Titel: Ueber Verwerthung des Kreosot-Natrons und über Kreosot-Gas; von L. Ramdohr, techn. Dirigent der Mineralöl- und Paraffin-Fabrik Georghütte bei Aschersleben.
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XV., S. 62
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XV. Ueber Verwerthung des Kreosot-Natrons und über Kreosot-Gas; von L. Ramdohr, techn. Dirigent der Mineralöl- und Paraffin-Fabrik Georghütte bei Aschersleben. Ramdohr, über Kreosot-Gas. Bei der Verarbeitung des Braunkohlentheers auf Mineralöle (Photogen, Solaröl) und Paraffin werden die in den Rohproducten enthaltenen und in denselben löslichen, der Carbolsäure-Reihe angehörigen Stoffe (welche in der Technik aus naheliegenden und bekannten Gründen überall kurzweg als Kreosot bezeichnet werden, und für welche in nachstehenden Zeilen der Kürze halber ebenfalls nur dieser Ausdruck benutzt werden wird) durch concentrirte Aetznatronlauge ausgeschieden. Das Kreosot-Natron ist in den Mineralölen etc. unlöslich und scheidet sich nach erfolgter Mischung der Rohöle mit der Natronlauge am Boden des Mischgefäßes als eine tiefschwarze, schwere, in der Wärme ziemlich leichtflüssige Schichte ab, von welcher das kreosotfreie Oel zur weiteren Behandlung mit Schwefelsäure etc. abgehoben wird. Die Ausgabe für Aetznatron repräsentirt in allen denjenigen Fabriken, welche Braunkohlentheer verarbeiten, eine ganz respectable Zahl; man rechnet im großen Durchschnitt auf 1 Centner Theer für 10 Sgr. bis 13 1/2 Sgr. Aetznatron. Nimmt man an, daß in der Provinz Sachsen im Jahre 1865 etwa 450,000 Centner Braunkohlentheer auf Mineralöle und Paraffin verarbeitet worden sind, und rechnet man auf 1 Centner Theer nur das Minimum von 10 Sgr. für Aetznatron, so beläuft sich die Ausgabe für diesen Artikel schon auf 150,000 Thlr. Trotzdem hat man bisher wenig Glück mit einer Verwerthung des Kreosot-Natrons gehabt, welche auch nur etwas über die Hälfte der Kosten für das Alkali gedeckt hätte. Einige der größeren Fabriken verwenden noch jetzt das Kreosot-Natron zum Imprägniren der zum Ausbau der Schächte und Strecken benutzten Hölzer oder verkaufen es zu gleichem Zwecke für den Preis von 1 bis höchstens 1 1/4 Thlr. per Ctr. Wenn man nun in 100 Pfd. Kreosot-Natron etwa 50 Pfd. Kreosot und 20 Pfd. käufliches Aetznatron in Form von 50 Pfd. Lauge, den Werth von 1 Centner Kreosot aber zu 25 Sgr. annimmt, so werden die in den 100 Pfd. Kreosot-Natron enthaltenen 20 Pfd. Aetznatron im günstigen Falle zu 15 Sgr., 100 Pfd. des Natrons mithin zu 2 1/2 Thlr. verwerthet, was etwa 30 Proc. vom Selbstkostenpreise ausmacht. Diese Benutzung des Kreosot-Natrons ist, namentlich mit Rücksicht darauf, daß das Kreosot für sich allein nicht stets gut zu verwerthen ist, immerhin noch vortheilhafter, als die hier und da übliche Trennung des Kreosots aus seiner Verbindung mit dem Natron unter Bildung von Glaubersalz. Zu diesem Behufe wird nämlich das Kreosot-Natron mit der zur Reinigung der Rohöle benutzten Schwefelsäure gemischt; dabei scheidet sich obenauf das rohe Kreosot als tiefschwarze Flüssigkeit aus, während das Glaubersalz sich in wässeriger Lösung im unteren Theile des Gefäßes vorfindet. Die so gewonnene rohe Carbolsäure wird häufig auch für sich allein zum Imprägniren der Grubenhölzer verwendet. Dieß Verfahren dürfte, wie schon erwähnt, fast überall zu verwerfen seyn; jedenfalls ist es nur in dem gewiß äußerst seltenen Falle gerechtfertigt, wo die gebrauchte Schwefelsäure als werthloses, dagegen Kreosot und Glaubersalz als gut bezahlte Producte zu betrachten sind. Hierbei mag nicht unerwähnt bleiben, daß der Mineralöl-Fabrikant es fast immer in der Hand hat, seine bereits gebrauchte Schwefelsäure zu verhältnißmäßig gutem Preise zu verwerthen. Diese Säure eignet sich nämlich ganz vorzüglich zum Aufschließen der Knochenmehle oder des Beinschwarzes behufs Darstellung des sogenannten sauren phosphorsauren Kalkes; sie