Titel: Ueber die technische Bestimmung des Zuckers durch die Polarisationsmethode, und deren Fehlerquellen; von E. Anders.
Fundstelle: Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XC., S. 331
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XC. Ueber die technische Bestimmung des Zuckers durch die Polarisationsmethode, und deren Fehlerquellen; von E. Anders. Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1866, Bd. X S. 321. Anders, über die Bestimmung des Zuckers durch die Polarisationsmethode. Nachdem der Redner – in einem Vortrage in der Versammlung des sächsisch-anhaltinischen Bezirksvereines der deutschen Ingenieure vom 2. April 1865, worüber im Folgenden referirt wird – die Theorie des jetzt fast allein in Anwendung befindlichen Polarisationsinstrumentes von Soleil-Ventzke erläutert, alle die üblichen Methoden zur Bestimmung des Zuckers in Säften und Rohzuckersorten durchgegangen, namentlich die Methode von Clerget Polytechn. Journal, 1847, Bd. CIV S. 344. zur Bestimmung des Rohrzuckers bei Gegenwart von Traubenzucker beleuchtet hatte, wandte er sich speciell zur Methode von Ventzke, welche direct den Zuckergehalt in der löslichen Trockensubstanz angibt.Journal für praktische Chemie, Jahrg. 1842, Bd. XXV S. 65; Jahrg. 1843, Bd. XXVIII S. 101. Es wird eine Lösung vom spec. Gewichte 1,100 dargestellt bei einer Temperatur von 17,5° C. Da dieß schwer zu erzielen, so sucht man es annähernd zu erreichen und corrigirt nach Tabellen. Diese Lösung wird polarisirt. Eine Lösung von reinem Zucker polarisirt 100 und hat einen Gehalt von 23,68 Gewichtsprocenten. Ventzke ist nun von der Voraussetzung ausgegangen, daß die den zu untersuchenden Zuckerstoff begleitenden nichtzuckerigen Substanzen dasselbe spec. Gewicht haben, wie reiner Zucker, mithin eine Lösung vom spec. Gewichte 1,100 auch 23,68 Proc. Trockensubstanz habe. Dieß ist nun um so unrichtiger, je ungünstiger das Verhältniß zwischen Zucker und Unreinigkeiten ist. Ventzke wußte diese Fehlerquelle. Er gab auch eine Methode zur Correction an; doch ist diese nach Redners eigenen im Laboratorium der Zuckerfabrik zu Staßfurt angestellten äußerst subtilen Untersuchungen ungenau, wegen der so sehr variablen Beschaffenheit der den Saft begleitenden Unreinigkeiten (Salze und organische Stoffe) in ihrem Gewichtsverhältnisse zu einander und der dadurch entstehenden, vom absoluten Gehalte an Nichtzucker unabhängigen, verschiedenen Einwirkungen auf die Spindel. Diese Methode hat genau dieselbe Fehlerquelle, wie Untersuchungen und Berechnungen, welche von der Annahme ausgehen, daß die Saccharometeranzeige (Grade nach Brix) gleich seyen dem Procentgehalt an Trockensubstanz. Redner bedauerte die Unmöglichkeit einer allgemein maßgebenden Correction, da die Methode bei nur einigermaßen exacter Ausführung schöne und unter sich übereinstimmende Resultate gebe. Für technische Zwecke ist sie meist ausreichend, wenn es nicht darauf ankommt, den Wassergehalt, sondern annähernd das Verhältniß zwischen Zucker und Nichtzucker (den Zuckerquotienten), die Güte eines Zwischenproductes sofort zu finden. Will man genau zu Werke gehen, so muß man den Wassergehalt durch Trocknung bestimmen, den Zuckergehalt durch Auflösen von 26,048 Gram. Substanz auf 100 Kubikcentimeter Wasser von 17,5° und nachfolgende Polarisation. Man kann auch nach Professor Balling eine gewogene Menge Substanz mit einer gewogenen Menge Wasser versetzen und dann polarisiren. Da der Apparat dann angibt, wie viel Gramme Zucker in 100 Kubikcentimetern enthalten sind, so ist zur Umrechnung des Volumens auf das Gewicht das spec. Gewicht nothwendig. Die Tabellen nach Ventzke geben selbst bei Untersuchungen von Rübenrohsäften ein zu hohes Resultat, da das spec. Gewicht einer, den durch den Apparat angezeigten Drehungsgraden entsprechenden Lösung reinen Zuckers als Norm angenommen wird. Ein Rübenrohsaft habe das spec. Gewicht 1,0667 = 16,23° Saccharometeranzeige und polarisire 51,3°, so ist sein Gehalt an Zucker nach dem Ansatz: (26,048 . 