Titel: Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren Städten; von Dr. Rob. Schmidt, Civilingenieur in Berlin.
Autor: Robert Schmidt
Fundstelle: Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIX., S. 314
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LXXXIX. Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren Städten; von Dr. Rob. Schmidt, Civilingenieur in Berlin. Schmidt, über Verwerthung der Dungstoffe in größeren Städten. Unter dem Titel: „Die Abfuhr und Verwerthung der Dungstoffe in verschiedenen deutschen und außerdeutschen Städten und darauf bezügliche Vorschläge für Berlin“ ist unlängst (im Verlag von Wiegandt und Hempel in Berlin) ein mit 4 lithographirten Tafeln versehenes Werk von 114 Octavseiten erschienen, welches Bericht erstattet über eine, von einer Commission in Deutschland, Belgien und Frankreich gemachte Reise, die auf Veranlassung des königl. preußischen Ministeriums für Landwirthschaft zur Untersuchung der betreffenden Verhältnisse gemacht wurde. Bei der großen Wichtigkeit dieses Gegenstandes in Bezug auf den Gesundheitszustand der Städtebewohner, auf Nationalökonomie und Landescultur, wollen wir hier, mit theilweiser Benutzung des citirten Werkes, jene Momente hervorheben, welche einerseits dem Leser die jetzt bestehenden Einrichtungen vor Augen führen, andererseits zeigen, wie der Mensch durch weise Anwendung seiner Kräfte auch auf diesem Felde noch reichlichen Lohn finden kann, und endlich erkennen lassen, wie viel nach dieser Richtung hin noch zu thun übrig geblieben ist. Die Stoffe, um welche es sich hier hauptsächlich handelt, sind einerseits die Auswurfstoffe, die Excremente des Menschen, andererseits die verschiedenen Küchen- und Hausabgänge, sowie auch der Straßenkehricht. Die bei weitem größere Beachtung verdienen jedoch die erstgenannten menschlichen Excremente, theils weil ihre Aufbewahrung und Fortschaffung aus sanitätlichen Gründen nicht ohne Schwierigkeit ist, theils weil sie einen nicht unbedeutenden Düngerwerth haben. Im Nachfolgenden werden wir uns deßhalb auch vorzugsweise mit diesen Stoffen beschäftigen und die weniger werthvollen nur in solchen Fällen ebenfalls berücksichtigen, wenn sie in irgend welcher Weise in Combination mit den menschlichen Auswurfstoffen treten. Die Art und Weise, wie man sich der erwähnten Stoffe theils zu entledigen, theils solche zu verwerthen sucht, ist verschieden, je nach den gestellten Anforderungen und gegebenen Umständen. In einer Anzahl von englischen Städten hat man z.B., die Verwerthung dieser Stoffe unberücksichtigt lassend, das Canalsystem eingeführt. Es laufen durch die Straßen Canäle, mit denen die Abfallröhren der Closets in Verbindung stehen, welche letztere bei jedesmaligem Gebrauche durch Wasser gereinigt und dadurch zugleich die Auswurfstoffe verdünnt werden. Diese Auswurfstoffe laufen also durch die Fallröhren nach den Canälen und aus diesen nach Flüssen. Ein solches System hat sich bekanntlich keineswegs empfehlenswerth dargestellt, da es theils die Flüsse und somit auch die Städte verpestet, theils eine Verwerthung der Excremente fast unmöglich macht. In den Städten des Festlandes, in welchen dieser Gegenstand von Seiten der Behörden ebenfalls besondere Beachtung gefunden, hat man sich bemüht, solche Anordnungen zur Ausführung zu bringen, welche nach jeder Richtung hin befriedigende Resultate zu gewähren versprechen und zum Theil auch geliefert haben. Diese Anordnungen bestehen im Allgemeinen darin, daß man die Excremente in geeigneten Behältern, wie gemauerte Gruben u.s.w., welche mit den Hausclosets in Verbindung stehen, sonst aber dicht verschlossen sind, ansammelt, diese Behälter zeitweise