Titel: Rodman'scher Guß des aus der Fort-Pitt-Gießerei zu Pittsburgh hervorgegangenen Geschützes von zwanzig Zoll Seelendurchmesser.
Autor: Henry Darapsky
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXXV., S. 281
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LXXXV. Rodman'scher Guß des aus der Fort-Pitt-Gießerei zu Pittsburgh hervorgegangenen Geschützes von zwanzig Zoll Seelendurchmesser. Guß eines Riesengeschützes nach Rodman'scher Methode. Nachdem der Rodman'schen Geschützguß-Manier, – das über einen hohlen Kern zu gießende Geschützrohr von Eisen während seines Gusses durch einen Strom kalten Wassers von innen nach außen abzukühlen, – schon mehrfach Erwähnung geschehen ist, wird es nicht ohne Interesse seyn. Näheres über den im Februar 1864 nach dieser Methode wirklich ausgeführten Guß des Riesengeschützes von 20 Zoll Seelendurchmesser zu erfahren, welches bereits am 26. October v. J. in dem Fort Hamilton bei New-York seine Probe bestanden hat, indem es ein 1080 pfündiges Vollgeschoß mit 100 Pfund Pulverladung unter 25 Grad Elevation in 24 Secunden Flugzeit die Horizontalschußweite von 3 1/2 englischen Meilen erreichen ließ. Die Vorbereitungen zu diesem, wie erwähnt, im Februar v. J. ausgeführten Gusse, wurden nach dem Journal of the Franklin Institute of the State of Pennsylvania, Vol. XLVII pag. 128 bereits im Mai 1863 in der Gießerei des Forts Pitt zu Pittsburgh begonnen und dann nach Maaßgabe der von anderen Diensten freigelassenen Zeit ausgeführt. Als Geschützmodell diente bei diesem Gusse die vergrößerte Form des schon früher gegossenen 15zölligen Geschützrohres. Die Länge dieses von Holz gefertigten Modelles betrug 26 Fuß, sein größter Durchmesser 66 Zoll, und sein Durchmesser an der Rohrmündungsstelle 4 Fuß. – Das Gewicht des Rohgusses betrug 180000 Pfund und das Gewicht des vollendeten Geschützrohres von 20 Fuß 3 Zoll Totallänge, 64 Zoll Bodenstück- und 34 Zoll Kopf-Durchmesser, war 115000 Pfund. Die 210 Zoll lange Seele des letzteren endet in einem Halb-Ellipsoid von 30 Zoll großer und 20 Zoll kleiner Achse. Die Gießform bestand in einer aus vier Theilen zusammengefügten Flasche, welche um das hölzerne Modell des Rohgusses herum mit Formsand ausgestampft war. Die Flasche wog 28, der Formsand 10 Tonnen. Nach Wegnahme des Modells wurde die in den Formsand abgedrückte Rohrmatrize geglättet, mit Kohlenlösche geschlichtet und hiernach in einem Ofen bis zur Consistenz des weichen rothen Ziegelsteines gebrannt. Das Einstampfen des Sandes, sowie das Vollenden, Schwärzen und Einsetzen der Form beschäftigte zehn Mann zwanzig Stunden lang. Die dem Ofen entnommenen gebrannten Formtheile wurden hierauf, – fest zu einem Ganzen mit einander verbunden, – so in eine 28 1/2 Fuß tiefe und 14 Fuß weite Grube eingesetzt, daß das Mündungsende der Form in der Höhe des oberen Grubenrandes und die Mittellinie derselben vertical stand. Am Boden dieser Grube befand sich ein radförmig gestalteter Rost mit darunter liegendem nach außen gehendem Zugloche, und oben war die Grube mit einem rauchabführenden Schornsteine versehen, so daß die Formflasche ringsum mit einem heftigen Feuer umgeben werden konnte, dessen Vorhandenseyn eine Hauptbedingung zum Gelingen des Gusses ist. Im Centrum der so in die Gießgrube eingesetzten Formflasche wurde dann der aus einer hohlen gußeisernen Röhre bestehende Gußkern aufgehängt, welcher äußerlich mit einem 3/8 Zoll starken Tau von der Länge einer engl. Meile fest umwickelt war, zu dem doppelten Zwecke: durch seine rauhe