüht, sich die Vortheile dieses neuen Communicationsmittels anzueignen. Die drei letzten Maschinen endlich, Nr. 9, 10 und 11, waren für landwirtschaftliche Zwecke, zum Betriebe von Dreschmaschinen, Mehl- und Schrotmühlen, Dampfpflügen etc. bestimmt und nur zeitweise als Transportmaschinen gebraucht. Sie versehen daher zugleich die Stelle der sogen. Locomobilen oder transportablen Dampfmaschinen, um die verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen von Farm zu Farm zu schaffen, oder auch um von Werkstatt zu Werkstatt der Kleingewerbe die nur zeitweise gebrauchten Werkzeugmaschinen zu treiben. Die Maschine Nr. 10 von Fowler ist ganz besonders für Dampfpflugcultur,Dieselbe findet sich beschrieben von M. Eyth in diesem Journal Bd. CLXVI S. 84. welche in der neueren Zeit so große Fortschritte gemacht hat, bestimmt, wofür sie, den darüber speciell eingezogenen Erfahrungen zufolge, vortreffliche Dienste leistet. Was die Construction dieser verschiedenen Straßenlocomotiven betrifft, so war dieselbe nach dem Zweck der letzteren sehr verschieden. Neun davon hatten liegende, zwei hatten stehende Cylinder und die meisten hatten zwei Treibräder und zwei lenkbare Laufräder. Eine, die Aveling'sche Maschine, war zur Steuerung vorn noch mit einem besondern fünften Rad versehen; und bei der Tuxford'schen waren die beiden Treibräder durch eine breite Walze ersetzt. Bei dieser befand sich die Feuerstätte vorn, bei den übrigen aber, wie gewöhnlich, hinten. Directe Uebertragung der Kolbenbewegung auf die Treibräder hatten die beiden ersten Maschinen, 1 und 2; bei den übrigen waren dazu meist Räderübersetzungen vermittelst an den Treibrädern befestigter Zahnkränze benützt; bei einer, Nr. 9 von Aveling, waren jedoch Kettenräder angewendet. Fast bei allen hatten die Treibräder zur Schonung der Straßen beträchtliche Kranzbreiten, und die meisten derselben waren zudem zur Vermehrung der Reibung oder Adhäsion, nach welcher sich, wie bei der Eisenbahnlocomotive, die Zugkraft und damit auch die fortschreitende Bewegung jeder Straßenlocomotive zu richten hat, mit vorstehenden Erhöhungen versehen; bei einigen waren am Umfang der Radreife überdieß Löcher angebracht, um zu diesem zuletzt angegebenen Zweck bei besonders ungünstiger Beschaffenheit des Bodens vorragende eiserne Stifte oder Bolzen einstecken zu können. Bei der Zugmaschine Nr. 5 von Bray's Compagnie war hierzu eine besondere mechanische Vorrichtung angebracht. Die Arbeit war an allen mehr oder weniger gut; an Nr. 1 vielleicht etwas zu leicht und an Nr. 2 dagegen etwas zu plump. Nach den gemachten Erfahrungen sind die meisten dieser verschiedenen Straßenlocomotiven fähig, bei guter Beschaffenheit der Straße ziemlich beträchtliche Steigungen, allerdings nur bei entsprechend mäßigen Geschwindigkeiten zu überwinden, während bei schlechter Beschaffenheit der Straße, namentlich bei sandigem, morastigem und löcherigem Terrain das Fortkommen sehr erschwert und selbst zur Unmöglichkeit werden kann. Die Burrell'sche Maschine mit Boydell's Schleppbahn ist in dieser Beziehung natürlich am günstigsten daran, wie auch sie es ist, welche selbstverständlich die Straßen am wenigsten beschädigt. Auch besitzen alle diese Straßenlocomotiven mehr oder weniger die Fähigkeit umgelenkt und umgewendet werden zu können, sofern es anders an dem hierzu benöthigten Raum nicht fehlt. Doch scheint mir, daß sie gerade in dieser Hinsicht, sowie auch in der besseren