Titel: Ueber die Basen des Stahls; von H. Caron.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LVIII., S. 228
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LVIII. Ueber die Basen des Stahls; von H. Caron. Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 296; Februar 1866. Caron, über die Basen des Stahls. Der Gußstahl im Allgemeinen, namentlich aber diejenigen Sorten desselben, welche im Handel als weiche bezeichnet werden, weil ihre Härte durch Ablöschen nur wenig verändert wird, besitzen die Eigenschaft, unter Umständen blasig zu werden. Zur Vermeidung dieser Blasen oder doch zur Verminderung ihrer Anzahl und ihrer Dimensionen, pflegt man unmittelbar nach dem Gusse auf das flüssige Metall ein Stück Roheisen zu legen, welches genau in die Gießform paßt. Dieser Deckel wirkt hauptsächlich dadurch, daß er die Oberfläche des geschmolzenen Metalles, mit welcher er in Berührung kommt, abkühlt, sie zum Erstarren bringt und dadurch verhindert, daß Gase aus derselben entweichen und jene zahlreichen Hohlräume und Blasen hinterlassen, durch welche, ohne Beobachtung dieser Vorsichtsmaßregel, die Güte des Gußstahls beeinträchtigt werden würde. Die Blasen des Stahls sind von zweierlei Art. Die einen, mit Wandungen von metallischem, eisenfarbigem Ansehen scheinen durch ein Gas hervorgerufen zu werden, welches unfähig ist das Metall zu oxydiren; die Blasen dieser Art walten der Zahl nach vor. Die der zweiten Kategorie angehörenden Blasen zeigen die bunten Farben des in Gegenwart eines oxydirenden Gases erhitzten Eisens oder Stahls; sie sind weit seltener als die der ersten Art und finden sich fast nur an der Oberfläche der Gänze oder Güsse. Allgemein wird angenommen, daß die Entstehung der die Wandungen dieser Hohlräume bekleidenden dünnen Oxydschicht durch die Berührung der Luft in dem Momente wo die Blase berstet, verursacht wird. Hiernach ist mit Berücksichtigung der chemischen Beschaffenheit der Atmosphäre oder der Körper, welche mit dem Metalle während seiner Schmelzung in Berührung kommen können, als sicher anzunehmen, daß Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff oder ein Gemisch dieser Gase die einzig möglichen Ursachen der erwähnten Blasen sind. In dieser Beziehung hätte mir, wie ich recht gut weiß, die Analyse Aufschluß geben können; leider aber besteht die erste Schwierigkeit, welche sich darbietet und die meiner Ansicht nach beinahe unüberwindlich ist, darin, die Gase der Blasen in reinem Zustande aufzufangen; auch haben die auf diesem Wege angestellten Untersuchungen zu gar keinem Resultate geführt, welches eine genügende Erklärung dieser Erscheinung zu geben im Stande wäre. Ich sah mich daher genöthigt, einen anderen Weg einzuschlagen. Stammen diese Gase aus der Atmosphäre des Herdes her und sind sie als solche von dem flüssigen Metalle absorbirt worden? Wenn sie nicht unmittelbar und ohne vorherige Umwandlung aus dem das letztere umgebenden Gasmedium herstammen, wie und aus welchem Grunde entwickeln sie sich im Momente des Erstarrens des Metalles? Endlich, wie läßt sich die Bildung dieser Blasen vermeiden? Dieß sind die Fragen, welche ich mir stellte und auf experimentellem Wege zu lösen versuchte. Der in einem Tiegel aus feuerfestem Thone eingeschmolzene und einem langsamen Erkalten überlassene Stahl ist stets mit Blasen erfüllt, deren Wandungen krystallinische Bildungen zeigen; oft sogar, wenn die Ofengase in ziemlich bedeutender Menge in den Tiegel gedrungen sind, zeigt sich auf dem Stahlregulus eine metallische, löcherige Efflorescenz von beträchtlichem Volum. Bei Stabeisen dagegen tritt diese Erscheinung niemals auf; mit Ausnahme einer durch das Schwinden hervorgebrachten centralen Höhlung oder Einsenkung sind die Könige von umgeschmolzenem Schmiedeeisen stets ganz glatt und das Eindringen von Herdgasen in den Tiegel veranlaßt niemals eine blasige Efflorescenz. Diese Versuche habe ich sehr oft wiederholt; ich gebrauchte bei denselben das Schlösing'sche Löthrohr, dessen bequeme und zugleich einfache