Titel: Ueber allgemein vergleichbare Bestimmungen der elektromotorischen Kräfte der am häufigsten angewendeten galvanischen Ketten; von Prof. Dr. A. v. Waltenhofen.
Autor: Adalbert Waltenhofen [GND]
Fundstelle: Band 183, Jahrgang 1867, Nr. LIV., S. 204
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LIV. Ueber allgemein vergleichbare Bestimmungen der elektromotorischen Kräfte der am häufigsten angewendeten galvanischen Ketten; von Prof. Dr. A. v. Waltenhofen. v. Waltenhofen, über allgemein vergleichbare Bestimmungen der elektromotorischen Kräfte der gebräuchlichsten galvanischen Ketten. Das polytechn. Journal brachte im Jahrgang 1866, Bd. CLXXXI S. 46, einen Aufsatz von M. G. Farmer (aus dem American Journal of science) über das mechanische Aequivalent des Lichtes. – Die Bestimmung dieser Größe gründet sich auf die Vergleichung des einem elektrischen Strome entsprechenden chemischen Effectes mit der Lichtstärke des Flammenbogens, welchen derselbe zwischen Kohlenspitzen zu erzeugen vermag. Dabei wird angenommen, daß die elektromotorische Kraft eines Bunsen'schen Elementes bei einem Gesammtwiderstande von 4415 englischen Fußen Kupferdraht (aus elektrochemisch niedergeschlagenem Kupfer) von 1/20 Zoll Durchmesser per Minute 1 Kubikcentimeter Knallgas entwickle. Dieß würde, mit Beibehaltung derselben Stromeinheit, auf die Widerstandseinheit von 1 Meter Kupferdraht von 1 Millimeter Durchmesser (d. i. des sogenannten Normaldrahtes) bezogen, der Zahl 1062 entsprechen; d.h. dieselbe elektromotorische Kraft müßte, bei einem Gesammtwiderstande von 1 Meter Normaldraht, per Minute 1062 Kubikcentimeter Knallgas liefern. – Auf dieselben Einheiten bezogen fand Müller („Bericht über die neuesten Fortschritte der Physik“ S. 255 bis 285) für die elektromotorische Kraft der Bunsen'schen Kette die Zahl 824, wofür man – sowie für die elektromotorische Kraft der Grove'schen Kette, die Müller zu 829 bestimmt – in der Regel die runde Zahl 800 anzunehmen pflegt. Man ersieht hieraus einerseits die große Wichtigkeit einer genauen Kenntniß der elektromotorischen Kräfte, welche den in der Praxis am häufigsten angewendeten galvanischen Ketten nach allgemein vergleichbaren Maaßeinheiten zukommen, – andererseits aber auch die sehr bedeutenden Abweichungen unter den vorliegenden numerischen Bestimmungen, indem z.B. die oben angeführten 824 und 1062 um nahezu 29 Proc. differiren. Aehnliches gilt von der Daniell'schen Kette. Die elektromotorische Kraft derselben wurde von Bosscha (Poggendorff's Annalen Bd. CI S. 523) nach absolutem elektromagnetischem Maaße bestimmt zu D = 10258 . 10⁷ Mill./Sec., was auf die von der British Association vorgeschlagene Widerstandseinheit (die man kurzweg mit B. A. Einheit“ zu bezeichnen pflegt) bezogen, D = 10,358 beträgt. – Nun fand Weber (siehe: Wiedemann, Galvanismus, Bd. II S. 914) den Widerstand eines Jacobi'schen Kupferdraht-Etalons von 7,61975 Met. Länge und 0,667 Millimeter Durchmesser, – eines Kupferdrahtes also, dessen Widerstand 17,127 Metern Normaldraht entsprechen würde = 598 . 10⁷ Mill./Sec. = 0,598 B. A. Einheiten. Demnach entspräche einer solchen (B. A.) Einheit die Länge von 17,127/0,598 = 28,64 Meter Normaldraht. – Hierauf bezogen, ergäbe also die Bestimmung von Bosscha für die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette, wenn man sie auch zugleich von der elektromagnetischen auf die um 5 Proc. kleinere chemische Stromeinheit reducirt, D = 10,258 × 28,64 × 100/95 = 309,27, also nahe D = 309. Dagegen fand Müller für die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette nach denselben Maaßeinheiten D = 470, zwei Bestimmungen, welche um mehr als 52 Proc. differiren. Diese Abweichungen, so groß sie auch sind, können doch nicht befremden, wenn man erwägt, wie wenig überhaupt Kupferdraht zu einem Widerstandsmaaße sich eignet, indem