Titel: Ueber das Mattätzen des Glases und eine Tinte zum Mattschreiben auf Glas; von Keßler.
Fundstelle: Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXIII., S. 223
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LXIII. Ueber das Mattätzen des Glases und eine Tinte zum Mattschreiben auf Glas; von Keßler. Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 177; Januar 1867. Keßler, über das Mattätzen des Glases und eine Tinte zum Mattschreiben auf Glas. Vor einigen Jahren führte ich das Graviren oder Netzen des Glases mittelst Fluorwasserstoffsäure bei der Krystallglasfabrication ein. Zur Erleichterung der Ausführung dieses Verfahrens ist die Anwendung einer aus harzigen Substanzen zusammengesetzten Reservage zu empfehlen, welche auf Papier abgedruckt und dann mechanisch auf die zu ätzende Fläche übergetragen wird. Dieses, seit dem Jahre 1855 von drei großen französischen Häusern – nämlich von den beiden Krystallglasfabriken zu Baccarat und Saint-Louis, sowie von Maréchal und Comp. zu Metz – angewendete VerfahrenMan sehe: Keßler, über das Aetzen des Glases mit Flußsäure, zur künstlerischen Verzierung desselben, im polytechn. Journal Bd. CLXX S. 217. macht es möglich, eine solche Decorirung des gewöhnlichen wie des Krystallglases zu niedrigem Preise für Gegenstände des täglichen Gebrauches herzustellen. Anfangs veranlaßt das Bedürfniß der Neuheit, daß man im Gegensatze zu dem Graviren mittelst der Schleifscheibe – wodurch man zunächst immer erst matte Stellen erhält, welche dann, dem Dessin entsprechend, durch Poliren den gewünschten Glanz erhalten – hauptsächlich die Effecte einer von vorn herein glänzenden Gravirung zu erzielen suchte, welche letztere durch Aetzen der betreffenden Stellen mit stark verdünnter Fluorwasserstoffsäure erhalten wird. Es kamen damals Genres in die Mode, bei denen glänzend und vertieft geätzte Zeichnungen auf einem in Relief mattirten Grunde hervortreten. Diese Arbeit wurde mit dem Schleifrade oder mit Sand ausgeführt, indem das vorher vertieft geätzte glänzende Dessin beim Mattschleifen des Hintergrundes mit der Schleifscheibe oder mit dem Sande nicht in Berührung kommt und somit glänzend bleibt. In der letzteren Zeit hat man, um die Genres zu vervielfältigen und dem Publicum wieder etwas Neues bieten zu können, ein entgegengesetztes Verfahren eingeschlagen, indem man die Dessins matt herstellt. Da bei diesem Verfahren zu wenig hervorstehende Stellen auf der Oberfläche des zu decorirenden Gegenstandes übrig bleiben, so wurde das Mattiren mittelst der Scheibe begreiflicherweise sehr erschwert, indem bei Anwendung dieses Instrumentes oder des Sandes der Hintergrund sehr leicht verletzt werden kann. Man nahm daher wieder zum Mattätzen mittelst Flußsäure die Zuflucht. Bekanntlich waren die ersten mit Fluorwasserstoffsäure ausgeführten Aetzungen matt; man benutzte dazu die gasförmige Säure. Bei dieser Methode lassen sich selbstverständlich dieselben Reservagen anwenden, deren man sich beim Netzen mit wässeriger Flußsäure bedient, weil dieselben von der dampfförmigen Säure weniger angegriffen werden als von der flüssigen. Später bewerkstelligte man das Mattätzen mit Fluorammonium, ein Salz, welches Berzelius als das beste Mittel zum Netzen des Glases bezeichnet. Es ist mir nicht gelungen, den ersten Erfinder dieses Verfahrens zu ermitteln; vielleicht ist dieses Salz zuerst von Prof. Dr. Böttger