Titel: Ueber die Erzeugung hoher Temperaturen mittelst Leuchtgas und atmosphärischer Luft; von Th. Schlösing.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LVI., S. 221
Download: XML
LVI. Ueber die Erzeugung hoher Temperaturen mittelst Leuchtgas und atmosphärischer Luft; von Th. Schlösing. Aus den Comptes rendus, t. LXI p. 1131; December 1865. Schlösing, über die Erzeugung hoher Temperaturen mittelst Leuchtgas und atmosphärischer Luft. Bisher wurden von Seite der Chemiker die Vortheile, welche das Leuchtgas als Wärmequelle darbietet, noch nicht hinreichend benutzt. Die in den Laboratorien gebräuchlichen Apparate geben höchstens die Temperatur der beginnenden Weißgluth, sofern nicht die atmosphärische Luft durch Sauerstoff ersetzt wird, wie dieß bei den von Henri Sainte-Claire Deville und Debray erfundenen Apparaten der Fall ist.Polytechn. Journal Bd. CLIV S. 130. Und doch drängt sich, wenn man die durch die Verbrennung des Gases mit der genau hinreichenden Luftmenge erzeugte Temperatur berechnet, oder wenn man nur an den Glanz eines Gasbrenners denkt, die Ueberzeugung auf von der Möglichkeit hohe Temperaturen durch die bloße Verbrennung des Leuchtgases in atmosphärischer Luft hervorzubringen. Die Frage dreht sich nur um die passenden Apparate, und die Lösung dieser Frage habe ich mir zur Aufgabe gemacht. Dabei hatte ich zwei Hauptbedingungen zu erfüllen; nämlich 1) eine ohne Ueberschuß von Luft, wie ohne Ueberschuß von Gas erfolgende und in dem zu erhitzenden Raume vollständig stattfindende Verbrennung; 2) eine hinreichend große Geschwindigkeit beider Gasarten zu erzielen, um die hohe Temperatur zu unterhalten, trotz den durch die Wandungen jenes Raumes verursachten oder durch einen sonstigen Wärmeverbrauch bedingten Wärmeverlusten. Hinsichtlich der zweiten Bedingung erinnere ich daran, daß bei den meisten, die Anwendung hoher Temperaturgrade erfordernden Arbeiten im Laboratorium oder in technischen Werkstätten der Wärmeverlust durch die Wandungen des Heizraumes die vorzüglichste Ursache des Abkühlens der zu erhitzenden Gefäße ist. Dieser Verlust ist der Ausdehnung oder der Oberfläche der Wandungen des Heizraumes proportional; darauf beruhen die Vorzüge größerer Oefen gegenüber den kleineren, selbst wenn wir nur die beste Ausnutzung der Wärme in Betracht ziehen, indem die Menge der in den Oefen behandelten Materialien im Verhältnisse der dritten Potenzen ihrer Dimensionen, der Wärmeverlust dagegen, und somit das zu ersetzende Wärmequantum, nur im Verhältnisse der zweiten Potenzen wächst. Jene beiden Bedingungen werden durch die im Nachstehenden beschriebene Vorrichtung realisirt. In ein kupfernes Rohr von 3 bis 4 Decimeter Länge wird durch ein engeres, in jenes an einem Ende einige Centimeter hineinragendes Rohr, Luft injicirt. Ein wenig hinter der Mündung dieses letzteren ist das Kupferrohr mit zwei, einander gegenüber stehenden Löchern durchbohrt und an dieser Stelle von einem Muff umgeben, in welchen das Gas eingeleitet, von dem Luftstrom angesogen, fortgerissen und so mit der Luft gemischt wird. Man kann sich das Spiel dieses Apparates am besten verdeutlichen, wenn man sich eine Bunsen'sche Lampe vorstellt, in welcher der Zutritt der Luft und des Gases umgekehrt sind, so daß also die sehr erweiterte für das Gas bestimmte Oeffnung die Luft zuführt, während durch die Luftlöcher das Gas ausströmt. Selbstverständlich wird bei meinem Apparate das Zuströmen des Gases durch einen Hahn regulirt; die Menge der einziehenden Luft wird dagegen durch einen bestimmten Druck geregelt. Zündet man das auf diese Weise erhaltene Gasgemisch an der Luft an, so erhält man eine große blaue Flamme, deren Heizkraft nicht