Titel: Ueber Gerberei und Leder; von Professor Dr. Fr. Knapp.
Fundstelle: Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXXXIII., S. 311
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LXXXIII. Ueber Gerberei und Leder; von Professor Dr. Fr. Knapp. Aus dem chemisch-technischen Laboratorium zu Braunschweig. Knapp, über Weißgerberei der Glacéhandschuhleder und Kalbkid. II. Die Weißgerberei der Glacéhandschuhleder und Kalbkid. In einer früheren Abhandlung im Jahrgang 1858 dieses Journals, Bd. CXLIX S. 305 und 378) habe ich eine Reihe von Versuchen und Beobachtungen niedergelegt, welche dazu bestimmt waren, das Wesen der Gerberei und des Leders in den Grundbegriffen aufzuklären. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, Studien in den einzelnen in der Praxis bestehenden Zweigen zu machen, um die Bedeutung der einschlagenden Manipulationen und ihren inneren Zusammenhang näher zu beleuchten. Sie betreffen zunächst die Weißgerberei. Bei derjenigen Art der Weißgerberei, welche Leder zu Glacéhandschuhen aus Fellen von Lämmern und jungen Ziegen, sowie Leder zu Galanterieschuhwaaren aus dem Fell junger Kälber (sogenannte „Kalbkid“) erzeugt, bedient man sich zum Garmachen der sogenannten „Nahrung,“ d.h. einer Mischung von Alaun und Kochsalz, Eigelb und Weizenmehl, die ersteren in Wasser gelöst, die letzteren in der Lösung zerrührt. Von dem Product dieser Gerberei verlangt man, daß es eine gehörige Weichheit und Dehnbarkeit oder Geschmeidigkeit besitzt und, was damit nahe zusammenhängt, locker ist ohne lose zu seyn, endlich, daß es sich gut färben läßt. Die Geschmeidigkeit muß bei Glacéhandschuhleder denjenigen Grad erreichen, den der Gerber „Zug“ nennt, d.h. das Leder muß jeder starken Dehnung nachgeben, ohne zu zerreißen; es muß sich in die Länge ziehen lassen, wobei es in der Breite schwindet; es muß sich ebenso in die Breite ziehen lassen, wobei es in der Länge schwindet, und in beiden Fällen nach dem Aufhören des Ziehens die Dehnung beibehalten, ohne von selbst in die anfängliche Form zurückzugehen; es muß mithin möglichst große Dehnbarkeit, aber so wenig wie möglich Elasticität, besitzen. Nur ein guter Zug des Leders gibt dem Handschuh die Eigenschaft, sich nach der Hand zu modelliren, ohne Falten zu werfen, ohne eine empfindliche Spannung zu erzeugen, und ohne zu zerreißen. Eigentlicher Zug im vollen Sinne des Wortes würde bei Kalbkid sehr verfehlt seyn, der Fuß würde Leder von diesem Grad der Dehnbarkeit unter feinem Druck alsbald ausweiten und damit Sitz und Halt in der Fußbekleidung verlieren. Kalbkid werden daher nur auf einen sehr mäßigen Grad der Dehnbarkeit gearbeitet. Wie jeder Praktiker weiß, erhält das Leder Zug und Dehnbarkeit nicht eigentlich durch die Art des Garmachens; diese Eigenschaften hängen vielmehr von Gattung und Alter des Thieres, wesentlich aber auch von der Vorbereitung des Felles ab, welche es zur Blöße umgestaltet, d.h. von der Behandlung im Kalkäscher. Der Kalkäscher dient zunächst zur Lockerung der Epidermis und damit der Haare, um diese mit der Klinge auf dem Schabebaum abstoßen zu können; aber er gibt der Blöße auch um so mehr Dehnbarkeit und Zug, je länger die Behandlung darin fortgesetzt wird. Bei dem äußersten Gegensatz des Glacéhandschuhleders, dem Sohlleder, kommt Alles auf starre Festigkeit an, die jede Dehnbarkeit ausschließt; solche Leder werden daher auch nie mittelst des Kalkäschers enthaart. Flüssigkeiten von alkalischer, namentlich aber von saurer Reaction versetzen das Bindegewebe der Haut in den Zustand der Schwellung,“ d.h. sie machen die einzelnen Faserelemente der Haut aufquellen; diese legen sich dann dicht aneinander, und machen die Haut speckschwartenartig durchscheinend, ungeschmeidig und elastisch; sie nimmt dabei an Dicke beträchtlich zu, während sie in Länge und Breite eben so sehr schwindet. Einem merkwürdigen Gesetz zufolge geht nun jederzeit der Zustand der Blöße – sey er Schwellung, Weichheit oder Zug – nach dem Garmachen auf das Leder über. Bei der in Rede stehenden Art der Weißgerberei geht die Haut aus dem durch Aetzkalk und Ammoniak stark alkalischen Bad, also in einem gewissen Grad von Schwellung hervor, sie ist, wie man sagt prall.“ Es ist daher nothwendig, sie vor dem Garmachen aus diesem prallen in den geschmeidigen Zustand zurückzuführen, was theils durch wiederholtes Auswässern und Ausstreichen mit der Klinge, theils auf chemischem Wege durch Kleienbeize oder durch Bäder von Hundekoth oder Vogelexcrementen geschieht. Wenn oben ausgesprochen wurde, daß die Geschmeidigkeit und der Zug der Haut nicht eigentlich durch die Art des Garmachens gegeben werde, so soll damit natürlich nicht gesagt seyn, daß die richtige welche oder zügige Beschaffenheit der Haut nicht durch Fehler beim Garmachen wieder gestört oder vermindert werden könne. Die Behandlung beim Garmachen kann der Haut den Zug nehmen der ihr innewohnt, aber im umgekehrten Fall ihr keinen geben. Nur so weit der Zug von der Weichheit und Lockerheit des Gewebes abhängt, hat das Garmachen Einfluß. Denn das Aufgehen des Leders, die Beschaffenheit des Narbens, sein Verhalten beim Färben und seine übrige Beschaffenheit sind Functionen des Garmachens. Es ist nicht leicht, sich eine klare Vorstellung von der Art zu machen wie die vier Bestandteile der Nahrung,“ Alaun, Salz, Eigelb, Mehl wirken, welche Rolle den einzelnen zukommt. Der Alaun ist für die Gare, antwortet der Praktiker, das Eigelb für die Weichheit, mittelbar für den Zug, das Mehl für das Aufgehen des Leders. Nachstehende Beobachtungen sind in der Absicht angestellt, genaueren Aufschluß über die Bedeutung der Stoffe in dieser Richtung zu erhalten. Alaun und Salz. Die Anwendung des Alauns für sich ist in dieser Gerberei geradezu ungebräuchlich, auch kann man sich leicht durch Erfahrung (selbst im Kleinen) überzeugen, daß ein Gemenge von Alaun mit Salz ungleich besser gart und ein weicheres, schöneres Product gibt. Dumas nennt in seinem Traité de la chimie appliquée aux arts, t. VII, p. 558 jenes Gemisch beider Salze chlorure d'aluminium, obtenu par la double décomposition du sel marin et de l'alun. Seitdem ist die gleichzeitige Anwendung beider Salze stets im Sinn einer indirect hergestellten Lösung von Chloraluminium oder salzsaurer Thonerde ausgelegt worden. Dieser Auslegung gegenüber ist zunächst auffallend, wie wenig Gewicht die Praxis auf ein bestimmtes Verhältniß der