Balancirung und Ausrüstung mittelst elastischer Federn und Buffer zur Aufnahme und Unschädlichmachung der beim Fahren entstehenden Stöße noch Manches zu wünschen übrig lassen, und daß deßhalb gerade die Verbesserungen, welche dieselben nach den neuesten Berichten aus Deutschland,Siehe die einschlägigen Berichte: von Prof. Rühlmann in Hannover „über die Straßen-Dampfwagen auf der Hamburger internationalen landwirthschaftlichen Ausstellung im J. 1863,“ in den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1863 S. 311 (daraus im polytechn. Journal Bd. CLXX S. 151), und von Dr. Robert Schmidt in Berlin „über Straßenlocomotiven, insbesondere über die von Schwarzkopff construirte derartige Maschine“, im polytechn. Journal Bd. CLXX S. 16. besonders von Schwarzkopff in Berlin durch Anwendung einer zweicylindrigen Maschine mit Coulissensteuerung und Lenkvorrichtung, elastischen Federn und Gummibuffern, erhalten haben, als ein sehr wichtiger Fortschritt zu begrüßen sind. So begegnen wir denn am Schlusse unserer kurzen Betrachtung über die Straßenlocomotiven dem erfreulichen Resultate, wornach es ganz den Anschein hat, daß, wie bei den Eisenbahnlocomotiven, die deutschen Constructeure berufen seyn dürften, auch den von den englischen Mechanikern angefangenen Bau der Straßenlocomotiven weiter auszubilden und zu vervollkommnen! c. Die Locomobilen. Was endlich die übrigen transportablen Dampfmaschinen oder Locomobilen, die beweglichen, aber sich nicht selbst bewegenden Dampfwagen, anbelangt, wovon auf der letzten internationalen Ausstellung in London ein ganzes Heer zu sehen war, so sind sie schon früher in dieser Zeitschrift ausführlich von M. Eyth beschrieben worden,Siehe dessen Abhandlung in diesem Journal, Bd. CLXV S. 1, 81, 161, 241, 321, 401 und Bd. CLXVI S. 1,333. so daß ich hier füglich auf eine weitere Betrachtung derselben verzichten kann, nur bemerkend, daß an dieser Locomobilen-Ausstellung außer England, welches durch 18 der bedeutendsten FirmenZu diesen gehört vor Allem das Haus: Ransomes and Sims , Orwell Works, in Ipswich, welches das erste war, das die Locomobilen auf die Landwirthschaft anwendete; sodann das Haus: Clayton , Shuttleworth and Comp ., Stampend Iron Works, in Lincoln, welches die meisten und vielleicht die besten Locomobilen fertigte. Eine der beiden ausgestellten Locomobilen dieser Fabrik trug die Nummer 4703; sie soll aber schon gegen 5000 Stücke gefertigt haben! Im Weitern sind zu nennen: Tuxford and Sons in Boston und Shirbeck Iron Works; Barrett , Exall and Andrews, Katesgrove Iron Works, in Reading; Garrett and Son, in Suffolk; Robey and Comp ., Perseverance Iron Works, in Lincoln, Hornsby and Son, Spittlegate Iron Works, in Grantham u.s.w. in dieser Maschinenrichtung vertreten war, von denen einzelne derselben zwei und selbst drei Exemplare verschiedenen Systems ausgestellt hatten, auch Frankreich mit 9, Belgien mit 2 und Deutschland mit 1 Stück Antheil nahm, daß aber die englischen Aussteller ihren weiten Vorsprung im Locomobilenbau auch bei diesem Anlasse behaupteten. –––––––––– Damit bin ich am Ende meiner Rundschau über die Dampfmaschinen und ihre Concurrenten auf der letzten internationalen Industrie-Ausstellung in London angelangt, und es bleibt mir nur noch übrig, meine Leser, deren Geduld ich fast über Gebühr in Anspruch genommen habe, um billige Nachsicht zu bitten. Der wichtige und umfassende Gegenstand möge mich bei ihnen entschuldigen!