größer als die eines gewöhnlichen Löthrohres mit gleichem Luftverbrauch zu seyn scheint; tritt aber der Flammenkegel, ohne äußere Luft mitzureißen, in eine aus feuerfestem Material bestehende Hülle, so wird die Flamme, welche ich durch ein Gemisch von Gas und Luft in theoretischen Proportionen erzeugt voraussetze, sehr kurz, und die Verbrennung erfolgt in einem engen Raume vollständig, ohne Zweifel wegen der beim gleichzeitigen Durchströmen beider elastischen Flüssigkeiten durch eine und dieselbe Röhre bewirkten innigen Mischung und gegenseitigen Durchdringung derselben. Gefahr ist von diesem explosiven Gasgemisch nicht zu befürchten. Denn aus den von Demondésir und mir gemeinschaftlich angestellten Untersuchungen ergibt sich, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Verbrennung in einem weiten Rohre, für das der Theorie entsprechende Gemisch von Leuchtgas und Luft höchstens 5 Meter per Secunde beträgt; da nun die Ausströmungsgeschwindigkeit des Gasgemisches bei meinem Löthrohre bedeutend größer ist, so kann die Flamme nicht zurückschlagen und im Inneren des Rohres weiter fortbrennen. Das die Luft zuführende Gebläse braucht kein besonders kräftiges zu seyn, indem eine Pressung von 15 bis 20 Centimeter Wassersäule vollkommen hinreicht. Wohl zu beachten ist aber, daß die verbrannten Gase ungehindert in den Ofen treten können und einen genügenden Abzug finden, sonst würde man der Gefahr ausgesetzt seyn, daß Luft in die Gasleitungsröhren zurückschlägt. Ich benutze ein Gebläse von Enfer,Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CLXXII S. 261. dessen Wirkung ich dadurch regulire, daß in den Wind in eine Art Gasometer treten lasse, welcher in einer großen, aus Zinkblech angefertigten, feststehenden Glocke besteht, die von einem mit Wasser gefüllten Mantel umgeben ist. Ein Manometer an demselben gibt die Pressung des Windes an. Das Zuströmen des Gases wird durch einen Hahn regulirt, dessen durch eine Stange verlängerter Schlüssel sehr kleine Bewegungen ausführen kann. Daß das Gasgemisch seiner theoretischen Zusammensetzung möglichst nahe gekommen ist, erkenne ich daran, daß ich bei zwei einander sehr nahen Stellungen des Hahnschlüssels abwechselnd eine Oxydations- und eine Reductionsflamme erhalte, was ich mittelst eines starken Kupferdrahtes, den ich an die Mündung des Ofens halte, unterscheiden kann. Um ein Porzellanrohr zum Weißglühen zu erhitzen, stecke ich auf die Spitze des Löthrohres einen plattgedrückten Trichter, durch welchen die cylindrische Gasflamme eine flache Gestalt erhält; der Rand dieses Trichters kommt zwischen zwei, durch Eisendraht zusammengehaltene Backsteine von feuerfestem Thon zu liegen, von denen der eine vorher so mit der Feile bearbeitet ist, daß, wenn er an den zweiten gelegt wird, ein spaltförmiger Hohlraum entsteht, der die Fortsetzung des Trichters bildet und in welchem sich die flache Gasflamme nach vorn zu immer mehr verbreitet, bis sie aus einem von ihr ganz ausgefüllten Spalte oder Schlitze von 11 bis 18 Centimeter Länge auf 2 bis 3 Millimeter Breite hervortritt. Erst an dieser Stelle brennt sie, vorausgesetzt, daß ihre Geschwindigkeit beim Austritte größer als die schon angegebene Grenze ist. Ich vermeide dabei, das zu erhitzende Porzellanrohr dem Schlitze zu nahe zu bringen; sonst würde das Porzellan in der ganzen Länge der vom glühenden Flammenrande getroffenen Linie schmelzen. An beide Seiten und beide Enden des Schlitzes stelle ich vier Stücke von feuerfesten Ziegelsteinen, so daß die Flamme in einen Raum von 1 bis 2 Centim. Breite auf 5 bis 6 Centim. Höhe eingeschlossen wird; ein wenig darüber bringe ich das Porzellanrohr an und umgebe dasselbe gleichfalls