Titel: Ueber die Anwendung des Canadols anstatt Schwefelkohlenstoffs zur Extraction der fetten Oele; von C. Kurtz in Cöln.
Autor: C. Kurtz
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LXXIV., S. 363
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LXXIV. Ueber die Anwendung des Canadols anstatt Schwefelkohlenstoffs zur Extraction der fetten Oele; von C. Kurtz in Cöln. Kurtz, über die Anwendung des Canadols anstatt Schwefelkohlenstoffs zur Extraction der fetten Oele. Im zweiten Novemberheft dieses Journals vom vorigen Jahre (Bd. CLXXXII S. 319) empfiehlt Hr. Dr. Vohl in Cöln die Anwendung des sogenannten Canadols statt des Schwefelkohlenstoffs zur Extraction der Oele aus den Samen, speciell des Rüböls aus dem Rübsamen. Er führt dabei auch meine Fabrik an und verwirft im Verfolg seines Aufsatzes den Schwefelkohlenstoff als Lösungsmittel für das Rüböl aus dem Samen. Seinen Gründen dafür kann ich indessen in Folge vieler Versuche und mehrjähriger Erfahrung nicht beitreten, und glaube deßhalb im Interesse des Fortschrittes dieser jungen Fabricationsmethode auf die Aufstellungen des Hrn. Dr. Vohl etwas näher eingehen zu müssen. Es wird zunächst erwähnt, „der Schwefelkohlenstoff erleide beim Proceß der Extraction eine bis jetzt noch nicht erklärte Zersetzung; der dabei sich ausscheidende Schwefel ertheile dem Oel einen widerlichen Geruch und für viele Fälle der Anwendung unangenehme und schädliche Eigenschaften.“ Die Oele, welche Hr. Dr. Vohl hierbei untersucht hat, sind wahrscheinlich nur schlecht gereinigt gewesen. Es ist sehr leicht, mit Schwefelkohlenstoff extrahirtes Oel durch Waschen mit Wasserdampf, ohne andere Beihülfe, von jedem Geruch so vollständig zu befreien, daß auch keine Spur desselben zurückbleibt. Gerade dieser Punkt hat bei Versuchen im Großen nicht die geringsten Schwierigkeiten dargeboten, wie ich mich auch aus den Mittheilungen anderer Fabrikanten überzeugt habe. Die letzten Spuren des Schwefelkohlenstoffs lassen sich durch bloßes Erwärmen des Oels allerdings nicht entfernen, es bleibt dann stets noch ein penetranter Geruch. Beim Hineinleiten von Wasserdampf in das Oel verschwindet derselbe aber, wie erwähnt, vollkommen. Eine Zersetzung des Schwefelkohlenstoffs, wenn dieselbe nicht noch anderweitig nachgewiesen ist, kann also auf diese Weise nicht begründet seyn. Quantitativ ist sie auch nicht bemerkbar. Die von Hrn. Dr. Vohl untersuchte Seife könnte auch von schlecht gereinigtem Oel herrühren, welches noch etwas Schwefelwasserstoff, mit dem der Schwefelkohlenstoff meist in geringem Grade verunreinigt ist, enthalten hätte. Es kommt aber Oeltrüb, welches sehr oft viel Schwefelwasserstoff enthält, häufig zu ordinären Seifen zur Verwendung, so daß das untersuchte Oel nicht eben nothwendig mit Schwefelkohlenstoff extrahirtes Oel war. Dieses läßt sich wirklich zu leicht reinigen. Das durch Schwefelkohlenstoff extrahirte Oel ist sehr schön hell und klar, wie bestes abgelagertes Rüböl. Es wird, entgegen der Behauptung des Hrn. Dr. Vohl, keineswegs leicht ranzig. Oel in offenen Gefäßen ließ nach einem halben Jahr noch keine Veränderung im Geruch und Geschmack wahrnehmen. Auch bei der Verwendung als Maschinenöl hielt es sich auf den Messinglagern ungewöhnlich lange, ehe es sich grün färbte, ehe also eine Zersetzung eintrat. Bekanntlich wird in feuchter Atmosphäre schließlich jedes Oel durch das Metall verändert, sehr schnell aber, wenn es nur etwas Oelsäure enthält. Daß also in dem mit Schwefelkohlenstoff extrahirten Oel ein harzartiger Körper enthalten sey, der die Ursache eines schnellen Ranzigwerdens seyn soll, ist nicht wahrscheinlich. Der Geschmack des vom Schwefelkohlenstoff gut befreiten Oels ist viel süßer, als der des durch Pressen gewonnenen Oels; bleibt aber nur die geringste Spur Schwefelkohlenstoff zurück, so schmeckt es sehr scharf, ein Geschmack der vollständig dem gleich ist, welchen Wasser annimmt, wenn es einige Zeit auf Schwefelkohlenstoff steht, obgleich Wasser bekanntlich auch nur Spuren von letzterem löst. Solches Oel enthält in den Verbrennungsproducten auch schweflige Säure, während das gut gereinigte Oel vollständig davon frei ist. Eine irrige Voraussetzung, welche man häufig beim Schwefelkohlenstoff gemacht hat und die wie es scheint auch von