Titel: Ueber den Einfluß eines Zusatzes von Wolframmetall zur Geschützbronze, zum Gußeisen und zum Stahl; von Caron, Director des chemischen Laboratoriums des Central-Depots der Artillerie zu Paris.
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XV., S. 43
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XV. Ueber den Einfluß eines Zusatzes von Wolframmetall zur Geschützbronze, zum Gußeisen und zum Stahl; von Caron, Director des chemischen Laboratoriums des Central-Depots der Artillerie zu Paris. Auszug seiner Abhandlung in den Annales de Chimie et de Physique, 3e série, t. LXVIII p. 143. Caron, über den Einfluß eines Wolframzusatzes auf Geschützbronze, Gußeisen und Stahl. Das Wolfram (Wolframerz) ist bekanntlich eine Verbindung von Wolframsäure mit Eisen- und Manganozydul, und besteht aus: Eisenoxydul 15,60 bis 13,80 Manganoxydul 16,00 bis 13,00 Wolframsäure 68,40 bis 73,20 Zinn enthält das Mineral nicht. Die einzige in Frankreich im Abbau stehende Wolframgrube gehört Hrn. Dubreuil und liegt zu Puy-les-Vignes bei St. Léonard im Depart. der oberen Vienne. Das von der Gangart (Quarz) geschiedene Erz wird gepulvert und zur Beseitigung von etwa vorhandenem Schwefel und Arsen im Flammofen geröstet. In diesen: Zustande, also vor der Reduction, könnte es zum Preise von 2 Fr. 60 Cent, per Kilogr. in den Handel gebracht werden; allein die Erfahrung hat die Nothwendigkeit gelehrt, es möglichst in metallisches Wolfram zu verwandeln, um dadurch seine Verbindung mit den im größerem Maaßstabe technisch benutzten Metallen zu erleichtern. Zu diesem Zwecke wird das geröstete Erz mit mehr Kohle als zu seiner Reduction erforderlich ist, gemengt, und in besonderen Ofen bis zu einer bedeutend hohen Temperatur so lange erhitzt, daß es sich möglichst vollständig reduciren kann. Das so erhaltene Product, welches unter der Bezeichnung „reducirtes Wolframerz“ zu 3 Fr. 75 Cent, bis 4 Fr. 50 Cent. per Kilogr. verkauft wird, ist ein Gemenge von Wolframmetall, Eisen, Mangan und Kohle, selbstverständlich, wenn die Reduction vollständig stattfand und die reducirten Metalle sich beim Erkalten nicht wieder oxydiren konnten. Capitän Caron, Director des chemischen Laboratoriums des Central-Depots der französischen Artillerie, vom Kriegsminister mit Untersuchungen über den Einfluß, welchen das Wolframmetall auf die Härte und die Widerstandsfähigkeit der Geschützbronze, des Gußeisens und des Stahls haben kann, beauftragt, stellte eine Reihe von Versuchen an, welche folgende Resultate ergaben. Legirungen von Geschützbronze und Wolframmetall. – Die Artillerie hat ein ganz besonderes Interesse daran, eine vermehrte Härte der Geschützbronze ohne gleichzeitige Verminderung der bisher als genügend erachteten Festigkeit, zu erzielen; demnach beschäftigte sich Caron speciell mit einer Legirung der vorschriftsmäßig zusammengesetzten Geschützbronze mit verschiedenen Mengen von reducirtem Wolframerz. Da aus seinen Versuchen hervorgieng, daß das Wolframmetall weder mit dem Kupfer noch mit dem Zinn, noch mit der Bronze eine wirkliche Legirung eingeht, so folgerte er, daß dieses Metall mit der Geschützbronze nur eine Mischung geben kann, welcher es an der erforderlichen Homogenität fehlt und deren Festigkeit wesentlich geringer ist als die von gewöhnlicher Bronze. Wenn diese letztere durch Zusammenschmelzen mit Wolfram allerdings härter wird, so rührt dieß vom Eisen- und Mangangehalte des reducirten Wolframerzes, sowie von der Vertheilung eines härteren Metalles in ihrer Masse her. Immer ist aber diese Vermehrung der Härte nicht so bedeutend, daß es rathsam erschiene, dem Kanonenmetall eine neue Substanz zuzusetzen, deren Anwendung eine radicale Umgestaltung des jetzt üblichen Schmelzverfahrens – Ersatz der Flammöfen durch Tiegelöfen – erfordern würde. Legirungen von Gußeisen und Wolframmetall. – Fünf aus Legirungen einer und derselben Eisensorte mit 1/8 bis 1 Proc. Wolframmetall angefertigte Stäbe wurden Biegungsversuchen