Titel: Ueber die käufliche arsenhaltige Salzsäure; von Aug. Houzeau.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XXXVIII., S. 123
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XXXVIII. Ueber die käufliche arsenhaltige Salzsäure; von Aug. Houzeau. Aus den Comptes rendus, t. LIX p. 1025, December 1864. Houzeau, über die käufliche arsenhaltige Salzsäure. Seit der Anwendung der Schwefelkiese zur Schwefelsäurefabrication ist der Arsengehalt dieser Säure bekanntlich sehr gestiegen und in Folge dieses Umstandes vermehrte sich auch der Arsengehalt der mit Vitriolöl dargestellten chemisch-technischen Producte. Es gilt dieß namentlich für die Salzsäure. Die sehr geringe Anzahl der bisher unternommenen Bestimmungen des Arsengehaltes der Salzsäure, die große Meinungsverschiedenheit der ausgezeichnetsten Chemiker bezüglich des Zustandes, in welchem das Arsen in dieser Säure vorhanden ist, sowie die Wirkungslosigkeit oder die Umständlichkeit des einzigen bekannten Verfahrens zur Reinigung derselben: – alle diese Umstände ermunterten zu einer wiederholten, genauen Prüfung der Frage. Ich unterzog mich dieser Arbeit, und theile im Nachstehenden die Resultate meiner im Laboratorium der Ecole des Sciences zu Rouen ausgeführten Untersuchungen in gedrängtem Auszuge mit. Die von mir über den Gegenstand ausgearbeitete Abhandlung zerfällt in drei Theile: 1) Bestimmung des Arsengehaltes der käuflichen Chlorwasserstoffsäure; 2) Nachweisung der Form, in welcher das Arsen in derselben auftritt; 3) Auffindung eines neuen, einfachen und rasch zum Ziele führenden Verfahrens zum Reinigen dieser Chlorwasserstoffsäure. I. Bestimmung des Arsengehaltes der Chlorwasserstoffsäure. Aus meinen Untersuchungen geht hervor, daß die mir übersendeten Proben von käuflicher arsenhaltiger Chlorwasserstoffsäure durchschnittlich per Kilogramm 0,1 Grm. Arsenchlorür enthalten. Frühere Analysen hatten zu folgenden Resultaten geführt: Chlorwasserstoffssäure untersucht von Dupasquier 1841 enthielt   1,830 Grm. Arsenchlorür per Kilgrm. Filhol u. Lacassin 1863  2,194 Grm. Arsenchlorür per Kilgrm. andere Säure untersucht von Filhol u. Lacassin 1863  4,057 Grm. Arsenchlorür per Kilgrm. andere Säure untersucht von Filhol u. Lacassin 1863  9,304 Grm. Arsenchlorür per Kilgrm. Wenn wir nur das Resultat meiner eigenen Untersuchungen berücksichtigen, so sehen wir, daß bei der von Payen auf etwa 70 Millionen Kilgrm. veranschlagten Jahresproduction Frankreichs an dieser Säure, seitdem der sicilische Schwefel durch Kiese ersetzt worden, die bedeutende Masse von 7000 Kilgrm. Arsenchlorür, in Form verschiedener Producte und Präparate, in Apotheken, chemische Laboratorien, Färbereien und Kattundruckereien, in Destilliranstalten und selbst in die Landwirthschaft verschleppt wird. Demnach ist wohl zu begreifen, von wie hohem Interesse Untersuchungen über die Reinigung der Salzsäure seyn mußten, mittelst deren gleichzeitig ein sehr gefährliches Gift entfernt und der Industrie ein Körper, das Arsen, zugänglich gemacht werden kann, welcher jetzt unbenutzt verloren geht, während eine der Verbindungen desselben, die Arsensäure, zur Zeit für die Darstellung gewisser Theerfarbstoffe sehr gesucht ist. II. Zustand in welchem das Arsen in der käuflichen Chlorwasserstoffsäure enthalten ist. Von gleicher Bedeutung war es, nachzuweisen, ob das Arsen in der käuflichen Salzsäure bei gewöhnlicher Temperatur als Arsenigsäure oder als Arsenchlorür enthalten