durch geeignete Vorrichtungen leert, die Latrinenstoffe in eigens dazu construirten Wägen fortschafft, und sie dann entweder im rohen oder combinirten Zustande zur Düngung der Ländereien benutzt. Im Nachfolgenden wollen wir nun einige Einrichtungen, wie sie in Städten des Festlandes bestehen, dem Leser specieller vor Augen führen und die financiellen Verhältnisse derartiger Organisationen mit berücksichtigen. Wir beginnen mit einigen in Deutschland gelegenen, zum Theil auch von uns besuchten Städten, woselbst die beregten Verhältnisse noch keineswegs im günstigsten Stadium sich befinden, berühren dann einige französische Städte und geben schließlich eine Uebersicht der Einrichtungen einer belgischen Stadt (Antwerpen), wo dieselben wohl am vollkommensten seyn möchten. Leipzig mit 80,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung der Excremente geschieht in Leipzig in zweierlei Weise, nämlich in gemauerten Gruben und in Tonnen (Kübeln). Der Grubeninhalt wird durch eiserne Kesselwagen fortgeschafft. Ein solcher Wagen trägt einen cylindrischen Kessel von 8 3/4 Fuß Länge und 3 Fuß Durchmesser, welcher mit den nöthigen Apparaten zum Ein- und Ausbringen der Excremente versehen ist. Zum Füllen des Kessels wird derselbe durch Dampf möglichst luftleer gemacht, indem man ihn von einem kleinen Dampfkessel aus mit Dampf füllt und dann sich abkühlen läßt. Durch Rohr- oder Schlauch-Verbindung der Kessel mit den Gruben wird nun der ziemlich flüssige Grubeninhalt in den Kessel getrieben. Die in den Gruben zurückbleibenden festeren Theile werden unter Desinfection in Kübeln ausgehoben und in vierräderigen Kastenwagen von 75 Kubikfuß Inhalt besonders fortgeschafft. Die ersterwähnte Operation kann, da sie geruchlos vor sich geht, zu jeder Tageszeit vorgenommen werden, die letztere dagegen nur zur Nachtzeit. – Die bereits erwähnten, zur Aufnahme und Fortschaffung der Excremente bestimmten Kübel haben die Form eines abgekürzten Kegels von 2 3/4 Fuß Höhe mit 18 und 20 Zoll Durchmesser; sie stehen beim Gebrauch mit den Fallröhren in Verbindung und sind für den Transport sicher verschließbar. Letzterer erfolgt auf einem zweipferdigen Plattform-Wagen, welcher 21 solche Kübel aufnehmen kann. Die Abfuhr der Auswurfstoffe wird in Leipzig von einem Unternehmer besorgt, der dazu auf Widerruf von der Stadt die Concession erhalten hat, und einen besonderen Pacht dafür nicht zahlt. Dagegen erhält er für das Fortschaffen der Excremente von den Hauswirthen festgesetzte Summen, nämlich für die Abfuhr eines gefüllten Kessels 20 Silbergroschen und für diejenige eines Kübels 2 1/2 Silbergroschen. Die Excremente werden von diesem Unternehmer größtentheils zu Poudrette verarbeitet, welche bei Leipzig sehr gesucht ist und wovon der Centner daselbst mit 1 1/4 Thlrn. verkauft wird. Das Fortschaffen und die Verwerthung des Straßenkehrichts steht in Leipzig in keiner directen Verbindung mit den bisher erwähnten Einrichtungen. Das Fegen geschieht nach gewissen Vorschriften von den Hauseigenthümern, die Fortschaffung aber von dem Magistrate, an welchen die Bauern für eine zweispännige Fuhre 1 Rthlr. bezahlen. Durch diesen Erlös werden nicht nur die Kosten für die Abfuhr gedeckt, sondern es wird sogar oft noch ein kleiner Ueberschuß erzielt. Dresden mit circa 130,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung der Excremente geschieht hier, wie in Leipzig, in Gruben und in Tonnen (Kübeln). Zum Fortschaffen des flüssigen Grubeninhalts dienen ebenfalls Kesselwagen, jedoch geschieht das Füllen derselben nicht durch selbstthätiges Einsaugen, sondern durch Pumpen. Diese sind entweder sogenannte Priesterpumpen, welche nach dem Princip