Titel: Ueber die Darstellung der Phenylsäure; von Adolph Ott, Chemiker in New-York.
Autor: Adolph Ott
Fundstelle: Band 187, Jahrgang 1868, Nr. LVI., S. 246
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LVI. Ueber die Darstellung der Phenylsäure; von Adolph Ott, Chemiker in New-York. Ott, über Darstellung der Phenylsäure. Bekanntlich ist das Steinkohlentheeröl das an Phenylsäure reichste und wohl ausschließlich zu deren Darstellung im Großen verwendbare Material; wie schwierig sich jedoch aus demselben ein reines Product gewinnen läßt, lehrt uns schon der Umstand, daß im Handel wenige Producte zu finden sind, welche sich in so verschiedenen Zuständen der Reinheit darbieten, wie gerade die Phenylsäure. Ganz besonders ist es das Naphtalin im Vereine mit anderen noch wenig erforschten starren Kohlenwasserstoffen, dessen Beseitigung dem Fabrikanten entschieden die meiste Mühe verursacht. Wie sehr dieser Umstand von dem Entdecker der Phenylsäure, F. Runge gewürdigt wurde, geht schon aus dem Verfahren zu deren Bereitung hervor, welches uns dieser tüchtige Forscher hinterlassen hat. Derselbe schreibt nämlich vor, die aus ihrer Kalkverbindung abgeschiedene unreine Säure (Runge behandelt das rohe Oel direct mit Kalkmilch) zu destilliren, dann das Destillat in Wasser zu lösen und die so erhaltene Lösung mit basisch-essigsaurem Bleioxyd zu vermischen. Der entstandene Niederschlag soll getrocknet und destillirt werden. Was übergeht, soll das reine, von ihm Carbolsäure genannte Product seyn. Wie leicht ersichtlich, verfolgte Runge durch die Aufnahme der rohen Säure in Wasser keinen anderen Zweck als die Abscheidung des Naphtalins und er verfuhr dabei ganz rationell; bedenkt man jedoch, daß die Phenylsäure nur etwa in ihrem 30fachen Volumen Wasser löslich ist, so wird klar, daß seiner Methode schon deßhalb eine praktische Bedeutung nicht zukommt. Eine in dieser Hinsicht viel bessere Bereitungsart hat uns Laurent gelehrt; sie ist es, welche in ihren Grundzügen noch heute befolgt wird. Gelang es aber nach dieser Vorschrift, ein ziemlich, wenn auch nicht völlig naphtalinfreies Präparat zu erzielen, so mag dieß dem Umstand zuzuschreiben seyn, daß Laurent ein bei weitem naphtalinärmeres Oel besaß, als es jetzt in die Hände der Fabrikanten kommt; es ist nämlich bekannt, daß vor 30 Jahren die Vergasung der Steinkohle bei einer viel mäßigeren Hitze ausgeführt wurde, als dieß heutzutage der Fall ist. Die Folge davon war, daß ein an Naphtalin weniger reicher Theer entstund, doch kann trotzdem die von Laurent erhaltene Phenylsäure der Anforderung völliger Reinheit nicht Genüge leisten. Der beste Prüfstein für die Reinheit krystallinischer, organischer Substanzen ist nämlich ihr Schmelz- und Siedepunkt. Je höher ersterer und je niedriger letzterer, desto reiner ist die Verbindung. Nach Gerhardt liegt der Schmelzpunkt des Laurent'schen Phenols zwischen 34 und 35° C.; nun kann aber der genannte Körper im Handel von einem Schmelzpunkt von 42° C. und selbst von noch etwas höherem bezogen werden. Andererseits wird der Siedepunkt des geschmolzenen Phenols von Lowe, welcher zu Paris eine 200 Pfund schwere Masse Phenylsäure ausgestellt hatte, zu 182° angegeben und zu 184° von Scrugham, während Laurent ihn als zwischen 187 und 188° C. liegend angibt. Wir finden einen Beitrag zur Darstellung fraglicher Verbindung daher nicht bloß aus dem angegebenen Grunde gerechtfertigt, sondern auch hauptsächlich deßhalb, weil ja deren industrielle Verwendung (zur Bereitung der Rosolsäure,Nach Schützenberger (Traité des matières colorantes) hat sich bis jetzt nur die rosolsaure Magnesia zur Herstellung beständiger Farben als anwendbar erwiesen. des Phenylbrauns und anderer Farbstoffe) aus der jüngsten Zeit datirt. Das SteinkohlentheerölDas unserige rührte von den Vergasungsproducten von Cannel-coal her. ist, wie wir wissen, ein Gemenge von neutralen Oelen (sogen. Brandölen), mehreren Basen und Säuren, mit festen Kohlenwasserstoffen in Lösung. Approximativ bestimmt, finden sich letztere darin zu 3/8, die Brandöle zu 1/2 und die sauerstoffhaltigen an Alkalien bindbaren Producte zu 1/8. Die Menge der basischen