Titel: Theoretische Untersuchungen über die Sodafabrication nach Leblauc's Verfahren; von J. Kolb) Director der chemischen Fabrik von Kuhlmann und Comp. in Amiens.
Fundstelle: Band 181, Jahrgang 1866, Nr. XCII., S. 363
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XCII. Theoretische Untersuchungen über die Sodafabrication nach Leblauc's Verfahren; von J. Kolb) Director der chemischen Fabrik von Kuhlmann und Comp. in Amiens. Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 638; März 1866. Kolb, Untersuchungen über die Sodafabrication. Der erste Theil dieser Untersuchungen betrifft die Darstellung der Rohsoda. Der Verf. gelangte zu nachstehenden Schlußfolgerungen: Bei Gegenwart von kaltem oder lauwarmem Wasser findet zwischen dem Schwefelcalcium und dem kohlensauren Natron eine gegenseitige Zersetzung nicht statt. Eine Rohsoda, bei deren Darstellung nur ein Aequiv. Kreide auf ein Aequiv. schwefelsaures Natron angewendet worden, gibt beim Auslaugen fast ganz dieselben Resultate, wie eine solche, welche sich von der ersteren nur durch den zur Bildung des Oxysulfurets CaO, 2CaS genau nothwendigen Ueberschuß von Kreide unterscheidet. In Folge der Einwirkung der Kohle auf gleichviel Aequiv. von schwefelsaurem Natron und kohlensaurem Kalke werden kohlensaures Natron und Schwefelcalcium erzeugt, welche sich durch Auslaugen mit kaltem oder lauwarmem Wasser leicht von einander trennen lassen. Bei hoher Temperatur findet zwischen dem schwefelsauren Natron und dem kohlensauren Kalke ein Austausch der Säuren nicht statt; die erste, im Sodaofen vorgehende Reaction ist die Reduction des schwefelsauren Natrons („des Sulfats“) durch die Kohle. Bei dieser Reduction entsteht Kohlensäure, nicht aber Kohlenoxyd. Aus einer Reihe von Versuchen des Verf. ergibt sich ferner, daß, wenn das Gemenge von Sulfat, Kalkstein und Kohle zum Rothglühen erhitzt wird, die Wirkung der Kohle sich theilt zwischen dem schwefelsauren Natron, welches durch dieselbe reducirt wird, und zwischen der Kreide, welche durch dieselbe in Aetzkalk verwandelt wird. Ersetzt man die Kreide durch ihr Aequivalent Aetzkalk, so erhält man eine ganz gleiche und vollständig mit Kohlensäure gesättigte Soda. Aus diesen beiden Thatsachen ergibt sich, daß die Kohlensäure des Kalksteins (der Kreide) zur Entstehung des kohlensauren Natrons nicht beiträgt und die in dieser Richtung angestellten Laboratoriums-Versuche führen zu dem Schlusse, daß die Endreaction, d.h. die Umsetzung des Schwefelnatriums, des Kalkes und der Kohlensäure zu kohlensaurem Natron und Schwefelcalcium, durch den Einfluß der Kohlensäure bewirkt wird, welche zum Theil von der Reduction des schwefelsauren Natrons, zum Theil und hauptsächlich aber von den Herdgasen des Sodaofens herrührt. Daraus wird erklärlich, weßhalb die Darstellung von Soda in einem verschlossenen Tiegel mit solchen Schwierigkeiten verknüpft ist, wogegen sich bei Anwendung eines Rohres, durch welches ein Kohlensäurestrom geleitet wird, ein ausgezeichnetes Product erhalten läßt. Die Bildung des kohlensauren Natrons resultirt demnach aus drei, gewissermaßen gleichzeitigen Reactionen: NaO, SO³ + 2C = CO² + NaS; CaO, CO² + C = 2CO + CaO; NaS + CaO + CO² (im Ueberschusse) = NaO, CO² + CaS. Der zweite Theil von Kolb's Untersuchungen betrifft die Einwirkung der Luft, des Wassers, der Wärme und der Witterung auf die Rohsoda. Ganz trockene Luft hat bei einer Temperatur von 0º bis 100º C. keine merkliche Einwirkung auf die Rohsoda, wie lange ihr Contact auch währen möge; sie wirkt selbst nicht durch ihren Kohlensäuregehalt. Bei den nach dieser Richtung hin abgeführten Versuchen wurde die Beobachtung gemacht, daß die atmosphärische Luft, wenn sie vollkommen trocken ist, weder auf den wasserfreien Kalk, noch auf das wasserfreie Schwefelcalcium einwirkt. Bei Rothglühhitze jedoch, und selbst schon unterhalb derselben, oxydirt die Luft das Schwefelcalcium, und der dadurch entstandene schwefelsaure Kalk zerstört beim Auslaugen einen Theil des vorhandenen kohlensauren Natrons. Feuchte Luft hingegen wirkt sehr kräftig auf Rohsoda; der in derselben enthaltene Kalk zieht Wasser an und wird zu Kalkhydrat, dann nimmt er Kohlensäure auf und das vorhandene Schwefelnatrium verwandelt sich in unterschwefligsaures Natron; gleichzeitig aber wird das Schwefelcalcium in schwefelsaures Salz übergeführt, theils direct, theils und hauptsächlich durch die unaufhörlich sich wiederholende Vermittelung des in der wasserfreien Soda enthaltenen Eisenoxyds, welches sich in einer Reihe von Umsetzungen immer regenerirt. Eine vollständige und gründliche Untersuchung der Einwirkung des Wassers auf die Rohsoda einerseits, andererseits auf das Schwefelcalcium, und zwar sowohl auf dieses für sich allein, als auch auf sein Gemenge mit Kalk und kohlensaurem Natron – mit beiden zusammen, oder mit einem dieser Körper allein – ergibt in beiden Fällen dieselben Resultate; nämlich: Die erhaltene Lauge zeigt eine sehr schwankende Zusammensetzung, welche von drei Elementen, nämlich von dem Concentrationsgrade der Flüssigkeit, von der Dauer des Digerirens und von dem Temperaturgrade, abhängig ist. Die Dauer der Digestion und eine höhere Temperatur begünstigen nicht allein das Aetzendwerden eines Theiles des kohlensauren Natrons durch den Kalk, sondern sie erleichtern auch eine langsame Umsetzung zwischen dem kohlensauren Natron und dem Schwefelcalcium. Dieser Austausch scheint Folge einer Bildung von Schwefelwasserstoff – Schwefelcalcium zu seyn. Die Concentration der Lauge und die Gegenwart des Aetznatrons verhindern die Entstehung der gedachten Verbindung vollständig, während sie durch einen Ueberschuß von Kalk nicht verhindert wird. Wenn demnach die Gegenwart einer geringen Menge von freiem Kalk in der Rohsoda vortheilhaft ist, so liegt der Grund dieser Erscheinung einzig und allein darin, daß durch dieselbe eine kleine Quantität von Aetznatron erzeugt wird, welches die Schwefelung der Laugen verhindert.