Titel: Ueber die Untersuchung der Brunnenwässer auf diejenigen Bestandtheile, welche für die Gesundheitspflege am meisten in Betracht kommen; von Prof. Franz Schulze in Rostock.
Fundstelle: Band 188, Jahrgang 1868, Nr. LX., S. 197
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LX. Ueber die Untersuchung der Brunnenwässer auf diejenigen Bestandtheile, welche für die Gesundheitspflege am meisten in Betracht kommen; von Prof. Franz Schulze in Rostock.Auszug einer Abhandlung des Verfassers über „die Rostocker Brunnenwässer.“A. d. Red. Schulze, über die Untersuchung der Trinkwässer. Das Herannahen der Cholera im Sommer 1866 machte es den Behörden aller bedrohten Orte zur medicinalpolizeilichen Pflicht, die Trinkwässer unter besondere Controle zu nehmen. Auch in Rostock geschah dieß, mit der Absicht, daß die Brunnen, deren Wasser sich als gesundheitsschädlich herausgestellt hatte, dem öffentlichen Gebrauche entzogen werden sollten. Es wurden mir deßhalb von der Polizeibehörde Proben des Wassers der öffentlichen städtischen Brunnen zugestellt, mit dem Ersuchen, dieselben einer chemischen Prüfung zu unterwerfen und auf Grund des Befundes diejenigen Brunnen zu bezeichnen, deren Wasser ohne muthmaßliche Gefahr für die Gesundheit nicht getrunken werden dürfe. Bei der Untersuchung der Wässer stellte es sich heraus, daß die genaue Beifügung der Zeit des Schöpfens erwünscht gewesen wäre, da über einzelne Brunnen, deren Wasser nach vorausgegangener trockener Witterung geschöpft und als untadelhaft erkannt war, von den Nachbarn geklagt wurde, daß sie bei anhaltendem oder starkem Regen ein trübes und unreines Wasser gäben, und nach dem Aufhören des Regens es jedesmal längere Zeit dauere., bis dasselbe wieder eine bessere Beschaffenheit annähme. Wo dieses Verhalten sich zeigt, rührt es von der bei öffentlichen sowohl wie Privat-Brunnen nicht selten vorkommenden unzulänglichen Vorkehrung gegen das Einfiltriren oder wohl gar directe Einsließen unreinen Wassers aus der Umgebung durch die Bedeckung her. Die Untersuchung der mir von der Polizei überlieferten Wasser richtete sich zunächst auf diejenigen Bestandtheile, welche für die Gesundheitsfrage am meisten in Betracht kommen, d. i. die organischen Stoffe, in zweiter Linie auf den Härtegrad. Wenn mir für Lösung der gestellten Aufgabe ein näheres Eingehen auf die salzigen Bestandtheile überflüssig, wenigstens nicht dringend nothwendig erschien, so will ich hiermit keineswegs behauptet haben, daß es ungerechtfertigt sey, einzelnen, in diese Kategorie gehörigen Stoffen, wie namentlich den Ammoniak-, salpetersauren und phosphorsauren Salzen die Bedeutung beizulegen, daß durch ihr Vorkommen in einem Wasser dessen Verunreinigung durch Cloakenwasser und ähnliches Material indicire, oder daß die Salze als solche ohne Einfluß auf die Zuträglichkeit des Wassers für den menschlichen Organismus seyen; unsere Kenntniß darüber ist nur bis jetzt zu unvollkommen, als daß die ausführliche chemische Analyse eines Wassers dem Arzte und Diätetiker einen sicheren Anhalt für die Beurtheilung des Werthes geben könnte, der dem betreffenden Wasser für seine directe Verwendung als Getränk oder als Material für Zubereitung der sonstigen Nahrungsmittel beizumessen ist. Gehen doch die Ansichten über hartes und weiches Wasser in dieser Beziehung sowohl unter den Aerzten wie in der Volksmeinung weit auseinander. Nur darüber ist man mit Recht einig, daß ein bis zum Hervortreten salzigen Geschmackes gesteigerter Salzgehalt schädlich sey; in diesem Falle bedarf es aber nicht mehr der chemischen Analyse, um uns zu warnen; es würde sich nur darum handeln, daß auf Grund der Analyse die Warnung verschärft erschiene, wenn sich ein über ein gewisses