Titel: Ueber die Benutzung der Flußsäure zur Sodafabrication; von Walter Weldon.
Fundstelle: Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXIII., S. 228
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LXIII. Ueber die Benutzung der Flußsäure zur Sodafabrication; von Walter Weldon. Vorgetragen in der Versammlung der British Association zu Nottingham. – Aus dem Mechanics' Magazine, September 1866, S. 150. Weldon, über Anwendung der Flußsäure zur Sodafabrication. Behandelt man 2 Aequivalente schwefelsaures Natron mit 1 Aeq. Chlorwasserstoffsäure, so wird bekanntlich das eine Aequiv. des Sulfats in zweifach-schwefelsaures Salz, das andere Aequiv. hingegen in Chlornatrium umgewandelt. Meines Wissens hat jedoch vor mir Niemand beobachtet, daß, wenn schwefelsaures Natron in ähnlicher Weise mit Fluorwasserstoffsäure behandelt wird, eine ganz analoge Reaction stattfindet, indem ein Aeq. Sulfat in Bisulfat, das andere Aequiv. in Fluornatrium sich verwandelt. Zu den Unterschieden zwischen Chlornatrium und Fluornatrium gehört nun ein für den Sodafabrikanten von größter Wichtigkeit sich erweisender; nämlich der, daß zur Umwandlung des Chlornatriums in Aetznatron eine Reihe von Operationen und die Vermittelung einer starken Säure erforderlich ist, während Fluornatrium durch einen einzigen Proceß – durch bloßes Kochen mit Kalk – in Aetznatron sich umsetzen läßt. Auf dieses Verhalten, auf die Reaction zwischen dem schwefelsauren Natron und der Fluorwasserstoffsäure, durch welche man ohne Zersetzung und Verlust von Schwefelsäure eine Verbindung erhält, die ebenso leicht wie das kohlensaure Natron in Aetznatron umzuwandeln ist, läßt sich ein Fabricationsverfahren begründen, mittelst dessen man Soda darstellen kann, und zwar nicht allein ohne Verlust – wenn auch nicht gänzlich ohne die Anwendung – von Schwefelsäure, sondern auch ohne Verbrauch von anderem Material, als Kochsalz und Kohle, insofern die übrigen, zur Gewinnung der Soda erforderlichen Reagentien regenerirt und continuirlich von Neuem angewendet werden. Die erste der vier Operationen, mittelst deren dieser Zweck leicht erreicht werden kann, besteht in der Darstellung von schwefelsaurem Natron durch doppelte Zersetzung von Chlornatrium und schwefelsaurer Magnesia, unter Zusatz von wenigstens einem Aequiv. Wasser, wobei außer Glaubersalz die Producte Magnesia und Chlorwasserstoffsäure sind. Die zweite Operation besteht in der Behandlung des auf diese Weise erhaltenen schwefelsauren Natrons mit Fluorwasserstoffsäure, wodurch Fluornatrium und zweifach-schwefelsaures Natron erzeugt wird. Die dritte Operation umfaßt die Zersetzung des bei dem zweiten Processe erhaltenen Fluornatriums durch die bei der ersten Operation dargestellte Magnesia, wobei man Aetznatron und Fluormagnesium erhält. Die vierte Operation besteht in der Zersetzung des so gewonnenen Fluormagnesiums entweder mittelst des bei dem zweiten Processe erhaltenen zweifach-schwefelsauren Natrons, oder mittelst des auf irgend eine Weise abgeschiedenen zweiten Schwefelsäureäquivalents des letzteren, so daß von Neuem schwefelsaure Magnesia, mit welcher die erste, und Fluorwasserstoffsäure, mit welcher die zweite Operation wiederholt wird, sich bilden. Auf diese Weise werden alle zur Umwandlung des Kochsalzes in Natron angewendeten Reagentien continuirlich reproducirt, und nur das Kochsalz nebst einer verhältnißmäßig geringen Menge Brennstoff wird wirklich verbraucht. Der zweite der erwähnten vier Processe bietet großes wissenschaftliches, wie praktisches Interesse dar, und zwar nicht allein insofern durch denselben das schwefelsaure Natron in Fluornatrium umgewandelt wird (woraus sich leicht Aetznatron darstellen läßt), ohne daß die Schwefelsäure eine Zersetzung erleidet oder verloren geht, sondern auch in der Hinsicht, daß zur Ausführung dieser Operation gar kein Brennmaterial erforderlich ist, indem die Reaction zwischen Glaubersalz und Fluorwasserstoffsäure schon bei