Titel: Versuche über die sogenannte Kohlung des Leuchtgases durch Imprägniren desselben mit den Dämpfen flüchtiger Kohlenwasserstoffe; ausgeführt von Dr. Letheby, Gaschemiker der City von London.
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. XXVII., S. 130
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XXVII. Versuche über die sogenannte Kohlung des Leuchtgases durch Imprägniren desselben mit den Dämpfen flüchtiger Kohlenwasserstoffe; ausgeführt von Dr. Letheby, Gaschemiker der City von London. Nach der Chemical News, März 1865, Nr. 276. Letheby's Versuche über die Kohlung des Leuchtgases. Dr. Letheby hat in der Chemical News einen sehr in's Einzelne gehenden Bericht über die Resultate der mit dem Kohlungsapparate an mehreren Gaslampen der City abgeführten Versuche veröffentlicht. Er gibt zwar zu, daß dieselben nicht ganz befriedigend ausgefallen, weißt aber nach, daß die Ergebnisse doch weit besser sind, als von vornherein angenommen worden war, und daß die verhältnißmäßige Erfolglosigkeit nicht etwa durch eine Unrichtigkeit in dem, dem Verfahren zu Grunde liegenden Principe herbeigeführt wurde, sondern einfach Folge einer unzulänglichen Berücksichtigung der Bedingungen war, von welchen der Erfolg des Processes abhängt. Letheby erörtert ferner, daß „die Qualität der angewendeten Naphta einen sehr bemerkbaren Einfluß auf die Leuchtkraft des naphtalisirten Gases hat. Verschiedene Naphtasorten führen nicht allein dem Gase verschiedene Mengen Dampf zu, sondern besitzen auch in einer gegebenen Dampfmenge sehr verschiedene Grade von lichterzeugender Kraft. Wenn z.B. ein Grain von gewissen Naphtasorten die Leuchtkraft von einem Kubikfuße Londoner Gases um 9 Procent erhöht, so wird die Leuchtkraft derselben Menge desselben Leuchtgases durch einen Grain anderer Naphtasorten um kaum 2 Procent verstärkt. Eine Naphta von geringem specifischen Gewichte und niedrigem Siedepunkte, welche Eigenschaften bei den geringeren, aus Petroleum und den im Handel vorkommenden Schieferölen dargestellten Sorten sich finden, gibt zwar an das Gas eine bedeutende Menge Dampf ab, doch ist der lichterzeugende Werth dieses Dampfes nur gering, und zwar in Folge des geringen Kohlenstoffgehalts solcher Naphtasorten. Die weit kohlenstoffreicheren, aus Steinkohlentheer erzeugten Naphten sind zur Kohlung des Leuchtgases weit besser geeignet, werden aber zur Darstellung von Anilinfarben in solchen Mengen verwendet, daß ihre Marktpreise weit höher sind, als die der Petroleum- und Schieferölnaphten. Zum Kohlen des Londoner Gases eignet sich am besten eine Naphta von 0,848 specifischem Gewichte, deren Siedepunkt bei 97° C. liegt. Das genannte Leuchtgas nimmt von der letzteren per Kubikfuß 10 Grains auf und seine Leuchtkraft wird dadurch um 68 Procent erhöht. Ein Gallon dieser Naphta wiegt 60,000 Grains, vermag also 6000 Kubikfuß Gas zu kohlen, deren Leuchtkraft dann derjenigen von 10,000 Kubikfuß nicht gekohlten Gases gleich kommen würde. „Der Werth einer solchen Naphta,“ bemerkt Dr. Letheby, „selbst wenn wir dieselbe zu 6 Shilling per Gallon rechnen, kommt dem dreifachen Geldwerthe von Leuchtgas gleich, denn ein Gallon derselben gibt das Licht von 4000 Kubikfuß Gas, welche 18 Sh. kosten.“ Der höchste Preis der in Rede stehenden Naphta ist 4 Sh. per Gallon, und ein Gallon derselben verdoppelt die Leuchtkraft von wenigstens 2600 Kubikfuß Gas, d.h. eine 4 Sh. kostende Menge dieser Naphte leistet dasselbe, wie eine Leuchtgasmenge, welche auf 12 Sh. zu stehen kommt. Unter den wesentlichsten Schwierigkeiten des Naphtalisirungs- oder Kohlungsprocesses wird die wahrscheinlich größte durch den Umstand bedingt, daß die im Handel vorkommenden Naphten Gemische mehrerer Kohlenwasserstoffe von verschiedener Flüchtigkeit, von verschiedenen Siedepunkten sind. Aus diesem Grunde erfolgt die Kohlung des Leuchtgases unregelmäßig; die flüchtigeren Bestandtheile der Naphta werden zuerst vom Gase aufgenommen und viel rascher als die weniger flüchtigen in den späteren Stadien des Processes. Letheby theilt die Einzelheiten eines Versuches mit, bei welchem 2113 Kubikfuß Gas durch den mit 4 Pinten