Titel: Versuche mit Nobel's Sprengöl beim Oberharzer Bergbau.
Fundstelle: Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CXVI., S. 478
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CXVI. Versuche mit Nobel's Sprengöl beim Oberharzer Bergbau. Aus der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1865, Nr. 34 und 35. Versuche mit Nobel's Sprengöl beim Oberharzer Bergbau. Seit Anfang des vorigen Jahres hat bekanntlich ein neues Sprengmittel, das Nitroglycerin, erfunden von dem schwedischen Ingenieur Nobel, viel von sich reden gemacht. Man hat dasselbe sowohl beim Bergbau, als auch in der Kriegskunst an vielen Orten auf seine Wirksamkeit versucht und im Allgemeinen die letztere bedeutender, als die des Pulvers gefunden. Hinsichtlich des Verhältnisses der Kraft des Nitroglycerins zu der des gewöhnlichen Pulvers weichen die Angaben sehr von einander ab. Man will eine 3–20fache, hier und da auch nur eine dem gewöhnlichen Pulver gleiche Wirkung nachgewiesen haben. Diese bedeutenden Abweichungen in der Vergleichung der Leistungen beider Sprengmittel werden keinen Fachmann befremden, wenn er die verschiedenen Eigenschaften und Zustände, welche unter den mannichfaltigsten Combinationen auf die Gewinnung des Gesteins influiren, berücksichtigt und die daraus und aus der Natur und Beschaffenheit der Sprengmittel selbst resultirenden Schwierigkeiten der Beurtheilung nicht außer Acht läßt. Von Versuchen, die man mit Sprengöl auf eigentlichen Grubenbauen angestellt hat, haben wir bis jetzt im Allgemeinen nur wenig und im geringen Maaße befriedigende Kunde erhalten können. So z.B. lautet das Urtheil über die neuerdings beim Steinsalzbergbau zu Staßfurt angestellten Versuche noch dahin, daß die Wirkung des Oels der des gewöhnlichen Pulvers kaum gleich zu erachten sei. Wir brauchen hierbei wohl kaum zu bemerken, daß das Wegthun einzelner Löcher noch zu keinem gültigen Urtheile führen kann, zumal für das neue Sprengmittel erst bergmännisch die richtige Besetzungs- und Zündungsweise aufgefunden werden muß und haben uns dieserhalb in diesen Blättern auch eines Berichtes über die bereits am 13. Mai in Gegenwart des Herrn Nobel hier am Harze angestellten Versuche mit Nobel'schem Sprengöl enthaltenEin Bericht über diese Sprengversuche wurde S. 168 in diesem Bande des polytechn. Journals aus dem „Berggeist“ mitgetheilt., um so mehr, da die Versuche wegen einer zu geringen Quantität des Sprengöls nicht weit genug ausgedehnt werden konnten und in Folge einer wahrscheinlich ungenügenden, vom Erfinder selbst angewendeten Besetzungsweise, die wenigen Löcher zum größten Theil versagten. Einige gute Erfolge dieser Versuche deuteten jedoch auf eine bedeutende sprengende Wirkung des neuen Schießmaterials, namentlich zwei in einem Steinbruch nahe bei Clausthal abgeschossene Löcher und ein einmännisches in der Grube Bergmannstrost vor einem sehr festen Orte hinweggethanes Sohlenloch. Die den ersten Löchern vorgegebenen ganz bedeutenden Grauwackenmassen wurden vollständig in sich zerrüttet und bei dem letzteren Loche von 15 Zoll Gesammttiefe und 1–3/4 Zoll Durchmesser genügte, nach Abrechnung einer 3 Zoll hohen (0,15 Pfd. schweren) Oelladung, ein 12 Zoll hoher Sandbesatz, um die erforderliche Wirkung – das Abheben in der Sohle – bei so starkem Einfallen des Loches, daß Pulverbesatz vergeblich verwendet worden wäre, zu erzielen. Nach diesen vorgängigen Versuchen veranlaßte das königl. Berg- und Forstamt zu