Oberfläche zum Festhalten einer weiter aufgetragenen, den Eisenkern vom geschmolzenen Gußmetalle trennenden Lehmschicht zu dienen, dann auch die, in der äußeren Mantelfläche des hohlen Eisenkernes als Windpfeifen angebrachten Cannelirungen von diesem (wie die Form im Ofen gebrannten), Lehmmantel frei zu halten. Der im Vollen gemessene Durchmesser dieses hohlen Gußkernes betrug 19 Zoll, also einen Zoll weniger als das vorausbestimmte Geschützkaliber, so daß der Bohrer später ringsum einen halben Zoll Metall hinwegzunehmen hatte. Der Wasserstrom, welcher diesen hohlen eisernen Gußkern während der Dauer des Rohrgusses kühl zu erhalten hatte, wurde so regulirt, daß eine das Wasser zuführende dünne Röhre im Innern der Kernhöhlung bis nahe an den Boden derselben hinabreichte und das durch den hydraulischen Druck hiernach in der Kernröhre aufsteigende Wasser dann am oberen Ende derselben immer wieder abgeführt wurde. Es passirten den Kern auf diese Weise während des ganzen Gusses 60 Gallons (à 4 Quart) pro Minute; der hohle Eisenkern blieb hierbei ganz unversehrt und die durch den Taumantel vor Verstopfung geschützten Windzüge auf der äußeren Oberfläche desselben thaten fortwährend ihre Schuldigkeit, so daß alle beim Berühren des Metalles mit dem Formlehm sich entwickelnden, hauptsächlich Wasserstoff enthaltenden Gase oberhalb der Gießgrube immer frei entweichen konnten, wo sie dann mit einer großen blaugefärbten Flamme verbrannten. Zum Schmelzen des zum Gusse erforderlichen Eisens dienten drei Flammöfen, bei denen das zu schmelzende Metall, im Gegensatze zu den Kupolöfen, vom Brennmaterial gesondert ist, und nur der Schornstein den Luftzug vermittelt. Zwei dieser Oefen nahmen jeder 25 Tonnen Eisen in sich auf, der dritte, eigens zu diesem Geschützgusse gebaute, faßte aber 40 Tonnen und war zum Gusse mit 39 Tonnen Eisen beschickt worden, während in jedem der kleineren Oefen 23 1/2 Tonnen Eisen eingesetzt waren. Von diesen Oefen wurde das geschmolzene Eisen zunächst durch mit Lehm gefütterte eiserne Tröge nach einem in der Gußgrubennähe befindlichen gemeinschaftlichen Sammelpfuhl geführt, und aus diesem gelangte es dann vermittelst weiterer zwei Tröge in die Eingüsse der Form, welche letztere, drei Zoll Durchmesser haltend, an der Außenseite der Rohrmatrize hin, bis zum Boden der Gußform führten und mit der hohlen Geschützform auch noch durch kleinere Seitenöffnungen in Verbindung standen, welche 15 Zoll von einander entfernt waren. Das geschmolzene Eisen wurde mittelst der erwähnten zwei Eingüsse also zunächst in den Boden der Gießform geführt und stieg dann durch die seitlichen Oeffnungen dieser Eingüsse allmählich bis zum oberen Ende derselben empor. Alles zu diesem Gusse verwendete Eisen war aus den Bloomfield-Juniata- und den Rodman-Oefen hervorgegangenes Juniata-Eisen und vor seinem Einsetzen in die Flammöfen, zur Erlangung eines möglichst gleichen Gütegrades umgeschmolzen worden. Um fünf Uhr Morgens wurden die Oefen in Brand gesetzt; um 11 Uhr Vormittags kam das Eisen in's Schmelzen und 24 Minuten nach 12 Uhr Mittags floß das geschmolzene Metall in die Formeingüsse ein, wobei ein stetes Umrühren der geschmolzenen Metallmassen mit langen Eichenstangen stattfand, damit alle während des Schmelzens im Eisen gebildeten Gase, welche sonst Höhlungen im Innern des Geschützgusses erzeugt haben würden, entweichen konnten. Vier Mann zogen fortwährend die Schlacken etc. von dem geschmolzenen Eisen ab, und von Zeit zu Zeit wurden auch kleine Quantitäten des letzteren in