beiden Salze legt: es gibt Vorschriften, welche gleiche Theile und mehr, es gibt welche, die die Hälfte, ein Drittel, es gibt noch andere, die ein Viertel des Alauns und weniger an Kochsalz angeben. Ein Atom krystallisirter Kalialaun würde 3 Atome Chlornatrium oder 37 Proc. verlangen. – Wenn sich die schwefelsaure Thonerde des Alauns und das Kochsalz zu schwefelsaurem Natron und salzsaurer Thonerde umsetzen, so sollte man erwarten, daß die Lösung die Reactionen dieses letzteren Umsetzungsproductes zeigt. Eine Lösung von Alaun mit 37 Proc. Chlornatrium über Nacht auf einem Porzellanteller hingestellt, war am anderen Tag vollkommen trocken und hinterließ eine Masse von erbsengroßen Alaunkrystallen mit kleineren Kochsalzkrystallen, zum großen Theil getrennt, zum kleineren Theil zu Krusten vermengt. Eine daneben stehende Lösung von salzsaurer Thonerde (aus schwefelsaurer Thonerde und Chlorbarium) blieb unter gleichen Umständen flüssig, es bildeten sich nur spärliche kaum sichtbare Krystallpünktchen. Bekanntlich ist die salzsaure Thonerde in feuchter Luft zerfließlich und krystallisirt nur in ganz trockener Luft. Eine Auflösung von Alaun und Chlornatrium in obigem Gewichtsverhältniß in einen Ueberschuß von absolutem Weingeist getröpfelt, gibt einen starken krystallinischen Niederschlag; die darüberstehende klare Flüssigkeit, verdunstet und wieder mit Wasser aufgenommen, reagirt auf Chlor (Chlornatrium), aber keineswegs auf Thonerde. Eine Lösung von salzsaurer Thonerde ebenso behandelt, gab eine weingeistige Lösung, worin beide, Chlor und Thonerde, nachweisbar. Zum Beweis, daß in Gemengen von schwefelsaurem Natron und Chloraluminium unter dem Einfluß des Weingeistes nicht etwa eine Rückbildung in schwefelsaure Thonerde und Chlornatrium stattfindet, tröpfelte man eine Lösung aus einem Gemenge von salzsaurer Thonerde und schwefelsaurem Natron in einen Ueberschuß von absolutem Weingeist. Es entstand ein krystallinischer Bodensatz und eine klare weingeistige Lösung. Der Bodensatz allein reagirte auf Schwefelsäure; die weingeistige Lösung hinterließ nach dem Verdunsten eine Salzkruste, worin lediglich Chlor und Thonerde sich nachweisen ließen. Mit anderen Worten, Weingeist (der die Hälfte seines Gewichtes Chloraluminium zu lösen vermag) entzieht Gemischen von Alaun und Chlornatrium nur etwas Chlornatrium, aber nie Chloraluminium, während dieses aus wässerigen Lösungen, denen es (mit oder ohne schwefelsaures Alkali) fertig gebildet zugesetzt wird, sofort an den Weingeist übergeht. – Alaun und Kochsalz setzen sich mithin nicht miteinander um. Der Zusatz des Kochsalzes hat daher, wie ich schon früher vermuthungsweise ausgesprochen (Bd. CXLIX S. 379) nicht den Zweck, aus Alaun Chloraluminium zu bilden, sondern eine andere Bedeutung. Es dient offenbar dazu, die Wirkung des Alauns auf endosmotischem Wege zu befördern. Beim Eintragen der Blöße ist diese durch und durch mit Wasser getränkt; dieses Wasser muß von der Alaunlösung verdrängt und die Alaunlösung, die ihren Alaun abgegeben hat, so lange durch frische in den Poren der Haut ersetzt werden, als diese noch etwas aufnimmt. Der Austausch des Wassers gegen die umgebende Gerbflüssigkeit geht auf endosmotischem Wege vor sich, und zwar um so besser, je mehr die Flüssigkeiten, die sich austauschen sollen, chemisch und physikalisch differentiirt sind. In dieser Richtung wirkt nun das Kochsalz energischer als irgend eine andere Substanz; das Kochsalz ist das endosmotische Vehikel, welches den Alaun zu den Fasern des Hautgewebes hinüber führt, bis dieses damit gesättigt ist. Daher auch der Ueberschuß an Kochsalz in den meisten Vorschriften. Das Eigelb. Die Praktiker rechnen auf ein Fell Glacéhandschuhleder im Durchschnitt 1 Eigelb. Zwei Eigelb, ein ausgesucht großes und ein ausgesucht kleines, wogen zusammen 29,3 Grm., als mittleres Gewicht des Eigelbs kann man daher 14,5 Grm. annehmen. Darin sind enthalten in runden Zahlen: Eiweiß   3,0 Grm. gelbes Eieröl         4,5   „ Wasser   7,0   „ –––––––– 14,5 Grm. Der Werth des Eigelbes ist ein dreifacher: er beruht zum Theil in dem Gehalt an Eiweiß, zum Theil, aber viel wesentlicher, in dem Gehalt an Eieröl und zugleich darin, daß sich dieses im Eigelb im Zustande einer natürlichen Emulsion befindet. Eine Lösung von Eiweiß wird von Alaun niedergeschlagen und gibt einen voluminösen, weichen Niederschlag, welchen die reingemachte Haut, wenn man sie damit knetet, begierig aufnimmt und bindet. Weiter unten wird davon ausführlicher die Rede seyn. Nicht weniger groß ist die Fähigkeit der Haut, Fett aufzunehmen und zu binden. Ein Stück Blöße, in weingeistige Auflösungen von Stearin- oder Oelsäure (der Stearinfabriken) oder in ätherische Lösungen gewöhnlicher natürlicher Neutralfette einige Stunden eingetaucht, gibt ihr Wasser an das eine oder andere Vehikel ab und schlägt einen Theil des Fettes auf sich nieder. Nach dem Trocknen zeigt sie durch und durch eine schöne gleichmäßige Gare, wenn auch nicht alle Eigenschaften eines zu Glacéhandschuhen oder als Kalbkid brauchbaren Leders. Ebenso gern als die Lösung werden die Fette direct und unaufgelöst von der Haut aufgenommen, nur müssen sie in diesem Fall in der wässerigen Flüssigkeit zum Garmachen möglichst fein zertheilt, d.h. für den in Rede stehenden Zweig der Weißgerberei im Zustand einer Emulsion seyn. Zahlreichen Versuchen zufolge, die ich in dieser Richtung angestellt habe, kommt dem Eieröl kein bestimmter Vorzug vor den übrigen Fetten, namentlich vor den übrigen Oelen zu. Sobald sie nur vor dem Zusatz zur alaunhaltigen Brühe auf eine passende Weise in Emulsion verwandelt sind, so daß sie sich in der wässerigen Flüssigkeit gehörig vertheilen, werden sie gleich gut und gleich vollständig von der Haut aufgenommen. Eine erhebliche Verschiedenheit in der Beschaffenheit des Leders – die übrigen Bedingungen als gleich vorausgesetzt – konnte nicht wahrgenommen werden. Rüböl, Mandelöl, Baumöl, Oelsäure, Thran, Schweineschmalz gaben das gleiche Resultat. In allen diesen Proben hatte man eine dem Gehalt des Eigelbs entsprechende Menge Fett angewendet; nach dem Trocknen und Aushängen an der Luft verschwand der specifische Geruch der Fette nach einiger Zeit vollkommen, und ich zweifle nicht, daß ein mit Thran gar gemachter Handschuh in den Salons der feineren Gesellschaft ebenso zulässig ist als mit Eieröl gar gemachte Waare. Das Eigelb ist zwar ein