Clausthal den Ankauf von 1 Ctr. genannten Sprengöls und ordnete ausgedehnte und maßgebendere Versuche an, um vollständige Klarheit in der Sache zu gewinnen. Die ersten Versuche dieser Art wurden am 11. und 12. August dieses Jahres unter Leitung des Herrn Bergrathes Koch und unter Assistenz mehrerer Oberharzer Bergbeamten im Trogthaler Steinbruche unterhalb Lautenthal ausgeführt und sollen im Folgenden näher beschrieben werden. Der Betrieb des Trogthaler Steinbruchs bezweckt die Gewinnung von Maurersteinen etc. aus den daselbst anstehenden Bänken der sogen. Culmgrauwacke. Die Mächtigkeit dieser Bänke wechselt von 1–10 F., die Lage derselben ist nahezu horizontal und eine für die Gewinnung sehr geeignete. Letztere geschieht bis jetzt durch Sprengung mit Pulver oder Hereintreiben mit der Brechstange und es folgt ihr als Nacharbeit ein Zersprengen der zu großen Gesteinsblöcke mittelst aufgesetzten Feuers. Zur Erzeugung einer passenden Form der hereinzugewinnenden Stücke wird zuerst seitlich in die stärkern Bänke ein einmännisches Loch mit angemessenem Vorgeben etwa 15–18 Zoll tief eingebohrt, besetzt und weggethan, um einen horizontalen Riß zu erzeugen. Ist dieses geschehen, so wird bei einem Vorgeben von etwa 2 Fuß ein zweites einmännisches Loch von oben bis auf einige Zoll von dem erzeugten Riß niedergebohrt und geschossen, wobei dann in der Regel zwischen 2 transversal hindurchsetzenden Zerklüftungsflächen (sogenannten Schlechten) ein Gesteinsblock von 5–20 Kubikfuß, selten darüber abgetrennt wird. Zur Gewinnung solcher Massen sind demnach zwei einmännische Löcher von 12–15 Zoll Tiefe erforderlich. Außer dem abgesprengten Gesteine wird dann häufig noch die umstehende Gesteinsmasse mit zerklüftet, namentlich wenn dazu schon die Tendenz da ist, und so zur nachfolgenden Gewinnung vorbereitet. Bei der versuchsweisen Anwendung des Oels ging man von der Absicht aus, mittelst vertical oder wenig geneigter Löcher von größerer Tiefe und unter stärkerem Vorgeben größere Gesteinsmassen mit einem Male hereinzugewinnen, dadurch eine bedeutende Zahl einmännischer Löcher zu ersparen und doch womöglich Gesteinsstücke von angemessenen Formen zu erhalten. Man wählte für die ersten 5 Löcher eine unten im Bruche anstehende circa 70–80 Zoll mächtige Grauwackenbank, die in Abständen von 80–100 Zoll von verticalen aber fest geschlossenen Querschlechten durchsetzt war, und setzte dieselben absichtlich nicht zu stark an, um für das Anweisen der Löcher nicht nur leichter und sicherer Erfahrung erkaufen zu können, sondern auch dem Wegthun mehrerer folgenden Löcher im ungünstigsten Falle nicht hindernd entgegen zu treten. Jedes dieser 5 Löcher erhielt 50 Zoll Tiefe und es wurden dieselben der Reihe nach bei 60, 70, 80, 90, resp. 80 Zoll Entfernung von der Stirn des Stoßes so angesetzt, daß sie etwa in der Mitte zwischen zweien der erwähnten Querschlechten zu stehen kamen und im Tiefsten noch 1 1/4–1 Zoll weit blieben. Das erste Loch am nördlichen Ende der hier allmählich gegen ein dahinter liegendes Längenschlächtes auslaufenden Bank erhielt als schwächstes Geschick 1/2 Pfd. Oel; dieses nahm 9 Zoll Höhe ein und es blieben demnach noch 41 Zoll für den Besatz übrig. Dieser wurde nach Nobel's Vorschrift durch Wasser hergestellt. Nachdem man nämlich die mit einem über das untere Ende geschobenen Zündhütchen versehene Bickford'sche Zündschnur bis etwa auf die Mitte der Oelladung eingelassen hatte, wurde der Raum über dem