Titel: Technisch-chemische Notizen; von Dr. R. Brimmeyr.
Fundstelle: Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CXXXIV., S. 461
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CXXXIV. Technisch-chemische Notizen; von Dr. R. Brimmeyr. Brimmeyr, technisch-chemische Notizen. I. Ueber Trennung des Toluidins vom Anilin. Die verschiedenen, zur Darstellung des Toluidins vorgeschlagenen Methoden nehmen als Ausgangspunkt und Material entweder das aus dem sogenannten schweren Benzin durch fractionirte Destillation zwischen 110 und 115° C. leicht zu erhaltende Toluol (H. Müller im polytechn. Journal Bd. CLXXII S. 145) oder die bei der Fabrication des Anilins gegen Ende der Destillation auftretenden leicht erstarrenden und zum großen Theil aus Aceto-Toluid bestehenden Producte (E. Sell in den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXVI S. 153; A. Riche und P. Bérard ebendas. Bd. CXXIX S. 77). Will man dagegen das Toluidin aus dem käuflichen Anilin darstellen, so ist das Verfahren schon etwas umständlicher und beschränkt sich nicht auf die Reinigung eines krystallisirten Rohproductes, sondern erfordert auch eine gewisse Uebung in der Anwendung der Oxalsäure nach der von Gerhardt beschriebenen Methode. Folgender Handgriff gab mir sichere Resultate, sobald das angewandte Material nicht weniger als 10 Proc. Toluidin enthielt: Den durch eine zweimalige fractionirte Destillation zwischen 195 und 205° C. gesammelten Theil behandle ich mit einem halben Theile Oxalsäure und 4 Theilen Wasser, erhitze bis zum Kochen und zur vollständigen Lösung des oben auf schwimmenden Anilins. Sobald die Flüssigkeit klar erscheint, läßt man sie bis auf 80° C., unter fortwährendem Rühren, erkalten, decantirt rasch von dem am Boden des Gefäßes ausgeschiedenen oxalsauren Toluidin ab und preßt schnell aus. Den Preßkuchen zersetzt man durch Kochen mit ammoniakhaltigem Wasser, dem man soviel Alkohol zusetzt als gerade zu einer klaren Losung hinreicht. Beim Erkalten scheidet sich das Toluidin in großen, farblosen Blättern aus; die abgezogene, kaum Spuren von Toluidin enthaltende Mutterlauge kann zur Zersetzung frischer Quantitäten oxalsauren Salzes verwendet werden. Die Sicherheit des Verfahrens und der Gewinn an Zeit compensiren reichlich den geringen, durch Verflüchtigung von etwas Toluidin mit den Wasserdämpfen entstehenden Verlust. II. Zur Fuchsinfabrication. Die Reinigung der Fuchsinschmelze, leicht ausführbar im Kleinen, bietet bei dem fabrikmäßigen Betrieb, wo andere Factoren zu berücksichtigen sind, Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten dar, welche bisher nur theilweise beseitigt worden sind. Die Anwendung von zwei Giften, wie Arsensäure und Anilin, erfordert nicht nur die umfassendste Sachkenntniß und Sorgfalt des Fabrikanten, um die damit beschäftigten Arbeiter vor deren schädlichen Einflüssen zu sichern, sondern zwingt ihn auch, aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten, auf Mittel zu sinnen, dieselben außer der Fabrik für die Nachbarschaft unschädlich zu machen. Leider haben uns in der letzten Zeit einige Katastrophen belehrt, daß nicht von Anfang an nach dieser letzteren Richtung hin gewirkt worden, und man erst dem Uebel vorzubeugen suchte, nachdem Hülfe zu spät kam. Was die Handelswaare, das Fuchsin