Substanzen ist äußerst gering. Wir fanden die directe Behandlung dieses Oeles mit Alkalien oder alkalischen Erden, wie Runge sie vorschlägt, aus folgenden Gründen nicht rationell: 1) weil zu große Gefäße nothwendig sind, 2) weil die bedeutenden Mengen von Naphtalin störend auf die Scheidung einwirken, und 3) weil dieses auch der dunklen Farbe des Oeles wegen der Fall ist. Man könnte zwar zur Beseitigung des unter 2) angeführten Hindernisses zur Ausfrierung des Naphtalins, resp. der festen Kohlenwasserstoffe schreiten, allein es ist dasselbe, wo andere Mittel zur Verfügung stehen, denn doch zu kostspielig. Abgesehen hiervon, ließe sich dadurch immer nur ein gewisser Theil entfernen, indem die Oele, nachdem sie auf diese Weise behandelt worden sind, sich selbst überlassen nach kurzer Zeit noch beträchtliche Mengen davon abscheiden. Schon Laurent sprach es aus und wir werden hierauf zurückkommen, daß durch die Einwirkung des Sauerstoffes die brenzlichen Oele zersetzt und hierdurch die festen Kohlenwasserstoffe frei werden. Alles dieses sind Umstände, welche uns nöthigen zur Destillation zu greifen. Wir trennen hierbei in zwei Fractionen. Als erste, A, wird diejenige aufgefangen, welche bis zum eintretenden Erscheinen von Naphtalindämpfen (212° C.) übergeht; das später Ueberdestillirende fängt man als zweite Portion B auf. Die Fraction A, welche sämmtliche Phenylsäure enthält, wird durch eine neue Destillation in zwei Theile A' und B' gespalten, wobei man B' auffängt, wenn die Hälfte der Flüssigkeit übergegangen ist. Obschon das Naphtalin sich erst bei oben angegebenem Thermometerstande bemerkbar macht, so enthält A nichtsdestoweniger noch bedeutende Quantitäten davon, und daß durch die Trennung in Flüssigkeiten von nicht übereinstimmendem Gehalt die Lösungsfähigkeit sich anders gestaltet, zeigt sich namentlich dann deutlich, wenn (nach dem Vorgange von Laurent) die Portion A in A' und B' gespalten wird. Aus A', welches den Hauptantheil an Phenylsäure enthält, scheidet sich kein Naphtalin aus, während B zum Theil zu einer butterartigen Masse erstarrt. Die Destillation selbst wird von mir in einem liegenden Cylinder von Dampfkesselblech ausgeführt, welcher bei einem Inhalt von 10 Hektolitern ein Abzugsrohr von 7,5 Centimeter im Lichten besitzt. Das Condensationswasser wird während der Destillation stets auf ungefähr 70° C. erhalten. Um jedoch eine allfällige Verstopfung der Condensationsröhre durch Naphtalin zu verhüten, ist die Einrichtung getroffen, daß Dampf in die Abzugsröhre geblasen werden kann. Man erhält durch die Destillation des rohen Oeles von Fraction A 16,56 Proc. (exclusive 1,66 Proc. Wasser), und von Fraction B 67,17 Proc., nebst 12,50 Proc. Theer. Zur Gewinnung eines möglichst naphtalinfreien, phenylsäurehaltigen Oeles ist es unerläßlich A, wie oben bemerkt, nochmals in zwei Fractionen zu spalten, und kann von diesen beiden nur die erste Hälfte A' und die von dem ausgeschiedenen Naphtalin der zweiten Hälfte B' filtrirte Flüssigkeit der Behandlung mit Alkalien unterworfen werden. Es geschieht dieselbe in passenden Gefäßen in bekannter Weise. Nöthig sind 500 Gramme festen Aetznatrons für 10 Liter des phenylsäurereichen AntheilesFraction A' + Fraction 1/2 B'. und erhielt ich durch die Behandlung desselben 42,5 Proc. TheerölVersuche, dieses Oel in der Firnißfabrication zu verwenden, fielen nicht nach Wunsch aus. und 57,5 Proc. phenylsaures Natron, resp. 5,42 Proc. Theeröl und 7,18 Proc. Phenylverbindung vom rohen Oele. Unterwirft man diese Verbindung sofort der Behandlung mit Salzsäure, wie der mit dieser Arbeit weniger Vertraute gewöhnlich verfährt, so wird man sich vergebens bemühen, ein krystallisirbares Product zu erhalten. Wir wollen uns daher über die die Krystallisation verhindernden Verunreinigungen der durch die resp. Basis aufgenommenen Säure jetzt näher aussprechen. Wenn auch keine Anzeichen dafür vorhanden sind, so enthält Fraction A' doch noch beträchtliche Mengen von Naphtalin. Sie sind weder durch Temperaturerniedrigung noch durch fractionirte Destillation auszuscheiden. Unterwirft man A' aber der Behandlung mit Natron, hebt das sich an der Oberfläche