unterworfen,Diese Versuche wurden von Tresca im Conservatoìre des arts et métiers zu Paris angestellt. und dabei die Krümmungspfeile bei verschiedenen, von 8 zu 8 Kilogr. vermehrten und bis auf 48 Kilogr. gesteigerten Belastungen gemessen. Es ergab sich aus diesen Versuchen, daß die Festigkeit der Legirungen mit ihrem Wolframgehalte in constantem Verhältnisse zunahm, daß also ein geringer Zusatz von diesem Metalle einen ausfallenden Einfluß auf die Eigenschaften des Eisens ausübt. Das Korn dieses Wolframeisens war gleichmäßig, fein und graulich, und sein Bruch deutete auf große Gleichartigkeit. Es geht aus diesen Versuchen klar hervor, daß es, namentlich in Bezug auf Festigkeit, allerdings vortheilhaft seyn wird, Gußeisen mit verschiedenen, seiner Qualität entsprechend variirenden Mengen Wolframmetall zu legiren; doch deutet Caron an, daß vorerst auf experimentellem Wege festzustellen ist, ob diese Anwendung des Wolframs nicht auf gewisse besondere Fälle zu beschränken seyn würde, für welche ein Eisen von möglichst großer Zähigkeit und Härte erforderlich ist. Legirungen von Stahl und Wolfram. – Schmilzt man Stahl mit Wolframmetall zusammen, dessen Menge in vielen Fällen nicht allein von der gewünschten Qualität der beabsichtigten Legirung, sondern gleichzeitig auch von den Eigenschaften der angewendeten Stahlsorte bedingt wird, so erhält man stets ein Product von größerer Härte, besonders aber von vermehrter Festigkeit. Solcher Stahl zeigt einen eigenthümlichen Bruch von dicht geschlossenem Korne und moiréähnlichem Glanze, an welchem ein einigermaßen geübtes Auge einen Wolframstahl leicht zu erkennen vermag, ohne einer Analyse zu bedürfen. Durch Zusammenschmelzen von gutem Cementstahl mit 5 Procent reducirtem Wolframerz erhielt Caron einen Regulus von solcher Härte, daß Drehstähle und andere zur Bearbeitung von Eisen dienende Werkzeuge auf der rothglühenden Legirung rasch stumpf wurden; dennoch ließ sich die letztere sehr gut schmieden, freilich mit einem weit größeren Kraftaufwands als das Schmieden von gewöhnlichem Stahl beansprucht. Nach dem Ausglühen ließ sie sich leicht feilen, erhielt aber durch das Ablöschen eine außerordentliche Härte, welcher nur die der härtesten Sorten von weißem Roheisen gleichkommt. Versetzt man Stahl mit geringeren Mengen Wolframmetall (1 bis 2 Proc.), so resultirt eine Legirung von denselben Eigenschaften, welche indessen weniger stark hervortreten. Zu beachten ist jedoch, daß man, um mit Stahlsorten von geringerer Qualität dieselben Resultate wie mit besserem Stahl zu erhalten, bei jenen Sorten mehr Wolframmetall zusetzen muh als bei diesen. Auf eine gewisse Stahlsorte übt der Zusatz von Wolframmetall einen ganz eigenthümlichen Einfluß aus; es ist dieß der weiche Gußstahl. Nach Caron's Mittheilung wurde in aus Proben einer derartigen eigenthümlichen weichen Stahlsorte ein Gewehrlauf hergestellt, welcher bei der Schußprobe eine außerordentliche Festigkeit zeigte, z.B. den Schuß mit einer Ladung von 150 Grammen Pulver und 5 Kugeln im Gesammtgewichte von 135 Grm. ohne Beschädigung aushielt, so daß Caron aus der Analogie folgerte, daß jener Stahl Wolfram enthalten müsse. Dieß wurde auch durch die Analyse von Proben zweier Sorten bestätigt; die eine derselben bezeichnet er als weichen Stahl, weil sie sich kaum Härten läßt (aus dieser Sorte war der erwähnte Gewehrlauf angefertigt), die andere als harten Stahl, indem derselbe durch Ablöschen außerordentlich hart wird. In der ersteren Sorte fand er 1,15, in der anderen 1,40 Wolframmetall, in beiden mit Spuren von Mangan. Er schloß daraus, daß, obschon die Menge des Wolframs zu gering erscheinen mag, die untersuchten Proben offenbar aus wolframhaltigen Erzen oder durch directen Zusatz von reducirtem Wolframerz beim Umschmelzen des Stahls dargestellt seyn mußten. Nach diesen analytischen Untersuchungen hielt es Caron für ersprießlich, auch auf synthetischem Wege vorzugehen und die Darstellung eines Stahls vom