verschiedene Sorten eine so verschiedene Leitungsfähigkeit zeigen, daß die darüber vorliegenden Bestimmungen weit über 100 Proc. von einander abweichen. (Thomson. beobachtete an verschiedenen Kupferdrähten und Blechen Widerstände, die sogar um nahezu 200 Proc. variirten; siehe: Wiedemann, Galvanismus, Bd. I S. 159). Fast ebensowenig eignet sich Neusilberdraht zu diesem Zwecke, denn auch die Angaben über die Leitungsfähigkeit des Neusilbers differiren, wenn man jene des Quecksilbers als Einheit annimmt, zwischen 10,532 und 4,137.Um die Bestimmungen von Poggendorff (Pogg. Ann. Bd. LX) und von Beetz (Pogg. Ann. Bde. LXXVII und XC), bei welchen Neusilberdrähte von bestimmten Dimensionen als Widerstandsmaaße dienten, mit den in diesem Aufsatze erwähnten Bestimmungen von Bosscha, Buff und mir möglichst in Uebereinstimmung zu bringen, müßte man – vorausgesetzt, daß das specifische Gewicht des Neusilbers = 8,689 angenommen wird – für die Leitungsfähigkeit dieses Metalls den kleinsten der oben angeführten Werthe = 4,137 annehmen. Man findet dann mit Beziehung auf die Jacobi'sche Stromeinheit und die Siemens'sche Widerstandseinheit für die elektromotorischen Kräfte D und G der Daniell'schen und der Grove'schen (oder auch der Bunsen'schen) Kette folgende Werthe. Nach Poggendorff D = 10,20, G = 17,53; nach Beetz D = 9,81,G =17,2617,22während sich nach den Bestimmungen von Bosscha D = 11,36, von Buff D = 11,67 und G = 18,79 und nach der meinigen D = 12 und G = 20 ergibt. – Aus den Bestimmungen von J. Regnauld (siehe: Wiedemann, Galvanismus, Bd. I S. 237) ergibt sich, wenn man die Pouillet'sche Stromeinheit 7,37mal kleiner als die Jacobi'sche annimmt und die Leitungsfähigkeit des Kupfers 55 mal größer als jene des Quecksilbers, D = 11,24 und G = 19,47. – Ich werde auf diese Untersuchungen in einer ausführlicheren Abhandlung zurückkommen. Nun sind aber fast alle bisherigen Bestimmungen der elektromotorischen Kräfte galvanischer Ketten entweder überhaupt nur relative Messungen (wobei in der Regel eben die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette als Einheit diente) – oder sie sind, hinsichtlich der Widerstandseinheit, auf Kupfer- oder Neusilberdraht bezogen und daher, wie aus dem Gesagten erhellt, nicht geeignet auch nur mit einiger Sicherheit eine Umrechnung auf allgemein vergleichbare Einheiten zu gestatten. Fassen wir insbesondere die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette in's Auge, so existirt, außer der bereits erwähnten absoluten Bestimmung von Bosscha, nur noch eine, welche – insofern dabei die Widerstandsangaben auf Silberdraht bezogen wurden – mit einiger Sicherheit die Reduction auf andere allgemein vergleichbare Einheiten ermöglicht. Diese Bestimmung wurde von Buff (Pogg. Ann. Bd. LXXIII) ausgeführt. Als Einheit der Stromstärken galt ein Strom, der per Minute eine Wasserstoffentwickelung von 21,08 Kubikcentimetern lieferte, was nach Jacobi'schem Maaße, nämlich auf Knallgas reducirt, der Zahl 31,62 entspricht. Als Widerstandseinheit diente ein mit Silberdraht verglichener Neusilberdraht von 75 Centimetern Länge und 1,5 Millimetern Durchmesser, dessen specifische Leitungsfähigkeit 12,4014 mal kleiner als die des Silbers war. Nach diesen Einheiten ergab sich die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette D = 4,207. Da die Leitungsfähigkeit des Silbers, nach genauen und wenig von einander abweichenden BestimmungenSiehe die Bestimmungen von Matthiessen (Pogg. Ann. Bde. CIII und CXXV) und von Siemens und Arndtsen (Pogg. Ann. Bd. CX). 