Titel: Ueber den Vorgang beim Rösten der Schwefelkiese.
Fundstelle: Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XXXI., S. 155
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XXXI. Ueber den Vorgang beim Rösten der Schwefelkiese. Aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Collegium Carolinum, zu Braunschweig. Ueber den Vorgang beim Rösten der Schwefelkiese. Seit der Anwendung der „Kiese“ zur Fabrication der Schwefelsäure hat man wiederholt die Beobachtung gemacht, daß in den Röstöfen sich in der Regel nicht ein durchsichtiges Gemenge von atmosphärischer Luft und schwefliger Säure entwickelt, sondern daß sich von den glühenden Kiesen sichtbare weiße Nebel erheben. Namentlich ist diese Beobachtung mit großer Bestimmtheit bei den Muffelöfen (in welchen man die Kiese in einem von außen mit Brennstoff zur Rothgluth geheizten Raume röstet) und ganz besonders bei dem 15 Meter langen Muffelofen von Spence gemacht worden. Schwerlich treten die weißen Nebel nur in den Muffelöfen auf: ihre Entstehung ist in diesen Oefen lediglich der Beobachtung zugänglicher, dem unbefangenen Auge auffallender, als in anderen Oefen, z.B. den kilns.“ Die weißen Nebel sind wasserfreie Schwefelsäure, wie man weiß. Die Verdichtung von flüssiger Schwefelsäure in den Verbindungsröhren der Röstöfen mit den Schwefelsäurekammern, welche u.a. in den Okerhütten seit lange constatirt ist, hängt ohne Zweifel mit dem Auftreten der weißen Dämpfe zusammen. Die Thatsache, daß sich diese Dämpfe häufig, wahrscheinlich jederzeit bilden, gab den Anlaß, die Erscheinungen beim Rösten der Kiese einer näheren Untersuchung zu unterziehen, der sich Hr. Fortmann im hiesigen Laboratorium gewidmet hat. Als Material diente ein möglichst reines Stück Schwefelkies in wohlausgebildeten Krystallen mit wenig aber ziemlich gleichförmig in die Masse vertheiltem Quarz. Auf die gewöhnliche Weise aufgeschlossen, gab dieser Kies 50,21 Proc.1,572 Grm. Kies gaben 1,572 schwefelsauren Baryt, d. i. 50,21 Proc. Schwefel. Schwefel. Die reine Verbindung FeS² würde 53,3 Proc. verlangen. In allen Versuchen ist dieser Kies im Zustande des zartesten Pulvers angewendet worden. Man trug das Kiespulver in eine 3/4 Zoll weite harte Glasröhre ein, die im Liebig'schen Verbrennungsofen (wie zur organischen Analyse) von außen auf die Rothgluth gebracht wurde, während durch einen Aspirator ein mäßiger Luftstrom durch das Rohr saugte. Bei langsamem allmählichen Anfeuern kann man in der Röhre sehr wohl den Punkt beobachten, wo der bis dahin matt rothglühende Kies unter plötzlichem Hellerwerden der Glühfarbe sich entzündet. In demselben Augenblick, also mit den allerersten Antheilen schwefliger Säure treten auch die weißen Dämpfe als starker Nebel auf, der während der ganzen Dauer der Röstung bis zu Ende ohne Unterbrechung fortdauert. Bei dem ersten Versuch hatte man zwischen Röstrohr und Aspirator eine Flasche mit Aetznatronlauge und ein Rohr mit trockenem Aetznatron eingeschaltet. Es zeigte sich aber sofort, daß die weißen Nebel durch beide Absorbentien hindurch bis in den Aspirator giengen, die Absorption derselben war also sehr unvollständig, obgleich alle schweflige Säure zurückgehalten wurde. Daß wasserfreie Schwefelsäure, wie hier, mit Luft oder anderen Gasen gemengt, sich nur äußerst schwer verdichten läßt, ist bekannt. Es konnte daher auch im vorliegenden Falle nicht befremden, daß die weißen Dämpfe unvollkommen zurückgehalten wurden; wohl aber war die Menge des (lediglich als wasserfreie Schwefelsäure) unverdichtet gebliebenen Antheiles von dem aus dem Kies ausgetriebenen Schwefel auffallend, wie die quantitative Untersuchung ergab: 1) 1,500 Grm. zerriebener Kies wurden abgeröstet; das trockene Aetznatron in der Aetznatronlauge gelöst, die Lösung mit Chlor oxydirt und mit Chlorbaryum ausgefällt, gaben 3,657 Grm. schwefelsauren Baryt, entsprechend 33,49 Proc. Schwefel. Es wären sonach von den 50,21 Procent Schwefel des Kieses 50,21 – 33,49 = 16,72 Proc. als unverdichtete wasserfreie Schwefelsäure zu Verlust gegangen. Der abgeröstete Kies im Verbrennungsrohr zeigte jedoch, wo er unmittelbar auf dem Glase auflag, noch einen kleinen Rückhalt an Schwefel. Diesem Uebelstand ließ sich dadurch begegnen, daß man während der Operation das Verbrennungsrohr von Zeit zu Zeit um seine Längenachse und zwar so viel drehte, daß die Kiesschicht sich umkehrte. Auch leitete man den Gang so, daß die Verbrennung des Kieses am vorderen Ende