Titel: Ueber die Natrium-Amalgamation, mit besonderer Beziehung auf das Ausbringen der Edelmetalle, namentlich des Goldes; von Professor E. Silliman.
Fundstelle: Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XII., S. 34
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XII. Ueber die Natrium-Amalgamation, mit besonderer Beziehung auf das Ausbringen der Edelmetalle, namentlich des Goldes; von Professor E. Silliman. Aus der Chemical News, 1866, vol. XIV p. 170. Silliman, über Anwendung der Natrium-Amalgamation zum Ausbringen des Goldes aus seinen Erzen. Verschiedene, von mir selbst auf mehreren Amalgamirhütten in Graß-Valley (Kalifornien) – einem durch den günstigen Erfolg der Goldamalgamation vor vielen anderen Werken bekannten Punkte – gesammelte Proben von Abfällen oder Rückständen („Schwänzel,“ tailings) ergaben bei der Probe in den quarzigen Aftern etc. einen Goldgehalt von über 30 Dollars und in den Schwefelmetallen, Kiesen etc. von über 50 Dollars per Tonne – entsprechend einem Verluste, welcher dem durchschnittlichen Goldausbringen in jenem Districte beinahe gleichkommt. Einer der umsichtigsten und erfahrensten Metallurgen Kaliforniens theilte mir mit, daß, seinen eigenen Untersuchungen zufolge, das Ausbringen in zahlreichen Fällen nur 30 Proc. vom Gesammtgehalte der Erze beträgt, wie durch sorgfältiges Probiren sowohl des Erzes, als der Abgänge und Rückstände dargethan worden. Dieser Verlust wird durch verschiedenartige Ursachen bedingt, von denen namentlich unvollkommene Aufbereitungs- und Verhüttungsprocesse, ungenügende Zerkleinerung der Erze und die Schwierigkeit, das fein vertheilte Gold in hinlängliche Berührung mit dem Quecksilber zu bringen, zu nennen sind. In einem Erze, welches per Tonne Quarz oder Rückstand eine Unze Gold enthält, ist das Verhältniß = 1 : 32000, oder weniger als ein Viertelgrain in einem Pfunde Gestein. Jeder mit der Goldamalgamirung Vertraute weiß, daß häufig das Quecksilber gegen das Gold sich ganz indifferent verhält, und selbst wenn es in unmittelbaren Contact mit dem Golde gebracht wird, kein Amalgam mit ihm bildet. Zuweilen mag diese Indifferenz von einer geringen Quantität vorhandenen Fettes herrühren, durch welches die Amalgamation ganz verhindert wird; doch rührt sie mindestens ebenso oft von einer anderen, weniger offenbaren Ursache her, welche häufig der Geschicklichkeit und Erfahrung des besten Amalgamirers spottet und dann gewöhnlich einen sehr nachtheiligen Verlust an edlem Metalle herbeiführt. Zur Verhinderung dieses Verlustes und zur Vermeidung der denselben veranlassenden Ursachen sind zahlreiche neue Methoden empfohlen, indessen bis vor Kurzem mit nur sehr geringem Erfolge angewendet worden. Eines der am meisten versprechenden Verfahren – die Anwendung von Quecksilberdämpfen – erwies sich bei Versuchen im Großen als unanwendbar, und so blieb die Aufgabe großentheils ungelöst. In verletzten Zeit hat nun aber H. Wurtz in New-York bei Laboratoriumsversuchen entdeckt,Man s. Wurtz's Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CLXXXI S. 119. daß die Anwendung einer geringen Menge von Natrium dem Quecksilber die Fähigkeit mittheilt, sich unter den sämmtlichen ungünstigen Umständen, welche sich bisher als so ernstliche Hindernisse für eine vollkommene Amalgamation erwiesen, leicht und rasch mit dem Golde zu verbinden. Eine Verbindung von Natrium mit Quecksilber, welche 2 Proc. Natrium enthält, krystallisirt in schönen Prismen und Nadeln, und schmilzt unter + 100° C. Eine andere enthält etwa 4 Proc., gewöhnlich aber etwas mehr Natrium, ist starr, hart und spröde, und besitzt einen