Hrn. Dr. Vohl gemacht worden ist, besteht darin zu glauben, im extrahirten Oele befänden sich auch alle die Stoffe nicht, welche nicht vom Lösungsmittel gelöst werden. So enthalte das mit Canadol gelöste Oel den harzartigen Körper nicht, welcher sich in dem mit Schwefelkohlenstoff gelösten Oel vorfinde, weil er in Schwefelkohlenstoff löslich sey. Dazu ist zu bemerken, daß im Oele, sey es mit dem einen oder anderen Lösungsmittel extrahirt, sich stets die Stoffe vorfinden werden, welche für sich im Oel löslich sind, weil die Verdünnung durch das Lösungsmittel im gewöhnlichen Fabricationsverfahren nicht groß genug ist, um eine Ausscheidung zu bewirken. Ich habe viele unreine Fette extrahirt und sie nachher stets mit den in den Fetten löslichen Körpern verunreinigt gefunden, auch wenn diese Körper im Lösungsmittel vollständig unlöslich waren. Hr. Dr. Vohl erwähnt nicht, ob er das mit Canadol extrahirte Oel besonders auf den harzartigen Körper untersucht hat. Sehr wünschenswerth wäre es auch, in solchen Fällen die Art der Untersuchung angegeben zu finden, da bei den wenigen Unterscheidungsmitteln fettartiger Körper es hierauf zur Beurtheilung hauptsächlich ankommt. Die von Hrn. Dr. Vohl nicht erwähnte, und so viel ich mich erinnere, auch von keinem einzigen Schriftsteller über Schwefelkohlenstoff auch nur angedeutete Schwierigkeit einer Extraction mit Lösungsmitteln, sey es Schwefelkohlenstoff oder irgend ein anderes, besteht aber beim fabrikmäßigen Betriebe darin, aus den entfetteten Rückständen, nachdem der größere Theil des Lösungsmittels abgelaufen ist, letzteres vollständig zu entfernen und das Lösungsmittel somit vollständig wieder zu gewinnen. Nur hierum dreht sich die Möglichkeit und Rentabilität der Fabrication. Diese Schwierigkeit wird durch die Form und das Verhalten des fettlosen Rückstandes bedingt und ist bei verschiedenen Samenarten auch wieder sehr verschieden, beim Reps noch keineswegs so groß, wie beim Leinsamen, gepulverten Palmnüssen und anderen. Beim Einleiten von Wasserdampf zum Abdampfen des Lösungsmittels sucht der Dampf, selbst bei noch so regelmäßiger Schüttung, sich Wege auf, durch welche er stets streicht, ohne die nebenliegenden Partien zu berühren. Diese werden dann auch nicht vom Schwefelkohlenstoffe etc. befreit, man mag noch so lange Wasserdampf einleiten. Ein eigenthümlicher Umstand erschwert die Reinigung noch mehr. Der Schwefelkohlenstoff läßt sich von den Stellen, welche vom Condensationswasser sehr naß werden, nur ungemein schwer entfernen. Versuche im Kleinen mit den verschiedensten Körpern haben mir dieß bestätigt. In kochendem Wasser (welches natürlich durch stets zuströmendes kochendes Wasser auf dem Siedepunkt erhalten werden muß) geht die Dampfentwickelung des Schwefelkohlenstoffs nur langsam vor sich und die letzten Spuren desselben sind sehr schwierig zu entfernen, obgleich die Temperaturdifferenz zwischen kochendem Wasser und kochendem Schwefelkohlenstoff beim Atmosphärendruck 52° C. beträgt. Diese Erscheinung ist freilich nicht vereinzelt; bedarf es doch auch einer Temperatur von 150°, um mit Wasser gewaschenes Fett ganz trocken zu kochen. Wenn, wie beim Leinsamen, das Condensationswasser eine Emulsion bildet, so ist die vollständige Abdampfung der Rückstände noch in weit höherem Grade erschwert. Nur durch einen Kunstgriff kann man in solchen Fällen die Rückstände rein erhalten. Man läßt nämlich den Dampf periodisch einwirken. Dabei braucht man aber stets überflüssig viel Dampf und die Dauer der Operation ist unsicher. Der Samenrückstand muß auch getrocknet werden, weil er im feuchten Zustande bald in Fäulniß übergeht. Der getrocknete Samenrückstand hat aber weder einen üblen Geruch, noch wird er vom Vieh ungern genossen. Ich habe Muster über zwei Jahre aufbewahrt, welche sich nicht im Geringsten verändert hatten. Muster, welche mir von Dr. Löwenberg und Hrn. Heyl in Berlin, dessen Fabrik noch heute im Betrieb ist, zugeschickt wurden, waren ebenfalls ganz frei von Geruch und hatten einen guten Geschmack. Die Zeugnisse, welche Hr. Heyl gerade darin beibringt, daß das Vieh die Rückstände gern frißt, beseitigen in diesem Punkt jeden Zweifel. Das nachherige Trocknen der mit Dampf behandelten Samenrückstände ist umständlich und kostspielig. Ich habe deßhalb