treffliches und bequemes Material zum Garmachen der Felle, aber es ist keineswegs unersetzlich, und seine Anwendung hat eine entschieden unwirtschaftliche Seite, insofern es einen hohen Werth als Nahrungsmittel besitzt und dem Fabrikanten das leicht zersetzbare und schwerer verwerthbare Weiße des Eies in der Hand bleibt. Man hat daher schon seit lange auf Ersatzmittel des Eigelbes in der Weißgerberei gedacht, aber die Erfahrungen waren im Ganzen nicht günstig, aus Gründen welche sehr für die oben dargelegte Ansicht sprechen. Nur ein einziges Mittel hat sich vollkommen gut bewährt und in der Praxis bleibend Eingang gefunden – so in Paris, wenn wir anders richtig belehrt sind – nämlich das Gehirn von Kälbern und ähnlichen Schlachtthieren. Aber das Gehirn verhält sich ebenfalls wie eine natürliche Emulsion aus Eiweiß und Fett, es ist ebenso zertheilbar in wässerigen Flüssigkeiten. Baumöl dagegen und ähnliche Ersatzmittel wollten niemals recht anschlagen, weil der Gerber es uicht so gut verstand wie der Apotheker, sie vorher in eine Emulsion zu verwandeln, oder weil er gar das Oel ohne weiteres in die Gerbebrühe goß. Es gelang ihm mit anderen Worten nicht, das Oel durch Emulsiren und Zertheilen an die histologischen Elemente seiner Blöße heranzubringen, also die Grundbedingung jeder Bindung zu erfüllen. Wie man weiß, unterliegt das von der Haut aufgenommene Fett bei dem Aushängen einer chemischen Umsetzung durch den atmosphärischen Sauerstoff; es sind endgültig nicht sowohl die Fette als vielmehr die Umsetzungsproducte derselben, die mit den Fasern der Haut verbunden bleiben. Ein ganz analoger Fall ist die Oelbeize der Türlisch-Roth-Färberei, wo diese Umsetzung des Baumöles genauer nachgewiesen ist; ebenso die Sämischgerberei,Ein dritter hierher gehöriger Fall ist das „Schmieren“ der lohgaren Häute. Es ist vollkommen irrig, diese Arbeit als eine bloße Appretur, als ein bloßes Einfetten zu betrachten, in dem Sinn wie man Maschinen schmiert; diese Arbeit ist vielmehr ein wahrer zweiter Gerbeproceß. Das warme Fett, womit man die lohgaren Häute durch Bestreichen zu tränken pflegt (Talg, Thran, am besten Degras) wird während des Aushängens in der Luft und geheizten Räumen vollkommen von der Haut gebunden, es verschwindet für die Wahrnehmung vollständig. Nach dem Aushängen läßt sich aus der Haut kein Fett mehr durch Drücken auspressen, sie verhält sich nicht mehr wie ein bloß mit Fett getränktes Gewebe, sie benetzt sich mit Wasser ebenso leicht und vollständig wie sämisches Leder, als ob gar kein Fett vorhanden wäre. Ein bloß in der Lohbrühe oder Lohgrube, also ausschließlich mit Lohe gar gemachtes Leder ist (Sohlleder natürlich abgerechnet) ein für Schuhmacher- und Sattlerzwecke ganz und gar unbrauchbares Halbfabricat ohne Handelswerth. Alle lohgaren Leder, von denen eine gewisse Geschmeidigkeit gefordert wird, müssen daher als von doppelter Gerbung, als zugleich loh – und fettgar definirt werden. Die Behandlung mit Fett ist so wenig eine bloße Appretur als die Behandlung mit Lohe eine bloße Vorbereitung, aber beide ergänzen sich einander, die Lohgerbung insofern sie die Haut offen und für das Fett zugänglich macht. wo sie sich durch Wärmeentwickelung, Farbenänderung u.s.f. deutlich zu erkennen gibt. In der Sämischgerberei wird der Thran bekanntlich nicht als Emulsion angewendet, aber dieser Mangel durch einen sehr großen Ueberschuß an Fett ersetzt, und dessen Zertheilung durch einen bedeutenden Aufwand von mechanischer Arbeit, durch das Walken, bewerkstelligt, welches man mit der chemischen Wirkung der Luft abwechseln läßt. Dabei steht fest, daß das Leder der Aufnahme von Fett vorzugsweise die Erhaltung der Beweglichkeit und Verschieblichkeit der Faser, also der Geschmeidigkeit und Dehnbarkeit verdankt. Wenn auch der Grund dazu wesentlich in der Behandlung im Aescher liegt, so kann doch die Dehnbarkeit durch das Garmachen verdeckt werden. Die Fettgerbung hat zumeist die Bedeutung diese Eigenschaft im Leder wieder hervorzurufen und zu erhalten. Es ist hier der Ort zu erwähnen, daß nicht einmal Fette im engeren Sinn eine nothwendige Bedingung zur Erzeugung von den in Rede stehenden weißgaren Ledern zu seyn scheinen. Versuche mit Paraffin z.B. gaben sehr gelungene Resultate. Es diente dabei das rohe, (Paraffinkrystalle enthaltende) Paraffinöl einer hiesigen Petroleumfabrik, bis zur Auflösung der Krystalle erwärmt, dann mit Hülfe von etwas Stärkegummi in Emulsion verwandelt und in diesem Zustande mit Alaun, Salz und Mehl vermischt. Proben von Fellen darin geknetet und dann getrocknet und gestollt zeigten gute Gare, schönen Narben und Zug. Eine Probe einer schwereren Kalbshaut, ebenso durchgeknetet, fiel hoch, schön aufgegangen aus und zeigte ausgezeichneten Schnitt bei vorzüglicher Gare. Da für die Anwendung des Paraffins das rohe Paraffinöl, beziehungsweise die abgepreßte, braune, rohe Krystallmasse genügt, also die kostspielige Reinigung nicht nöthig erscheint und das Paraffin Eigenschaften, namentlich eine Glätte und Weichheit besitzt, die den Zwecken der Gerbung ungemein entgegenkommen, so wäre es von großem Interesse, wenn ein Praktiker zur Verfolgung dieses Gegenstandes die Hand bieten wollte. Das Mehl. Ungleich schwerer als die der übrigen Ingredienzien ist die Rolle des Mehls bei der Weißgerberei zu deuten. Als Ausgangspunkt näherer Orientirung diente zunächst die gewöhnliche Mischung, die „Nahrung“ der Praktiker. Man machte je eine Probe Fell, die erste vor dem Zusatz von Fett und Mehl, die zweite vor dem Zusatz des Mehls und die dritte aus der fertigen Mischung gar. Die erste Probe war mithin bloß aus Alaun und Salz, die zweite aus der Lösung beider Salze mit Fettemulsion, die dritte aus der vollen Nahrung gegerbt. Alle drei Proben erschienen durch und durch gar; die erste aber flach, schlecht aufgegangen und von äußerst ungenügendem Zug; der Narben matt ohne Glanz; die zweite wie die vorhergehende flach, aber mit ungleich besserem, wenn auch nicht genügendem Zug; die dritte allein besaß die Eigenschaften eines guten, aufgegangenen und zügigen Leders. Man sieht also, wie jeder Praktiker weiß, daß das Mehl ebenso das „Aufgehen“ bedingt wie das Fett den „Zug.