auffallend hohen Schmelzpunkt, indem sie erst bei einer Temperatur schmilzt, bei welcher das Letternmetall in Fluß geräth; – eine Eigenschaft, welche es ermöglicht, dieses Amalgam zu Zainen zu gießen und unter Steinöl oder in luftdichte eiserne Kannen, die man mit gebranntem trockenem Kalk ausfüllt, zu verpacken und so aufzubewahren und zu versenden. Diese härtere Legirung läßt sich zwar in Quecksilber bei einer unter dessen Verdampfungspunkt liegenden Temperatur schmelzen oder lösen; allein für praktische Zwecke dürfte die Anwendung einer der leichtflüssigeren Natriumlegirungen ohne Zweifel mehr zu empfehlen seyn. Ein solches Amalgam läßt sich in den gewöhnlichen eisernen Quecksilberflaschen ganz bequem und sicher transportiren, indem diese Gefäße mit der flüssig gemachten Legirung gefüllt und dann mit ihrem Schraubenstöpsel dicht verschlossen werden. Ein weiterer Schutz gegen den Zutritt der Luft ist nicht erforderlich; soll das Amalgam gebraucht werden, so setzt man die Flaschen in kochendes Wasser, worauf ihr Inhalt sehr bald schmilzt und nun zum Beschicken (Versetzen) des zur Amalgamation bestimmten Quecksilbers fertig ist. Mit Golderzen abgeführte Versuche. Da ich eine bedeutende Menge von californischem, aus einer im County Calaveras liegenden Grube herstammendem goldführendem Quarz zu meiner Verfügung hatte, so beschloß ich, diese Erze unter solchen Bedingungen der Amalgamation zu unterwerfen, welche eine Controle sowohl über den wirklichen Werth oder Gehalt des in Arbeit zu nehmenden Materials, als über das Ausbringen und den bei dem Processe stattfindenden Metallverlust gestatteten. Zu diesem Behufe wurde das Trockenquetsch- und Mahlwerk von B. Dodge in New-York benutzt, mittelst dessen sich leicht genaue Resultate erhalten lassen, weil man mittelst dieses Zerkleinerungsapparates im Stande ist, eine richtige Durchschnittsprobe der gesammten zu verarbeitenden Erzmenge zu nehmen – bekanntlich eine sehr schwierige Aufgabe für den Probirer. Erste Versuchsreihe. Eine Post sehr armer Erze, bestehend aus Quarz, welcher keine Goldtheilchen, jedoch etwas Schwefelkies und viel Ocker wahrnehmen ließ, gab nach dem Quetschen und Mahlen 525 Pfund trockenes feines Erzmehl, welches bei mehrfachen Proben per Tonne von 2000 Pfund folgenden Gehalt zeigte: Gold 13,56 Dollars Silber 1,33 –––––––––––– 14,89 Dollars. Die ganze Post von 525 Pfund, also über eine Vierteltonne Erzmehl, wurde in einem Freiberger, mit sechzehn Läufern versehenen und durch Dampfkraft getriebenen Amalgamir- oder Anquickfasse zunächst unter Wasserzusatz in einen dünnen Brei verwandelt und dann eine Stunde lang mit 20 Pfd. Quecksilber behandelt, welchem während der Dauer des Processes in ziemlich gleichen Zwischenräumen (also von etwa einer Viertelstunde) 4 Unzen Natriumamalgam (mit 4 Procent Natrium) in vier successiven Dosen zugesetzt wurden; das Amalgam war stets vorher in einer kleinen Menge des Quecksilbers gelöst worden. Bei diesem Versuche erhielt ich die ganze verbrauchte Quecksilbermenge mit einem Verluste von weniger als 1/320 der ursprünglich angewendeten Quantität wieder zurück. Nach sorgfältiger Destillation (in Retorten) gab der geschmolzene Goldregulus (im Probiramte der Vereinigten Staaten) 1,925 Unzen (Troygewicht) mit 827 Tausendteln Feingehalt und einem Werthe von 3,295 Dollars, oder, auf die Tonne von 2000 Pfd. berechnet, einen Werth von 14 Dollars 3 Cents an Edelmetall per Tonne Erz. Die bei dem Versuche erhaltenen Rückstände zeigten bei der Probe nur eine unwägbare Spur von Gold. Die concentrirten, von den Quarzrückständen sorgfältig separirten, einen sehr kleinen