Titel: Versuche über die günstigste Form und Verwendung der Schneidwerkzeuge bei den Hülfsmaschinen mechanischer Werkstätten vom Standpunkte der Oekonomie der Betriebskraft. – Ausgeführt in der kais. französischen Marine-Werkstätte zu Indret.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CXXV., S. 432
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CXXV. Versuche über die günstigste Form und Verwendung der Schneidwerkzeuge bei den Hülfsmaschinen mechanischer Werkstätten vom Standpunkte der Oekonomie der Betriebskraft.Nach dem Annuaire de la Société des anciens elèves des écoles impériales d'arts et métiers, 1864; aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 1865 S. 82. – Ausgeführt in der kais. französischen Marine-Werkstätte zu Indret. Ueber die günstigste Form und Verwendung der Schneidwerkzeuge bei den Hülfsmaschinen mechanischer Werkstätten. Die Herstellung und Behandlung der Schneidwerkzeuge bei den Hülfsmaschinen mechanischer Werkstätten bleibt leider noch zu häufig der Willkür der Arbeiter überlassen; bedenkt man jedoch, daß selbst der strebsamste Arbeiter erst durch langjährige Uebung, und zwar nur auf Kosten seines Brodherrn, jenes feine Gefühl erlangt, welches ihn die Verhältnisse, unter denen sein Werkzeug am günstigsten arbeitet, vollkommen richtig erkennen läßt, so kann man den Nutzen nicht unterschätzen, welchen die Aufstellung erprobter Normen bei Adjustirung der Werkzeuge nach sich zieht. Dieses interessante Gebiet der praktischen Mechanik wurde nun durch die in der kais. französischen Marine-Werkstätte zu Indret jüngst ausgeführten Versuche um sehr werthvolle Daten bereichert, deren wesentlichste im Nachstehenden mitgetheilt werden sollen. Die Hauptgegenstände der Untersuchung waren folgende, nämlich: a) die günstigste Form der Schneidwerkzeuge, b) die vortheilhafteste Spandicke, c) der zweckmäßige Gang der Werkzeuge, sowohl nach der Richtung des Spans (relative Geschwindigkeit), als auch nach der Querrichtung (Verschiebung). a) Form der Werkzeuge. Die günstigste Form, vom Standpunkte der Oekonomie der Betriebskraft ist offenbar diejenige, welche für Erzeugung von 1 Kilogr. Späne die geringste Arbeitsmenge consumirt. Das arbeitende Schneidwerkzeug bei sämmtlichen Hülfsmaschinen hat aber stets eine Schneide mit keilförmigem Querschnitte und bezweckt, durch Eindringen dieses Keils in das Material eine Schichte desselben, oder einen Span loszulösen. Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei der Keil- oder Schneidewinkel, welchen wir fernerhin mit t und der Ansatzwinkel, unter welchem die Schneide angreift, den wir mit i bezeichnen wollen. Textabbildung Bd. 176, S. 432 Es ist nun leicht einzusehen, daß einerseits der Antrieb des Keiles um so weniger Kraft erfordert, je kleiner die beiden Winkel t und i sind, daß aber andererseits auch die Reibung unter diesen Umständen zunimmt; man kommt daher zum Schlusse, daß es einen Werth bei der Winkel geben muß, welcher der günstigsten Wirkung entspricht und daß übrigens hierbei der Gesammtwerth t + i weit mehr maaßgebend sey, als die Einzelwerthe von t und i. Die Richtigkeit dieser Anschauung wird auch durch die Versuchsresultate bestätigt. Zur Durchführung der Versuche wurde eine Drehbank mit 0,54 Meter Spitzenhöhe und mit selbstthätigem Supporte benützt. Die Drehbank wurde mit Rücksicht auf die continuirliche Bewegung, sowie auch auf die einfache Form der Messer mit vollem Rechte als Normal-Werkzeugmaschine betrachtet. Der Kraftaufwand wurde durch einen vorzüglich guten Rotationsdynamometer gemessen und der Widerstand der leergehenden Bank nach Bedarf in Abschlag gebracht. Zuerst wurde nun constatirt, daß der Schneidewinkel nicht unter einen gewissen