die Gußgrube eingeführt, um die Verbrennung der während des Gusses aus den Windlöchern der Formflasche ausströmenden Gase anzuregen, beziehungsweise auch dieses Feuer zu unterhalten. Das den Windzügen des hohlen Gußkernes entströmende Gas bildete bis zur Gußvollendung über dem Centrum der Gießgrube fortwährend eine blaue Flammenkrone. Zum Schmelzen des Eisens waren 18 Bushels (à 31,7 preußische Quart) bituminöse Pittsburgher Kohlen pro Tonne Eisen verwendet worden; das Aufstoßen der Oefen geschah, nach Maaßgabe wie ihr Eisen gußreif war, successive; zwei, der Vorsicht wegen mit zehn und beziehungsweise mit zwölf Tonnen Eisen beschickte Reserve-Oefen brauchten nicht in Anspruch genommen zu werden, es blieben vielmehr nach Vollendung des Gusses von den oben genannten Eisenquantitäten noch zwei bis drei Tonnen Rest. Das wegen Sichsetzens der Gußmasse schließlich erforderliche Nachfüllen von geschmolzenem Eisen geschah mit Gießpfannen. Die Temperatur des, den hohlen Gußkern des Rohres durchfließenden Wassers war im Anfange des Gusses 2°,2 Celsius, im Momente der Gußvollendung 5°,5, vier Minuten später 11°, nach weiteren vier Minuten 24° und dann vierzehn, zwanzig, fünfundzwanzig und dreißig Minuten nach vollendetem Gusse beziehungsweise 27°, 32°, 32,7° und 33°. Etwa vierundzwanzig Stunden nach der Gußvollendung wurde der hohle Kern mittelst eines Krahnes aus dem Rohre herausgehoben, indem man zuerst den Wasserzufluß hemmte, die eiserne Kernröhre also heiß werden und sich dadurch ausdehnen ließ, dann plötzlich wieder kaltes Wasser zuführte und den Kern hiernach während des dadurch bedingten Einschrumpfens seiner inneren Eisenröhre emporzog. Die allmähliche Abkühlung des Gußstückes in der Gußgrube dauerte 14 Tage. – Zum Herausnehmen des Rohres aus der Gußgrube dienten zwei Krahne, welche mittelst einer Dampfmaschine gehandhabt wurden. Die zur Bearbeitung des Rohres mit einem Kostenaufwands von 10 bis 15000 Dollars hergestellte Drehbank von sechzig Fuß Länge und acht Fuß Wangenweite hat ein aus 120000 Backsteinen gebildetes Fundament und wird durch zwei Dampfmaschinen mit sechszölligen Cylindern und zwölf Zoll Kolbenhub getrieben. Hintergewicht soll dem Rohre, zur Erleichterung seiner Handhabung in der Laffette, nicht gegeben werden, sondern es ist bestimmt, daß die Schildzapfenachse des Rohres genau über dem Schwerpunkte desselben liegen soll. Die Construction der für diesen 1000 Pfünder bestimmten Laffette von Schmiedeeisen ist dieselbe wie die der Laffetten für 15zöllige Geschütze. – Zur Prüfung des Rohrmaterials in Bezug auf Festigkeit und Härte desselben sind Metallstücke vom verlorenen Kopfe und vom unteren Ende des Rohgusses bestimmt. Das zur 100pfündigen Ladung dieses 20zölligen Geschützes bestimmte Pulver wird Körner von 13/16 Zoll Durchmesser, also von der Größe der kleinen Wallnüsse von dem amerikanischen Nußbaum haben. – Die etwa 1000 (nach Obigem 1080) pfündigen Vollgeschosse und die etwa 775 Pfd. schweren Bomben des Geschützes sind sphärisch und von Gußeisen. – Die Kosten jedes Schusses betragen circa 75 Dollars, nämlich 50 für das Projectil und 25 für die Pulverladung. – Zur Bedienung des Geschützes sind besondere Maschinen und 15 bis 16 Mann erforderlich, von denen neun Mann das Laden und sechs bis sieben Mann das Richten besorgen. Zweck dieses Geschützes ist nicht etwa Erlangung einer besonderen Treffsicherheit auf weite Distanzen, sondern imposante Nahewirkung der mit Spielraum abgeschossenen wuchtigen Kugel. Dy.,          Artillerie-Hauptmann.