gewöhnlicher Temperatur vor sich geht. Nachdem diese beiden Substanzen in einem passend geformten Gefäße, welches aus Blei, Gutta-percha, vulcanisirtem Kautschuk oder mit Paraffin getränktem Holze besteht, zusammengebracht worden sind, braucht man nur etwas stark umzurühren, um binnen wenigen Minuten die Reaction vollständig zu bewirken. Wird dann das Ganze ruhig sich selbst überlassen, so scheidet sich das Fluornatrium sehr leicht in Form eines dichten Niederschlags ab, welcher nur wenig Flüssigkeit zurückhält und sich von der darüber stehenden Lösung von Bisulfat sehr leicht vollständig trennen läßt. Zu dem dritten Processe ist etwas, doch nicht viel Brennmaterial erforderlich; die Zersetzung des Fluornatriums durch Magnesia (wobei Aetznatron entsteht) ist, obgleich sie verschiedene besondere Einrichtungen und Vorsichtsmaßregeln erfordert, fast ebenso leicht auszuführen, als die Umwandlung von kohlensaurem Natron in Aetznatron durch Kalk. Der vierte Proceß erfordert noch weniger Brennmaterial als der dritte, indem die Zersetzung des Fluormagnesiums durch Schwefelsäure schon bei gewöhnlicher Temperatur, wenn auch vielleicht für die Zwecke der Technik nicht schleunig genug vor sich geht, aber sehr rasch fortschreitet, sobald die Temperatur nur mäßig erhöht wird. Die einzige von den vier Operationen, welche fast ebenso viel Brennstoff erfordert, wie die bei dem gewöhnlichen Verfahren der Sodafabrication im Ofen auszuführenden Processe, ist die erste Operation. Dieselbe läßt sich sowohl auf dem trockenen, wie auf dem nassen Wege bewerkstelligen, indem man entweder ein Gemenge der beiden Salze erhitzt, oder indem man sie zusammen auflöst und die Lösung mittelst des Carré'schen oder des Kirk'schen, zur Erzeugung künstlicher Kälte dienenden Apparates auf einige Grade unter Null (etwa – 4°,4 C.) abkühlt. Bei Anwendung des letzteren Verfahrens läßt sich ein Verlust an Schwefelsäure etwas leichter vermeiden, als wenn die Zersetzung auf trockenem Wege bewirkt wird. Soweit ich mich zu überzeugen Gelegenheit gehabt habe, ist der Geldaufwand für Brennmaterial, Handarbeit und Abnutzung der Apparate etc. bei der Zersetzung der Lösung mittelst des Carré'schen Apparates nicht nur nicht größer, sondern sogar etwas geringer, als derselbe Aufwand für die Zersetzung des Salzgemenges im Ofen. Soll indessen die Zersetzung des Chlornatriums mittelst schwefelsaurer Magnesia auf nassem Wege bewirkt werden, so ist noch eine weitere Operation erforderlich, nämlich das Abdampfen der Mutterlauge zur Trockne und das Erhitzen des Rückstandes, um das entstandene wasserhaltige Chlormagnesium, aus dessen Lösung die Mutterlauge hauptsächlich besteht, in Chlorwasserstoffsäure und Magnesia zu zersetzen. Dadurch wird die Anzahl der Operationen auf fünf, also auf ebenso viele erhöht, als zur Umwandlung des Kochsalzes in Aetznatron nach dem gewöhnlichen Verfahren erforderlich sind, sofern wir die Darstellung der zu dem letzteren nöthigen Schwefelsäure hinzurechnen; dagegen nehmen diese fünf Operationen soviel weniger Zeit in Anspruch, als die Operationen des gewöhnlichen Verfahrens, daß durch diesen Fluorwasserstoffsäure-Proceß bedeutende Kochsalzmengen binnen zwei bis drei Stunden in Aetznatron verwandelt werden können. Demzufolge hat das neue Verfahren im Vergleiche mit der bisher gebräuchlichen Methode den Vorzug, daß es geringeren Aufwand an Zeit, Arbeit und Brennmaterial erfordert, daß es weit geringere Anlagekosten verursacht, daß keine werthlosen Rückstände erzeugt werden und daß weder Schwefelsäure noch Kalk verloren geht. Schließlich will ich noch eines kürzeren und einfacheren Verfahrens erwähnen, welches ich, obgleich es bis jetzt noch nicht zu der gehörigen Vollkommenheit gediehen ist, in nicht ferner Zeit in großem Maaßstabe ausführen zu können mit Grund hoffe. Von allen denkbaren Methoden der Sodafabrication würde aller Wahrscheinlichkeit nach die einfachste diejenige seyn, bei welcher das Chlornatrium