Titel: Sagebien's Wasserrad.
Autor: C. Kappesser
Fundstelle: Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXXXIV., S. 337
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LXXXIV. Sagebien's Wasserrad. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Sagebien's Wasserrad. Mit der Einführung der Hochdruck-Dampfmaschine als motorische Maschine in die Industrie, ist eine weitere Anwendung der hydraulischen Kraftmaschinen sehr beschränkt worden. Der regelmäßige Gang der ersteren, sowie die Fähigkeit derselben, an jedem beliebigen Orte ihre Leistungen zu verwerthen, wo eine Kraftproduction nothwendig wird, sind Eigenschaften, welche bei der Wahl eines Motors zu irgend einem technischen Unternehmen der Dampfmaschine meistens den Vorzug gaben. In jener Zeit war eine auf theoretische Untersuchungen basirte Ausführung der hydraulischen Motoren noch nicht geschehen und daher konnte auch ihre Nutzleistung im Vergleich zu dem vorhandenen absoluten Effect der Wasserkraft nur eine durchschnittlich geringe seyn. Mit der beginnenden Ausbreitung der Industrie jedoch und der hierdurch hervorgerufenen Concurrenz war es natürlich, daß zu billigerer Production die bedeutenden Unterhaltungskosten der Dampfmaschine Berücksichtigung finden mußten; man suchte besonders den Hauptantheil dieser Kosten, den Kohlenverbrauch nämlich, durch Einführung der Expansion, durch bessere Feuerungsanlagen etc. mehr herab zu setzen, erreichte diesen Zweck aber nur theilweise; die Ausgaben blieben immer noch bedeutend. So kehrte man wieder zur Hydraulik zurück und gelangte durch genaue theoretische Prüfungen und durch zweckmäßige Anwendung der hieraus abgeleiteten Resultate bald dahin, hydraulische Kraftmaschinen zu bauen, welche eine sehr günstige Nutzbarmachung von Wasserkräften ermöglichten. Die in jenen: Zeitraume von den Koryphäen der theoretischen Mechanik in Deutschland, England und besonders in Frankreich bezüglich der hydraulischen Motoren aufgestellten Theorien und Resultate haben sich bis jetzt als richtig bewährt; es werden daher durch die Fortschritte in der Technik nur mehr selten wesentliche Verbesserungen dieser Motoren aufgefunden und selbst diese beschränken sich meistens auf eine strengere Befolgung der von der Theorie abgeleiteten Constructionsregeln. So haben die Wasserräder und Turbinen bei der Wahl der Motoren zu neuen Anlagen wieder die Berücksichtigung gefunden, welche sie wegen ihrer sehr billigen Kraftproduction und des Wegfalls aller Unterhaltungskosten verdienen. Bei vielen industriellen Unternehmungen ist die Einführung dieser Triebkraft ein wesentlicher Factor guter Rentabilität geworden; ja manche Fabricationszweige, z.B. die Getreidemahlmühlen, erheischen unbedingt die billigere Wasserkraft, und die Benutzung des Dampfes kann für solche bloß in denjenigen Gegenden von Vortheil seyn, wo die Kohlenpreise sehr niedrig oder Wasserkräfte nicht vorhanden sind. Zur Ausbeute bieten sich in der Natur meistens Wasserläufe dar, welche entweder hohe Gefälle mit geringem Wasserquantum oder niedrige Gefälle mit bedeutendem Wasserzufluß verbinden. Für erstere werden oberschlächtige oder rückschlächtige Wasserräder, oder Turbinen verwendet; für letztere die verschiedenen Arten von unter- und mittelschlächtigen Rädern, oder auch Turbinen. Die Wahl einer oder der anderen Gattung hängt von der Höhe des Gefälles, von der Veränderlichkeit des Wasserstandes, oder von localen Anforderungen ab. Der Nutzeffect der Turbinen kann bei guter Construction 70–80 Procent des absoluten Effectes erreichen. Bei den Wasserrädern ist derselbe für die einzelnen Arten derselben sehr verschieden und beträgt nach Redtenbacher z.B. für das unterschlächtige Rad nur 30–35 Procent, Kropfrad 40–50    „ Poncelet-Rad         60–65    „ die rückschlächtigen Räder 60–70    „ oberschlächtigen Räder 60–75    „ Für niedere Gefälle geben also die Wasserräder schlechte Resultate. Ihre Herstellung für größere Breiten des Rades und für eine dauerhafte Construction in Eisen ist meistens mit großen Kosten verknüpft. Für diese speciellen Fälle nun ist das von dem französischen Ingenieur Sagebien erfundene Wasserrad besonders geeignet, und seine einfache Construction, wie