“ Die Proben des Fells, welche ohne Mehl gar gemacht waren, besaßen eine geschlossene Fleischseite, die sich nicht mit dem Nagel aufrauhen ließ. Bei der mit Mehl gar gemachten Probe ist die Fleischseite leicht mit dem Nagel aufzurauhen, wollig, zottig. Um zu sehen, wie sich die Bestandtheile des Mehls in dem Hautgewebe vertheilen, bietet die Reaction der Jodlösung auf Stärke ein sehr bequemes Mittel. Ein Stück eines weißen Glacéhandschuhes des Handels, also eines wie gewöhnlich gar gemachten aber dollirten Lammfelles, gab zu meinem Erstaunen nicht die geringste Bläuung mit Jodtinctur. Von mit selbst mit der mehlhaltigen Mischung gar gemachte Proben von Fell und Haut, getrocknet und gestollt, wurden mit einer geraden Schnittfläche in eine seichte Schicht mit Wasser verdünnter Jodtinctur getaucht. Der Schnitt färbte sich auf der Aasseite, aber nur zu einer seichten Tiefe und bis zu einer scharfen Grenzlinie violett; das Innere sowie der Narben blieben in allen Proben vollständig weiß. Das Leder war daher eigentlich frei von Stärke; nur die lose Fleischseite hatte etwas davon zurückgehalten; da eben diese beim Dolliren weggenommen wird, so war es natürlich, daß jener Glacéhandschuh frei von Stärke befunden wurde. Dieser Bestandtheil des Mehls geht demnach nicht in das Leder über.Hr. Schwarzmann in München, Eigenthümer einer ausgedehnten Kalbkidfabrik (dessen gütiger und zuvorkommender Unterstützung ich höchlichst verpflichtet bin), ist auf die Idee gekommen, das Lederschabsel vom Dolliren angebrüht als Schweinefutter zu verwenden. Der gute Erfolg dieses Gedankens erklärt sich aus obigem Verhalten der Stärke zur Genüge. Als man in der gewöhnlichen garmachenden Mischung statt Weizenmehl Weizenstärke anwandte, erhielt man Lederproben, die sich nicht anders verhielten wie die mit bloßem Alaun, Salz und Oelemulsion gegerbten. Wurde die Stärke für diesen Versuch mit einer Spur Anilinblau abgefärbt, so stellte sich die scharfe Abgrenzung der mit Stärke durchdrungenen Schichte unmittelbar und deutlich dem Auge dar. Mit gekochter Stärke, also Kleister, blieb sich das Resultat gleich; auch in dieser Form drang die Stärke nicht in's Innere vor, nur nahm neben der Fleischseite auch der Narben etwas weniges an. Wie sich von selbst versteht, ist in allen Fällen ein großer Ueberschuß der garmachenden Mischung, also auch von Mehl und Stärke, angewendet. Eine garmachende Mischung, der man statt Mehl Kienruß oder Holzkohlenpulver zusetzte, gab Lederproben von völlig weißem Schnitt, grauem Narben und schwarzer Aasseite. Kein Zweifel also, die Stärke ist kein Bestandtheil der mit Mehl gar gemachten Leder. Was ist aber das Wirksame des Mehls? Und ist die Stärke bloßer Ballast? Neben der Stärke sind die vorwiegenden Bestandtheile des Mehles die Proteinkörper: sehr wenig Eiweiß, viel Pflanzenfibrin und Pflanzenleim. Die beiden letzteren verhalten sich gegen Alaun wie das Eiweiß selbst, sie geben aufgequollene Thonerdeverbindungen. Aber diese werden sicher von dem Hauptgewebe absorbirt und gebunden. Um ihre Wirkung zu verstehen, muß man wissen, daß eine im praktischen Sinne gute Gerbung ein gewisses Gewichtsverhältniß zwischen der reinen Coriumfaser und den auf ihr befestigten Gerbemitteln voraussetzt. Ist die Menge derselben zu gering, so ist die Haut platt, leer und zu leicht; nur bei hinreichender Menge der aufgenommenen Stoffe ist das Leder von vollem Schnitt und aufgegangen. Auch die satteste Gerbung mit bloßem Alaun bringt bei weitem nicht Stoff genug auf die Faser, um das Leder gehörig aufgehen zu machen, noch weniger die kleine Menge Fett, welche die Faser bindet. Den eigentlichen Stoff, um die Gerbung voll zu machen, liefert das Mehl, und zwar in den Proteinkörpern und deren Verbindung mit der Thonerde. Man könnte hier den Einwand machen, daß diese Verbindungen, insofern sie schon fertig gebildet in der Flüssigkeit zum Garmachen vorhanden sind, sich auf der Haut nicht wohl befestigen. Kein Einwand könnte unbegründeter seyn als dieser, denn unter allen Stoffen werden eben solche Niederschläge, sofern sie nur amorph, flockig, frisch gebildet und aufgequollen sind, von der Haut mit der größten Energie aufgenommen. Es genügt, ein Stück Fell oder Haut einige Minuten in frischgefälltem Thonerdehydrat zu kneten, um ein weiches, sehr aufgeschlossenes Leder zu erhalten. Noch besser ist der Erfolg, wenn man die Probe erst in Alaunlösung etwas angerbt; sie wird dann zugänglicher und nimmt die Thonerde in Menge auf, ein Beweis, daß auch beim Garmachen der Felle für Glacehandschuhe und bei Kalbkid der Alaun nur die Grundlage der Gare abgibt und das Gewebe für die Aufnahme der übrigen garmachenden Stoffe geschickt macht. Wenn oben dargethan ist, daß die Stärke des Mehles nicht in den Bestand der garen Haut eingeht, so sind es also, nach der Analogie mit Thonerdegallerte, Thonerdeseife und Eisenoxydseife, höchst wahrscheinlich die Kleberbestandtheile und zwar als Thonerdeverbindungen und Niederschläge, welche von der Haut aufgenommen werden. Diese Voraussetzung hat der directe experimentelle Beweis durchaus bestätigt. Er ist auf zwei verschiedenen Wegen geführt worden. Man digerirte einige Loth weißes Weizenmehl in der Siedhitze mit vorher durch Schwefelsäure angesäuertem Wasser bis zum völligen Verschwinden der Reaction auf Jod, also der Stärke. Die in Flocken zurückbleibenden Kleberstoffe wurden durch Filtriren und Auswaschen von Schwefelsäure und Stärkezucker befreit und so lange mit einer Lösung von Alaun und Kochsalz versetzt, bis die Flüssigkeit eben so stark nach Alaun schmeckte, als die gewöhnliche Nahrung der Weißgerberei. In der so vorbereiteten garmachenden Mischung bearbeitete man Abschnitte einer Blöße von Lammfell bei 30–35º C. durch Kneten. Die Proben nahmen die in der Flüssigkeit schwebenden Kleberstoffe auf, wie der Griff beim Kneten und die fortschreitende Abnahme der in der garmachenden Brühe aufgeschwemmten Stoffe deutlich zu erkennen gab. Die Aufnahme war weit weniger rasch und energisch, als bei dem Garmachen mit gewöhnlicher Nahrung der Weißgerber. Die erste Probe wurde nach dem Trocknen und Stollen ein zweitesmal in derselben Brühe durchgeknetet, dann abermals getrocknet und gestollt; bei einer zweiten Probe wurde dieselbe Operation dreimal wiederholt. Jede von beiden Proben ist vor dem Einkneten in die Flüssigkeit mit Kleberstoffen in zwei Hälften getheilt und die zweite Hälfte als Gegenprobe einfach aus der Lösung mit Alaun und Kochsalz (ohne die Kleberstoffe) gar gemacht. Während diese Gegenproben nach dem Stollen leer, selbst „lappig“ erschienen, hatte die Hauptprobe Griff und