der Blasebälge construirt, oder Saug- und Druckpumpen, die nach Art der Feuerspritzen eingerichtet sind. Die festeren Theile werden unter Desinfection vermittelst Kübeln herausgeschafft, und in eigens construirten Tonnen auf Wagen, nach Art der Brauerwagen, fortgeschafft. Die Abfuhr der schon oben erwähnten Latrinenkübel geschieht in geschlossenen Wagen. Die Excremente werden zum Theil im rohen Zustande an Bauern per Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) mit 2–3 Silbergroschen verkauft, oder zu Poudrette verarbeitet, von welchen der Centner am Platze mit 1–1 1/4 Thlr. abgegeben wird. Es bestehen in Dresden zwei Gesellschaften, welche das ausschließliche Recht zur Abfuhr der Auswurfstoffe haben: nämlich der sogenannte „Hausbesitzerverein“ und der „Actienverein für Düngerexport,“ dessen Utensilien jetzt dem Magistrate gehören, der sie an einen Unternehmer verpachtet hat. Letzterer zahlt dem Magistrat einen jährlichen Pacht von 930 Rthlr. Wie in Leipzig, so müssen auch in Dresden die Hauseigenthümer für das Räumen der Gruben u.s.w. den Unternehmern bezahlen. Bei Räumung von Gruben ist nämlich zu zahlen: für jede Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) entleerten Stoffes 3–7 Sgr., je nach Lage der Grube und Beschaffenheit ihres Inhalts; bei Abholung von Latrinenfässern, je nach der Zahl, per Stück 7 1/2 bis 10 Sgr. München mit 175,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung der Excremente findet hier ausschließlich in Gruben statt, nach welchen Abfallröhren gehen und die eine Größe von circa 112 Kubikfuß haben. Die auf Wagen ruhenden Gefäße, in welchen die Latrinenstoffe abgefahren werden, sind tonnenförmig gestaltet und aus Holz hergestellt; sie haben einen Inhalt von circa 66 Kubikfuß. Die zwei Abfuhrunternehmer Münchens arbeiten mit zwei verschieden construirten Pumpen; der eine nämlich mit Saug- und Druckpumpen, welche nach Art der Feuerspritzen construirt sind, der andere mit Schiettinger'schen SchieberpumpenBeschrieben im polytechn. Journal Bd. CLXXIV S. 256., welche ähnlich wie liegende Dampfmaschinen gebaut sind. Um beim Füllen der Tonnenwagen die sonst entweichenden und übelriechenden Gase für die Umgebung unwirksam zu machen, werden dieselben mittelst eines Apparates verbrannt, welcher aus einem tonnenförmigen Behälter besteht, der zum Theil mit Wasser gefüllt ist und dessen oberer Boden ein Rohr trägt, worin ein kleiner Rost angeordnet ist, auf welchem während des Betriebes ein Holzkohlenfeuer unterhalten wird; nach dem unteren Theile dieses Apparates führt ein, von der Tonne herkommendes Luftrohr, und beim Durchgehen der Luft durch das Feuer wird dieselbe verbrannt. Was die financielle Seite des Abfuhrwesens in München betrifft, so bezahlen die Hauseigenthümer den Unternehmern, welche an die Stadt keine Abgabe entrichten, für das Abholen von so viel Excrementen als einen Tonnenwagen (66 Kubikfuß) füllen, 2 fl., während die Bauern den Unternehmern für den Inhalt eines Tonnenwagens nur 1 fl. bezahlen. Der größte Theil der Excremente wird in der Umgegend von München von den Bauern und zwar im rohen Zustande verbraucht. Carlsruhe mit 25,762 Einwohnern. – Für die Bürgerhäuser befindet sich Carlsruhe in Bezug auf die Abfuhr der Dungstoffe in einem noch sehr primitiven Zustande, und bieten hier die städtischen Einrichtungen nichts Bemerkenswerthes dar. Die Aufsammlung der Abtrittsstoffe findet nämlich in Gruben statt, in welche zugleich auch der Straßenkehricht gethan wird, da das Kehren der Straßen den Bürgern obliegt und besondere Fuhrwerke zum Abholen für dieselben nicht existiren. Das Gemenge von Excrementen und Straßenkehricht, eine dicke Masse, wird