51,3)/106,67 = 12,52 Gewichtsprocente, während die Ventzke'sche Tabelle 12,72 angibt. Bei der Untersuchung von dickeren Flüssigkeiten, Syrupen etc. vereinigt Redner die Bestimmung des spec. Gewichtes mit den nothwendigen Wägungen und bedient sich dabei folgenden Apparates. Ein Kölbchen von 100 Kubikcentim. Inhalt, welches im langen engen Halse von 100 bis 98 Kub. Centim. abwärts in 1/10 Kub. Cent, genau calibrirt ist, sich oben trichterförmig erweitert, um die zu untersuchende Substanz leicht hineinbringen zu können, und mit einem Glasstopfen verschließbar ist, wird erst ganz trocken für sich gewogen, dann mit der zu untersuchenden Substanz (circa 10 Grm.), dann mit Wasser bis ungefähr zu 100 Kub. Centim. Marke angefüllt und wieder gewogen. Nachdem die Lösung bewirkt, wird das Volumen bei 17,5° C. abgelesen, und das spec. Gewicht ist nun durch Rechnung leicht zu finden. Man habe z.B. ein IV. Product (Rübensyrup) zu untersuchen. Das leere Kölbchen allein wiegt             30,213 Grm. Dasselbe mit der Substanz   50,862 Grm. Dasselbe + Substanz + Wasser 136,345 Grm. Nach dem Mischen und Lösen sey das Volumen bei 17,5° = 99,08 Kub. Cent.; folglich ist nach der Proportion: 99,08 : 106,132 = 100 : x, x = 1,0715, das spec. Gewicht =1,0715. Die Lösung, welche 19,456 Proc. Syrupenthält, drehe 42,46°. 100° Drehung würden sagen, daß 26,048 Grm. Zucker in 100 Kub. C. gelöst seyen, folglich: 100 : 26,048 = 42,46 : x, x = 11,06, d.h. 100 Kub. Centim. der Lösung enthalten 11,06 Grm. Zucker, oder durch das spec. Gewicht dividirt 10,32 Grm. Zucker in 100 Grm. der Lösung, oder 53,05 Gewichtsprocente Zucker im Syrup. Nach der Tabelle von Ventzke würde einer Drehung von 42,46° ein Gehalt von 10,61 Proc. resp. 54,53 im Syrup entsprechen. Eine Trocknung bei 100° C. in einem trockenen Strome von Kohlensäure ergab 16,43 Proc. Wasser; die wirkliche Zusammensetzung ist dann 53,05 Proc. Zucker, 30,52 Proc. Nichtzucker, 16,43 Proc. Wasser, –––––––––– 100,00 Proc. oder 63,48 Proc. Zucker in der Trockensubstanz. Benutzt man Ventzke's Tabelle, so ergibt sich 54,58 Proc. Zucker, 29,04 Proc. Nichtzucker, 16,43 Proc. Wasser, –––––––––– 100,00 Proc., und ein Zuckerquotient von 65,25. Eine directe Bestimmung des Zuckerquotienten nach Ventzke's Methode ergab 59,59 und nach der von demselben angegebenen Formel corrigirt 60,87. Um zu beweisen, daß die Methode von Ventzke dieselbe Fehlerquelle hat, als Untersuchungen unter der Annahme, daß Saccharometeranzeige = Trockensubstanz, diene Folgendes. Die 19,456 procentige Lösung obigen Syrups hat ein spec. Gewicht von 1,0715. Dieß ist = 17,3° Saccharometeranzeige. Nimmt man diese als Trockensubstanz an, so hat man nach dem Ansatze 17,3 : 10,322 = 100 : x, x = 59,66 einen Zuckerquotienten von 59,66, welcher mit Ventzke's Zahl (59,59) genügend übereinstimmt. Darauf gieng Redner über auf eine andere Fehlerquelle, und zwar sey diese in der manchmal unterlassenen Berücksichtigung des Kalkes in den Zuckersäften gegeben. Die Verbindung des Zuckers mit Kalk wirkt nicht auf das polarisirte Licht. Der Kalk muß darum durch Alaunlösung oder durch Essigsäure neutralisirt seyn. Schließlich machte Redner noch aufmerksam auf eine Menge Fehlerquellen, welche bei der praktischen Ausübung der Polarisation leicht entstehen können. Diese sind unter Anderem: nicht richtiges Einstellen des Nullpunktes der Scala; unvollkommene Uebereinstimmung des Gewichtssatzes mit dem des Mechanikers, welcher den Apparat gefertigt, und darum eine alle halbe Jahre zu wiederholende Correction der Zahl 26,048; zu festes Anschrauben der Röhrendeckgläser; ungleichmäßige Erwärmung des Apparates (deßhalb muß man nach jedesmaliger Polarisation die Lampe entfernen); Wechsel in der Temperatur des zu untersuchenden Saftes beim Bestimmen des specifischen Gewichtes und bei nachheriger Polarisation; nicht vollkommene Mischung des Bleiessigs mit der Zuckerlösung und mit dem Wasser beim Nachfüllen auf 100 Kub. Cent., dadurch nachher erfolgende Contraction, wodurch ein zu hohes Resultat entsteht.