Leder, wie bei gewöhnlicher guter Gerbung, und zwar die dreimal bearbeitete in dem Verhältniß besser als die zweimal bearbeitete. Sie unterschieden sich von dem gewöhnlichen Glacéhandschuhleder, wie vorauszusehen war, durch den sehr mangelhaften Zug. Es bietet große Schwierigkeiten, eine Probe in kargen Mengen des garenden Stoffes zu bearbeiten; andererseits hat man aus dem Mehl über 60 Proc. Stärke fortzuschaffen, um etwa 15 Proc. Kleber zu gewinnen. Ich unternahm daher einen weiteren Versuch mit einem ergiebigeren Stoff, nämlich mit Käse, der seinem ganzen Gewichte nach in die garmachende Mischung eingeht. Man schnitt einen Handkäse von der magersten Gattung, wie sie hier zu Markte gebracht werden, nachdem die äußerste unreine Rinde von demselben abgeschält war, in Scheiben und löste sie in kochendem Wasser, indem man von Zeit zu Zeit etwas Ammoniak zutröpfelte. Die Lösung gieng rasch von statten, blieb bis zum Verschwinden des Ammoniakgeruches über dem Feuer und wurde schließlich durch ein Tuch geseiht. Sie war unklar, und von etwas milchiger Beschaffenheit von dem in dem Käse noch enthaltenen Fett. Ein Theil dieser Casëinlösung wurde unvollständig mit Alaunlösung ausgefällt. Sie schied sich sofort in ein Coagulum in großen langen Flocken und in ein Serum. Nachdem man sich versichert hatte, daß dieses Serum auf weiteren Zusatz von Alaun noch eine starke Fällung gab, also kein Ueberschuß von Alaun vorhanden war, ließ man es von dem Coagulum so vollständig als möglich ablaufen (es würde, seiner alkalischen Reaction wegen, der Haut und der Aufnahme des Casëinniederschlages geschadet haben), rührte das Coagulum mit reinem Wasser an und knetete darin das als Probe dienende Stück Blöße durch. Bei dieser Zubereitung der Brühe zum Garmachen war mithin der Haut (neben sehr kleinen Mengen von Fett) nichts geboten als der Niederschlag des Casëins mit Alaun. – Die Probe nahm den Niederschlag entschieden, aber sehr langsam an und muhte gegen eine halbe Stunde lang bearbeitet werden, bis sie in der Druckprobe Gare zeigte. Nach dem Trocknen und Stollen gab sie ein gares, obwohl mageres plattes Leder mit schlechtem Zug, aber zartem glänzendem Narben. Die Aufnahme von Niederschlägen der Protëinkörper an und für sich, ohne alles Zwischenmittel, ist damit erwiesen. Ein anderes Stück Blöße war zuvor durch eine Lösung von Alaun und Kochsalz genommen, um sie nach den Regeln der Praxis besser für die Aufnahme des Casëinniederschlages vorzubereiten, dann zwischen Tüchern und Löschpapier so lange ausgerungen, bis sie diese nicht mehr befeuchtete und schließlich in derselben Brühe, wie die vorige, ausgeknetet. Die Aufnahme des Niederschlages erfolgte bedeutend rascher und kräftiger, die Gerbung war ungleich satter und voller; die Probe war nach dem Trocknen und Stollen sogar von ziemlich gutem Zug. Dasselbe Resultat gab der übrige Theil der Casëinlösung mit Alaunlösung im Ueberschuß gefällt. Die Probe wurde ohne weitere Vorbereitung durch Alaun-Kochsalzlösung eingeknetet. Die Casëinlösung gewährt den zufälligen Vortheil, daß sie sich beim Kneten der Blöße nicht zusammenballt, sondern eher besser in der Flüssigkeit vertheilt. Sie scheint vorzugsweise auf feinen glänzenden Narben zu wirken, der bei allen Proben gleichmäßig hervortrat. Die aus demselben Lammfell geschnittenen gargemachten Proben mit Weizenkleber, standen in dieser Beziehung weit nach. Daß fertig gebildete Niederschläge, sobald sie nur amorph und aufgequollen sind, leicht von der Haut aufgenommen werden, beweisen auch folgende zur Begründung einer neuen Methode der Weißgerberei unternommene Versuche. Vor einigen Jahren hatte ich mich damit beschäftigt, der gewöhnlichen Garbrühe der Weißgerber die unlöslichen Seifen der Thonerde, des Eisenoxyds etc. zu substituiren, von denen mich die Erfahrung gelehrt hat, daß sie höchst beachtenswerthe Eigenschaften für diesen Betriebszweig besitzen und große Vortheile versprechen. Meine Methode bestand anfangs darin, die Haut zuerst in Alaun (oder einem Eisenoxydsalz) durchzunehmen, und dann leicht abgespült in eine Seifenbrühe einzulegen, die soweit verdünnt ist, daß sie in der Kälte flüssig bleibt. Man erhält so eine gute in Wasser unzerstörbare Gare, namentlich auch einen ausgezeichneten Narben; aber die Gare ist (aus Gründen, die besser an einer anderen Stelle erörtert werden) nie hinreichend satt, das Leder fällt stets mehr oder weniger mager aus. Die Beobachtung, daß auch fertig gebildete Niederschläge von der Haut mit Energie aufgenommen werden, zeigte mit den Weg zu besseren Resultaten und zu satterer Gerbung zu kommen. Zu dem Ende fällt man eine Seifenlösung mit Alaun aus, aber so, daß dieser etwas im Ueberschuß bleibt; es entsteht eine zarte schlammige Masse, in der man die Haut durchknetet. Einige Minuten genügen, um auf diese Art eine satte Gare zu erhalten. Ebenso stellt man sich aus Eisenchlorid oder schwefelsaurem Eisenoxyd Eisenseife dar. In beiden Fällen ist es förderlich, wie bei der gewöhnlichen Nahrung Kochsalz zuzusetzen. Bei diesem Verfahren begegnet man indessen einer Schwierigkeit, welche für das Verständniß des in Rede stehenden Zweiges der Weißgerberei besonders belehrend ist. Während des Bearbeitens der Haut in dem Seifenschlamme ballt sich derselbe unter den Fingern nur allzuleicht zusammen. Er erscheint alsdann nicht mehr als gleichmäßiger Schlamm, wie anfangs, sondern wie geronnen, und bildet weiterhin Klumpen und zusammenhängende Massen und geräth damit in einen Zustand, in welchem er die Fähigkeit verliert, in die Haut einzudringen; diese Klumpen werden alsdann nachtheilig. Die Grundbedingung der Aufnahme ist nämlich eben die lockere höchstaufgequollene Beschaffenheit, wie sie der Niederschlag im frischgefällten Zustande in ausgezeichneter Weise besitzt. Durch Druck während des Knetens verdichtet, nimmt ihn das Bindegewebe nicht mehr auf, wohl aber haftet er in kleinen Klümpchen an der Oberfläche der Haut und beschmutzt den Narben. Es entstehen Flecken, die nicht mehr gut zu beseitigen sind, und namentlich beim Färben stark zum Vorschein kommen. Auf der anderen Seite ist die Bewegung der Haut und Bearbeitung durch Kneten in dem Seifenniederschlag eine nicht minder unerläßliche Bedingung seiner Aufnahme und Bindung. Es war daher angezeigt, dem Seifenniederschlag einen passenden Zusatz zu geben, welcher durch Zwischenlagerung das Zusammenballen während der