ist, nachdem bezüglich der heißen Säure Dupasquier's Untersuchungen die Frage entschieden hatten. Diesem Zwecke entsprechend dampfte ich sowohl concentrirte, als schwache arsenhaltige Chlorwasserstoffsäure in einem durch Stücke von geschmolzenem Aetznatron bei 15° C. trocken erhaltenen Vacuum zur Trockne ab. Der feste Rückstand gab bei der Untersuchung mit dem Marsh'schen Apparate, sowie mit Schwefelwasserstoff, niemals auch nur Spuren von Arsen. Als ich in einem bestimmten Volum arsenfreier Chlorwasserstoffsäure eine bestimmte Gewichtsmenge von Arsenigsäure auflöste, war ich gleichfalls nicht im Stande, im Rückstande von der Verdampfung dieser Auflösung im trockenen Vacuum, das Arsen nachzuweisen. Demnach hatte sich das Arsen als Chlorür verflüchtigt. Beispiel: Gewicht der leeren Schale 16,583 Grm. Gewicht der angewendeten Arsenigsäure   0,050 Grm. Zugesetzte rauchende Salzsäure 7 K. C. –––––––––– Gewicht der Schale und des festen Rückstandes     nach dem Abdampfen 16,585 Grm. Davon ab das Gewicht der Schale 16,583 Grm. –––––––––– Gewicht des festen, arsenfreien Rückstandes   0,002 Grm. Arbeitet man mit verdünnter Säure, so erhält man dasselbe Resultat. Allem Anschein nach beweisen diese Thatsachen (die übrigens dadurch, daß die Arsenigsäure in Chlorwasserstoffsäure leichter löslich ist als in Wasser, auch indirect bestätigt werden), daß die Arsenigsäure bei ihrer Berührung mit der Chlorwasserstoffsäure in Chlorür umgewandelt wird. Demnach scheint das Ursen in den mittelst arsenhaltigen Vitriolöls dargestellten Sorten von käuflicher Salzsäure als Arsenchlorür, AsCl³, vorhanden zu seyn. Es kam ferner darauf an, ein rasch ausführbares und zuverlässiges Verfahren zu ermitteln, durch welches sich die Chlorwasserstoffsäure von ihrem Gehalte an Arsenchlorür befreien läßt. Dieser Zweck wird dadurch erreicht, daß man das letztere durch Chlor oder einen anderen Körper, z.B. chlorsaures Kali, welcher beim Contacte mit ihm Chlorwasserstoff zu bilden im Stande ist, in Arsensäure verwandelt, entsprechend der Gleichung: Textabbildung Bd. 176, S. 125 Arsenchlorür; Arsenigsäure Um eine spätere Umsetzung der gebildeten Arsenigsäure durch die kochende Chlorwasserstoffsäure zu verhüten, muß die Destillation der letztern stets in Gegenwart eines Chlorüberschusses stattfinden. III. Reinigung der arsenhaltigen Chlorwasserstoffsäure. Darstellung von schwacher Säure. – Man braucht nur die käufliche arsenhaltige Salzsäure in einem Kolben mit flachem Boden so lange zu kochen, bis sie auf zwei Drittel ihres ursprünglichen Volums verdampft ist. Fängt man das entweichende Chlorwasserstoffgas nicht auf, so geht der ganze Arsengehalt mit ihm als Arsenchlorür fort und die im Kolben zurückbleibende Flüssigkeit enthält kein Arsen mehr. 3 Liter käuflicher Säure, auf diese Weise behandelt, gaben in nicht ganz drei Stunden 2 Liter schwache, aber arsenfreie Salzsäure. Darstellung der rauchenden Säure. – Der zu diesem Zwecke dienende Apparat besteht aus einem Kolben mit flachem Boden, von 6 Liter Rauminhalt, der zunächst mit 3 Liter arsenhaltiger käuflicher Säure und 0,3 Grm. (0,1 Grm. per Liter) feingeriebenem chlorsaurem Kali beschickt, und dann mit einem zweifach durchbohrten, guten Korkstopfen wohl verschlossen wird. Durch die eine Oeffnung desselben geht ein gerades, starkes Sicherheitsrohr, durch die andere ein 0,5 Meter langes Rohr von stärkerem Durchmesser (wie die zur organischen Analyse dienenden Röhren), welches