60mal größer als jene des Quecksilbers ist und weil die von Siemens aufgestellte Widerstands einheit eben dem Widerstande eines Quecksilberprisma's von 1 Quadratmillimeter Querschnitt und 1 Meter Länge entspricht, so erhält man bei der Umrechnung des obigen von Buff gefundenen Werthes 4,207 auf die Jacobi'sche Stromeinheit und die Siemens'sche Widerstands einheit die Zahl D = 11,67. Um damit die Bestimmung von Bosscha zu vergleichen, erwäge man, daß dieselbe – wie oben gezeigt wurde – auf die Weber'sche elektromagnetische Stromeinheit und auf die Widerstandseinheit der British Association bezogen D = 10,26 ergab, und daß zwischen der B. A. Einheit und der Siemens-Einheit dasselbe Verhältniß besteht, wie zwischen der Weber'schen und Jacobi'schen Stromeinheit, nämlich 1 ÷ 0,95, weßhalb sich der reducirte Werth 10,26/(0,95)² = 11,37 ergibt. Man erhält sonach aus der BestimmungBestimmmung von Bosscha mit Beziehung auf die Jacobi-Siemens'schen Einheiten die Zahl D = 11,37. Diese beiden Bestimmungen, die Resultate der einzigen mit allgemein vergleichbaren Einheiten ausgeführten Messungen der elektromotorischen Kraft der Daniell'schen Kette, welche bisher vorliegen, stimmen zwar ziemlich gut überein, können aber offenbar nicht den wahren, d. i. von der Polarisation befreiten Werth der elektromotorischen Kraft darstellen, weil beide Bestimmungen, sowohl jene von Bosscha als auch von Buff, nach der Ohm'schen Methode ausgeführt worden sind. Der ursprüngliche Werth der elektromotorischen Kraft einer galvanischen Kette kann nur durch die Poggendorff'sche Compensationsmethode ermittelt werden. Auf diesem Wege ist aber bisher noch gar keine absolute Bestimmung der elektromotorischen Kraft der Daniell'schen oder irgend einer anderen galvanischen Kette ausgeführt worden. Deßhalb und weil bisher überhaupt nur zwei absolute Messungen dieser so oft und vielfach in Betracht kommenden Größe vorliegen, schien es mir nicht unwichtig die Messungen derselben, die ich zum Zwecke einer neueren UntersuchungBetreffend meine neue Methode, die Widerstände galvanischer Ketten zu messen, auf Grundlage des von mir nachgewiesenen Satzes: daß – wenn bei Anwendung des Poggendorff'schen Compensationsverfahrens – das Gleichgewicht der Compensation (durch eine Aenderung des Widerstandes in der Strombahn der compensirenden Kette) gestört wird, der gesuchte Widerstand in der Strombahn der compensirten Kette multiplicirt mit der daselbst auftretenden Stromintensität gleich ist dem Product des Widerstandes der Nebenschließung mit der in derselben stattfindenden Stromesänderung. vorzunehmen veranlaßt war, mitzutheilen und daraus die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette zu berechnen. Bekanntlich findet man – nach der Compensationsmethode – die elektromotorische Kraft e der untersuchten Kette, indem man dieselbe mit einer stärkeren Kette im entgegengesetzten Sinne verbindet, die letztere mit einer Nebenschließung versieht und den Widerstand l dieser Nebenschließung so anordnet, daß in der schwächeren Kette jede Spur eines Stromes verschwindet. Mißt man sodann die in jener Nebenschließung herrschende Stromstärke S, so ist das Product Sl = e, der elektromotorischen Kraft der untersuchten Kette.Näheres hierüber in meiner Abhandlung: „über die Polarisation constanter Ketten“ (Wiener Sitzungsber. 1864). Man findet also auf diese Art, wie gesagt, den wahren, von der Polarisation befreiten Werth der elektromotorischen Kraft, somit nothwendig eine größere Zahl als bei Anwendung der Ohm'schen Methode, was auch bei meinen nachstehend angeführten Messungen, deren Mittel D = 12,04 ist, im Vergleiche mit den oben angeführten D = 11,67 zutrifft.11,37 Bei meinen Versuchen wurde der Werth 1 nach Siemens-Einheiten gemessen und die Stromstärke S mittelst einer Tangentenbussole, deren Reductionsfactor für die chemische Stromeinheit = 4,9 ist, so daß, wenn ω den Ablenkungswinkel bedeutet, S = 4,9 tg ω; – In der nachstehenden Tabelle findet man zunächst für 14 mit Daniell'schen Ketten vorgenommenen Messungen die zusammengehörigen Werthe von l, ω und l . tg ω; – die betreffenden Werthe