Bearbeitung der Haut hindert und den Seifenschlamm in der anfänglichen Beschaffenheit erhält. Jeder indifferente unlösliche Stoff, sofern er nur eine höchst feinzertheilte Masse bildet, wird diesem Zweck entsprechen. Das Mittel, auf welches ich gleich anfangs verfiel, bewährte sich als vorzüglich; es ist dieß geschlämmter plastischer Thon. Wie sich von selbst versteht, rührt man ihn mit der Seifenlösung an, ehe man diese als Thonerde- oder Eisenoxydseife niederschlägt. Damit sind alle Schwierigkeiten beseitigt; die Haut nimmt den Seifenniederschlag zwischen den Thonpartikeln mit gleicher Leichtigkeit auf, als wenn diese nicht vorhanden wären; der Thon bleibt mehrentheils in der Flüssigkeit zurück; ein kleiner Antheil haftet oberflächlich an der Haut, namentlich an der Aasseite, und läßt sich einfach nach dem Trocknen und Stollen abstäuben. Dieses Verhalten gibt den deutlichsten Fingerzeig bezüglich der Rolle des Mehles beim Garmachen. Die Kleberbestandtheile, durch den Alaun in Thonerde-Verbindungen übergehend, entsprechen der Thonerdeseife und geben, insofern sie in weit größeren Gewichtsmengen von dem Hauptgewebe gebunden werden, als Alaun und Fett, dem Leder die satte Gare. Aber diese Kleberverbindungen bedürfen eines Materials, welches die Partikeln derselben durch Zwischenlagerung lose hält und vor dem Zusammenballen schützt; dieß ist die Stärke des Mehles, dem geschlämmten Thon in obigem Versuche entsprechend. Die „Nahrung“ im Ganzen. Faßt man die in den einzelnen Abschnitten gegebenen Beobachtungen zusammen, so gelangt man zu folgenden Schlüssen über das Wesen der Gerberei der Glacéhandschuhleder und Kalbkid. Der Alaun wird nicht in Chloraluminium umgesetzt, er wirkt einfach als solcher. Schon beim ersten Eintauchen schlägt sich ein Antheil davon auf die Haut nieder, er ist der Stoff, den die Haut vor allen Dingen aufnimmt, und zwar um so besser, als diese Aufnahme durch die endosmotische Wirkung des Kochsalzes beschleunigt wird. Die Gerbung mit Alaun ist nicht der eigentliche Zweck, sondern nur die Vorbereitung zur Aufnahme der übrigen Stoffe, welche allmählicher und im Maaß der mechanischen Bearbeitung (des Eintretens der Felle in der Praxis) erfolgt. Die Alaungerbung bildet den Boden zur weiteren Gare und namentlich zur nothwendigen Sättigung der Haut mit garmachenden Mitteln. Die garmachenden Mittel sind im Wesentlichen das Fett und die Verbindungen der Kleberstoffe mit Thonerde, welche in gleichem Schritt von der Haut aufgenommen und von der Faser gebunden werden. In dem Maaße als dieses geschieht, erfolgt erst das Aufgehen und die satte Beschaffenheit. Eine erhöhte Temperatur ist keine Bedingung der Aufnahme der verschiedenen Gerbemittel. Der Vorgang ist bei gewöhnlicher Temperatur nicht anders, als bei der Temperatur, welche man in der Praxis anzuwenden pflegt, nämlich die Blutwärme. Sie ist offenbar mehr um der Arbeiter willen, welche die Felle mit bloßen Füßen austreten, als um der Gerbung willen üblich. Um zu begreifen, in wie wunderbarer Weise es dem empirischen Tact der Praktiker gelungen ist, mittelst dieser sonderbaren Mischung von Alaun, Salz, Eigelb und Mehl aus einem so empfindlichen Substrat wie die thierische Haut ein Product zu erzielen, welches einer Menge der schwierigsten Bedingungen und Anforderungen zugleich entspricht, ist es nöthig, sich die allgemeinen Voraussetzungen zu vergegenwärtigen, von denen die Brauchbarkeit des Leders abhängt. – Wie schon bei einer anderen Gelegenheit (a. a. O.) nachgewiesen worden, geht die Anziehung und Befestigung der Stoffe auf der Faser bei der Gerberei nach denselben Gesetzen vor sich wie bei der Färberei. Nur die Anforderungen an den befestigten Stoff sind sehr verschieden, so verschieden wie die Zwecke der beiden Gewerbszweige. Was sich bei der Gerbung auf die Haut befestigt, muß vor allen Dingen von der Art seyn, daß, es die Fasern des Gewebes offen, d.h. nach dem Trocknen frei erhält, so daß sie gar nicht oder doch nur sehr oberflächlich zusammenkleben können. Die Gerbung muß weiterhin nicht zu dünn seyn, es muß sich das von der Faser Aufgenommene in dickeren Schichten um dieselbe anlegen, um dem Leder das Weiche, Aufgegangene und Zügige zu geben. Die Gerbung muß endlich von der Art seyn, daß die die Faser umgebende Hülle von Gerbmaterial die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit nicht hindert. Wenn man Leinwand- oder Baumwollgewebe mit einer nicht zu dünnen Leimlösung tränkt und trocknet, so werden diese Gewebe steif bis zur Brüchigkeit. Bringt man ein Stück reingemachte Haut in eine nicht zu verdünnte weingeistige Lösung von Kolophonium, so nimmt sie darin eine Gare an, gibt aber statt Leder ein steifes brüchiges Product. Noch ungleich schlimmer als solche Stoffe, die zu einer harten spröden Rinde auf der Faser eintrocknen, sind diejenigen, die die Faser mit einer festen krystallinischen Hülle umgeben. Es kann als allgemein gültiges Gesetz ausgesprochen werden: nur diejenigen Materialien liefern ein brauchbares Leder, die sich als amorpher Niederschlag auf die Faser absetzen. Dieß ist aber schon bei dem Alaun der Fall, mehr noch bei Umsetzungsproducten des Fettes und den organischen Verbindungen, welche beim Gerben gebraucht werden, den Gerbsäuren, den Kleberbestandtheilen des Mehles. Man muß daher zugeben, daß die in der Weißgerberei übliche Mischung von Alaun, Salz, Eigelb und Mehl nicht bloß den speciellen, sondern auch den allgemeinen Anforderungen, die an das Product gestellt werden müssen, in ausgezeichneter Weise entspricht. Insofern kann man der Praxis, die sie empirisch erfunden hat, die Bewunderung nicht versagen. Dennoch ist diese Art der Gerbung nicht gegen jeden Einwand frei; namentlich sind es zwei Seiten, von denen aus sie anfechtbar erscheint. Die eine Seite ist die Verwendung des Eigelbes, wodurch dieses, wie schon oben ausgesprochen, dem Kreise der Nahrungsmittel entzogen wird, und zwar aus Bequemlichkeit, nicht aus Nothwendigkeit. Die andere Seite ist die Unbeständigkeit der Gerbung gegen Wasser. Alle Kalbkid und Glacéhandschuhleder verlieren die Gerbung beim Naßwerden oder Waschen in Wasser zum großen Theil, schrumpfen beim Trocknen auffallend ein, nehmen einen festen oder hornartigen Zustand an, aus dem sie nur schwierig und unvollständig durch Stollen etc. in den früheren geschmeidigen Zustand zurückführbar sind. Die Empfindlichkeit dieser Leder ist so