selbst betrifft, so ist das meiste auf den deutschen Markt gebrachte Anilinroth arsen- und arsenigsaures Rosanilin, während man von Anfang an in Frankreich sich bemühte, ein arsenfreies Präparat darzustellen, obgleich nicht immer mit Erfolg. Indessen kann man wohl annehmen, daß das jetzt als chlorwasserstoffsaures Rosanilin im Handel vorkommende Fuchsin nur unbedeutende Mengen von Arsen enthält und bei dem ungeheuren Reichthum des Farbstoffes für die gewöhnlichen Anwendungen ohne nachtheilige Einwirkung seyn dürfte. Die verschiedenen, zur Reinigung der Rohmasse in Gebrauch gekommenen Verfahren laufen alle auf ein und dasselbe Resultat hinaus – Ersparniß an Zeit, Arbeit und Chemikalien; dabei begegnet man immer der Schwierigkeit, das in den flüssigen wie festen Rückständen in löslicher Form enthaltene Arsen zu beseitigen, und alle bis jetzt geprüften und empfohlenen Mittel haben sich als ungenügend erwiesen. Die Ueberführung der Säuren des Arsens in den unlöslichen Zustand direct zu verbinden mit der Darstellung der Rosanilinsalze, war Zweck vorliegender Versuche, welche für manchen Fachgenossen von Nutzen seyn und zu deren Vervollständigung führen möchten. Die theuerste und unpraktischeste Methode der Behandlung der Fuchsinschmelze mit Salzsäure, Trennung der Lösung vom Bodensatz und Saturation mit kohlensaurem Natron ist wohl jetzt gänzlich verlassen und durch die rationellere Digestion mit Kochsalz verdrängt worden, außer da, wo die unverzeihlichste Ignoranz sich allen, den Interessen des betheiligten Capitalisten förderlichen Neuerungen entgegensetzt; nicht zu erwähnen der unnöthigen Complication der Operationen, um sich der in den Waschwässern gelösten und der im festen Rückstand befindlichen Säuren des Arsens auf eine für die öffentliche Gesundheit unschädliche Weise zu entledigen! Die Sättigung der salzsauren Lösung mit Kreide, Marmorpulver etc. statt Soda ist in ökonomischer Beziehung vorzuziehen, bietet weniger Unannehmlichkeiten bei der Filtration, liefert aber ebenfalls kein arsenfreies Präparat, was auf eine regelmäßige Krystallisation und nachherige Verwendung zu Violett und Blau störend wirkt. Dasselbe gilt von der einfachen Abkochung der Rohmasse mit einer Auflösung von Chlornatrium und Verwendung der durch Erkalten am Boden abgeschiedenen, meist schmierigen Masse, zur Krystallisation. Besser schon stellt sich die Saturation der mit Kochsalz versetzten Lösung der Rohmasse mit kohlensaurem Kalk und Abschäumen des durch die sich entwickelnde Kohlensäure an die Oberfläche der Flüssigkeit mechanisch mitgerissenen rohen Fuchsins. Die daraus erhaltenen Krystalle enthielten, bei 100° C. getrocknet, 7 Proc. Chlor. Sättigt man eine Lösung von Arsensäure in der Kälte mit kohlensaurem Kalk – ich nahm Marmorpulver, welches in manchen Gegenden eben so billig wie Kreide, aber viel bequemer zum Gebrauche ist – so bildet sich halb-saurer arsensaurer Kalk und einfach-saurer arsensaurer Kalk. Erhitzt man die klar filtrirte Lösung zum Kochen, so scheiden sich ungefähr 20 Proc. vom angewandten kohlensauren Kalk als halb-saurer arsensaurer Kalk aus. CaO berechnet aus Formel 2 CaO, HO, AsO⁵ = 31,11 Proc., gefunden 29,75 Proc. CaO berechnet nach Formel 2 CaO, HO, AsO⁵ + Aq. = 29,10 Proc., gefunden 29,75 Proc. In Lösung blieben CaO = 0,82AsO⁵ = 