ansammelnde Theeröl ab und unterwirft letzteres der Destillation, so wird man in der Vorlage bald nicht geringe Quantitäten von Naphtalin wahrnehmen; auch das phenylsaure Natron enthält solches. Leitet man jedoch durch die Fraction A' direct einen Strom Chlorgas, oder gießt man concentrirte Schwefelsäure dazu, so scheidet sich unter Dunkelfärbung der Flüssigkeit bald Naphtalin ab. Da ganz die nämliche Erscheinung eintritt, wenn man jene unter öfterem Umrühren längere Zeit der Luft aussetzt, so liegt die Erklärung nahe: in dem schweren Steinkohlenöle findet sich ein gewisser Antheil Naphtalin (oder fester Kohlenwasserstoffe wenn man will) in gebundenem Zustande und wird derselbe nur durch Oxydation und unter Färbung der brenzlichen Oele frei. Schon Laurent sprach dieß aus; wir wollen sehen wie diese Erklärung auf das Nachdunkeln der Phenylsäure zutrifft. Ein reines Präparat, wie z.B. das von Merck, färbt sich nämlich auch am Lichte nicht roth. Dagegen verliert ein unreines, wenn auch anfangs noch so farbloses Präparat, selbst in der Dunkelheit rasch seine Farbe, und dann zeigen einige Tropfen, in viel Wasser zertheilt, Naphtalin an. In der farblosen Phenylsäure entdeckt man diese Substanz nicht, auch gelingt es nicht immer, in einigen Tropfen des nachgedunkelten Naphtalin aufzufinden, wohl aber dann wenn man dreißig oder vierzig Tropfen anwendet; es wäre daher die Ansicht, daß reine Phenylsäure sich färbe, so wie die, daß sie das Nachdunkeln der Brennöle bewirke, durch die richtigere zu ersetzen, daß diese Erscheinung einem Gehalt oxydirbarer brenzlicher Oele zuzuschreiben sey. Zum Hauptgegenstande unserer Mittheilung zurückkehrend, sey bemerkt, daß wir den Rest Naphtalin nicht aus der genannten phenylsäurereichen Fraction, sondern aus der Natronverbindung abscheiden. Wie leicht begreiflich, darf dieß nur durch die Luft geschehen, und lassen wir dieselbe mittelst eines Blasapparates durch die zuvor mit der Hälfte ihres Volumens Wasser verdünnte Flüssigkeit während der Dauer von mehreren Tagen hindurchstreichen. Der Krystallisation entgegenwirkend sind außerdem die dem Phenylhydrat homologen Cressyl-Näher studiert von Duclos, siehe Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. CIX S. 135. und Xylyl-Die Existenz dieser Verbindung wird von Warren bezweifelt, siehe Chemical News von 1865, S. 279. Hydrate, welche sich stets in variirender Menge in dem phenylsauren Natron finden. Da deren Löslichkeit geringer ist, wie die der Phenylsäure, so sind sie nach H. Müller leicht zu entfernen, indem man zu der filtrirten Flüssigkeit 1/6 oder 1/8 der zur Ausfällung für die ganze Menge nöthigen Säure hinzugibt.Chemisch-techn. Repertorium von Jacobsen, 1866. I. Halbjahr S. 75. Was nachher ausfällt, ist fast reine Phenylsäure. Sie wird, da zuweilen eine theerartige Masse zurückbleibt, passend in einem liegenden eisernen Cylinder destillirt, dessen Abzugsrohr, um die leicht vorkommende Zersetzung der Dämpfe zu verhüten, weit seyn und von der Basis ausgehen muß. Das erhaltene Destillat wird durch Chlorcalcium vollends entwässert und dann in Glasretorten einer fractionirten Destillation unterworfen. Je sorgfältiger man gearbeitet hat und zwischen je engeren Grenzen man nun die Destillate auffängt, ein bei desto höherer Temperatur erstarrendes Product erhält man. Nach einiger Praxis gelingt es bald, ein Präparat zu erhalten, wie es jetzt nur von den renommirtesten Häusern in den Handel gebracht wird. Betreffend die Entwässerung mit Chlorcalcium, sey hier noch auf einen Irrthum aufmerksam gemacht, welcher sich fast überall eingeschlichen hat. Es wird nämlich gesagt, man solle die Säure über das gepulverte Chlorcalcium destilliren. Wie leicht ersichtlich, ist jedoch auf eine solche Weise eine Entwässerung nicht zu bewirken, indem das Chlorcalcium lange vor der Temperatur bei der die Phenylsäure übergeht, das anfangs aufgenommene Wasser wieder abgibt. Nur durch Schütteln mit Chlorcalcium in der Kälte oder durch gelinde Digestion mit demselben ist Entwässerung möglich. Nicht krystallisirte Säure eignet sich nicht zur Darstellung von Farbstoffen, namentlich nicht zu der von Corallin.