Anwendungsweise eine rasche Erzeugung der für meine Zwecke erforderlichen hohen Temperaturgrade gestattet; ich erhielt stets die gleichen Resultate. Da die beiden eben erwähnten Schmelzversuche unter gleichen Umständen angestellt waren, so muhten die beiden Metallproben der Einwirkung ganz derselben die Atmosphäre des Herdes bildenden Gase unterworfen gewesen seyen. Demnach würden nur noch zwei Hypothesen möglich seyn, nämlich: 1) die Chemiker, welche unmittelbare Absorption des Wasserstoffes und des Kohlenoxydes der Herdgase durch das geschmolzene Metall zugeben, können annehmen, daß der Stahl die Eigenschaft besitzt, diese Gase zu absorbiren, während das Eisen sie nicht besitzt; 2) die Chemiker hingegen, welche eine solche unmittelbare Absorption nicht als nachgewiesen betrachten, können annehmen, daß die Blasen von einer Gasentwickelung herrühren, welche durch die Einwirkung des Kohlenstoffes (dessen Vorhandenseyn den Stahl vom Stabeisen unterscheidet) auf einen dem Stahle beigemengten oder in demselben aufgelösten Körper hervorgerufen wird. Um zu ermitteln, welche von diesen beiden Hypothesen die richtigere sey, hielt ich es für genügend, Stahl in einem Porzellanrohre zu schmelzen, durch welches ein Strom von Wasserstoff- oder Kohlenoxydgas zieht, und mich dann von dem Vorhandenseyn oder der Abwesenheit von Blasen zu überzeugen. Bei diesen Versuchen beobachtet man Folgendes: Besteht das Schiffchen, in welchem der Stahl sich befindet, aus Porzellan, so lassen sich nach dem Erkalten des eingeschmolzenen Metalles keine Efflorescenzen wahrnehmen, aber die Oberfläche des Stahlregulus, welche mit dem Porzellan in Berührung war, ist mit eben solchen Hohlräumen bedeckt, wie man sie beim Schmelzen im Thontiegel bemerkt. Hiernach stellte ich mir die Frage, ob nicht die Beschaffenheit des Gefäßes, in welchem die Schmelzung vorgenommen worden, auf das erhaltene Resultat von Einfluß gewesen seyn könne, und ersetzte das Porzellanschiffchen durch ein solches aus Magnesia, später durch ein aus Aetzkalk angefertigtes. (Vom Porzellanrohre waren diese Schiffchen beim Versuche durch ein Stück Platinblech getrennt). Jetzt erhielt ich Stahlkönige, welche von Hohlräumen, Efflorescenzen und Blasen vollkommen frei waren. Diese Versuche beweisen nach meiner Ansicht genügend, daß die Blasen nicht durch Wasserstoff- oder Kohlenoxydgas, die von dem flüssigen Eisen oder Stahl absorbirt worden, herrühren; sie beweisen ferner, daß die Entstehung dieser Blasen von zwei Ursachen herrührt; welche auch zur Bildung von Kohlenoxyd beitragen. Die erste und hauptsächlichste dieser beiden Ursachen ist die durch die oxydirende Atmosphäre des Herdes bewirkte Erzeugung von Eisenoxyd; die zweite ist die durch den Kohlenstoffgehalt des Stahls veranlaßte Zersetzung des bei der Berührung mit der Kieselsäure der Schmelztiegelwandungen entstandenen Eisenoxydulsilicates. Nachdem ich in solcher Weise die Einwirkung festgestellt hatte, welche in Strömen von zweierlei Gasen einerseits das Material des zur Schmelzung angewendeten Tiegels, andererseits die Atmosphäre, in welcher diese Schmelzung vor sich gieng, auf den Stahl haben konnte, suchte ich den in der Technik stattfindenden Vorgängen etwas näher zu kommen, und stellte zu diesem Zwecke den nachstehenden Versuch an. Von zwei von derselben Stange herrührenden Stahlstückchen wurde das eine in einen aus feuerfestem Thon bestehenden, das andere in einen aus gebranntem Kalke geschnittenen Tiegel gebracht; jeder dieser Tiegel wurde mit einem Deckel versehen und in einen größeren Thontiegel so gestellt, daß er von den Wandungen des letzteren durch eine unschmelzbare Substanz getrennt war. Beide Stahlproben wurden nach einander in demselben Windofen, und zwar möglichst bis auf dieselbe Temperatur, also unter gleichen Verhältnissen, erhitzt. Nach vierstündigem Feuer ließ ich die Tiegel erkalten und zerschlug sie; in beiden war der Stahl vollkommen geflossen. Der aus feuerfestem Thone bestehende Tiegel enthielt einen Stahlkönig, welcher von