dort von Bauern abgeholt, welche aber dafür von den Hauswirthen nichts erhalten, sondern die Abholung entweder frei besorgen oder bei günstiger Lage der Grube für eine etwa 3 Wagen haltende den Wirthen noch 3–5 fl. bezahlen. Wie sehr indeß die Excremente als Dungstoffe in der Umgegend von Carlsruhe gesucht und geschätzt sind, beweist der Umstand, daß die großherzoglich badische Garnisons-Verwaltung aus den in ihren Gebäuden sich sammelnden Abtrittsstoffen sehr bedeutende Summen löst. Die Ansammlung der Excremente in den großherzoglichen Gebäuden, deren Anzahl zehn beträgt, geschieht, je nach Anzahl der Bewohner, entweder in Gruben oder in sogenannten Bohlenkästen. Die Gruben werden unter Desinfection mit den einfachsten Hülfsmitteln geräumt. Ein Bohlenkasten der erwähnten Art hat einen Inhalt von circa 116 preuß. Kubikfuß und ist im Erdgeschoß des Gebäudes so aufgestellt, daß sein Boden circa 5 1/2 Fuß vom Fußboden entfernt ist. Zur Entleerung eines solchen Kastens und Fortschaffung seines Inhalts dient ein Kastenwagen von 65 Kubikfuß Inhalt, welcher unter den Bohlenkasten geschoben in einfachster Weise gefüllt und später fortgefahren wird. Die Abfuhr geschieht durch Landwirthe, welche in Licitations-Terminen das Recht der Abholung des Düngers für ein oder das andere Gebäude, und zwar immer für ein Jahr, erstehen. Im Jahre 1864 wurde für die zehn großherzoglichen Gebäude die Summe von 2040 Thlrn. 25 Sgr. Pacht an die Garnisonsverwaltung bezahlt! Hierbei bleibt noch erwähnenswerth, daß den Landwirthen der Dünger durch sehr bedeutende Nebenausgaben, wie das Abfahren der Stoffe u.s.w., noch viel höher zu stehen kommt, als die angeführte Summe angibt, während auch die Garnisons-Verwaltung einige Unkosten für Instandhaltung der Gruben und Wagen hat. Die französischen Städte, welche von der Commission besucht wurden, bieten in Bezug auf die Einrichtungen und Apparate gegen das bisher Vorgeführte nicht viel Eigenthümliches dar, wenn auch die Administration in den verschiedenen Städten zum Theil abweichend von derjenigen in den bereits erwähnten deutschen Städten ist. – Man sammelt die Excremente fast ausschließlich in gemauerten Gruben, welche durch Schlote mit den verschiedenen Etagen in Verbindung stehen, entleert dieselben durch Pumpen, wie sie bereits erwähnt sind, und führt sie durch luftdicht schließende Tonnen ab. Was die Administration anbetrifft, so bestehen z.B. in Lyon drei Unternehmer, welche zusammen für das Recht die Auswurfstoffe abzuholen und weiter in ihrem Nutzen zu verwenden, an die Stadt eine jährliche Abgabe von 120,000 Frcs. oder per Kubikmeter Excremente 1 Fr. 25 Cent. zahlen, wogegen die Hauswirthe für das Abholen von 1 Kubikmeter Excremente an die Unternehmer durchschnittlich 1 Fr. 50 Cent. entrichten. Die Ausräumung der Gruben vollzieht sich also für die Hauswirthe zu einem sehr niedrigen Preise, und die Unternehmer arbeiten dabei mit ziemlich hohem Gewinne, da sie von den Bauern für jeden Kubikmeter Latrinenstoff 1 Fr. 50 Cent. erhalten. In ähnlicher Weise vollziehen sich die pecuniären Verhältnisse in anderen französischen Städten: die Abfuhr der Dungstoffe geschieht für die Stadt entweder kostenlos oder doch zu einem sehr niedrigen Preise. Am vollkommensten findet man das Abfuhrwesen der Dungstoffe in belgischen Städten organisirt, wo meist die betreffenden Städte noch eine, oft nicht unbedeutende Rente daraus beziehen. Als Musterstadt betrachten wir in Bezug hierauf specieller die Stadt: Antwerpen mit 170,000 Einwohnern. – Hinsichtlich der Einrichtungen und Apparate, welche zur Sammlung und Fortschaffung der Excremente dienen, bietet Antwerpen gegen andere Städte wenig Neues