Minimalwerth fallen darf, wenn anders das Messer sich nicht im Materiale spießen soll; dieser Minimalwerth des Winkels t beträgt für Schmiede- und Gußeisen 45°, für Metall aber 60°. Je mehr ferner der Gesammtwinkel t + i anwächst, desto mehr geht das Schneiden in ein Schaben über und es ist mit dem Werthe t = 60 bei Bearbeitung von Eisen bereits die Grenze erreicht, bei welcher der Stahl zu schnarren und sich zu erhitzen beginnt. Den geringsten Aufwand an Betriebskraft erfordert die Bearbeitung von Schmiede- und Gußeisen, wenn der Winkel t + i = 55° beträgt, wobei wiederum die günstigste Vertheilung den Werthen t = 51° und i = 4° entspricht; für die Bearbeitung des Metalles eignen sich am besten die Winkel t = 66° und i = 3°. Diese günstigsten Werthe der Ansatz- und Schneidewinkel bewährten sich in allen Fällen, abgesehen von der Qualität des Werkzeugstahles, sowie auch bei den verschiedensten Größen der Spanstärke und der Antriebgeschwindigkeit, und zwar für alle Hülfsmaschinen mit Ausnahme der Nuthstoßmaschine. Auf letzterer Maschine ist bei Bearbeitung von Eisen der Schneidewinkel t = 66°, bei Metall hingegen derselbe t = 76°, in beiden Fällen aber der Ansatzwinkel i = 3° zu wählen. Zur Beleuchtung des ökonomischen Nutzens einer richtigen Form der Schneide möge folgendes Beispiel dienen: Eine Drehbank, zu deren Betrieb im leeren Gang ein Aufwand von 0,5990 Arbeitseinheiten erforderlich war, consumirte zur Erzeugung von 1 Kilogr. Späne mit dem Schneidewinkel t = 51°, dem Ansatzwinkel i = 3°, 0,33 Einheiten, mit dem Schneidewinkel t = 57° und dem Ansatzwinkel i = 14° aber 0,75 Einheiten. Die als Normale aufgestellte Form begründete somit in diesem Falle eine Ersparniß von 45 Proc. von der Betriebskraft der Drehbank. Der geringere Kraftaufwand zieht aber auch selbstverständlich eine geringere Abnützung der Stähle und somit eine weitere Ersparniß an Geld und Zeit nach sich. Die obigen Regeln gelten gleichfalls auch zur Herstellung der Schneiden den der Bohrer, indem die Winkel t und i stets in einer Ebene senkrecht auf die Schneide zu messen sind. Beim Herzbohrer kommt jedoch noch außerdem der Winkel abc in Betracht, dessen Schenkel die beiden Schneiden bilden. Textabbildung Bd. 176, S. 434 Bei einem Bohrer von 66 Millimeter Durchmesser mit 0,275 Millim. Vorschub fand man für verschiedene Oeffnungen dieses Winkels folgende Werthe des Arbeitsconsums bei Erzeugung von 1 Kilogr. Späne: Werthe des Winkels abc ... 58° 62° 66° 70° 74° 78° 82° Entsprechend. Arbeitsconsum 1,0219 0,8478 0,7607 0,6276 0,6712 0,7804 1,0285 Der Winkel von 70° ergibt sich demnach als der vortheilhafteste. b) Spandicke. Aus vergleichenden Versuchen mit verschiedenen Spandicken erhellt, daß der Arbeitsaufwand zur Erzeugung von 1 Kilogr. Späne nahezu im gleichen Verhältnisse mit der Spandicke wächst; geringe Spandicken wären demnach vom ökonomischen Standpunkte aus vorzuziehen, wenn nicht gleichzeitig der Kraftaufwand zum Betriebe der Werkzeugmaschine an sich in Betracht käme, welcher offenbar mit dem zurückgelegten Wege und folglich bei geringerer Spanstärke wächst; es ist demzufolge auch hier ein Minimum des Kraftaufwandes zu erforschen, und in der That ergibt sich ein solches bei einer gewissen Spanstärke aus den Versuchen der folgenden Tabelle, in welcher die Werthe des Kraftaufwandes mit Inbegriff der zum Betriebe der Werkzeugmaschine erforderlichen Arbeit verzeichnet wurden: DimensionenderDrehtbank. UebertrageneWirkung inKilogr-Met. Durchmesser derabzudrehendenWelle. Absorbirte Arbeiten bei denSpandicken. Spandicke, diedem Maximumdes Kraftaufwandesentspricht. 0,31 mm 0,41 mm 0,51 mm. Met. Millimet. 