Blasen mit krystallisirten Wandungen durchlöchert war; der im Kalktiegel befindliche Regulus hingegen war vollkommen blasenfrei und hatte genau die Gestalt des Inneren vom Tiegel. Die oben angeführten Resultate werden also durch diese Versuche bestätigt. Bei Anwendung von Magnesia als Tiegelmaterial anstatt des Kalks erhält man ganz dieselben Wirkungen. In dieser Beziehung bemerke ich, daß durch Pressen aus Magnesia sehr feste und unschmelzbare Tiegel leicht herzustellen sind; dieselben haben vor den Kalktiegeln den unschätzbaren Vorzug, daß sie, ohne zu verderben, sehr lange aufbewahrt werden können. Ich habe dergleichen in meinem Laboratorium seit drei Jahren, den Einflüssen der Luft und der Feuchtigkeit ausgesetzt, stehen; bei langsamem und vorsichtigem Erhitzen widerstehen sie dem Feuer sehr gut, ohne sich in nachtheiliger Weise zu ziehen oder zu werfen. Uebrigens besitzt sowohl die Magnesia, als der Kalk in gleichem Grade die Eigenschaft, mit den Oxyden des Eisens schmelzbare Verbindungen nicht einzugehen; sie unterscheiden sich in dieser Beziehung wesentlich von der Kieselsäure, welche das vorherrschende Element in unseren jetzigen feuerfesten Schmelztiegeln und Steinen bildet. Es wäre sehr zu wünschen, daß in der Industrie die kieselsäurehaltigen feuerfesten Materialien durch dergleichen aus Kalk bestehende ersetzt würden; namentlich würde der Eisenhüttenmann in der Anwendung der letzteren große Vortheile finden, aus Gründen auf welche ich später zurückkommen werde. Leider steht die Magnesia für jetzt noch in zu hohem Preise (in Frankreich 250 Frcs. per Tonne), um für sich allein angewendet werden zu können. Ich habe nach dieser Richtung hin mehrere Versuche in kleinem Maaßstabe angestellt, mußte dieselben aber aufgeben, da ich weder eine hydraulische Presse, noch die nöthigen Tiegelformen (Mönche und Nonnen) zu meiner Verfügung hatte. Es bleibt jedoch noch ein Punkt dunkel, welchen meine Versuche über die Blasen des Stahls nicht genügend aufgeklärt haben. Wenn ein Metall spratzt, so entweichen die das Spratzen veranlassenden Oase aus dem Metalle erst im Augenblicke seines Erstarrens, wie sich beim Kupfer, Silber, Platin etc. leicht beobachten läßt. Der Stahl besitzt diese Eigenschaft gleichfalls, und es scheint demnach, daß eine gewisse Analogie zwischen allen diesen Erscheinungen stattfinden kann, welche zu einer gemeinsamen Erklärung dieser Thatsachen führen und dieselben in einerlei Kategorie einzureihen gestatten würde. Schließlich will ich noch einen Versuch anführen, dessen Mittheilung ich deßhalb bis zuletzt aufgespart habe, weil er mir die Aufstellung einer Hypothese oder vielmehr einer Erklärung bezüglich des beim Spratzen des Stahls stattfindenden Vorganges zu wagen erlaubt. Ich wiederhole jedoch ausdrücklich, daß es bloß eine Hypothese ist, der ich einen nur relativen Werth beilegen kann. Schmilzt man unter gleichen Verhältnissen in nicht vollkommen lutirten Tiegeln aus feuerfestem Thon Stabeisen, weichen Stahl, harten Stahl, übergares Roheisen und weißes Roheisen, so findet man nach dem Erkalten der verschiedenen Metalle Folgendes: der Stabeisenregulus zeigt keine Blasen; der König vom weichen Stahl erscheint voll von Blasen; der Regulus vom harten Stahl hat merklich weniger Blasen. Das übergare Roheisen ist blasenfrei, indessen beweisen die gegen den Tiegeldeckel geschleuderten und auf die Oberfläche des Königs zurückgefallenen Tropfen, daß das Metall gespratzt hat, freilich vor seinem Erstarren. Der Regulus vom weißen Roheisen endlich erscheint frei von Blasen. Nehmen wir an, daß diese Metalle im geschmolzenen Zustande Eisenoxyd auflösen, daß aber diese Lösung (obschon mit dem Kohlenstoffe des Stahls in Contact) die Eigenschaft besitze, erst bei einer bestimmten Temperatur Kohlenoxyd zu erzeugen. Diese Temperatur würde beiläufig beim Schmelzpunkte des weichen Stahles, folglich bedeutend höher liegen, als der Schmelzpunkt des weißen Roheisens. Dann wäre man den Vorgang beim Spratzen des Stahles zu erklären im