mit Ziegelstücken, welche vorher passend zugeschnitten sind. Die durch das Rohr getheilte Gasflamme umspült dasselbe, vereinigt sich über ihm wieder und entweicht durch einen Längsschlitz. Selbstverständlich muß die Hitze im Anfange allmählich gesteigert werden; zuerst gebe ich nur wenig Wind und öffne darauf langsam den Gashahn, bis ich die Minimalgrenze der Entzündlichkeit des Luft- und Gasgemisches kaum überschreite. Ungeachtet des Ueberschusses an Luft findet dann eine nur sehr unvollständige Verbrennung statt; der Wasserstoff verbrennt, der Kohlenstoff hingegen verwandelt sich zum größten Theile nur in Kohlenoxyd; dennoch ist die Temperatur nur wenig hoch und wird vom Porzellanrohre ganz gut ertragen, ohne daß es reißt. Dann verstärke ich nach und nach den Wind und das Verhältniß des Gases; nach fünf Minuten habe ich den Gang des Verbrennungsprocesses erreicht, welchen ich einzuhalten beabsichtige. Beim Erhitzen eines Schmelztiegels verfahre ich in anderer Weise. Zwei flach neben einander gelegte feuerfeste Backsteine bilden den Sockel oder Boden des Tiegelofens; in der Mitte desselben stelle ich den Tiegel auf einen Käse und bilde aus Backsteinstücken von gleicher Höhe, die durch Eisendraht zusammengehalten werden, den Ofenmantel. Dieser Mantel ruht auf vier Unterlagen, so daß zwischen ihm und dem Sockel ein freier Raum von 3 bis 4 Millim. Höhe bleibt; er wird mit einer feuerfesten Thonplatte bedeckt, welche in der Mitte mit einer zur Aufnahme des Löthrohres dienenden Oeffnung versehen ist. Auf diese Weise wird von obenher erhitzt; die Flamme schlägt auf den Deckel, breitet sich auf demselben aus, tritt hinab und entweicht durch die von den Unterlagen gebildete ringförmige Spalte. Es ist einleuchtend, daß man die Gestalt der Flamme, sowie die Form des Mantels, den zu erhitzenden Gegenständen entsprechend, auf mannichfaltige Weise abändern kann. Die Chemiker, welche mein Heizverfahren versuchen, werden wahrscheinlich über die Wirkungen desselben sich verwundern. Ich habe in einem Pariser Tiegel ein 400 Grm. schweres Stück Schmiedeeisen binnen zwanzig Minuten geschmolzen; binnen derselben Zeit habe ich Röhren aus der Fabrik in Bayeux so zusammengeschmolzen, daß das Porzellan in durchscheinendes Glas verwandelt war. Und man darf nicht glauben, daß dabei übermäßig viel Leuchtgas verbraucht wird; ich habe die Menge desselben näherungsweise gemessen und gefunden, daß, um ein Porzellanrohr von 20 Millimeter Durchmesser und 18 Centimeter Länge zwanzig Minuten lang zum Weißglühen zu erhitzen, ungefähr 250 Liter Gas nöthig waren; zum Schmelzen der erwähnten 400 Grm. Eisen verbrauchte ich 400 bis 500 Liter. Die Gefahr, die Porzellanröhren zu schmelzen, macht einige Vorsichtsmaßregeln nöthig; gewöhnlich verbinde ich das eine Ende derselben mit einem Kolben mit geschwärztem Boden, durch den hindurch ich die Wirkungen der Wärme auf das Porzellan beobachte; soll ein Gas durch das Rohr geleitet werden, so muß der Kolben eine Tubulatur haben. Sobald ich bemerke, daß das Rohr seine Form zu verlieren beginnt, lasse ich die Windführung etwas schwächer werden. Es ist übrigens sehr zu rathen, die dem beginnenden Schmelzen des Porzellans entsprechende Pressung des Gebläsewindes bei den ersten Schmelzversuchen mit diesen Apparaten genau zu bestimmen, und bei den späteren Operationen dann mit einer geringeren Pressung zu arbeiten. Offenbar liegt es stets im Interesse des Chemikers, den Durchmesser des Löthrohres möglichst groß zu nehmen, um die Arbeit des Gebläses zu verringern, er muß aber dabei berücksichtigen, daß die Ausströmungsgeschwindigkeit des Gasgemisches eine Minimalgrenze hat, welche stets überschritten werden muß.