1,98 = 2,80 Proc. vom Gewicht der Auflösung. Als 100 Kub. Centm. derselben Auflösung mit 2 Grm. kohlensaurem Kalk gekocht wurden, schieden sich aus 4,934 Grm., deren Analyse ergab 2,239 CaO und 0,911 AsO⁵. Die Kohlensäure konnte aus Mangel eines geeigneten Apparates nicht bestimmt werden. Die Lösung enthielt nur noch 0,168 Proc. CaO und 0,53 Proc. AsO⁵. Ein Theil Fuchsinschmelze wurde in 3 Theilen Wasser gelöst; nachdem durch Erkalten der größte Theil des Farbstoffs sich gesetzt hatte, wurde die darüberstehende Flüssigkeit kalt mit Marmorpulver gesättigt: 1000 K. C. der Lösung enthielten im Mittel 17,65 Grm.31,77 CaOAsO⁵ 49,42 Grm., wurde sie dagegen heiß mit kohlensaurem Kalk gesättigt, so blieben, bei 4 Theilen Wasser auf 1 Theil Rohmasse, nur 1,817 Grm., bei einem zweiten Aufguß 0,7705 Grm. CaO per Liter gelöst. 1 Kilogr. Fuchsinschmelze wurde in Wasser gelöst und unter Zufügen von 700 Grm. Marmorpulver so lange erhitzt, bis kein Aufbrausen mehr erfolgte. Die nach dem Erkalten vom Bodensatz durch Filtriren abgeschiedene, wenig gefärbte Flüssigkeit, 4 Liter betragend, wollen wir mit A bezeichnen. Der Bodensatz wurde von Neuem mehreremale mit kochendem Wasser ausgezogen; nach dem Erkalten betrug die von dem abgeschiedenen Farbstoff getrennte Flüssigkeit 11,50 Liter: nennen wir sie B. Der Rückstand, für den wir C setzen wollen, wog, im Dampfbade getrocknet, 990 Grm. A) 200 K. C. Lösung gaben, mit Essigsäure angesäuert und mit Oxalsäure gefällt, im Mittel aus zwei Versuchen 0,6482 Grm. CaO, CO²; nach dem Filtriren mit Ammoniak, Salmiak und schwefelsaurer Magnesia versetzt, wurden erhalten im Mittel 1,032 Grm. arsensaure Ammoniak-Magnesia = 0,6245 Arsensäure. Ein Versuch mit Salpetersäure die arsenige Säure zu oxydiren, mißlang hier ebenso wie bei B, selbst nach zweistündigem Kochen, wegen der zu großen Verdünnung der Lösung; ich erhielt für 200 K. C. als Mittel aus zwei Versuchen 0,6466 CaO, CO². Auf 4 Liter Lösung berechnet, ergeben sich 12,948 Grm. CaO, CO² = 7,266 Grm. CaO und 12,490 Grm. AsO⁵. B) 200 K. C. ergaben durch Fällen mit Oxalsäure im Mittel aus drei Versuchen 0,2745 CaO, CO²; durch Kochen mit kohlensaurem Natron – also auf einem anderen Wege – wurden aus 200 K. C. ebenfalls 0,275 Grm. CaO, CO² erhalten. Arsensaure Ammoniak-Magnesia = 0,4276 = 0,2576 Arsensäure. Für 11,50 Liter berechnet: 15,8125 Grm. CaO, CO² =   8,872 CaO. 14,812 AsO⁵. C 1) 5 Grm. gaben mit Essigsäure behandelt 0,45 Grm. Rückstand (bei 110° C. getrocknet), der bei der Calcination 0,065 zurückließ. Für 990 Grm. erhalten wir also 76,280 unlösliche organische Stoffe. 2) 5 Grm. bei 110° C. getrocknet, verloren 0,14 Grm. an Gewicht. Also für 990 Grm. = 27,720 Grm. Wasser. 3) 5 Grm. in Essigsäure gelöst, durch Oxalsäure gefällt und nach dem Filtriren mit doppelt-kohlensaurem Natron übersättigt, um den Farbstoff zu fällen, erforderten 8,5 K. C. Jodlösung, deren Titer zu 1 K. C. = 0,004 Grm. AsO³ gestellt war. Für 990 Grm. Rückstand = 6,730 Grm. arsenige Säure. Dieselbe Lösung, mit Ammoniak und schwefelsaurer Magnesia versetzt, ergab arsensaure Ammoniak-Magnesia = 1,65 Grm. = 0,985 Grm. AsO⁵ Für 990 Grm. Rückstand berechnet = 197,7 Grm. Arsensäure; zieht man davon ab 6,730 Grm. arsenige Säure, entsprechend 7,820 Grm. Arsensäure, so bleibt für die im Rückstand befindliche Arsensäure = 189,88. 