Titel: Die äußeren Unterscheidungsmerkmale des Fleisches von gesundem und von krankem Schlachtvieh; von Dr. Letheby.
Fundstelle: Band 181, Jahrgang 1866, Nr. CXXI., S. 482
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CXXI. Die äußeren Unterscheidungsmerkmale des Fleisches von gesundem und von krankem Schlachtvieh; von Dr. Letheby. Aus dessen „Bericht über die Rinderpest“ in der Chemical News. vol. XIII p. 48; Januar 1866. Letheby, Unterscheidung des Fleisches von gesundem u. krankem Schlachtvieh. Gutes Fleisch hat weder eine blaßröthliche, noch eine tiefpurpurrothe Farbe. Die erstere ist ein Anzeichen von Krankheit, die letztere beweist, daß das Thier eines natürlichen Todes gestorben ist. Gutes Fleisch hat ein marmorirtes Ansehen, welches von den Verzweigungen des intercellularen Fettes herrührt; das Fett, namentlich dasjenige der inneren Organe, ist hart und talgig, niemals aber feucht; während das Fett des von kranken Thieren herrührenden Fleisches weich und wässerig, oft dem gekochten Pergament ähnlich, oder gallertartig ist. Gesundes Fleisch fühlt sich fest und elastisch an, und macht den Finger kaum feucht; krankes Fleisch hingegen ist oft so feucht, daß Serum aus ihm hervordringt. Gutes Fleisch hat einen nur schwachen und nicht unangenehmen Geruch; krankes Fleisch aber riecht „muffig“ und aasig, und zeigt öfters einen Arzneigeruch, was sich am deutlichsten beobachten läßt, wenn man es anschneidet und an das dazu gebrauchte Messer riecht, oder wenn man das Fleisch mit etwas warmem Wasser begießt. Gutes Fleisch läßt sich kochen, ohne sehr zusammenzuschrumpfen und ohne einen großen Gewichtsverlust zu erleiden; schlechtes Fleisch zieht sich stark zusammen und zerkocht oft zu Stücken. Alle diese Eigenschaften rühren von der Anwesenheit einer großen Menge Serum im Fleische und von dem verhältnißmäßigen Vorwalten von leimbildendem oder Intercellulargewebe her, indem Fett und wahre Muskelsubstanz mehr oder weniger verschwunden sind. Werden daher 100 Grm. zerschnittenes mageres oder Muskelfleisch von einem gesunden Thiere bei der Temperatur von kochendem Salzwasser (107° C.) getrocknet, so verlieren sie nur 69 bis 74 Grm. von ihrem Gewichte; wird dagegen Fleisch von einem kranken Thiere auf diese Weise behandelt, so erleidet es einen Gewichtsverlust von 75 bis 80 Proc. Meinen Untersuchungen zufolge beträgt der durchschnittliche Gewichtsverlust bei gesundem und gutem Rindfleisch 72,3 Procent, bei Hammelfleisch 71,5 Procent, hingegen bei Fleisch von kranken Rindern 76,1 Procent, bei Fleisch von kranken Hammeln 78,2 Proc. Selbst wenn man. schlechtes Fleisch bei der Temperatur von 130° C. trocknet, bei welcher alle Feuchtigkeit verjagt wird und gutes Fleisch 74 bis 80 Proc. verliert, ist sein Gewichtsverlust so groß wie vorher angegeben. Auch andere Kennzeichen können zur Unterscheidung eines guten Fleisches von einem schlechten angewendet werden. Der Saft von gesundem Fleische reagirt schwach sauer und enthält überwiegend Kalisalze, besonders phosphorsaures Kali; während krankes Fleisch in Folge der Infiltration von Blutserum oft alkalisch und vorwaltend reich an Natronsalzen ist, namentlich an Chlornatrium und phosphorsaurem Natron. – Wird gutes Fleisch unter dem Mikroskope untersucht, so erscheint die Muskelfaser glatt und scharf begrenzt, und frei von Infusorien; die Faser von krankem Fleisch hingegen zeigt sich aufgequollen, als wenn sie in Wasser eingeweicht gewesen wäre, und die Querstreifen sind undeutlich und weit von einander entfernt; oft sind auch kleine, den Infusorien ähnliche Organismen vorhanden, welche namentlich im Fleische von den an der Rinderpest leidenden Thieren deutlich wahrnehmbar sind und die Dr. Beale als den Entozoen ähnlich beschrieb. Von den Trichinen und den Finnen der SchweineCysticercus cellulosae der zweite Entwickelungszustand des Bandwurmes (Taenia solium). H. sind diese Organismen gänzlich verschieden. Bezüglich der schädlichen Wirkungen des Genusses von solchem kranken Fleische auf den menschlichen Organismus ist Sicheres bis jetzt noch nicht bekannt. In jenen Fällen, wo die Thiere an gewissen parasitischen Krankheiten leiden, ist die Schädlichkeit ihres Fleisches nicht zweifelhaft, denn Bandwurm, Trichinen, manche Arten von HydatidenNamentlich Echinococcus altricipariens mit seinen Tochter- und Enkelkysten (Scolices). H. etc. werden unfehlbar durch den Genuß desselben hervorgerufen. Die Erfahrung hat ferner gelehrt, daß die Entstehung von Karbunkeln und gewöhnlichen Blutgeschwüren häufig auf den Genuß des Fleisches von Thieren, welche an Pleuropneumonie gelitten, zurückgeführt werden kann, und nicht selten sehen wir nach dem Genusse von krankem Fleische bedrohliche Diarrhöen und allgemeinen Verfall der Lebenskräfte eintreten. Es ist deßhalb das Sicherste, den Verkauf von solchem Fleisch ganz zu verbieten und stets ist es das Beste, sich gegen die Möglichkeit einer schädlichen Wirkung des Fleischgenusses durch gehöriges Kochen des Fleisches zu sichern. Dasselbe sollte immer so behandelt werden, daß selbst die mittelsten Theile des Stückes einige Zeit der Temperatur von 100° C. ausgesetzt werden. Die Vorschriften Liebig's dürften demnach in dieser Beziehung zu wünschen übrig lassen, denn obgleich allerdings bei einer Temperatur, welche unter dem Siedepunkte des Wassers liegt, das Albumin des Fleisches zum Gerinnen gebracht wird, und der liebliche Geschmack und Geruch von gekochtem Fleische sich entwickeln kann, ist jedoch dadurch die Zerstörung etwa vorhandener gefährlicher Parasiten keineswegs gesichert. Es ist demnach besser, das Fleisch ein wenig überkocht, als in nicht vollständig gar gekochtem Zustande zu genießen.