für die elektromotorische Kraft der Kette ergeben sich offenbar mittelst der Gleichung D = 4,91. tg ω. Nro. l ω l . tg ω Nro. l ω l . tg ω 1 29,790   4° 50' 2,537   8 3,185 36° 20' 2,342 2   3,185 36° 24' 2,348   9 1,760 54° 30' 2,467 3   3,185 37° 30' 2,444 10 1,000 68° 50' 2,583 4   1,760 54° 30' 2,467 11 2,000 51°   0' 2,470 5   0,558 76° 50' 2,385 12 3,000 39° 30' 2,473 6   0,558 77°   6' 2,436 13 1,958 51°   0' 2,418 7   1,000 68° 15' 2,507 14 2,467 45° 50' 2,540 Mittel 2,446 Mittel 2,470 Das Mittel aller Werthe von l . tg ω ist 2,458 und somit D = 2,458 × 4,9 = 12,044. Kennt man die elektromotorische Kraft der Daniell'schen Kette, so ergeben sich daraus auch die elektromotorischen Kräfte für die Grove'sche, Cooper'scheIch verstehe darunter die Kohlenzinkkette in ihrer ursprünglichen von Cooper herrührenden Construction, mit Anwendung der sogenannten Gaskohle, für welche später ein Surrogat in der Bunsen'schen Kohlenmasse gefunden wurde. (Siehe Pogg. Annalen Bd. LIV S. 419 und meinen Aufsatz „über die Kohlenzinkketten etc.“ im Jahrgange 1862 (Bd. CLXIV S. 427) des polytechn. Journals). und Bunsen'sche Kette, welche unter sich so wenig abweichen, daß man sie in der Praxis füglich als gleich ansehen kann. – Bezeichnet man die elektromotorische Kraft der Grove'schen Kette mit G, so besteht die Relation G = 5/3 D. Für das Verhältniß G/D kann man nämlich, wie ich in meiner oben citirten Abhandlung: „über die Polarisation constanter Ketten“ nachgewiesen habe, als Mittelwerth der sichersten darüber vorliegenden Bestimmungen die Zahl 1,67 annehmen, wofür man wohl auch füglich den Näherungswerth 1,666... = 5/3 setzen kann. Demnach ergibt sich G = 5/3 × 12,044 = 20,07, vorausgesetzt, daß zur Füllung der Grove'schen Kette die gewöhnliche käufliche Salpetersäure benutzt wird. Bei Anwendung von chemisch reiner Salpetersäure fällt nämlich die elektromotorische Kraft etwas größer aus etwa G = 7/4 D. Da die unvermeidlichen kleinen Ungleichheiten in der Wirksamkeit sowohl der Daniell'schen als auch der übrigen galvanischen Ketten ohnedieß keine auf die zweite Decimalstelle eingehende Genauigkeit bei der Bestimmung der elektromotorischen Kraft erreichen lassen, so möchte ich vorschlagen, als Mittelwerth der elektromotorischen Kraft der Daniell'schen Kette D = 12 allgemein anzunehmen, und daher für die Grove'sche, Cooper'sche und Bunsen'sche Kette G = 20. Damit ist zugleich auch der Vorschlag gemacht: die elektromotorischen Kräfte galvanischer Ketten überhaupt auf die Jacobi-Siemens'schen Einheiten zu beziehen, nämlich auf die Jacobi'sche Stromeinheit und die Siemens'sche Widerstandseinheit. Die Siemens-Einheit hat einerseits den Vortheil eines leicht zu beschaffendenSowohl genaue Copien der Siemens-Einheit in compendiöser Form, als auch ganze Widerstandsscalen von beliebiger Ausdehnung und sehr zweckmäßiger Einrichtung, können bekanntlich von der Telegraphen-Bau-Anstalt der HHrn. Siemens und Halske in Berlin jederzeit bezogen werden., allgemein vergleichbaren und bequemen Widerstandsmaaßes, – und anderseits den Vortheil, daß die nach Siemens-Einheiten gemessenen Widerstände sehr leicht auf die Einheit der British Association und somit auch auf die Weber'sche absolute elektromagnetische Einheit umgerechnet werden können, wie aus den oben angeführten Zahlen ersichtlich ist. Ich will noch beifügen, daß – wie Siemens (Philosophical Magazine, 1866, Maiheft) angedeutet hat – die nach Siemens-Einheiten gemessenen Widerstände mit einer in den meisten Fällen hinreichenden Genauigkeit durch Abzug von 5 Proc. auf die B. A. Einheit reducirt werden, indem sehr nahe 100 Siemens-Einheiten auf 95 B. A. Einheiten kommen. Dasselbe gilt, nach dem oben Gesagten, auch von der Reduction einer nach chemischem Maaße gemessenen Stromstärke auf elektromagnetisches Maaß. Innsbruck, am 3. Januar 1867.