Titel: Entlasteter Dampfschieber, von A. Leclercq in Lille.
Fundstelle: Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XX., S. 89
Download: XML
XX. Entlasteter Dampfschieber, von A. Leclercq in Lille. Aus Armengaud's Génie industriel, Mai 1864, S. 269. Mit Abbildungen auf Tab. II. Leclercq's entlasteter Dampfschieber. Die Entlastung der Vertheilungsschieber, d.h. die theilweise oder vollständige Beseitigung des Dampfdruckes, welcher einseitig auf die Schieber stattfindet und ihre Bewegung erschwert, hat schon seit langer Zeit die Constructeure von Dampfmaschinen beschäftigt. Es ist dieß in der That ein wichtiger Punkt; denn wenn eine Dampfmaschine von nur einigermaßen beträchtlicher Stärke mit großer Geschwindigkeit geht, so ist die allein von der Schieberbewegung absorbirte Kraft sehr beträchtlich und kann mehrere Pferdestärken betragen. Es existirt schon eine große Anzahl von Anordnungen, welche die Vermeidung dieses Uebelstandes zum Zwecke haben; diejenige aber, welche wir nun beschreiben wollen, ist so auffallend einfach, und scheint die Bedingung der vollkommenen Entlastung der Dampfschieber so vollständig zu erfüllen, daß wir nicht umhin können, die Aufmerksamkeit der ConstructeureCunstructeure auf dieselbe zu lenken. Wir verdanken den neu erfundenen Gleichgewichtsschieber dem Ingenieur Leclercq zu Lille. Er unterscheidet sich von anderen Schiebervorrichtungen vorzüglich dadurch, daß der Dampf in's Innere des Schiebers selbst eintritt, so daß dieser, ohne durch einen Vertheilungs- oder Dampfkasten bedeckt zu seyn, frei auf der Schieberbahn geht. Da nun der Dampf- oder Vertheilungskasten vollständig wegfällt, so ist klar, daß der Schieber sehr leicht nachzusehen ist und daß man an demselben diejenigen Beobachtungen machen kann, welche nöthig sind, um sich die volle Ueberzeugung von seinem richtigen Gange zu verschaffen. Der Druck des Dampfes, welcher, wie oben erwähnt, in's Innere des Schiebers eintritt, hält sich vollständig das Gleichgewicht (?) und der einseitige Druck, mit welchem sonst der Schieber gegen die Schieberbahn gepreßt wurde, hat vollständig aufgehört; folglich ist die Reibung des Schiebers auf der Schieberbahn aufgehoben und der Gang auf letzterer ein weit vollkommenerer mit fast keiner Abnutzung. Das Schmieren des Schiebers kann bei der neuen Anordnung auch viel leichter geschehen und Undichtheiten, welche sich bilden, werden augenblicklich bemerkt. Durch Betrachtung der Fig. 57 wird man sich leicht eine Vorstellung von der einfachen und äußerst wirksamen Anordnung des neuen Schiebers machen können. Fig. 5 ist eine äußere Ansicht des Schiebers auf seiner Bahn, Fig. 6 ein horizontaler Durchschnitt nach der Linie 1–2 und Fig. 7 ein verticaler Durchschnitt nach der Linie 3–4. Wie schon oben erwähnt wurde, bildet der eigentliche Schieber K, welcher in gewöhnlicher Weise auf der mit dem Dampfcylinder verbundenen Schieberbahn T sich bewegt, selbst die Vertheilungsbüchse, indem er beständig mit Dampf gefüllt ist, der durch die Röhre E zugeführt wird. Die Vertheilung des Dampfes geschieht durch die Oeffnungen c und d, welche abwechslungsweise über die Dampfcanäle a und b zu liegen kommen, während die Ausbauchung des Schiebers die Verbindung mit dem Austrittscanal f herstellt. Bei der hin- und hergehenden Bewegung des Schiebers bildet nicht nur die Röhre E und die Schieberstange I eine Führung für denselben, sondern er ist auch noch durch die folgende Anordnung, welche bei stattgefundener Abnutzung ein Nachstellen gestattet, geleitet. An die Schieberbahn T ist seitwärts eine Leiste t, Fig. 7, angegossen, welche schwalbenschwanzförmig abgeschrägt ist. Auf dieser ruht der untere Rand k des Schiebers, der dieselbe Form hat, auf. Der obere Schieberrand, welcher mit der Schieberbahn in Berührung ist, hat ebenfalls eine Abschrägung und ist durch die gleich geformte Leiste H gehalten, deren Lage sich durch die Stellschrauben v reguliren läßt und die man nach geschehener Einstellung durch die Schrauben v' festhält. Auf diese Weise kann man den Spielraum zwischen dem Schieber und seiner Führung beseitigen. Da dieser Schieber offen zu Tage liegt, kann man ihn leicht untersuchen, und, wie schon oben angedeutet wurde, alle Beobachtungen über seinen richtigen Gang an ihm anstellen, wenn man sich die Oeffnungen der Dampfcanäle des Cylinders auf der Leiste t anzeichnet und die des Schiebers auf seinem Rande k. Man würde dann im Falle eines unrichtigen Ganges der Maschine