begann und in entgegengesetzter Richtung mit der durchziehenden Luft vorschritt. Auf diese Weise erhielt man stets völlig schwefelfreie Rückstände von schön rother Farbe. Bei Gelegenheit obigen Versuches hatte man gefunden, daß das feste Aetznatron weit kräftiger absorbirt als die Aetznatronlauge. Man vertauschte daher das Natronrohr mit einem anderen von dreifacher Länge. Die Wiederholung des Versuches zur Bestimmung des Verhältnisses der gebildeten schwefligen Säure zur wasserfreien Schwefelsäure führte unter diesen Vorsichtsmaßregeln zu folgendem Ergebniß: 2) Gerösteter zerriebener Kies 1,366 Grm. Die Röstgase gingen wie vorher erst durch flüssiges, dann durch das Rohr mit festem Aetznatron. Das nach Beendigung der Röstung in einer Lösung vereinigte gesammte Aetznatron wurde neutralisirt; die Lösung in zwei gleiche Raumtheile getheilt, die eine Hälfte sofort, die andere nach der Oxydation mit Chlor mit Chlorbaryum gefällt. Jene gab 2,485 Grm., diese 1,986 Grm. schwefelsauren Baryt. Darnach berechnet sichNach vollzogener Correction für den Gehalt des Aetznatrons an Schwefelsäure (10 Grm. gaben 0,053 schwefelsauren Baryt). auf 100 Gewichtstheile Kies: Schwefel als schweflige Säure und wasserfreie Schwefelsäure    zugleich absorbirt 48,39 Gewthle. Schwefel als wasserfreie Schwefelsäure allein absorbirt 38,31     „ ––––––––––––– Schwefel als schweflige Säure absorbirt 10,08 Gewthle. Von den 50,21 Proc. Schwefel des Kieses gingen durch unvollkommene Absorption der weißen Nebel verloren 50,21 – 48,39 = 1,82 Gewthle. Darnach wäre wider alles Erwarten die als wasserfreie Schwefelsäure auftretende Menge Schwefel nahe viermal so groß, als die in der Gestalt von schwefliger Säure auftretende. Ein wenig wahrscheinliches Ergebniß, namentlich wenn man bedenkt, wie leicht die Schwerlöslichkeit des schwefligsauren Baryts bei unzureichender Verdünnung der Lösung oder unvollkommenem Auswaschen des Niederschlages zu Fehlern führen konnte. Mehr Sicherheit als der bis dahin eingeschlagene Weg versprach die Bestimmung der schwefligen Säure mit Jodlösung in der Maaßröhre. Insofern der abgeröstete Kies keinen Schwefel zurückhält und die schweflige Säure vollkommen absorbirt wird, mußte dieser Weg einen festeren Anhaltspunkt bieten zur Bestimmung des Verhältnisses der beiden auftretenden Säuren. Die wasserfreie Schwefelsäure konnte natürlich leicht aus dem Unterschied des Schwefelgehaltes in Kies und in der schwefligen Säure berechnet werden. 3) 1,549 Grm. zerriebener Kies wurden auf obige Art geröstet, alles Aetznatron in eine Lösung vereinigt und die Lösung auf 1000 Kubikcentimeter verdünnt; 10 K. C. dieser Lösung, unter den bekannten Vorsichtsmaßregeln behandelt, bedurften 1,75 K. C. Jodlösung (1 K. C. = 0,0032 Grm. schweflige Säure). Es entwickelten sich mithin aus den 1,549 Grm. gerösteten Kies 18,07 Proc. Schwefel als schweflige Säure. Also auch nach diesem Versuch ist die Menge der gebildeten wasserfreien Schwefelsäure weit überwiegend über die schweflige Säure, wenn sich auch das Verhältniß in runder Zahl 5 : 3, etwas geändert hat. Diese vorläufigen Versuche, welche Hrn. Fortmann beschäftigen, sind zu vervielfältigen und weiter auszudehnen, und scheinen einstweilen so viel zu erweisen, daß die Menge der beim Rösten gebildeten wasserfreien Schwefelsäure jedenfalls von Belang und weit größer ist als zu erwarten stand; sie ergeben ferner, daß der Betrag der wasserfreien Schwefelsäure Schwankungen unterworfen ist, die von gewissen noch näher zu ermittelnden Bedingungen, wie Temperatur u. dergl., abhängen. Man hat das Auftreten der wasserfreien Schwefelsäure beim Rösten der Kiese auf zweierlei Weise zu erklären gesucht: nämlich als Zersetzungsproduct von schwefelsaurem Eisen, dann als Product der Einwirkung von Eisenoxyd auf das Gemenge von schwefliger Säure mit Luft, nach der bekannten Beobachtung von Wöhler. Mir scheint keine von beiden Auslegungen der Wirklichkeit zu entsprechen. Zunächst deßwegen nicht, weil die weißen Nebel entschieden schon im ersten Moment der Entzündung der Kiese auftreten, wo also weder schwefelsaures Eisen noch Eisenoxyd vorhanden seyn kann. Endlich auch aus dem Grunde nicht, weil, nach weiteren Versuchen von Fortmann, über welche später berichtet werden soll, auch beim Verbrennen von reinem Schwefel jene Nebel, d.h. erhebliche Mengen von wasserfreier Schwefelsäure, gebildet werden. (Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweig, 1867.)