dar. Man sammelt die Excremente ausschließlich in gemauerten Gruben, bedient sich zur Entleerung derselben der bereits unter Dresden erwähnten Priesterpumpen, und zur Fortschaffung der ebendaselbst beschriebenen Wagen mit eisernen Cylindern, die hier alle einen Inhalt von 48,5 Kubikfuß haben. Abweichend von anderen Städten wird hier der Latrinendünger in drei verschiedenen Qualitäten verkauft, welche wohl nur von dem Kenner unterschieden werden können, und hauptsächlich durch den Ursprung des Stoffes bedingt sind. Eine Vermischung der Auswurfstoffe mit anderen Körpern für die Verwendung in der Landwirthschaft findet nirgends statt. Obgleich eine große Nachfrage nach diesen Dungstoffen ist, so hat man doch zwei Lagerorte zur Aufbewahrung des nicht sogleich verkäuflichen Düngers angelegt, welche indessen nicht viel zur Benutzung kommen. Da nicht aller Latrinendünger in der nächsten Umgebung von Antwerpen verwendet werden kann, so findet eine nicht unbedeutende Ausfuhr desselben sowohl zu Lande als besonders zu Schiffe statt; letztere erstreckt sich bis auf 10 Meilen von Antwerpen. Was Antwerpen besonders beachtenswerth macht ist, daß seit dem Jahre 1862 das Geschäft alle Unreinigkeiten aus der Stadt fortzuschaffen nicht in mehreren Händen, sondern in einer einzigen Hand liegt, welche die städtische Verwaltung selbst ist. Hierdurch ist es möglich geworden, alle Dienstzweige in einander greifen zu lassen, und eine Anstalt in's Leben zu rufen, wie solche bisher noch in keiner Stadt besteht. Der gesammte Dienst theilt sich in Antwerpen in drei bestimmt unterschiedene Zweige, nämlich: die eigentliche Straßenreinigung, die Entfernung der Abfälle der Haushaltungen nebst Schutt und Abraum, und endlich die Gewinnung des Latrinen-Inhalts. An der Spitze des ganzen Instituts steht ein Director, welchem die nöthigen Controleure und Bureau-Arbeiter zur Seite gestellt sind. Außer den erforderlichen fest angestellten Stallknechten, welche die Pferde zu überwachen haben, hält das Institut auch einen Thierarzt, mehrere Schmiede, Stellmacher und Sattler zum Instandhalten der Utensilien. – Das Inventarium besteht aus 28 Tonnenwagen, 45 Kehrichtwagen, 13 Tonnenwagen zur Besprengung der Straßen, 13 Priesterpumpen, etwa 40 Pferden und 8 Transportschiffen. Mit diesem Inventarium und dem nöthigen Personal stellt sich der Dienst in den verschiedenen Zweigen folgendermaßen: Das Reinigen der Straßen geschieht in Antwerpen in zweierlei Weise. In einem Theile der Stadt müssen nämlich die Straßen von den Bürgern gekehrt und der Kehricht zu Haufen gebildet werden; die umherfahrenden Wagen (tours), haben hier nur die Aufgabe den Kehricht aufzunehmen und fortzuschaffen. In den anderen Stadttheilen werden aber die Straßen auch von dem einen Kehrichtwagen (troup) begleitenden Personal gefegt (2 Männer und 9 Weiber) und dann fortgeschafft. – In jedem Falle werden von diesen Wagen auch die Hausabfälle mitgenommen, welche die Hausbewohner rechtzeitig in Körben, Molten auf die Straßen setzen. Ein Kehrichtwagen hat einen Inhalt von circa 1 Kubikmeter und man zahlt für den Inhalt eines solchen circa 2 Fr. – Uebrigens dienen diese Wagen gleichzeitig zum Fortschaffen von Schutt u.s.w. und der Eigenthümer hat für das Fortschaffen jeder Fuhre circa 75 Cent. zu zahlen. Das Reinigen der Gruben und das Abführen der in denselben befindlichen Dungstoffe geschieht, wie schon erwähnt, mittelst der Priesterpumpen und Kesselwagen, der weitere Transport mittelst Schiffen. Um der städtischen Verwaltung den sämmtlichen Latrinen-Inhalt der Stadt (bis jetzt erstreckt sich die geregelte Organisation nur auf die innere Stadt mit 92,000 Einwohnern) zugänglich zu