sehen, ob der Stoß oder die Erschütterung beim Eintreten der Expansion, oder beim Austritte des Dampfes, oder bei der Compression oder beim Umwenden stattfindet, und könnte dann in Folge dieser Beobachtungen nach sicheren Daten und ohne vieles Probiren die Correction genau vornehmen. Leclercq hat in neuester Zeit noch einige Abänderungen an den Details seiner Schieberconstruction vorgenommen und statt der abgeschrägten Führungsleisten, von denen die eine verstellbar war, nur zwei einfache, rechtwinkelich vorstehende Leisten an die Schieberbahn angegossen, welche genau nach der Breite des Schiebers ausgehobelt wurden. Auf diese Leisten wurden, um den Schieber mit seiner Bahn gehörig in Berührung zu erhalten, kleine Metallschienen mit Stellschrauben befestigt, um durch dieselben den Druck des Schiebers gegen seine Bahn nach Bedürfniß reguliren zu können. Zusatz. Leclercq's Dampfschieber ist nicht vollständig entlastet, er ist vielmehr (man möge diesen Ausdruck gestatten) überentlastet. Der Dampf drückt ihn nämlich nicht an die Schieberbahn an, sondern von derselben weg, denn es findet an den Stellen wo die Schieberöffnungen sich befinden, Dampfdruck auf die Schieberbahn statt, und diesen Oeffnungen gegenüber auf die Rückwand des Schiebers der gleiche Dampfdruck. Da nun dieser Druck und Gegendruck zwei getrennte Körper treffen, so ist klar, daß sie sich nicht ausgleichen, sondern der Schieber durch den Dampfdruck von der Schieberbahn abgehoben wird. Um diesem Abheben vorzubeugen, wandte Leclercq die schwalbenschwanzförmige Schieberführung an, und begieng dabei einen mechanischen Verstoß, den derselbe jedoch, wie der Schlußsatz des vorstehenden Artikels nachweist, später verbessert hat und welcher darin besteht, daß der Schieber in Folge seiner schrägen Flächen als Keil zwischen den abgeschrägten Führungsleisten wirkt, so daß der Dampfdruck vergrößert auf dieselben übertragen wird. Daß hierdurch aber viel mehr Reibung und Abnutzung entsteht, als in den: Falle, wo auf die Leisten der unveränderte Dampfdruck übertragen wird, wie dieß nach der zuletzt vom Erfinder vorgenommenen Abänderung der Führungsbahn der Fall ist, läßt sich leicht einsehen. Aber auch in anderer Beziehung ist der Schieber von Leclercq nicht entlastet. Der Dampf drückt nämlich der Einströmungsröhre E gegenüber auf eine Kreisfläche von derselben Größe wie der Querschnitt dieser Röhre, und drängt den Schieber beständig von der Röhre weg, so daß, wenn derselbe von links nach rechts gehen soll, der volle Dampfdruck auf die Kreisfläche überwunden werden muß. Diesen beiden Fehlern läßt sich jedoch auf sehr einfache Weise abhelfen, so daß der Schieber vollkommen entlastet ist, und unter jedem beliebigen Dampfdruck ebenso leicht geht als ohne Dampfdruck. Versieht man nämlich die Einströmungsröhre E mit einer Zweigröhre, deren Mündung sich an die äußere Rückseite des Schiebers K anlegt, und gibt man dieser Mündung einen Querschnitt gleich der Summe der beiden Schieberöffnungen, so ist auch derjenige Dampfdruck im Gleichgewicht gehalten, welcher den Schieber von seiner Bahn abheben will. Die Mündung der Zweigröhre müßte natürlich durch Schrauben mit der Schieberbahn verbunden seyn, so daß auch hier Druck und Gegendruck auf ein und denselben Körper treffen. Dieselben Schrauben könnten leicht auch zum Reguliren des Druckes benutzt werden, welchen man der Dampfdichtheit wegen mit der Röhrenmündung auf die Rückseite des Schiebers und die Schieberbahn ausüben will. Die Zweigröhre selbst würde nur einen sehr geringen Durchmesser erfordern und könnte der Beweglichkeit der Mündung wegen ebenso durch eine Stopfbüchse geführt werden, wie die Röhre E. Der zweite Fehler, der darin besteht, daß der Schieber sich in einer Richtung von selbst bewegt, in der anderen dagegen nur mit großer Kraftanstrengung bewegt werden kann, ist dadurch vollkommen beseitigt, daß man der Einströmungsröhre E gegenüber eine ganz gleiche anbringt. Statt dieser könnte auch die Röhre E so weit verlängert seyn, daß sie noch durch die entgegengesetzte Schieberwand hindurchgeht, an ihrem Ende verschlossen und mitten im Schieber mit Oeffnungen zum Austritte des Dampfes versehen würde. Ein mit der Schieberbahn fest verbundener, also fest stehender Cylinder, welcher denselben Durchmesser wie die Röhre E hat und durch eine Stopfbüchse in den Schieber hineinreicht, würde den gleichen Dienst thun. C. Walther.

Tafeln

Tafel Tab.
                                    II
Tab. II