auch ein sehr günstiger Effect sind die Hauptgründe, welche ihm in Frankreich eine sehr große und rasche Verbreitung verschafft haben. Die wesentliche Einrichtung dieses in Fig. 7 und 8 dargestellten Wasserrades ist folgende: Auf einer der Kraft und dem Gewichte des Rades entsprechend starken guß- oder schmiedeeisernen Welle a sitzen 2 bis 4 gußeiserne Rosetten b, welche eine gleiche Anzahl Armsysteme c tragen. An dem äußeren Umfange dieser sind je nach der Dimension der Radtiefe 2–3 concentrische Ringe d aus Schmiedeeisen befestigt, an welche Winkeleisen e geschraubt sind, die die hölzernen Radschaufeln f tragen. Eine ringförmige Ueberfall-Schütze A, dicht an dem Radumfange aufgestellt, regulirt den Wasserzufluß und kann mit Vortheil mit einem Regulator in Verbindung gebracht werden. Eine weitere senkrechte Schütze B, in dem Obergraben angebracht, dient zum Abstellen des Oberwassers. Die Haupteigenthümlichkeit des Rades besteht in der Anordnung des Radkranzes. Die Schaufelzahl wird so groß als möglich gewählt, so jedoch, daß die Zwischenräume weit genug sind, um die Befestigung der Schaufeln ohne große Mühe vornehmen zu können. Sodann besitzt das Rad keinen Radboden, sondern die Radschaufeln sind unter einem solchen Winkel gegen den Radius gestellt, daß das Niveau des am stärksten gefüllten Schaufelraumes nicht höher zu liegen kommt, als die dem Radmittelpunkte zugekehrte innere Begrenzungslinie der Schaufel. Die Umfangsgeschwindigkeit ist sehr klein und übersteigt nicht 0,75 Meter per 1 Secunde. Aus diesem Grunde muß der Gerinnboden mit großer Sorgfalt ausgearbeitet werden, damit der zwischen Rad und Gerinne stattfindende Wasserverlust möglichst klein ausfällt. Durch Anstreichen mit Cement kann dieß sehr genau bewerkstelligt werden. Den theoretischen Anforderungen ist bei diesen Rädern in vollem Umfange entsprochen. Eine große Anzahl Schaufeln ist zur Reducirung aller auf das Rad einwirkenden Effectverluste von Vortheil. Dieselben werden hier sehr gering ausfallen, da die Schaufelzahl eine sehr große ist. Die Luftventilation ist so vollständig als sie bei einem Rade nur erreicht werden kann. Der Eintritt des Wassers geschieht wegen der geringen Umfangsgeschwindigkeit ohne allen Stoß, was schon dadurch bewiesen ist, daß man bei diesen Rädern sowohl beim Eintritt wie Austritt des Wassers nicht das geringste Geräusch bemerkt. Man könnte sagen, daß das Rad einzelne Wasserprismen im Obergraben abschneidet und im Untergraben wieder ablaufen läßt. Das Zusammenwirken aller dieser Elemente muß den Effect solcher Constructionen zu einem sehr günstigen gestalten. Zahlreiche, sorgfältig angestellte Messungen mit dem Prony'schen Zaum haben dieß allerwärts bestätigt und einen durchschnittlichen Effect von 70–75 Procent constatirt. Ein Rad von folgenden Dimensionen: 6 Meter Durchmesser; 3 Meter Schaufelbreite; 0,85 Meter Gefälle; 1,75 Kubikmeter Wasser per 1 Secunde und 1 1/4 Umdrehungen per 1 Minute entwickelte 15 Pferdekräfte, was einem Nutzeffect von 75 Procent entspricht. Leider hat diese Construction auch einige Nachtheile aufzuweisen, die ich nicht unerörtert übergehen will. Zu einem günstigen Nutzeffect, wie ich ihn eben angeführt habe, gehört absolut eine sehr kleine Umfangsgeschwindigkeit, welche für rasch gehende Transmissionen eine sehr große Uebersetzung nothwendig macht. Sodann wird für Gefälle über 1 Meter der Durchmesser zu groß ausfallen; diesem Uebelstande kann jedoch in vielen Fällen leicht begegnet werden; bei Anlagen, für welche diese Räder Verwendung finden sollen, stehen meistens größere Wasserquantitäten zur Verfügung; wenn man nun das Gefälle über das erlaubte Maaß nicht vergrößert, so kann durch gehörig gewählte Radbreite leicht die Wassermasse bewältigt werden, welche zur Erzielung eines gewissen Effectes nothwendig ist. Die Anwendung dieses Rades ist in Frankreich besonders bei Getreidemahlmühlen eine sehr verbreitete und nur anerkennend spricht man sich über dessen Leistungen aus. Die Kenntniß desselben dürfte auch den Constructeuren und Mühlbauern in Deutschland zur Benutzung in den geeigneten Fällen erwünscht seyn. C. Kappesser.

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