läßt sich in diesem Falle – vorausgesetzt, daß man die Fabrication dieses Düngemittels selbst betreibt – mit mindestens 1 1/4 Thlr. pro Centner verwerthen, anderen Falles ist sie an nahegelegene Düngerfabriken mit 20 bis 25 Sgr. abzusetzen. Für vortheilhafter habe ich die folgende Verarbeitungsweise gehalten, welche ich seit etwa sechs Jahren auf der Mineralöl- und Paraffinfabrik Georghütte bei Aschersleben angewandt habe. Das Kreosot-Natron wird in einem den bei hüttenmännischen Processen gebäuchlichen Flammöfen nicht unähnlichen Ofen zur Entzündung gebracht. Die Sohle (den Herd) dieses Ofens bildet eine starke gußeiserne Pfanne von circa 8 Fuß Länge, 4 Fuß Breite und 9 Zoll Tiefe. Die Ränder dieser Pfanne sind durch Chamotte-Uebermauerung gegen die directe Einwirkung der Flamme geschützt. Die Entzündung des Kreosots erfolgt durch die von einem 2 1/2 Quadratfuß großen Roste herkommende, durch Verbrennung von erdiger Braunkohle erzeugte, über die in der Pfanne befindliche Flüssigkeit hinwegstreichende Flamme sehr leicht und an der ganzen Fläche. Die Verbrennungsproducte werden unter der auf einem 10 Zoll starken Chamotte-Gewölbe ruhenden Pfanne zurück und sodann seitwärts einem etwa 50 Fuß hohen, 2 Fuß im Lichten weiten Schornsteine zugeführt. Während an der einen schmalen Seite des Ofens sich der Rost für die Feuerung befindet, ist an der entgegengesetzten Seite eine Arbeits-Oeffnung zum Durchkrücken des brennenden Pfannen-Inhalts, außerdem aber an einer der Breitseiten eine zweite Oeffnung zum Entleeren der Pfanne angebracht. Selbstverständlich sind beide Arbeitsöffnungen durch Thüren verschließbar. Der Gang des Betriebes ist nun einfach folgender: Das in dem Kreosot-Natron enthaltene Wasser verdampft, das Kreosot verbrennt unter Ausscheidung kohlenstoffreicher, poröser Kohks, welche mit dem unverbrennlichen, resp. nicht flüchtigen Natron gemengt, in der Pfanne als glühende Masse zurückbleiben, welche durch die zweite Arbeitsöffnung ausgezogen und behufs der Abkühlung in geeignete eiserne Gefäße geworfen wird. Ein großer Theil der durch Verbrennung des Kreosots erzeugten Kohlensäure geht selbstverständlich an das Natron. Mittelst einer solchen Pfanne lassen sich in 10 Arbeitsstunden bequem 20 bis 25 Centner Kreosot-Natron aufarbeiten und es resultiren daraus 30 bis 33 Proc. natronhaltiger Kohks, kurzweg als „Natron-Kohks“ bezeichnet. Nehmen wir in 100 Pfd. Kreosot-Natron 20 Pfd. käufliches Aetznatronhydrat (caustische Soda) an, so beträgt nach Abrechnung der vom Natron aufgenommenen Kohlensäure die Quantität des aus dem Kreosot ausgeschiedenen Kohlenstoffs etwa 10 Pfd., also circa 20 Proc. von dem Gewichte des in jenen 100 Pfunden Kreosot-Natron enthaltenen Kreosots selbst. Außerdem entweicht noch ein Theil unverbrannten Kohlenstoffs aus dem Schornstein. Es ist einleuchtend, daß die in der Pfanne zurückbleibenden Kohks das gesammte, zur Ausscheidung des Kreosots aus den Mineralölen etc. benutzt gewesene Aetznatron in der Form von kohlensaurem Natron enthalten müssen; ebenso einleuchtend ist es, daß das kohlensaure Natron ein viel leichter zu verwendender und werthvollerer Stoff ist, als das bei Zersetzung des Kreosot-Natrons mittelst Schwefelsäure erhaltene Glaubersalz – mit einem Worte, daß diese Art der Nutzbarmachung des Kreosot-Natrons gewinnbringender seyn wird, als die beiden zuvor mitgetheilten Verwerthungsmethoden. Die Arbeitslöhne sind nicht bedeutend, und eine etwas erhebliche Abnutzung findet nur bei der gußeisernen Pfanne statt. Die Natron-Kohks wurden anfänglich an eine chemische Fabrik verkauft, welche jedenfalls das Natron daraus wiedergewonnen haben wird; späterhin habe ich sie selbst auf Aetznatronlauge zur sofortigen directen Wiederverwendung in der Mineralöl-Fabrication verarbeitet. Trotz der unläugbaren Vorzüge dieser Methode zur Verwerthung des Kreosot-Natrons genügte mir dieselbe nicht, wenn ich daran dachte, daß