Kohlennaphta (zu etwa 4 Sh. der Gallon) beschickten Carburator oder Kohlungsapparat hindurch geleitet wurden.Die bei diesem Versuche angewandte Kohlennaphta hatte ein specifisches Gewicht von 0,869; sie lieferte 82,7 Procent destillirtes Product bis zum Siedepunkt von 1300 C., dann 14,3 Proc. von 130° bis 150° C. Die ersten 80 Kubikfuß dieses Gases zeigten bei ihrem Austritte aus dem Kohler eine um 101,7 Procent vermehrte Leuchtkraft; allmählich aber verminderte sich die Erhöhung der letzteren, bis sie schließlich nicht mehr als 33 Proc. betrug. Zur Vermeidung solcher Unregelmäßigkeite muß eine einfache Naphta und nicht ein Gemisch mehrerer Hydrocarbüre von verschiedenem Siedepunkte angewendet werden, und eine solche Naphta würde sich nach Letheby's Dafürhalten bei genügender und fester Nachfrage wohl zu einem angemessenen Preise erhalten lassen. In Bezug auf den Kohlungsapparat selbst weist Letheby nach, daß dieser eine solche Form und Einrichtung haben muß, daß das Gas bei seinem Durchgange durch denselben mit einer möglichst großen Naphtafläche in Berührung kommt; er gibt die Resultate an, welche er mit vier verschiedenen, mit einer und derselben Naphtasorte beschickten Carburatoren oder Kohlern erhielt, in denen ein Kubikfuß Gas bei seinem Durchgange durch dieselben 3,2, 6,0, 12,1 und 23,0 Grains aufnahm, da die Absorption zu der Naphtafläche, mit welcher das Gas in jedem der betreffenden Apparate in Berührung kam, in geradem Verhältnisse stand. In dem Mongruel'schen KohlerMan s. dessen Beschreibung im polytechn. Journal Bd. CLXIX S. 336., in welchem das Gas 23 Grains per Kubikfuß absorbirte, passirte es eine Reihe von Scheidewänden aus mit Naphta getränkten Baumwollenfäden. Aus Letheby's Versuchen ergibt sich ferner die Nothwendigkeit, daß im Kohler stets eine gleichmäßige Temperatur erhalten wird, insofern er gefunden hat, daß ein 20° C. erreichender Unterschied in der Temperatur des Carburators in Bezug auf das von dem hindurchgeleiteten Gase absorbirte Naphtaquantum eine Differenz von 100 Procent bedingt. Seiner Ansicht nach wird eine solche Gleichmäßigkeit der Temperatur am besten dadurch erreicht, daß der Carburator nicht zu tief in die Lampenflamme hineinreicht, sondern über derselben, an ihrer Spitze, angebracht wird. Ein gleichfalls wichtiges Ergebniß der Letheby'schen Versuche ist die Thatsache, daß auf die Menge des vom Gase absorbirten flüchtigen Kohlenwasserstoffs die größere oder geringere Geschwindigkeit, mit welcher das Gas durch den Carburator zieht, also die kürzere oder die längere Zeit, welche es mit der Naphta in Berührung bleibt, von bedeutendem Einflusse ist. Die Leuchtkraft des Gases, welches mit einer Geschwindigkeit von 3 Kubikfuß per Stunde durch den Carburator geleitet wurde, zeigte sich um 41 Procent erhöht; dagegen um nur 34 Proc., als es in der Menge von 3 1/2 Kubikfuß in der Stunde hindurchtrat. Demnach ist ein günstiger Erfolg des Leuchtgas-Kohlungsprocesses an die sorgfältige Beobachtung mehrerer Bedingungen geknüpft, von denen allem Anschein nach bei den Eingangs erwähnten, mit den Lampen der Londoner Altstadt angestellten Versuchen nicht eine einzige vollständig erfüllt wurde. Indessen ist es durchaus nicht schwer, den sämmtlichen wesentlichen Anforderungen genügend zu entsprechen, und wir dürfen uns deßhalb der Hoffnung hingeben, daß der Naphtalisirungs- oder Kohlungsproceß bald allgemeinere Anwendung finden wird. Denn nach Letheby steht die Thatsache unbezweifelt fest: jeder Grain gewöhnlicher Steinkohlennaphta erhöht die Leuchtkraft eines Kubikfußes von Londoner Gas um 4,5 Proc. (eine gute Naphta um 9 Proc.) und dieser Grain Naphta kostet nur ein Drittheil seines Aequivalentes an Londoner Gas. Natürlich wird der Kohlungsproceß nur für ein (an Leuchtkraft) so armes Gas, wie es das Londoner ist, wünschenswerth bleiben. Ein reiches Cannelkohlegas wird eine Kohlung nicht nur nicht erfordern, sondern auch gar keine Naphtadämpfe aufnehmen; es wird, anstatt beim Durchgang durch Naphta reicher zu werden, im Gegentheil einen Theil derjenigen Bestandtheile einbüßen, welche ihm die größte Leuchtkraft verleihen.