in Frankfurt a. M. angewendet worden, welcher (sowie Dr. E. Bromeis in Hanau) schon im Jahre 1844 Glas mit einem „unschädlichen Mittel“ ätzte, welches nicht bekannt gemacht wurde. Im Jahre 1858 nahm ich ein Patent auf die Anwendung der Alkalifluoride in Verbindung mit Säuren, ein Verfahren, mit welchem ich gleichfalls sehr schöne matte Aetzungen erhielt. Die besten Resultate erhielt ich dabei durch Anwendung von Fluorammonium. Im Jahre 1864 wendeten Tessié du Mothay und Maréchal Bäder von Fluorwasserstoff-Fluorkalium und Fluorwasserstoff-Fluornatrium an, mit denen sie gleiche Erfolge erzielten; nach ihren VorschriftenMan sehe: Tessié du Mothay und Maréchal, über das Mattätzen des Glases, im polytechn. Journal Bd. CLXXXI S. 213. wird, mit Benutzung meiner Reservagen, in den beiden obenerwähnten Krystallglashütten noch jetzt gearbeitet. Indessen weicht die Erklärung, welche Tessié du Mothay und Maréchal für die Ursache der Mattätzung geben, von der, zu welcher ich durch meine Beobachtungen gelangt bin, gänzlich ab. Nach ihrer Ansicht bildet nämlich die ihren Bädern zugesetzte fremde Säure eine besondere Verbindung, einen Paarling, welcher die Eigenschaft besitzen soll, das Matt hervorzubringen, und zwar soll dieses Matt nur bedingt werden durch die Unlöslichkeit des Fluorcalciums und des Fluorbleies in Bädern, welche reich an Salzen sind, die begierig Wasser aufnehmen. Meiner Ueberzeugung nach spielen jedoch diese Salze eine ganz andere Rolle. Dieselben dienen nämlich dazu, auf die Oberfläche des Glases, wo sich die Fluorwasserstoffsäure in Kieselfluorwasserstoffsäure und in Fluosilicate verwandelt, ein schwer lösliches Alkalifluosilicat abzulagern, welches sich in Form von kleinen körnigen Krystallen fest an das Glas ansetzt. Diese Krystalle wirken wie ein punktirter Aetzgrund; sie bilden zahlreiche Unebenheiten auf der Glasfläche und bringen dadurch eine der des Sandes und des Schmirgels gleiche Wirkung hervor. Auch fällt die Aetzung niemals matt aus, wenn das krystallinische Pulver dem Glase nicht fest anhaftet. Der Zusatz von Säure und von Salzen dient nur dazu, den Absatz krystallinisch und anhaftend zu machen; ist dieser anhaftende Absatz nicht krystallinisch, oder sind die ihn bildenden Krystalle zu klein, so entsteht keine malte Fläche, indem im ersteren Falle die Aetzung schon von Anfang an durch eine bleibende Reservage oder schützende Decke (Aetzgrund) verhindert wird, während im zweiten Falle das Matt zu schwach und ohne den charakteristischen seidenartigen Schiller ausfällt. Wendet man zum Aetzen Fluorammonium an, welches schon für sich, ohne Zusatz einer anderen Säure oder eines anderen Salzes Matt gibt und mit dem man mattirte Flächen von beliebiger Größe herstellen kann, so ist man mit der Loupe, ja selbst mit unbewaffnetem Auge die diese schützende Decke bildenden Krystalle von Kieselfluorammonium zu erkennen im Stande. – Mit Benutzung eines besonderen Concentrationsgrades des Fluorammoniums ist es mir gelungen, eine beinahe geruchlose Tinte darzustellen, mit der man geläufig mit jeder Feder auf Glas matt schreiben kann. Diese Aetztinte dürfte in Laboratorien, z.B. zum Etikettiren von Flaschen, Cylindern, Röhren etc., sehr gute Dienste leisten; hauptsächlich aber wird sie zum Stempeln und Signiren der für den Handel bestimmten gläsernen Aräometer eine nützliche und sehr erwünschte Anwendung finden.