Oel mit Wasser gefüllt, die Schnur auf die zum Anzünden erforderliche Länge überstehend gelassen und mit einem ausgespurten Holzpfropfen oben im Loche befestigt. Nach dem ersten Anzünden brannte der Zünder erfolglos unterhalb des Holzpfropfens ab, man beseitigte diesen und befestigte den neu eingeführten Zünder mittelst Letten. Etwa 2 Minuten nach dem zweiten Anzünden erfolgte die Explosion in der erwünschtesten Weise. Das vorgegebene Gestein war nicht hinweggeschleudert, aber bis in die Sohle und die benachbarten Querschlächten hinein so vollständig zerrissen, daß es mittelst der Brechstange leicht beseitigt werden konnte. Das Besetzen des nächstfolgenden Loches geschah ganz in derselben Weise. Dasselbe erhielt aber auf 16 Zoll Höhe 3/4 Pfd. Sprengöl. Die Zündung ging unbehindert von statten und die Wirkung war eine noch vollständigere, als beim ersten Loche. Das vorgegebene Gestein wurde nicht nur vollständig zerrissen, sondern auch gehoben und in Blöcken an Ort und Stelle übereinander gethürmt, außerdem aber war das benachbarte dem 3. Loche vorgegebene Gestein schon durch einen starken, auf 1 Lachter Länge bis zum nächsten Querschlechten sich erstreckenden Riß aus seinem Zusammenhange gebracht und in Form eines 70 Zoll starken, eben so hohen und 80 Zoll langen Blockes um einige Zolle vorgeschoben. Hierdurch wurde das Wegthun des dritten Loches überflüssig. Das vierte Loch, 50 Zoll tief, 90 Zoll vom Stoße entfernt angesetzt, erhielt 1 Pfd. Oel; dieses nahm 19 Zoll Lochshöhe ein. Besetzung und Zündung dieselbe. Letztere erfolgte in erwünschter Weise. Die Wirkung war eine enorme, nicht nur das vorgegebene Gestein war vollständig aufgerissen, sondern auch das Wegthun des nächsten Loches entbehrlich gemacht, da das demselben vorgegebene Gestein bis auf 10 Fuß Länge auf die ganze Mächtigkeit der Bank durchrissen und um etwas auf der unterliegenden Schichtungskluft vorgeschoben war. Auf diese Weise erreichte man mit 3 Löchern eine Wirkung, auf die man 5 Löcher verwenden zu müssen glaubte. Man löste damit eine Masse von circa 50 Fuß Länge, 8 Fuß Stärke und 6 1/2 Fuß Höhe = 2600 Kubikfuß Gestein aus ihrem natürlichen Zusammenhange, so daß kein Stück unnöthiger Weise fortgeschleudert wurde. Freilich bedürfen die größeren Stücke noch fernerer Sprengungen zur weiteren Zerkleinerung. Mit diesen Versuchen begnügte man sich am Abend des 11. August, die übrigen Hauptversuche für den folgenden Tag sich vorbehaltend. Diese wurden zur festgesetzten Zeit in Gegenwart des Herrn Berghauptmanns von Linsingen und einiger anderen sich für die Sache interessirender Herren vom Oberharze und Communion-Unterharze ausgeführt. Man hatte an den zweckmäßigsten Ansetzpunkten Löcher bis zu 90 Zoll Tiefe niedergebracht und denselben auch bis zu 90 Zoll stark Gestein vorgegeben. Die Wirkungen des Sprengöls zeigten sich beim Wegthun dieser Löcher geradezu überraschend. Die anfangs angewandte Besetzung mit Wasser und die Zündung mittelst an die Schnur gesteckten Zündhütchens wollte nicht gelingen, trotz aller vorsichtigen Behandlung. Die Zünder brannten bei einigen Löchern zu wiederholten Malen erfolglos ab und zeigten sich bei dem Herausziehen theils stückweise am oberen Ende, theils ganz bis in's Oel hinein verkohlt. Es wurde nun zur Anwendung von Sandbesatz geschritten. Die Zünder wurden mit ihrem unteren Ende in eine mit Pulver gefüllte Holzhülse von etwa 3 Zoll Länge eingeschoben, befestigt und vorsichtig so in die