Ansehen und den Eigenschaften der in Rede stehenden Sorte selbst zu versuchen. Durch verschiedene Proben wurde er zu den folgenden Verhältnissen geführt. Ein Gemenge von 200 Grm. sehr kohlenstoffreichem Cementstahl, 800 Grm. Stabeisen von guter Qualität und 20 Grm. reducirtem Wolframerz, also von dem Gesammtgewichte von 1020 Grm., wurde in einem Thontiegel bei einer sehr hohen Temperatur eingeschmolzen und das geschmolzene Metall in einen gußeisernen, vorgewärmten Inguß gegossen. Die auf diese Weise bei jeder Operation erhaltenen Zaine waren durchaus ganz und blasenfrei, mit Ausnahme des oberen Theils oder Gießkopfes. Sie ließen sich sämmtlich ohne Schwierigkeit schmieden, und, selbst bis zur gehörigen Weißgluth angewärmt, schweißen. Der Bruch des getemperten Metalls war von feinem, glänzendem Korne, zeigte aber keine Sehnen; nach dem Härten dagegen war das Korn seidenartig und moirirt geworden; anstatt unter dem Hammer zu zerbrechen, ließ sich das Metall hin und her bringen; um einen Zain zu zerbrechen, mußte erst ein Einhieb von mehreren Millimetern Tiefe gemacht werden. Kurz, es gelang Caron, einen Stahl von ganz den angestrebten Eigenschaften darzustellen, mit Ausnahme der Härte nach dem Ablöschen, welche bei dem von ihm dargestellten Wolframstahle etwas größer war, was sich seiner Ansicht nach dadurch erklären läßt, daß die Menge des angewendeten Cementstahls gegen die des Eisens noch zu groß oder daß etwas zu viel Wolfram genommen war. Um eine dem oben erwähnten harten Stahle ähnliche Stahlsorte zu erhalten, genügte es, die Menge des Cementstahls im Verhältnisse zu der des Eisens zu vermehren, ohne die des Wolframs zu verändern. In dieser Weise gelang es Caron leicht, allerdings mit Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln, Stahlsorten von bedeutender Härte und Zähigkeit, von sehr feinem, moirirtem Korne nach, und bei sehr frischem Stahle zuweilen auch schon vor dem Ablöschen zu erhalten. Die mit denselben Materialien, aber ohne Zusatz von Wolfram erhaltenen Stahlsorten zeigten sich in jeder Beziehung weit geringer. Kurz zusammengefaßt, ist Caron der Ueberzeugung, daß sich durch einen Zusatz von reducirtem Wolframerz zum Gußstahle eine bedeutende Verbesserung in der Qualität aller Stahlarten, namentlich des weichen Stahles, erzielen lassen muß. Da die zur Erzeugung der in Rede stehenden Sorten erforderliche Menge von Wolframmetall nicht bedeutend ist, und die Anwendung des letzteren Veränderungen in der gewöhnlichen Schmelzmethode nicht bedingt, so wird durch dieselbe der Gestehungspreis des Wolframstahles keineswegs in solchem Grade erhöht, daß der Consument dadurch abgeschreckt werden könnte. Oekonomische Reduction des Wolframerzes – Nachdem Caron nachgewiesen, von welchem Vortheile die Anwendung des Wolframmetalls bei der Stahlfabrication ist, beschäftigte er sich mit der Möglichkeit einer Erniedrigung des Preises vom Wolfram, welchen Hr. Dubreuil, der Besitzer der Grube von St. Léonard, zu hoch notirt. Aus seinen dahin abzielenden Versuchen ergibt sich die Gewißheit, daß die zu einer guten, vollständigen Reduction des Wolframerzes durch Kohle nothwendige und hinreichende Temperatur den Schmelzpunkt des Stahls noch nicht erreicht. Indem er demzufolge annimmt, daß die Reduction des gerösteten Erzes im Gußstahltiegel, und zwar unter denselben Umständen wie die Schmelzung des Gußstahls, stattfindet, berechnet er den Preis des reducirten Wolframerzes, den des gerösteten Erzes, sowie den Abgang durch Sauerstoffverlust und die Reductionskosten, welche sich den Gußstahlschmelzungskosten gleich und mit Einschluß aller Nebenkosten auf höchstens 20 Cent, per Kilogr. stellen werden, mit einbegriffen. Die zum Schmelzen des Gußstahls bei Steinkohlenfeuerung dienenden Tiegel haben etwa 60 Centim. Höhe bei einem mittleren Durchmesser von 12 Centim., somit einen Rauminhalt von 6 bis 7 Litern, welcher für den vorliegenden Zweck ohne den geringsten Nachtheil leicht auf 10 Liter