groß, daß sie schon beim Färben mit der Bürste sehr merklich in der Gare abfallen und der Fabrikant meist genöthigt ist, der verlorengegangenen Qualität durch ein nachträgliches Behandeln mit einer schwächeren Nahrung wieder aufzuhelfen. Mürbe („verbrannte“) weißgare Leder. Bei regelmäßiger gelungener Gerbung muß das Leder u.a. frei seyn von Narbenbruch und Mürbheit. Diesen letzteren Fehler erkennt man am besten, wenn man das Leder einschneidet und von dem Schnitt aus zu zerreißen sucht; Stärkere Häute zerreißen gar nicht; Felle, namentlich die leichten Lamm- und Zickelfelle, zerreißen zwar, aber die geübte Hand erkennt leicht an dem Maaß des Widerstandes, ob das Hauptgewebe gesund oder mürbe ist. Diese Mürbheit tritt bei den weißgaren, mit Ei und Mehl behandelten Ledern nicht selten und oft unter so räthselhaften Umständen ein, daß selbst der erfahrenste Praktiker nicht im Stande ist, den Grund anzugeben. Es ist mit gelungen, über diese Frage wenigstens in einer Richtung zur Klarheit zu kommen und die Erfahrungen, die ich hier folgen lasse, werden Manchem nützliche Winke geben. Bei den Versuchen über die Herstellung von Kalbkid mittelst Thonerdeseife (statt Eigelb und Mehl) zeigte sich zuweilen auffallende Mürbheit der Leder, zuweilen normale Festigkeit, obwohl die Kalbsblößen (aus der Schwarzmann'schen Fabrik zu München) sämmtlich gesund und fest, auf gleiche Weise rein und auf gleiche Weise gar gemacht waren. Die in der Fabrik selbst im laufenden Geschäft mit Ei und Mehl gar gemachten Felle besaßen die erforderliche Festigkeit, doch fand sich bei sorgfältiger Prüfung der mit zu Gebote gestellten Muster daß die Leder, wenn auch im Allgemeinen vollkommen genügende, doch nicht durchweg ganz gleiche Festigkeit besaßen. Verschiedene Stellen des Umfangs nämlich, insbesondere die Fußstücke, ergaben sich fast regelmäßig auf eine Erstreckung von 1 bis 1 1/2 Zoll einwärts mürber, als die innere Fläche des Leders, welche durchaus ihre normale Stärke besaß. Die mit Thonerdeseife gar gemachten Felle zeigten sich dagegen in viel höherem Grade und über die ganze Fläche mürbe. Die anfänglich gehegte Vermuthung, der Fehler rühre vom Schwarzfärben (mit chromsaurem Kali, Kupfervitriol und Blauholz) her, ergab sich als völlig ungegründet. Die ungefärbten garen und gestollten Felle besaßen den Fehler bereits im vollen Umfang. Es schien mit daher die Ursache in der neuen Methode des Garmachens mit Thonerdeseife gesucht werden zu müssen und in der anscheinend ganz gleichen Behandlung dennoch eine der Beobachtung entgangene Verschiedenheit zu liegen, wornach das einemal die Ursache der Mürbheit aufgehoben wird, das anderemal in Wirksamkeit bleibt. In dieser vorgefaßten Meinung bestärkten mich namentlich Parallelversuche zur Vergleichung der alten und neuen Methode. Von einem in zwei Hälften getheilten Stück Kalbsblöße fiel die eine mit Alaunseife gar gemachte stets mürbe, die andere nach gewöhnlicher Art in der Nahrung aus Alaun, Salz, Eigelb und Mehl gar gemachte Hälfte stets haltbar, aus. Es machte dabei keinen Unterschied, ob diese erst auf der Faser gebildet oder fertig gebildet auf der Faser befestigt wurde. In jenem Falle legte man die Felle zuerst in eine Lösung von Alaun und Salz und dann in eine Seifenlösung, im anderen Falle schlug man Seifenlösung mit Ueberschuß von Alaun nieder und machte die Probe in einer einzigen Operation mittelst Durchkneten fertig. Die Prüfung des Verfahrens mit Thonerdeseife nach verschiedenen anderen Seiten gab keinen genügenderen Aufschluß über die Ursache des Fehlers. So war es ohne Einfluß, ob man das Trocknen bei einer Temperatur von 30–40º C. oder bei gewöhnlicher Temperatur vornahm. Es machte keinerlei Unterschied, ob man sich des Kali- oder Ammoniak-Alauns bediente; ohnehin war Alaun und Salz bei der Gegenprobe mit Ei und Mehl von ein und demselben Vorrath. Eher schien die Concentration der garmachenden Brühen einen Ausschlag zu geben, und zwar zu Gunsten der verdünnten Lösungen. Aber auch dieser Unterschied war nicht von Belang und unbeständig: concentrirtere und verdünnte Lösungen gaben oft gleich mangelhafte Proben. Für die in vorher niedergeschlagener Thonerdeseife gar gemachten Proben fällt dieser Unterschied überhaupt weg. Nach dieser langen und mühsamen Reihe von Fehlgriffen kam ich endlich auf den Gedanken, die Verschiedenheit der herkömmlichen Methode und der neuen ganz zu eliminiren, d.h. die Felle auf ihre Beschaffenheit zu prüfen, nachdem sie lediglich aus einer salzhaltigen Alaunbrühe gargemacht worden. Man kam zu dem merkwürdigen Ergebniß, daß alle Proben von Kalbsblößen (aus der Schwarzmann'schen Fabrik) ohne Ausnahme in bloßer salzhaltiger Alaunlösung gar gemacht, mürbe aussielen.Bekanntlich besitzen die alaungaren (ohne Eigelb und Mehl zubereiteten) Leder der Weißgerberei gar keine Festigkeit. Sie stehen in dieser Beziehung weit unter allen bekannten Ledergattungen und sind nur zum Futter für Fußbekleidung und für ähnliche untergeordnete Zwecke brauchbar. In der That enthalten alle zu Glacéhandschuhen und zu Kalbkid bestimmten Blößen, so wie sie aus dem Abhaaren und Reinmachen hervorgehen, in der Regel den Keim des Mürbwerdens in sich. Bei dem Garmachen mit Seife bleibt dieser Keim unzerstört, bei dem Garmachen mit Ei und Mehl wird die Ursache des Mürbwerdens nur nachträglich und gelegentlich beseitigt. Zuverlässig hat dieses Correctiv nicht in der Berechnung der Erfinder des herkömmlichen Verfahrens gelegen, es ist rein zufällig in der Methode enthalten, und führt die Empiriker wie einen Nachtwandler über einen Abgrund von Schwierigkeiten weg, von denen er keine Ahnung hat. Worin besteht diese Ursache der Mürbheit, die bei dem einen Verfahren verschwindet, bei dem anderen in WirksamkeitWirsamkeit bleibt? Aus der Gesammtheit der mitgetheilten Erfahrungen, sowie aus der Vergleichung derselben, namentlich aber aus dem Umstand, daß auch fabrikmäßig erzeugte gute Waare bei Kalbkid an den Rand- und Fußstücken gewöhnlich einige Mürbheit zeigt, gab an die Hand, daß ein Rückhalt an Kalk vom Reinmachen her im Spiel seyn möge. Den Kalk rein und vollständig aus der abgehaarten Blöße fortzuschaffen, ist weniger leicht, als man auf den ersten Blick erwarten sollte. Alle Felle, auf die sich obige Beobachtungen und die folgenden Versuche beziehen, waren nach dem Aescher und Abhaaren in der Kleienbeize behandelt. Die organischen Säuren dieser