Bruchtheil der ursprünglichen Erzmasse repräsentirenden Schwefelmetalle gaben als Resultate von zwei Proben einen Goldgehalt von 1183 Doll. 73 Cents, und 1140 Doll. 63 Cents, im Durchschnitt von 1162 Doll. 18 Cents per Tonne zu 2000 Pfd. Berechnet man das Verhältniß dieser concentrirten Schwefelmetalle zu der ganzen Erzmasse, so ist dasselbe 1 : 1700, was etwa 70 Cents als Metallwerth außer dem durch die Amalgamation erhaltenen Regulus ergibt, daher der Gesammtwerth 14 Doll. 73 Cents entspricht und nur um 16 Cents von dem ganzen chemischen Inhalte differirt, wie er sich im Durchschnitt mehrerer Proben herausstellte, – mit anderen Worten: durch das Natriumamalgam war bei diesem Versuche alles Gold in einem weniger als 15 Dollars per Tonne enthaltenden Erze ausgebracht worden. Zweite Versuchsreihe. Eine andere, von derselben Grube herrührende Post von Erzen, welche als weit reicher bekannt sind als die ersteren, ward in gleicher Weise zu feinem Mehl vermahlen, von welchem dann mit der größten Sorgfalt eine richtige Durchschnittsprobe gezogen wurde. Wiederholte im Probiramte der Vereinigten Staaten und an anderen Orten gemachte Proben stellten den Werth dieser etwa 80 Pfd. schweren Erzmehlpost zu 320 Dollars per Tonne fest; die Differenzen in den Resultaten der einzelnen Proben waren sehr gering. Diese Proben ergaben nämlich 293 Doll. 63 Cents; 332 Doll. 78 Cents; 296 Doll. 37 C.; 368 Toll. 22 C.; 306 Doll. 30 C.; 320 Doll. 36 C. Der durchschnittliche Werth der ganzen Quantität ist demnach fast genau gleich 320 Dollars per Tonne Erz von 2000 Pfd. Das bei der Durchschnittsprobe dieser Erzmehlpost angewendete Verfahren wich von dem bei der ersten Versuchsreihe befolgten etwas ab. Anstatt des gewöhnlichen Freiberger Quickfasses wurde eine ähnlich wie dieses eingerichtete kleine rotirende Tonne von einem zur Behandlung von 10 bis 15 Pfund Erz hinreichenden Rauminhalte benutzt. Beim Operiren mit so geringen Mengen Erzmehl treten begreiflicher Weise Verluste und Irrthümer weit schärfer hervor als bei der Behandlung größerer Quantitäten und bei der wirklichen Verhüttung der Erze im großen Maaßstabe. Ich konnte demnach bei dieser Versuchsreihe auch nicht erwarten, Resultate zu erzielen, welche mit der dokimastischen Probe so nahe übereinstimmen, wie bei dem vorhergehenden, in eben so großem Maaßstabe als wie bei Anwendung der Quarzmühle abgeführten Versuche. Erster Versuch. – Zur Vergleichung des mit gewöhnlichem Quecksilber und des mit Natriumamalgam erzielten Ausbringers wurden 5 Pfund Erzmehl dreißig Minuten lang mit 2 Pfd. gewöhnlichem Quecksilber behandelt; dadurch wurden erhalten: Per Tonne Erz von 2000 Pfund 118 Doll. 80 Cents oder 37,12 Proc. Die bei diesem Versuche erhaltenen  Rückstände ergaben, mit 1 Unze  von Wurtz's sog. magnetischem  Quecksilber in der Pfanne mit der  Hand durchgearbeitet, außerdem 67 20 21,00 –––––––––––––––––––––––––––––––––––– 186 Doll. Cents oder 58,12 Proc. Zweiter Versuch. – 10 Pfd. Erzmehl wurden in derselben Weise mit 1 Pfund gewöhnlichem Quecksilber 30 Minuten lang im kleinen Quickfasse behandelt und dann die Rückstände wie beim ersten Versuche mit 1 Unze magnetischem Quecksilber in der Pfanne bearbeitet; im Ganzen erhielt ich per Tonne 182 Doll. 60 Cents, entsprechend 57,1 Proc. Dritter Versuch. – 10 Pfd. Erzmehl, 30 Minuten lang mit 1 Pfd. gewöhnlichem Quecksilber amalgamirt, gaben 191 Doll. 80 Cents oder 60 Proc. Die Rückstände, 30 Minuten lang mit  1 Pfd. magnetischem Quecksilber –  welches 1/4 Unze des Amalgams Nr.  2 (mit 4 Proc. Natrium) enthielt –  in der Pfanne behandelt, gaben  außerdem 63 60 20 –––––––––––––––––––––––––––––––––––– 255 Doll. 40 Cents oder 80 Proc. Ein bestimmbarer Quecksilberverlust hatte nicht stattgefunden. Vierter Versuch. – 10 Pfd. Erzmehl, welche 30 Minuten lang mit 1. Pfd. „magnetischem“ (1/4 Unze vom Amalgam Nr. 2 enthaltendem) Quecksilber behandelt worden waren, und die wie beim zweiten Versuche mit 1 Unze magnetischem Quecksilber behandelten Rückstände gaben zusammen 286 Doll. 40 Cents, entsprechend 83,3 Proc., ohne nachweisbaren Quecksilberverlust. Allgemeine Resultate. Die hier mitgetheilten Versuche werden noch fortgesetzt; allein die bisher gewonnenen Resultate beweisen schon, daß bei Anwendung von gewöhnlichem Quecksilber weniger als 60 Proc. von dem als vorhanden bekannten gesammten Goldgehalte der Erze ausgebracht werden. Bei einem Versuche erreichte das Ausbringen nicht einmal 40 Proc., während dasselbe mit Hülfe des Natriumamalgams auf 80 bis 83,3 Proc., also um mehr als 20 Proc., erhöht wurde – eine Thatsache, welche zu der Erwartung berechtigt, daß beim Betriebe im Großen mindestens 80 Proc. von dem in einem gegebenen Falle vorhandenen Goldgehalte wirklich ausgebracht werden können, sowie daß sich in vielen Fällen, in denen das Gold in gröberen Theilchen und frei (nicht verlarvt) vorkommt, noch bessere Ergebnisse erreichen lassen werden. Der erste der näher beschriebenen Versuche, bei welchem ein anderer Amalgamirapparat angewendet wurde, gab überraschend genaue Resultate. Meiner Ansicht nach ist das Faß für diese Art von Amalgamation nicht so gut geeignet, wie eine der zahlreichen jetzt gebräuchlichen Formen von Pfannen (pans); das erstere wurde bei diesen Versuchen bloß deßhalb angewendet, weil es zur Behandlung geringer Erzmengen bei vergleichenden Versuchen sich als zweckmäßig erwies. In Californien werden unter meiner Leitung weitere Versuche in einem so großen Maaßstabe abgeführt, daß sie den Werth dieser Entdeckung für die Metallurgie des Goldes in das klarste Licht zu setzen geeignet seyn dürften; die Resultate derselben hoffe ich in nicht ferner Zeit veröffentlichen zu können. Die Wirkungsweise des Natriums scheint hier elektrischer Art zu seyn, indem dieses Metall das Quecksilber gegenüber dem elektronegativen Golde in einen stark elektropositiven Zustand versetzt. Die Menge des Natriums ist zu klein, als daß sich annehmen ließe, dasselbe wirke durch seine chemischen Verwandtschaften. Es ist jedem Chemiker bekannt, daß Schwefelmetalle durch Natriumamalgam zersetzt werden, aber keiner wird im Ernste vorschlagen, das Natriumamalgam zur Reduction von Schwefelsilber etc. anzuwenden, da nicht weniger als 1 Aeq. Natrium erforderlich ist, um 1 Aeq. Silber in Freiheit zu setzen. Die Anwendung des Natriumamalgams zur Amalgamation des Silbers muß auf einem ähnlichen Vermögen elektrischer Wirkung beruhen, wie es sich bei seiner Wirkung auf Gold zeigt und in der Eigenschaft des Natriumamalgams, das Granuliren oder Zerstäuben (Sichzerschlagen) des Quecksilbers bei diesem Processe zu verhüten, und zerstäubtes Quecksilber wieder zu zusammenhängenden Massen zu vereinigen. Wie jeder Amalgamirmann zu seinem Schaden erfahren haben wird, ist sowohl Gold- als Silberamalgam nur zu sehr geneigt, sich zu granuliren (zerstäuben) und dann mehr oder weniger zu verschwinden; unter solchen Umständen ist es mittelst der bisher gebräuchlichen Amalgamationsmethoden fast unmöglich, die kleinen, mit dem Wasser davon schwimmenden und verloren gehenden Amalgamtheilchen wiederzugewinnen. Das Vermögen des Natriums, das in diesen Zustand übergegangene Quecksilber wieder zu vereinigen, ist vielleicht seine merkwürdigste Eigenschaft.