vermehrt werden könnte. Diese Tiegel fassen 20 Kilogr. Stahl, dessen Schmelzung, zu 20 Cent. per Kilogr. gerechnet, per Tiegel auf 4 Frcs. zu stehen kommt. Wird nun der Stahl durch ein in den passenden Verhältnissen zusammengesetztes Gemenge von geröstetem Wolframerz und Kohle ersetzt, so fragt es sich, wie viel von diesem Gemenge der Tiegel enthalten kann, damit dasselbe unter denselben Verhältnissen erhitzt wird wie der zu schmelzende Stahl? Nach Caron's eigenen Versuchen und den Mittheilungen des Hrn. Dubreuil scheint das Verhältniß von 25 Proc. pulverisirter Holzkohle zur Reduction des Erzes am passendsten, – der Theorie nach wären nur 16 Proc. dazu erforderlich. 1 Liter gerösteten Wolframerzes, mit 25 Proc. Holzkohle gemengt, wiegt etwa 1 Kilogr. 660 Grm, und enthält 1300 Grm. Wolframmetall. Bei einem Rauminhalte des Tiegels von 10 Litern kann derselbe also 16 Kil. 600 Grm. aufnehmen, deren Reduction demnach 4 Fr., ebensoviel wie die Schmelzung von 20 Kilogr. Stahl, kostet. Nun enthalten aber 16 Kilogr. 600 Grm. der zu reducirenden Beschickung nur etwa 13 Kil. 300 Grm. gerösteten Wolframerzes, welche selbst nur 10 Kil. 500 Grm. Wolframmetall enthalten, indem 21 Proc. ihres Gewichtes an Sauerstoff verloren gehen. Der Betrag von 4 Fr. für Erhitzen des Tiegels und an verschiedenen Nebenkosten gilt demnach für 10 Kil. 500 Grm. reducirten Wolframerzes, so daß also die Reductionskosten per Kil. 38 Cent., in runder Summe 40 Cent. betragen. Wir wollen nun den Preis der 1 Kil. Wolframmetall enthaltenden Gewichtsmenge reducirten Wolframerzes berechnen. 1 Kil. geröstetes Wolframerz enthält 79 Gewichtsproc. Wolframmetall, folglich sind 1 Kil. 270 Grm. dieses Erzes erforderlich, um 1 Kil. Wolframmetall zu erhalten. Nun kommt, wie bereits bemerkt, 1 Kil. geröstetes Wolframerz auf 2 Fr. 60 Cent., folglich 1 Kil. 270 Grm. auf 3 Fr. 30 Cent. zu stehen; dieses sind demnach die Kosten von 1 Kil. Wolframmetall. Addiren wir nun zu diesem Betrage die Reductionskosten mit 40 Cent., so erhalten wir für den Gestehungspreis des Wolframmetalles die Summe von 3 Fr. 70 Cent. per Kilogramm. Caron betrachtet diesen Betrag als das Maximum, und ist der Ansicht, daß bei Anwendung ähnlicher Apparate und Methoden, wie sie zur Cementirung des Eisens üblich sind, diese Kosten sich noch weit niedriger stellen und per 100 Kilgr. nicht viel über 5 Fr. betragen würden. Schließlich bemerkt Caron, daß ihm das reducirte Wolframerz von Dubreuil nicht scharf genug erhitzt zu seyn scheint, da es ein Gemenge von Wolframmetall und Kohle darstellt. Bei einer höheren Temperatur verbindet sich die Kohle vollständig mit dem Metall und gibt ein dichteres, weit weniger leicht oxydirbares Product. Diese letztgedachte Eigenschaft ist von großer Wichtigkeit, denn da sich bei der Darstellung von Wolframstahl ein bedeutender Antheil Wolframmetall vor der Schmelzung oxydirt und in die Schlacke geht, so bleibt dieser Antheil wirkungslos. Diese Thatsache wird durch die Analysen bestätigt; in den Stahlsorten, von denen hier die Rede war, fand sich immer verhältnißmäßig nur sehr wenig von dem zugesetzten Wolfram und Mangan wieder vor. Nach dem Vorstehenden glaubt Caron, abgesehen von der Anwendung des Wolframs zu Bronze, welche ihm nicht räthlich erscheint, und ohne sich über den Nutzen eines Zusatzes von Wolfram zum Gußeisen, behufs dessen Verbesserung, bestimmt aussprechen zu wollen, die Anwendungen dieses Metalls der Industrie mit aller Sicherheit empfehlen zu können, um dem Stahle Eigenschaften zu verleihen, welche die Consumenten ohne allen Zweifel hochschätzen werden. Bei Beobachtung der gegebenen Vorschriften und Befolgung des beschriebenen Verfahrens wird (in Frankreich) der Preis des Stahls, wenn man das reducirte Wolframerz mit 3 Fr. 70 Cent. per Kilogr. berechnet, um ein Maximum von 7 bis 8 Fr. per 100 Kil. sich erhöhen, eine Preiserhöhung, welche der trefflichen Qualität des Productes gegenüber kaum in Anschlag zu bringen seyn dürfte.