machen, ist von derselben eine Verordnung erlassen, wornach jeder Eigenthümer, wenn er über die Latrinenstoffe seines Hauses frei verfügen will, eine Abgabe von 1 Fr. 50 Cent. per Hektoliter zu zahlen hat. Da diese Summe einerseits den Handelswerth der Dungstoffe übertrifft, andererseits der Eigenthümer auch nur mit den vorgeschriebenen Apparaten reinigen kann, so wird diese Abgabe factisch nie gezahlt, und die Dungstoffe bleiben der Stadt überlassen. Für die Reinigung der Gruben hat indeß jeder Eigenthümer der städtischen Verwaltung 18 Cent. per Hektoliter zu entrichten. Die Verwaltung verkauft die Latrinenstoffe im Durchschnitt zu folgenden Preisen: 1 Hektoliter erster Qualität mit 1 Fr. 8 Cent., 1 Hektoliter zweiter Qualität mit 75 Cent., und 1 Hektoliter dritter Qualität mit 35 bis 45 Cent. Die Qualitäts-Classen werden bestimmt theils nach der größeren oder geringeren Dichtheit der Masse, theils nach dem bekannten Ursprungsorte der Stoffe, da die Lebensweise der verschiedenen Bevölkerungsclassen Einfluß auf die Güte der Dungstoffe hat. Die Abfuhr und Verwerthung der Latrinenstoffe bilden den eigentlichen einträglichen Theil des Unternehmens, denn die Straßenreinigung erforderte in früheren Jahren, als die Vereinigung derselben mit der Abfuhr der Latrinenstoffe noch nicht stattfand, einen bedeutenden Zuschuß von Seiten der Stadt. Die günstige financielle Lage der jetzt bestehenden Organisation, welche, wie bereits erwähnt, sich auf die innere Stadt beschränkt, ergibt sich aus den uns vorliegenden Daten für das Jahr 1864. Die Einnahmen für die sämmtlichen Dungstoffe betrugen 190,000 Fr.; die Ausgaben dagegen für Gehalte, Löhne und Instandhaltung der verschiedenen Utensilien 118,000 Fr.; dieß ergibt einen Reingewinn von 72,000 Fr. = 19,440 Thalern, und man hofft, daß dieser sich von Jahr zu Jahr noch steigern wird. Was die Abfuhr und Verwerthung des übrigen thierischen Düngers, wie Pferde- und Kuhmist, anbetrifft, so hat die städtische Verwaltung diese nicht in den Kreis ihres Instituts gezogen, sondern den Eigenthümern selbst überlassen. Es werden jedoch auch diese Stoffe zu hohen Preisen abgegeben; so zahlt man z.B. für einen zweiräderigen Karren Pferdemist, wie ihn ein gutes Pferd fortziehen kann, 7 1/2 Fr., und für einen eben solchen Karren Kuhmist 10–12 Fr. Indem wir den Leser, welcher sich für den besprochenen Gegenstand speciell interessirt, auf das oben citirte Werk verweisen müssen, bemerken wir schließlich, daß die in den verschiedenen Städten gesammelten menschlichen Excremente in der Landwirthschaft in verschiedener Form verwendet werden. Am meisten verbreitet finden wir das Verfahren, diese Stoffe im natürlichen Zustande anzuwenden, was darauf schließen läßt, daß es zugleich das vortheilhafteste ist. Viel weniger finden wir dagegen das Verfahren angewandt, die Excremente mit anderen Stoffen zu mischen und als Poudrette oder Compost in den Handel zu bringen. Der Grund davon möchte der seyn, daß einerseits der Landwirth beim Kauf solcher Compositionen nicht sicher auf die Zusammensetzung derselben schließen kann, andererseits aber auch in Wirklichkeit der Handelswerth solcher Producte durch die erforderliche Umarbeitung des Rohmaterials zu hoch wird. – In dieser Beziehung möchte es auch fraglich erscheinen, ob die zwei neuerdings angeregten Verfahrungsarten zur Sammlung der Dungstoffe, dasjenige von Mosselmann in Paris und das Müller-Schür'sche Verfahren (in Stettin), – welche beide sich dadurch charakterisiren, daß die Excremente einen bedeutenden Zusatz von Kalk erhalten, – im landwirthschaftlichen Publicum die Aufnahme finden werden, welche sie in anderen Beziehungen wohl verdienen möchten.