zur Entfernung des Schwefelkohlenstoffs aus dem entfetteten Samen einen neuen Weg eingeschlagen, wobei die Rückstände gleich trocken erhalten werden und die Operationen in Bezug auf die Reinheit der Rückstände von Schwefelkohlenstoff und die Zeitdauer sicher sind. – Die von Payen mitgetheilte Methode,Polytechn. Journal Bd. CLXX S. 290. welche für Wolle angewendet wurde und wobei man erwärmte Luft durch die Rückstände treibt, welche, nachdem sie den Schwefelkohlenstoff aufgenommen hat, abgekühlt und so von letzterem befreit wird, um auf's Neue verwendet zu werden, muß wegen ihrer Gefährlichkeit entschieden verworfen werden. Kohlensäure statt atmosphärischer Luft möchte besser seyn, doch bleibt die geringe Wärmecapacität der Gase ein Hinderniß. Den Samenrückstand erhält man übrigens keineswegs in Pulverform, wenn man den Samen auf die gewöhnliche Manier quetscht. Die Hülfe mit ihrem Inhalt ist dann nur zerrissen. Nach dem Entfetten ist das Ansehen fast unverändert. Der Inhalt der Hülse erscheint nur mehliger. Ein späteres Mahlen zu Pulver mag allerdings zur Erhöhung des Nahrungswerthes dienlich seyn; freilich sind dann auch Verfälschungen schwerer zu erkennen. Das Entwässern des Samens, das Pressen in Kuchen, das weitere Trocknen sind Arbeiten, welche man nicht einführen darf. Die Apparate würden dadurch vermehrt und die Kosten nicht wenig gesteigert. Es verschwände aller Vortheil gegen die ältere Methode des Pressens der Samen, und es würden nur die Nachtheile der schwierigeren Fabrication übrig bleiben. Hier sey noch erwähnt, daß auf das methodische Auslaugen nur geringer Werth zu legen ist. Die Apparate werden zu complicirt; sie erfordern eine große Aufmerksamkeit und sind bald reparaturbedürftig. Der Mehraufwand an Brennmaterial bei der einfachen Verdrängungsmethode ist bei der geringen latenten Wärme des Schwefelkohlenstoffs unerheblich. Vergleicht man nach dem Vorstehenden den Werth des Schwefelkohlenstoffs als Extractionsmittel mit dem des Canadols, so erkennt man zunächst, daß keineswegs die chemischen Eigenschaften dem einen dieser Lösungsmittel einen Vorzug geben. Darin kann man beiden gleiches Verhalten zuerkennen und es würde dann nur der Preis für die Anwendung entscheidend seyn. Schwefelkohlenstoff wie Canadol sind beide sehr feuergefährlich, aber der erstere ist schwerer, dagegen das Canadol leichter wie Wasser. Setzt man den Schwefelkohlenstoff unter Wasser, so ist alle Feuersgefahr beseitigt. Man kann bei Anwendung des Schwefelkohlenstoffs die Gefäße zum Entleeren des Oels und der Rückstände ohne Bedenken und ohne besondere Abschlüsse öffnen; es werden eine Menge Hähne vermieden, die ohnehin stets eine Quelle von Undichtheiten und Verlusten sind. Selbst wenn während des Betriebes eine Undichtheit entsteht, so braucht man nur den Schwefelkohlenstoff in einem untergestellten Gefäße unter Wasser aufzufangen, während die Dämpfe des Canadols sich im Local verbreiten und zu Gefahren und Unbequemlichkeiten Veranlassung geben würden. In solchen Fällen wäre aber bei Anwendung des Canadols eine Unterbrechung des Betriebes nicht zu vermeiden und das Löschen eines einmal entstandenen Brandes möchte wohl fast zur Unmöglichkeit gehören. Bei Operationen mit so feuergefährlichen Stoffen ist aber eine Erhöhung der Sicherheit von solcher Wichtigkeit, daß die Anwendbarkeit des Canadols im Großen dadurch wohl hinreichend in Frage gestellt ist. Hr. Dr. Vohl erwähnt, daß ich meine Fabrik zur Extraction des Rüböls als nicht rentabel aufgegeben habe, und scheint dieß aus den von ihm aufgeführten Nachtheilen des Schwefelkohlenstoffs herzuleiten. Diese Nachtheile existiren aber, wie ich anführte, gar nicht und es würde mir die Anwendung des Canadols nicht den geringsten Vortheil gewährt haben. Es sind vielmehr die bedeutenden Schwankungen der Oelpreise an der Börse, welche einen eigentlichen Fabricationsgewinn gar nicht festhalten und auch die älteren Oelmühlen als unrentable Anlage erscheinen lassen, wenn nicht eine Theilnahme an den Börsenspeculationen diesen Nachtheil paralysirt. Zur Extraction solcher Oele aber, welche von dem erwähnten Umstande nicht betroffen sind, eignet sich das Verfahren mit Schwefelkohlenstoff sehr gut, und dasselbe ist in meiner Fabrik hierzu fortwährend mit Erfolg in Betrieb.