das Kreosot gänzlich verloren gienge, höchstens als Brennmaterial etwas nützend, und so kam ich schon vor einigen Jahren auf den Gedanken, daß das Kreosot auch auf Leuchtgas zu verarbeiten seyn müßte. Mehrfache, diese Vermuthung befestigende Betrachtungen veranlaßten mich schon vor etwa zwei Jahren, von einem Freunde Vergasungsversuche mit dem carbolsauren Natron vornehmen zu lassen; obwohl diese Versuche nur als ganz primitive zu bezeichnen waren, insofern die eigenthümliche Consistenz des zu untersuchenden Körpers und die hauptsächlich beabsichtigte Darstellung eines möglichst reinen kohlensauren Natrons als Retorten-Rückstand ganz besondere, zu einem vorläufigen Versuche nicht gut herstellbare Vorrichtungen erforderlich gemacht haben würde, so zeigte sich doch schon damals, daß meine Voraussetzungen an sich richtig waren; das Gas wurde mir als ein vorzüglich hell leuchtendes und mit Leichtigkeit zu entwickelndes bezeichnet. Messungen hinsichtlich der Leuchtkraft und der Quantität fanden bei diesen flüchtigen Versuchen nicht statt; es hätte dieß damals auch wenig Werth gehabt, insofern zur Verdickung der Masse Sägespäne angewandt werden mußten und diese auf Qualität und Quantität des Gases nicht ohne Einfluß gewesen seyn mochten. Späterhin – es war gegen Ende des Jahres 1865 – wurde ein zweiter, aber auch nur roher, Versuch in der Weise ausgeführt, daß in der Holzgas-Anstalt zu Sondershausen das Kreosot Natron, nicht gemengt mit Sägespänen etc., mittelst Schaufeln auf das bereits ausgegaste Holz geworfen wurde. Auch hier resultirte ein sehr schön leuchtendes Gas in erheblicher Menge. Specielle Messungen konnten leider auch hier nicht vorgenommen werden. Indeß war doch die Möglichkeit einer vortheilhaften Vergasung der Karbolsäure zur Evidenz nachgewiesen, und es handelte sich, bevor zur praktischen Nutzbarmachung der Idee geschritten wurde, nur noch um Feststellung der Qualität und Quantität des erzeugten Leuchtgases. Zu einem derartigen letzten Versuche hatten die mir befreundeten Besitzer eines technischen Etablissements die Güte, die Hand zu bieten. Dieselben erzeugen zur Beleuchtung ihrer Fabrik in einer Chamotte-Retorte Steinkohlengas. Der Gasbehälter war möglichst leer gemacht und die Reinigungskästen mit frischem Kalk beschickt worden. Eine mehrtägige Vergasung von dem aus der Mineralöl- und Paraffinfabrik Georghütte stammenden Kreosot-Natron ergab nun im Wesentlichen folgendes Resultat: 1) 100 Pfund Kreosot-Natron ergaben circa 550 Kubikfuß Leuchtgas. (Wenn in 100 Pfunden des Kreosot-Natrons 50 Pfd. Kreosot enthalten sind, so beträgt dieß auf 100 Pfund des letzteren eine Ausbeute von 1100 Kubikfuß Gas. 2) Das Kreosot-Gas, aus einem gewöhnlichen Steinkohlen-Gas-Schnittbrenner, welcher pro Stunde 5 Kubikfuß Gas verbraucht, gebrannt, zeigte eine Lichtstärke von 38 Wachskerzen (6 auf ein Pfund bei 10 Zoll Länge); 3) deßgleichen aus einem 4 Kubikfuß Schnittbrenner von 28 Wachskerzen; 4) deßgleichen aus einem 3 Kubikfuß Schnittbrenner von 19 Wachskerzen. 5) Trotzdem ein Theil der erzeugten Kohlensäure an das in der Retorte zurückbleibende Natron gegangen war, so fanden sich im Gase doch noch erhebliche Quantitäten freier Kohlensäure vor. 6) Die Chamotte-Retorte hatte nur bei der ersten Beschickung mit Kreosot-Natron Gas durchgelassen; später war sie dicht geblieben. Obwohl die vorstehenden Zahlenangaben auf absolute Genauigkeit Anspruch nicht machen dürfen (es würde dazu eine längere Experimentirzeit gehören), so erschien doch auf Grund der erfolgten Beobachtungen die Verwendbarkeit des Kreosot-Natrons zu Leuchtgas vollkommen gesichert, und zwar um so mehr, als das eigentlich wichtigere Product – nämlich die mit kohlensaurem Natron imprägnirten Kohks – in der bequemsten Weise nebenbei gewonnen werden. Es wurde deßhalb die Errichtung einer Kreosot-Gas-Anstalt für die Georghütte beschlossen. (Schilling's Journal für Gasbeleuchtung.)