Titel: Untersuchung des Steinkohlentheeres der Wiener Neustädter Gasanstalt; von Dr. Georg Thenius, technischer Chemiker aus Dresden.
Autor: Georg Thenius [GND]
Fundstelle: Band 174, Jahrgang 1864, Nr. XXXIX., S. 132
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XXXIX. Untersuchung des Steinkohlentheeres der Wiener Neustädter Gasanstalt; von Dr. Georg Thenius, technischer Chemiker aus Dresden. Thenius, über den Steinkohlentheer der Wiener Neustädter Gasanstalt. Die in der Gasanstalt zu Wiener Neustadt zur Gaserzeugung verwendete Steinkohle von der „Anton Glücksgrube“ in preußisch Schlesien ist ihrer äußeren Structur nach als Schieferkohle zu betrachten. Sie hat eine matt schwarzgraue Farbe und ist leicht zerreiblich, hie und da ist Schwefelkies eingesprengt. Beim Erhitzen der gepulverten Kohle in einem Porzellantiegel sintert dieselbe zu Kohks zusammen, unter Entweichung von ziemlich viel Gasen, die mit gelbrother Flamme brennen. 100 Theile der bei 100° C. getrockneten Kohle gaben bei der Verkohkung: Kohks 68 Theile Gase 32     „ 100 Theile der bei 100° C. getrockneten Kohle gaben bei der trockenen Destillation: Theer 6,5 Ammoniakwasser 10,3 Kohks 68,2 Gase 15,0 ––––– 100,0 Die quantitative Ausbeute an Theer aus dieser Kohle beträgt in der Gasanstalt circa 5 Procent; derselbe ist ziemlich dünnflüssig, von schwarzer Farbe und nicht zu starkem Geruch. Sein specifisches Gewicht beträgt 1,160. 100 Theile Theer gaben bei der trockenen Destillation: Leichtes Oel     5 Proc. vom specif. Gewicht 0,909 schweres Oel   10    „ 0,959 Schmieröl     5    „ 1,000 weiches Pech   74    „ Wasser und Verlust     6    „ –––––––– 100 Theile. 100 Theile des rohen leichten Oeles von 0,909 spec. Gewicht gaben bei der Rectification: Benzin   20 Proc. vom specif. Gewicht 0,850 schweres Oel   45    „ 0,925 Schmieröl   25    „ 0,980 Wasser und Verlust   10    „ –––––––– 100 Proc. 100 Theile des rohen schweren Oeles von 0,959 spec. Gew. gaben bei der Rectification: Leichtes Oel   10 Proc. vom specif. Gewicht 0,910 schweres Oel   50    „ 0,950 Schmieröl   25    „ 1,000 Naphtalin     5    „ Destillationsverlust   10    „ –––––––– 100 Proc. 100 Theile des weichen Peches gaben bei der trockenen Destillation:   20 Proc. Oel vom specif. Gewicht 1,044   25    „ Oel    „ 1,075   40    „ hartes Pech   15    „ Destillationsverlust. –––––––– 100 Proc. Bei der Destillation des Steinkohlentheeres entwickeln sich außerordentlich viel Naphtalindämpfe, wodurch sich die Abgangsröhren vollständig verstopfen und die größte Vorsicht bei der Destillation nothwendig ist. Um einer Verstopfung der Röhren vorzubeugen, läßt man das Kühlwasser von dem Condensationsapparat ab, nachdem das leichte Oel bereits übergegangen ist, damit sich die Kupferröhren erwärmen und die Naphtalindämpfe nicht fest werden. Außer Naphtalin tritt etwas später bei der Destillation Paranaphtalin auf, welches sich durch seine mehr körnige Beschaffenheit und schwere Schmelzbarkeit auszeichnet. Das schwere Steinkohlenöl von 0,950 spec. Gewicht scheidet bei der Behandlung mit Aetznatronlauge von 20° Baumé, wodurch demselben das Kreosot entzogen wird, krystallinisches Naphtalin aus, während in dem übrigbleibenden schweren Oel ziemlich viel Anilin enthalten ist. Außer Anilin fand ich auch die Basen der Picolinreihe, wie Pyridin, Picolin, Coridin, Rubidin und Viridin, welche ich bereits früher im Steinkohlentheer nachgewiesen habe. Die bei der Destillation des weichen Peches erhaltenen Oele färben sich in Berührung mit Aetzalkalien, wie Aetznatron, Aetzkali und Kalk rosen- bis kirschroth; diese rothe, von dem Oele abfiltrirte Flüssigkeit läßt bei Zusatz von verdünnten Säuren eine harzartige Materie fallen, welche in Alkohol etwas löslich ist. Ich halte dieselbe aus verschiedenen Gründen aber nicht für die Rosolsäure und werde in einer späteren Abhandlung darauf zurückkommen. Was die Reinigung des erhaltenen rohen Naphtalins betrifft, so habe ich folgende Reinigungsmethode am vorzüglichsten gefunden: Das rohe Naphtalin wird in der Wärme mit Aetznatronlauge von 15° Baumé behandelt und die Flüssigkeit erkalten gelassen. Die Decke von erkaltetem Naphtalin wird von der braunen Lauge abgehoben, nochmals mit Wasser ausgekocht und wiederum erkalten gelassen; hierauf wird das Naphtalin zwischen Fließpapier stark gepreßt und die gepreßte Masse in einer Glasretorte über Spiritus sublimirt. Das Naphtalin geht hierbei noch etwas gelbgefärbt über. Dieses gelbe Naphtalin wird wiederholt in Weingeist von 80° Tralles unter Ausscheidung des schwerer löslichen Paranaphtalins gelöst und krystallisirt aus der Lösung rein weiß aus. Man läßt den Alkohol ablaufen und preßt das weiße Naphtalin noch zwischen weißem Filtrirpapier aus. Der gelbgefärbte Weingeist kann stets durch Destillation gereinigt und wieder zu dem gleichen Zwecke verwendet werden.