Stande. Denn wenn man Stabeisen schmilzt, welches, meiner Annahme zufolge, Eisenoxyd auflöst, aber keinen Kohlenstoff enthält, so kann keine Bildung von Kohlenoxyd, somit auch keine Bildung von Blasen stattfinden. Die Carburete hingegen, welche (unserer Annahme nach) gleichfalls Eisenoxyd zu lösen vermögen, müssen um so mehr Blasen bekommen, je näher ihr Schmelzpunkt der Temperatur liegt, bei welcher die Reaction zwischen dem Eisenoxyde und dem Kohlenstoffe vor sich geht, insofern die Gase dann um so weniger Zeit gehabt haben, vor dem Erstarren des Metalles zu entweichen. Aber, wird man hier einwerfen, wie läßt sich annehmen, daß im Stahl, der z.B. bis zum Schmelzpunkte des Stabeisens erhitzt worden, Eisenoxyd und Kohlenstoff neben einander existiren können, ohne daß eine Reaction derselben stattfindet? Auf diesen Einwurf entgegne ich mit der Hinweisung auf die schönen Versuche von Henri Sainte-Claire Deville über die Dissociation. Es wird zugestanden, daß Wasserstoff und Sauerstoff, diese eine so große Verwandtschaft zu einander besitzenden Körper, bei sehr hohen Temperaturen neben einander vorhanden seyn können, ohne sich zu verbinden; es wird ferner zugestanden, daß bei einer niedrigeren Temperatur der Sauerstoff und der Kohlenstoff des Kohlenoxyds neben einander existiren können, ohne verbunden zu seyn, so daß sie sich sogar mechanisch von einander trennen lassen; weßhalb sollte es dann nicht auch zugestanden werden können, daß das in dem gleichen Metalle gelöste Eisenoxyd neben dem gleichzeitig vorhandenen Kohlenstoffe zu bestehen vermag, indem beide Körper den richtigen Augenblick, d.h. den für ihre Reaction auf einander günstigen und erforderlichen Temperaturgrad abwarten, um sich gegenseitig anzugreifen? Diese Erklärung stützt sich – ich wiederhole es nochmals – auf eine Hypothese, allein sie bietet wenigstens den Vortheil dar, das Spratzen des Stahls begreiflich zu machen, und die Ursache der Blasenbildung zu erklären, und wird hoffentlich zur Auffindung eines Mittels führen, dieselbe zu vermeiden, und dadurch eines der interessantesten Probleme der jetzigen Metallurgie zu lösen. Nachtrag. Zu der vorstehenden Mittheilung bemerkt Balard, wie wichtig eine weitere Verfolgung der Ideen Caron's, sowie die Benutzung der Magnesia zur Fabrication nicht allein von Schmelztiegeln, sondern auch von Ziegelsteinen für das Eisenhüttenwesen seyn muß. Das bekannte schnelle Unbrauchbarwerden der Puddelofensohlen rührt sicherlich davon her, daß die dazu verwendeten, aus Substanzen (Kieselsäure, Thonerde) die sich mit Alkalien leicht verbinden, bestehenden feuerfesten Steine die Oxydation des Eisens durch den Sauerstoff der Luft hervorrufen und so ein schmelzbares, zum Theil auf Kosten ihrer eigenen Substanz gebildetes Silicat geben. Wesentlich aus Magnesia bestehende, alkalisch reagirende Ziegelsteine würden aller Wahrscheinlichkeit nach eine weit größere Dauer haben; auch ist Balard stets der Ansicht gewesen, daß die Verarbeitung zu solchen Steinen eine der nützlichsten Verwerthungsweisen für die aus Seewasser gewonnene oder aus jeder beliebigen anderen Quelle dargestellte Magnesia seyn würde. Henri Sainte-Claire Deville bemerkt, daß in seinem Laboratorium an der Normalschule zu Paris die aus Kalkerde, Magnesia, Thonerde, reinem Graphit und sogar aus Kienruß nach Caron's Verfahren angefertigten Schmelztiegel schon seit längerer Zeit fast täglich angewendet werden. Er fügt hinzu, daß es ihn hier viel zu weit führen würde, wenn er alle die wichtigen Dienste näher erörtern wollte, welche Gefäße von einem so bedeutenden Grade von Feuerfestigkeit und von so werthvollen chemischen Eigenschaften zu leisten vermögen. Schließlich bemerkt Régnault, daß Thilorier vor bereits mehr als zwanzig Jahren Tiegel aus Magnesia verfertigt und zum Schmelzen von Platin benutzt hat. Thilorier selbst hat ihm vor längerer Zeit mehrere von diesen Schmelztiegeln gegeben und Régnault hat dieselben zu verschiedenen in den Porzellanöfen von Sèvres angestellten Proben verwendet.