Verhältniß vermehrter Gehalt an Magnesia, etwa mehr als 1 in 10,000 Theilen Wasser, herausgestellt hätte. Es scheint nämlich der dauernde Genuß von gewissen Magnesiasalzen, besonders Chlormagnesium, einen relativ größeren Ginfluß auf die Verdauung zu üben, so daß ganze Familien, am meisten Kinder und schwächliche Personen, beim Beziehen von Gegenden, deren Brunnen solches Wasser liefert, längere Zeit zu Diarrhöen incliniren, später aber, nachdem der Organismus sich daran gewöhnt hat, durch den Genuß salzarmen Wassers in das entgegengesetzte Leiden verfallen. Ammoniaksalze sind in keinem guten Quellwasser, und auch selbst in denen von geringerer Beschaffenheit sind sie meistens nur spurweise vorhanden.Unter mehr als 100 Brunnenwässern, welche C. Schmidt in Dorpat untersuchte, waren nur 2, bei welchen er in 100,000 Theilen über 2 Theile Ammoniak fand, die meisten enthielten nicht über ½ Millionstel, viele noch weit weniger. Ihre Gegenwart macht ein Wasser in gesundheitlicher Beziehung immer sehr verdächtig, da sie auf Fäulnißproducte deutet, welche aus Dungstätten, Cloaken etc. herrührend in das Wasser übergegangen sind, ohne die darin enthaltenen ekelhaften und gesundheitsschädlichen Gemengtheile an Erdschichten abgegeben oder sonst (durch Oxydation) verloren zu haben. An und für sich sind sie, zumal bei den geringen Mengen, welche selbst das schlechteste Quellwasser enthält, unschädlich, sie dürfen aber, wie gesagt, immer als Symptom schlechter Begleiter angesehen werden. Damit sey aber keineswegs behauptet, daß ihre Abwesenheit unter allen Umständen ein unbedingt günstiges Zeichen sey; ich habe selbst verschiedene Male Wasser untersucht, worin, war es frisch geschöpft, durch die empfindlichsten Reactionen keine Spur von Ammoniak zu entdecken war; nachdem dieß Wasser aber in einer gut verkorkten Flasche und an einem warmen Orte einige Tage gestanden hatte, zeigte es sich getrübt, moderig schmeckend, Vibrionen (ein sicheres Merkmal eingetretener Fäulniß) enthaltend und nun war auch Ammoniak als Product der mittlerweile durch Fäulniß zersetzten stickstoffhaltigen organischen Substanzen nachzuweisen. AIs Beispiel der letzteren darf nur an den Harnstoff erinnert werden: filtrirt man Cloakenflüssigkeit, worin der von menschlichen und thierischen Ejectionen herrührende Harnstoff noch nicht vollständig der ammoniakalischen Fäulniß unterlegen war, durch eine hinreichende Menge sandig-lehmiger oder humoser Erde, so läßt sich im Filtrate noch Harnstoff auffinden, während alles Ammoniak von der Erde absorbirt war; auch wird solches Filtrat noch zur Fäulniß disponirt erscheinen können, selbst wenn das Hinzutreten neuer Fäulnißfermente möglichst abgehalten war. Von Beispielen eigener Erfahrung, wo Aehnliches mit Brunnenwasser der Fall war, will ich nur einen denkwürdigen Fall aus Greifswald erwähnen: dort war ich vor einer längeren Reihe von Jahren veranlaßt, bei einer Typhus-Epidemie, welche in einem Stadttheile besonders fürchterlich wüthete, über die Brunnen der betreffenden Straße ein Erachten abzugeben; es ergab sich, daß der unsaubere Inhalt der Straßen-Rinnsteine durch eine nur dünne und bereits mit Fäulnißstoffen geschwängerte Erdschicht in die Brunnen hatte hineinfiltriren können, bei starken Regengüssen war von dem schmutzigen Wasser sogar unmittelbar durch die undichte Breterbedeckung eingeflossen. Seit dieser Zeit habe ich bei allen Brunnenanlagen, auf deren Ausführung mir eine Mitwirkung zustand, darauf gehalten, daß um das Mauerwerk des Brunnenschachtes herum in einem seitlichen Abstände von mindestens 2 Fuß und bis zur Quellentiefe herab eine Schicht nassen Lehmes eingestampft wurde, außerdem aber eine solche das Durchsickern unreinen Wassers