0,05 1,5400 1,3700 1,5600 0,40 Kleine   17,5 0,10 0,9300 0,9100 1,1900 0,37 0,15 0,5450 0,6300 0,9550 0,28 0,10 1,5400 1,3700 1,5600 0,40 Mittlere   35,0 0,20 0,9300 0,9100 1,1900 0,37 0,30 0,7260 0,7500 1,4660 0,30 0,30 1,5400 1,3700 1,5600 0,40 Große 105,0 0,40 1,2350 1,1400 1,3700 0,39 0,50 1,0400 0,9900 1,2600 0,37 Aus der vorstehenden Betrachtung erklärt sich die den Versuchsresultaten entspringende Regel, nach welcher die Spandicke mit der Größe der Drehbank (d. i. mit der Größe des inneren Reibungswiderstandes) wachsen soll, während für dieselbe Drehbank die Spandicke im umgekehrten Verhältnisse zum Durchmesser der abzudrehenden Welle variiren sollte. Aus derselben Anschauungsart folgt ferner, daß von zwei Werkzeugmaschinen, deren eine sich continuirlich wie die Drehbank, die andere aber sich hin und her bewegt, wie die Hobelmaschine, letztere den größeren Span nehmen soll. c) Geschwindigkeit und Verschiebung. Unter Geschwindigkeit vorstehen wir die relative Bewegung des Stahles in der Richtung des abzulösenden Spanes, d. i. den zurückgelegten Weg per Secunde, gleichviel ob nun in Wirklichkeit der Support oder das eingespannte Material beweglich ist. Die gleiche Anschauung gilt auch rücksichtlich der Verschiebung. Die absorbirten Arbeitsmengen zum Betriebe der Versuchs-Drehbank mit Normalmesser und bei 0,31 Millim. Spandicke sind für die verschiedenen Materialien und für verschiedene Geschwindigkeiten nachstehend verzeichnet. Bei Bearbeitung von Schmiedeeisen: Geschwindigkeit in Millimetern 111 101 89,2 78,4 68,4 Arbeitsaufwand 1,2090 1,1180 1,0242 0,9060 0,6626 Geschwindigkeit in Millimetern 59 47 36,2 25,6 15,01 Arbeitsaufwand 0,3895 0,3974 0,4850 0,6220 1,8319 Bei Bearbeitung von Gußeisen: Geschwindigkeit in Millimetern 84,25 72,25 62,50 51,30 40,30 29,65 Arbeitsaufwand 0,7544 0,6972 0,4263 0,4113 0,2437 0,3107 Bei Bearbeitung von Metall: Geschwindigkeit in Millimetern 63,33 56,28 48,75 40,49 33,24 25,67 Arbeitsaufwand 0,3559 0,3832 0,4383 0,2607 0,8665 1,4479 Die günstigsten Geschwindigkeiten des Messers für die Schonung der Betriebskraft sind demnach: bei Schmiedeeisen 55 Millim. Gußeisen 40 Metall 65 Bei Feststellung des Ganges der Werkzeugmaschinen sind jedoch gewöhnlich andere Factoren maaßgebend, nämlich die möglichste Ausnützung der Maschinen und Arbeitskräfte. Mit Berücksichtigung dieser Umstände wurde folgende Tabelle entworfen, welche als Verhaltungsmaßregel für größere Werkstätten zu dienen hätte: Textabbildung Bd. 176, S. 436 Anforderungen an die Werkstätte; Gattung der Werkzeugmaschinen; Geschwindigkeit für; Verschiebung für; Schmiedeeisen; Gußeisen; Metall; kleine; mittlere; große; Maschinen; Millim. per 1''; Wenn die Arbeit dringt; Wenn wenig zu thun ist und das Personal nicht vermind. werden kann; Drehbank, Ausbohrmaschinen; Alternativmaschinen; Bohrmaschinen Zum Behufe der veränderlichen Geschwindigkeit soll die Transmission derart angelegt werden, daß bei der größten Anstrengung der Kraftmaschinen den Werkzeugstählen die größte relative Lineargeschwindigkeit von 100 Millimetern in der Secunde ertheilt werden kann. Die bei Einschränkung der Werkstättenleistung wünschenswerthe Verminderung der Geschwindigkeit wird dann in höchst einfacher Weise nach Befehl des Werkstättenleiters durch Regulirung des Ganges des Motors, respective Verminderung der Umdrehungszahl, bewerkstelligt. Schließlich wurde noch constatirt, daß bei dem Planiren, das ist bei der endgültigen Ueberarbeitung der Flächen mittelst eines breiten geradschneidigen Messers die vortheilhafteste Verschiebung desselben bei den Dreh-, Hobel- und Ausbohr- Maschinen 20 Millimeter in der Secunde beträgt, wobei jedoch eine besonders solide und sorgfältige Construction der Hülfsmaschinen und recht starke Stähle erforderlich sind. P. Reinhardt.