4) 10 Grm. Rückstand gaben direct 3,160 Grm. arsensaure Ammoniak-Magnesia = 1,909 Arsensäure. Für 990 Grm. = 189,3 Grm. 5) 5 Grm. ergaben durch Auflösen in Essigsäure und Kochen mit kohlensaurem Natron im Mittel aus zwei Versuchen 3,385 Grm. kohlensauren Kalk. Für 990 Grm. berechnet 670,230 Grm. 6) 1,0735 Grm. entwickelt im Kohlensäure-Apparat 0,2040 Grm. CO². 1,2775 Grm. 0,2325 Grm. 2 Grm. 0,3437 Grm. Also für 990 Grm. Rückstand = 177,5 Grm. CO², entsprechend 403,425 Grm. kohlensaurem Kalk. Für den an Arsensäure und arsenige Säure gebundenen kohlensauren Kalk bleibt uns die Zahl 670,230 – 403,425 = 266,805 Grm., entsprechend 149,72 Grm. CaO. Fassen wir unsere Resultate zusammen, so erhalten wir für dessen Bestandtheile: In Procenten. Wasser 27,720   2,80 in Essigsäure unlösliche organische Materie 76,280   7,71 Arsensäure 189,300 19,12 arsenige Säure 6,730   0,68 Kalkerde 149,720 15,12 kohlensauren Kalk 403,425 40,75 ––––––– –––––––––– 853,175 86,18 Gesammtmenge des gefundenen kohlensauren Kalkes A =   12,948 B =   15,812 C = 670,230 –––––––––––        698,990 statt der angewandten 700. Gesammtmenge der gefundenen Arsensäure A =   12,490 B =   14,812 C = 197,7 ––––––––––––        225,002 Zur Bestimmung der in der Fuchsinschmelze enthaltenen arsenigen Säure wurden folgende Versuche angestellt mit einer von einer anderen Operation herrührenden Rohmasse: 1) 5 Grm. Rohmasse wurden in Wasser gelöst, die Lösung filtrirt und mit kohlensaurem Natron gesättigt zu Entfernung des Farbstoffs: mit Jodlösung austitrirt, wurden 1,2182 Grm. AsO³ gefunden = 24,36 Proc. und die gesammte Lösung gab dann mit schwefelsaurer Magnesia und Ammoniak 4,31 Grm. arsensaure Ammoniak-Magnesia, entsprechend 2,6082 Grm. Arsensäure = 52,2 Proc. 2) 1,731 Grm. ergaben direct für die Arsensäure 0,73 Grm. Arseniak, entsprechend 0,4417 Grm. Arsensäure = 25,5 Proc. 3) 10 Grm. Fuchsinschmelze, in Wasser gelöst, wurden mit Kreide heiß gesättigt und der Niederschlag mit Wasser ausgezogen bis nichts mehr in Lösung gieng. Das Filtrat, zu 500 Kub. C. verdünnt, erforderte: in drei Versuchen für resp. 20 K. C. – 24 K. C. obiger Jodlösung 23    „    – 26,8  „ 20    „    – 23,7  „ welches im Mittel 23,65 Proc. arseniger Säure entspricht. 4) 1,5 Grm. in etwas Wasser gelöst, wurden mit 1,91 Grm. doppelt-kohlensaurem Natron in den Kohlensäure-Apparat gebracht; das doppelt-kohlensaure Natron enthielt nach vorhergehender Bestimmung 98,5 reines doppelt-kohlensaures Natron. Der Apparat verlor an Gewicht 0,3016 Grm., welches entspricht 0,7882 Grm. Arsensäure = 52,5 Proc. Als nächste Folgerungen aus den vorhergehenden Versuchen können wir entnehmen: 1) daß von der angewandten Arsensäure ungefähr 50 Proc. bei der Bildung des Anilinroths in arsenige Säure verwandelt werden; 2) daß bei der Sättigung mit kohlensaurem Kalk und Ausziehen mit Wasser, die arsenige Säure in Lösung bleibt, während der größte Theil der Arsensäure als halb-saurer arsensaurer Kalk gefällt wird; 3) daß bei der Behandlung des Rohfuchsins mit kohlensauren Alkalien, alle Kohlensäure durch ein Aequivalent Säure des Arsens ausgetrieben wird; also ohne Bildung von kohlensaurem Rosanilin. – Wir werden später auf die praktische Anwendung vorstehender Sätze zurückkommen. (Die Fortsetzung folgt.)