Beize bilden keineswegs alle leichtlösliche Kalksalze, z.B. die Milchsäure nicht, die Metacetonsäure nicht; diese schwerer löslichen, Salze werden aber leicht auf die Faser der Haut niedergeschlagen, wie ein Farb- oder Gerbstoff, und in dieser Bindung vollends unlöslich. Auch das Ausstreichen auf dem Schabebock ist nicht so vollkommen durchzuführen, daß es eine absolute Entfernung des Kalks sichert; namentlich pflegt der Rand der Felle, die Bauch- und Fußtheile, die sich nicht so flach, sondern mehr kraus legen und doch meist in die Lederabfälle gehen, etwas stiefmütterlich von dem Arbeiter behandelt zu werden. Die Vermuthung, daß der Kalk die Ursache der Mürbheit der Felle sey, wird durch folgende Beobachtungen wohl zur Gewißheit erhoben. Verschiedene Abschnitzel von auserlesen gesunden, kräftigen und tadellosen (zum Lohgarmachen bestimmten) Kalbsblößen aus der Eichthal'schen Lederfabrik zu Giesing bei München, vor dem Ausstreichen und Auswässern aus dem Aescher genommen, abgespült und aus Alaun gar gemacht, sielen vollständig mürbe aus. Ferner suchte man eine tadellose, starke Blöße der Schwarzmann'schen Kalbkidfabrik aus, welche sich dadurch als völlig entkalkt zu erkennen gab, daß sie selbst mit Thonerdeseife gar gemacht, ein vollkommen festes haltbares Leder gab. Drei Abschnitte dieser Blöße wurden der eine in Kalkwasser, der zweite in verdünnte Chlorcalciumlösung, der dritte in Gypslösung über Nacht eingeweicht, dann in reinem Wasser abgespült und aus Alaunbrühe gar gemacht. Alle drei waren nach dem Trocknen vollständig mürbe. Ein Abschnitt jener Kalbsblößen, frisch aus dem Aescher der Eichthal'schen Fabrik in zwei Hälften getheilt, die eine unmittelbar in Alaun gar gemacht, die andere zuvor über Nacht in eine schwache Lösung von dem gewöhnlichen (als Reagens bekannten) phosphorsauren Natron eingeweicht, gaben völlig verschiedene Producte: die erstere, ein im höchsten Grade mürbes, die mit phosphorsaurem Natron behandelte ein vollkommen festes Leder. – Ein Theil jener mit Chlorcalcium behandelten Blöße aus der Schwarzmann'schen Fabrik wurde nach dem Abspülen über Nacht in eine dünne Brühe von Cocosseife eingeweicht, dann abermals abgespült, die zweite Nacht in Alaunlösung gelegt und schließlich mit Thonerdeseife vollends gar gemacht. Das Leder wurde nach dem Trocknen und Stollen tadellos stark befunden. Noch merkwürdiger ist folgende Beobachtung: Streifen von sehr mürben gargemachten Kalbsblößen obiger Versuche wurden auf die halbe Länge mit Oel (Baumöl) eingelassen, bis sie fettig erschienen, also Ueberschuß von ungebundenem Fett enthielten. Der geölte Theil ergab sich nun vollkommen haltbar und fest. Aus diesen Thatsachen glaube ich folgende Schlüsse ziehen zu müssen. Bei den mürben Ledern (wenigstens der in Rede stehenden Gattung) ist die Faser selbst ungeschwächt und unangegriffen. Die Faser befindet sich lediglich unter einem Einfluß, der ihr nicht erlaubt, ihren Widerstand gegen eine zerreißende Kraft gehörig zur Geltung zu bringen. Dieser Einfluß kann nachträglich durch verschiedene Mittel beseitigt und die volle Widerstandsfähigkeit der Faser wieder hervorgerufen werden. Der Träger dieses die Faser schwächenden Einflusses ist der Kalk. Sobald der Kalk bei der weiteren Behandlung des Felles Gelegenheit findet, eine harte spröde krystallinische Verbindung zu bilden, so umgibt diese die einzelnen Fasern als eine starre Hülle, die zugleich die Geschmeidigkeit und die Biegsamkeit derselben beeinträchtigt. Bei einer zerbrechenden Stearinkerze bricht der Docht mit, obwohl seine Fasern nicht weniger in völlig normalem Zustande sind. Beim Einlegen einer kalkhaltigen Blöße in Alaun bildet sich schwefelsaurer Kalk, der die Fasern des Gewebes wie die Dornen der Gradirwände incrustirt, dadurch unnachgiebig und brüchig macht. Jeder spröde, krystallinische Körper, der sich auf der Haut absetzt, hat dieselbe Wirkung. Wenn man Haut aus einer (neutralen) Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd gerbt, der man nach und nach so lange Kali zusetzte, als dieses noch keinen bleibenden Niederschlag hervorbringt, so erhält man in der Regel ein braunes, haltbares festes Product. Häufig, namentlich wenn man die Eisenlösung warm anwendet, wird das Product rostgelb und ist dann so mürbe wie Schwamm. Es hat sich dann das bekannte, unlösliche, unter dem Mikroskop als sechsseitige Täfelchen erkennbare, stets ausgesprochen krystallinische basische Salz (2KO + Fe²O³ + 3SO³ + 6HO) gebildet, welches die Faser incrustirt, wie im vorigen Fall der schwefelsaure Kalk. Das Tränken mürben kalkhaltigen Leders mit überschüssigem Oel wirkt wie Maschinenschmiere, es befördert das Uebereinandergleiten der Faser und, indem es zwischen die Partikeln des schwefelsauren Kalkes eindringt, auch die Biegsamkeit der Fasern, und die schwächende Ursache ist gehoben. Durch Einweichen der kalkhaltigen Blöße in phosphorsaures Natron (vor dem Garmachen) wird der Kalk zu phosphorsaurem Kalk, einer nichtkrystallinischen und darum unschädlichen Verbindung. Die Wirksamkeit der Beizen aus Hunde- und Vogelkoth ist zum Theil in diesem Verhalten zu suchen. Durch Einlegen der kalkhaltigen Blöße in Seifenbrühe bildet sich Kalkseife, eine amorphe welche und biegsame Verbindung, welche für die Geschmeidigkeit der Faser ebenfalls ohne Nachtheil ist. Macht man eine kalkhaltige Blöße in (vorher gefällter) Thonerdeseife mit Ueberschuß von Alaun gar, so setzt der Alaun – der immer viel rascher an die Haut tritt, als der Niederschlag von Thonerdeseife – den Kalk sofort in schwefelsauren Kalk um und es tritt derselbe Nachtheil ein wie oben. Auf welche Weise bei dem gewöhnlichen Verfahren der Nachtheil eines Kalkrückstandes in der Blöße gehoben wird, bin ich nicht im Stande zur Zeit mit Sicherheit anzugeben. Wahrscheinlich sind es die Kleberstoffe des Mehls, die hier in's Mittel treten, oder sein Gehalt an Phosphorsäure-Verbindungen. Legumin, Eiweiß etc. werden durch Gypslösung gefällt, wie man weiß, und zwar als amorphe Verbindungen. Die Wirksamkeit der Mehlbestandtheile der Nahrung gegen den Kalk hat übrigens keine größere Tragweite und reicht nur eben so weit, einem mäßigen Rückhalt von Kalk in der Blöße das Gleichgewicht zu halten. Wo der Kalk einigermaßen in bemerklicherer Menge zurückbleibt, wie in den Fußstücken etc., schlägt die Schädlichkeit des Kalkes durch und die Felle bleiben an diesen Stellen mürbe.