verhütende Lehmschicht über die Gewölbe-Decke des Brunnens zu liegen kam. Des ausgezeichneten Erfolges dieser Maßnahme erfreue ich mich u. a. an dem Trinkwasser des Brunnens in meinem eigenen Hause; derselbe wurde vor dem Zuwölben rein ausgeschöpft, jede Spur von Holzspänen u. dgl. daraus entfernt und das eingesetzte eiserne Pumpenrohr in das Gewölbe eingemauert; ein Theil der Wölbung ist durch eine starke Cementplatte gebildet, welche die Möglichkeit gewährt, wenn es nöthig werden sollte in den Brunnenschacht zu gelangen. Neben dem Ammoniak werden Phosphorsäure und Salpetersäure gewöhnlich beschuldigt, Anzeichen von gesundheitsschädlicher Beschaffenheit eines Brunnenwassers zu seyn. In Bezug auf die Phosphorsäure ist dieß in gewisser Weise, jedoch nicht unbedingt, begründet. Sie gehört ebenso wie Ammoniak und Kali zu den wesentlichen Bestandtheilen organischer Fäulnißmassen und zugleich zu denen, welche von lehmigerdigen Substanzen durch Absorption relativ leicht gebunden werden und daher aus den oberen Bodenschichten, in welche sie gelangt sind, durch das die Quellen speisende atmosphärische Wasser nicht bis zu größeren Tiefen herabgeführt werden, also nur bedingungsweise zu den die Brunnen speisenden Quellen gelangen; das Vorhandenseyn von Phosphorsäure aber gleichwie des Kalis in Quellwasser braucht nicht von animalischen Auswurfsstoffen und anderen Fäulnißmaterialien herzurühren; da die Erdmassen unorganischen Ursprunges, aus welchen die tieferen Bodenschichten zusammengesetzt sind, nicht selten phosphorsäurehaltig und ganz gewöhnlich kalihaltig befunden werden, so kann das Vorhandenseyn dieser Stoffe eben so gut hieraus wie aus unreinen Materialien der Bodenoberfläche, welche undesinficirt zu dem Wasser gelangten, stammen. Am unbegründetsten ist die noch immer sehr allgemeine Verdächtigung der Salpetersäure, da deren Salze bei dem Filtriren ihrer Lösung durch absorbirende Erdschichten keine die Säure bindende Einwirkung erfahren. Während das den Boden durchziehende Wasser unterwegs die zuvor erwähnten Stoffe, welche es an der Oberfläche gelöst hatte, absetzt und bei tieferem Eindringen auch die noch zur Fäulniß disponirten organischen Stoffe nebst etwaigen Fäulnißfermenten verliert, folgen ihm bis zu den selbst die tieferen Brunnen speisenden Wasseradern die salpetersauren Salze; es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß zu der aus der obersten Erdschicht aufgenommenen Salpetersäure noch neue Mengen derselben hinzukommen, welche, soweit gebundenes Ammoniak im Boden sich befindet, durch fortgesetzte Oxydation aus diesem gebildet werden. Man hat überhaupt erst seit einiger Zeit angefangen, dem Gehalte der Quellwässer an salpetersauren Salzen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und von allen Seiten wird es bereits bestätigt, daß — wie ich es schon vor mehr als einem Decennium an den darauf genau untersuchten Rostocker Wässern fand — jene Salze nicht nur überhaupt gewöhnliche Bestandtheile der aus dem Deluviallehm und anderen erdigen Gebirgsarten kommenden Quellen sind, sondern namentlich auch, daß ihre Menge meistens selbst da nicht unbedeutend ist, wo in den übrigen Bestandtheilen kein Grund vorliegt, gegen die gesundheitliche Güte des Wassers Bedenken zu hegen. Unter den Rostocker Wässern habe ich gerade die als Trinkwasser am meisten geschätzten salpetersäurehaltig gefunden: die Menge der nachgewiesenen Salpetersäure berechnet sich für 1 Kubikmeter ( = 32⅓ preuß. Kubikfuß = etwas über 4 4/5 Oxhoft) in dem Wasser der Pumpe am Blücherplatz zu 55 Grm. = 3,3 Loch Salpeter der Pumpe beim alten Gymnasium 76 Grm. = 4,56 Loch Salpeter der Pumpe auf dem Museumshofe 130 Grm. = 7,8 Loch Salpeter der Pumpe auf dem