gewissermaßen den Dienst eines verticalen Vorstoßes versieht. Letzteres Rohr ist an seinem unteren Ende ganz schwach verjüngt und wird mit sehr stark zusammengepreßten Schnitzeln oder Drehspänen von metallischem Kupfer (etwa 100 Grm.) bis auf 7 Centim. unterhalb seiner oberen Oeffnung gefüllt, während der noch bleibende leere Raum mit Amianth oder grobem Glaspulver vollständig ausgefüllt wird. Der größere Theil dieses Rohres reicht in den Hals des Kolbens hinab, so daß der Wirkung der Wärme des Chlorwasserstoffdampfes eine große Oberfläche dargeboten wird. Beim Durchgange durch das Kupfer gibt der Dampf sein Chlor ab und tritt in reinem Zustande in das zu seiner Absorption bestimmte Wasser. Zu diesem Behufe ist der Vorstoß an seinem oberen Ende mit einem Ableitungsrohre versehen, durch welches das Gas in die Vorlage geleitet wird. Der hier stattfindende Vorgang ist leicht einzusehen. Durch das Erhitzen der Säure bis zum Kochen wird die Umsetzung des Arsenchlorürs zu nicht flüchtiger Arsenigsäure vermittelt, indem das chlorsaure Kali zersetzt wird; das überschüssige Chlor wird vom feuchten Chlorwasserstoffgase mit in die Kupfersäule hinaufgerissen und hier vom Metall absorbirt. Das entstandene Kupferchlorür fällt in den Kolben in tropfbar flüssiger Form zurück, wogegen die gasförmige Chlorwasserstoffsäure sich in dem vorgeschlagenen destillirten Wasser condensirt. Da es aber, wie wir bereits sahen, durchaus nothwendig ist, daß in der kochenden Säure stets ein geringer Ueberschuß an Chlor enthalten sey, um die Wiederverwandlung der Arsenigsäure in Arsenchlorür zu verhindern, so läßt man durch das Sicherheitsrohr, welches nur 3 bis 5 Centimet. tief in die Flüssigkeit hineinragen darf, beständig Chlorwasserstoffsäure, die mit zehnmal so viel chlorsaurem Kali versetzt ist, als die ursprünglich zur Destillation bestimmte Salzsäure enthält, nachfließen, so daß stets ein geringer Ueberschuß an Chlor vorhanden ist und gleichzeitig der Destillirapparat mit neuen Mengen der zu reinigenden Säure gespeist wird. Im Allgemeinen muß die Quantität der nachfließenden Säure größer, als die der Destillation zuerst unterworfene seyn, widrigenfalls es an der nöthigen Chlormenge fehlen würde. Bei guter Leitung des Processes erhält man eine vollkommen chlor- und arsenfreie Säure. Wird der Apparat in einer den Angaben meiner Abhandlung entsprechenden Weise modificirt, so läßt sich die intermittirende Darstellung von reiner Chlorwasserstoffsäure in eine continuirliche, ohne merklichen Säureverlust umwandeln und der Apparat kann dann auch in der Industrie zur Darstellung arsenfreier Säure im Großen angewendet werden.Hr. Dr. H. Schwarz bemerkt im Breslauer Gewerbeblatt (1865, Nr. 7): „Uns scheint die einfachste Methode zur Darstellung arsenfreier Salzsäure darin zu bestehen, daß man die Schwefelsäure selbst vorher von Arsenik befreit. Dieß geschieht am Einfachsten, indem man dieselbe mit beiläufig 1 Procent Kochsalz und 1/4 Proc. Kohlenstaub längere Zeit in einem offenen Gefäße unter einem gut ziehenden Schornstein erhitzt. Der Kohlenstaub gibt schweflige Säure, welche die etwa vorhandene Arsensäure reducirt, die sich dann mit der aus dem Kochsalz entwickelten Salzsäure als Chlorarsen verflüchtigt. Gleichzeitig werden die vorhandenen Spuren von Salpetersäure ausgetrieben. Man muß so lange erhitzen, bis die Kohle verschwunden ist, damit die Salzsäure nicht durch schweflige Säure verunreinigt wird.“ A. d. Red.