durch Wasserdampf mit gleichzeitiger Erzeugung von Aetznatron und Chlorwasserstoffsäure zersetzt würde. Im Kleinen läßt sich dieser Proceß ganz gut ausführen; seiner Ausführung im Großen stellen sich aber Schwierigkeiten entgegen, welche zu besiegen wir wohl schwerlich hoffen dürfen. Dagegen ist die Zersetzung des Fluornatriums mittelst Dampf im Großen nach meiner Erfahrung keineswegs mit Schwierigkeiten verbunden, welche man durch Ausdauer glücklich zu überwinden nicht hoffen dürfte. In diesem Falle würde sich die Anzahl der zur Umwandlung des Kochsalzes in Aetznatron mittelst der Zwischenerzeugung von Fluornatrium nöthigen Operationen auf drei reduciren. Bei dem ersten Proceß werden durch die gegenseitige Einwirkung von 1 Aeq. Chlornatrium und 1 Aeq. zweifachschwefelsaurem Natron 2 Aequiv. neutrales schwefelsaures Natron dargestellt. Bei der zweiten Operation werden die 2 Aequiv. Natronsulfat mit 1 Aequiv. Fluorwasserstoffsäure behandelt und dadurch wird 1 Aeq. Fluornatrium erzeugt, und 1 Aeq. zweifach-schwefelsaures Natron, mit welchem der erste Proceß wiederholt wird. Die dritte Operation besteht in der Zersetzung des bei dem zweiten Processe erhaltenen Fluornatriums durch Dampf, wodurch Aetznatron erzeugt und Fluorwasserstoffsäure reproducirt wird; die letztere dient zur Wiederholung der zweiten Operation. Die Fluorwasserstoffsäure – mag sie nun durch die Einwirkung von Dampf auf Fluornatrium oder durch Zersetzung des Fluormagnesiums mittelst Schwefelsäure erzeugt worden seyn – muß in einem Kohksthurme condensirt werden, welcher wie die zur Condensirung von Salzsäure gebräuchlichen construirt, aber mit Blei, Gutta-percha oder paraffingetränktem Holze ausgefüttert ist. Wird die Fluorwasserstoffsäure mit Schwefelsäure dargestellt, so entbindet sie sich bei einer so niedrigen Temperatur, daß sie sich weit leichter condensiren läßt, als die Salzsäure in den Sodafabriken. Wird hingegen zur Gewinnung der Fluorwasserstoffsäure Dampf angewendet, so sind beiläufig dieselben Condensationsflächen erforderlich, wie bei der Salzsäure. Nicht ohne Interesse dürfte die Beobachtung seyn, daß Fluornatrium auch durch directe Behandlung von Chlornatrium mit Fluorwasserstoffsäure dargestellt werden kann. Versetzt man eine gesättigte Kochsalzlösung mit starker wässeriger Fluorwasserstoffsäure, so wird die Flüssigkeit augenblicklich milchig und nach und nach setzt sich ein Niederschlag von Fluornatrium ab, welchem Fluorcalcium und Fluormagnesium beigemengt sind, wenn das angewendete Kochsalz einen Gehalt an Chlorcalcium und Chlormagnesium hatte, während gleichzeitig eine den gebildeten Fluoriden äquivalente Menge Chlorwasserstoffsäure entsteht. Auf diesem Wege wird indessen nur ein Theil des Chlornatriums in Fluorid verwandelt; ein weit vollständigeres Resultat erhält man, wenn man gasförmige Fluorwasserstoffsäure in die Kochsalzlösung leitet, wobei man aber Sorge tragen muß, daß das Gas erst gehörig abgekühlt wird und in einem nicht zu raschen Strome in die Salzlösung eintritt. Mit diesem Verfahren darf man bei Beobachtung noch anderer Vorsichtsmaßregeln wohl hoffen, das Chlornatrium vollständig in Fluornatrium umwandeln zu können. Der Verbrauch der brittischen Sodaindustrie an Schwefelsäure wird im laufenden Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach über 350,000 Tonnen, der an Kalkstein über 1/2 Million, der an Steinkohle etwa 1 1/4 Millionen, und die Production von werthlosen Rückständen wenigstens 1 1/2 Millionen Tonnen betragen. Bei allgemeiner Einführung des von mir empfohlenen Verfahrens würde die ganze Menge der Schwefelsäure und des Kalksteins, sowie wahrscheinlich die Hälfte der Steinkohle erspart werden – von anderen, gleichfalls wichtigen Vortheilen, namentlich von der Vermeidung der lästigen Rückstände, abgesehen. Hoffentlich wird noch vor der nächsten Versammlung der British Association die praktische Ausführung meines Vorschlags zur vollendeten Thatsache geworden seyn.