Oelladung eingesenkt, daß kaum die Hälfte der Hülse in's Oel tauchte, alsdann ward Quarzsand in Körnern von 1 Millimeter Stärke bis oben aufgegeben. Diese Art des Besetzens hinderte die Zündung kein einziges Mal; es wurden ohne die geringste Schwierigkeit 6 Löcher hintereinander weggethan. Das zuerst weggeschossene Loch war 64 Zoll tief; erhielt auf 26 Z. 1 1/2 Pfd. Oel und warf circa 640 Kubikfuß Gestein in größeren Blöcken, wovon 1 Block 75 Kubikfuß haltend und circa 100 Centner schwer auf 3–4 Lachter hinweggeschleudert, das übrige Gestein aber in Blöcken übereinander geworfen war. Noch größere Wirkung zeigte das hiernach mit 2 Pfd. Oel auf 35 Z. abgeschossene Loch von 90 Zoll Tiefe und 90 Zoll starkem Vorgeben, es warf circa 1000 Kubikfuß = 1250 Ctr. Gestein in mehreren großen (über 100 Kubikfuß) und kleinen Blöcken, die vollständigst gelöst unregelmäßig über- und nebeneinander gelagert waren. Das folgende Loch, einen schwachen Zoll im Pulversack weit und 60 Zoll tief, warf von sehr fester Grauwacke ohne besonders günstige Zerklüftung bei 1 1/4 Pfd. schwerem, 31 Zoll Lochshöhe einnehmenden Oelbesatz circa 400 Kubikfuß. Ein anderes Loch, 75 Zoll tief, hatte 1 Lachter stark Gestein vor und wurde auf 30 Zoll Höhe mit 1 1/2 Pfd. Oel besetzt; es hob nicht nur das vorgegebene Gestein (circa 1100 Kubikfuß) hinweg, sondern riß hinter sich und in dem hohen freien Stoße wohl an 10–12 Fuß unter sich, so daß man mit Zuhülfenahme noch eines zweiten Loches ein paar Tausend Kubikfuß Gestein gewinnen wird. Ein anderes mit 2 Pfund Oel auf 31 1/2. Zoll Höhe besetztes Loch warf, bei 90 Zoll Tiefe und 90 Zoll Stärke des Vorgebens, an 700 Kubikfuß Gestein. Schließlich ist noch eines im riesigen Maaße angelegten Versuches zu erwähnen. Im unteren Trogthaler Bruche war auf einem von zwei freien verticalen Seiten und einer nahezu horizontalen (oberen) Fläche begrenzten Gesteinsvorsprunge, in je 12 Fuß Entfernung von den freien Seiten ein Loch 138 Zoll tief niedergebracht und im untern Theile kaum 1 Zoll weit. Dasselbe wurde mit 3 Pfd. Oel besetzt; diese nahmen 67 Zoll Höhe ein und darauf kam also noch 71 Zoll hoch Sand. Die Explosion erfolgte etwa 4–6 Minuten nach dem Anzünden der Schnur. Bei derselben hob sich die ganze Masse in der Mitte um 10–15 Zoll hoch in die Höhe und sank dann wieder zusammen. Auch hat man von tieferen Standpunkten aus eine seitliche Ausdehnung und nachfolgende Zusammenziehung wahrgenommen. Das Gestein blieb nach erfolgter Explosion freilich an Ort und Stelle, war aber nach den Richtungen seiner geringeren Cohärenz, in den aufeinander lagernden Bänken, so zerrissen, daß ein Abheben von mehreren Tausend Kubikfußen Steinen ohne große Schwierigkeiten wird erfolgen können. Die hiermit vor der Hand unterbrochenen Versuche werden nicht nur weiter fortgesetzt, sondern auch nach Anordnung königl. Berg- und Forstamts auf Grubenbaue und andere Zwecke, z.B. die Sprengung von Ofensauen ausgedehnt werden. Die vorstehend angegebenen Resultate lassen schon erkennen, daß das Sprengöl in Steinbrüchen, bei Wege-, Canal- und Eisenbahnbauten vortheilhafte Anwendung finden wird. Durch dasselbe wird auch die Sandbesetzung wieder in ein neues Stadium treten, da dieselbe voraussichtlich nicht einer solchen Höhe bedarf, als bei Anwendung von gewöhnlichem Pulver. Ueber weitere Verwendung des fraglichen Sprengöls und die ökonomische Seite derselben hoffen wir in Bälde unseren Lesern Nachträge bringen zu können. F. W.