Universitätshofe 142 Grm. = 8,52 Loch Salpeter Noch weit größere, bis mehr als zehnfache Mengen, hat Boussingault in Pariser Brunnenwässern u. a. in den Straßen St. Landry und Traversine gefunden. In Bezug auf die bei den Untersuchungen der hiesigen Wässer angewandte Methode der quantitativen Bestimmung der Salpetersäure bemerke ich, daß ihr das in meiner „Schrift Die gasvolumetrische Analyse“ beschriebene Verfahren zu Grunde lag. 1. Ueber die Bedeutuug der in Quellwässern enthaltene organischen Stoffe in medicinisch-forensischer Hinsicht und über die Bestimmung dieser Substanzen. Ueber die Bedeutung der organischen Stoffe als Bestandtheile von Quellwässern herrscht in der medicinisch-forensischen Welt große Unklarheit und nach gewisser Seite viel Vorurtheil. Daß organische Substanz im Wasser an und für sich etwas durchaus Unschädliches seyn kann, wird Jeder ohne Weiteres einräumen, da ja alle uusere künstlichen Getränke solche Lösungen sind und unter den beliebtesten Nahrungsmitteln sind selbst faulende organische Stoffe, in Form von Käse, vertreten; es fragt sich nur, wie wir über die, besonders von menschlichen und thierischen Dejectionsmassen herrührenden organischen Stoffe und ihre Fäulniß- oder Verwesungsproducte in dieser Beziehung zu urtheilen haben. Schon unser instinctiver Widerwillen dagegen warnt uns, und unzählige Erfahrungen von Epidemien bestätigen es, wie begründet die Warnung war, wenn wir aus Mangel an anderem Getränk uns überwinden mußten, Wasser zu trinken, welches durch Geruch und Geschmack oder durch die erst längere Zeit nach dem Genuß auftauchende üble Geschmacksempfindung an Verunreinigung mit jenen Stoffen erinnerte. Daß durch Fäulniß organischer Stoffe eigentliche Gifte erzeugt werden und daß schon kleine Mengen von diesen, z. B. bei Leichensectionen, in's Blut übergeführt die heftigsten nicht selten bis zum Tode sich steigernden Wirkungen hervorrufen, ist eine bekannte Thatsache; bei der. putriden Infectionen muß aber unterschieden werden zwischen solchen, welche durch eine als Gift wirkende von Fäulnißprocessen herrührende chemische Verbindung verursacht ist und der in die Kategorie der gesundheitsfeindlichen Fermentationen gehörenden. Ich glaube zuversichtlich behaupten zu dürfen, daß nur letztere auf unsere Betrachtung Anwendung haben, daß also die schädlichen Wirkungen von dem Genusse unreinen Trinkwassers ihren Grund in gewissen durch das Wasser in den Organismus eingeführten organischen Fermenten haben, mögen diese nun selbstständige mikroskopische Organismen aus dem räthselhaften Bereiche der Vibrionen, Pilzalgen u. dgl. oder bloß fermentartig wirkende Substanzen, vergleichbar etwa den Diastasekörpern und dem Milchsäurefermente etc. seyn. Das Dämonische solcher Fermente liegt in ihrer Ungreifbarkeit und besonders darin, daß unmeßbar und unwägbar kleine Mengen genügen, durch ihre schnelle und massenhafte Vermehrung höheres organisches Leben unter ihre vernichtende Botmäßigkeit zu bringen. Sind sie im atmosphärischen Staube enthalten, so können wir uns nur unvollkommen davor schützen; haben wir sie aber in unseren Nahrungsmitteln zu furchten, so treffen wir unter diesen die richtige Auswahl; wo solche nicht anwendbar ist oder wo wir der Alternative gegenüber uns in Unsicherheit befinden, unterwerfen wir Speise und Getränk den durch die Erfahrung erprobten Proceduren zur Vernichtung der feindlichen Gewalt. Das Kochen der Speisen gibt uns, wenn es nur nachdrücklich genug geschieht, die Garantie des Ertödtens der unsere Gesundheit bedrohenden Fermente, unter denen die Fleisch-Trichine und die den Bandwurm erzeugende Schweine-Finne als populär gewordene Beispiele angeführt werden können. Jedes durch Fäulnißkörper wenn auch nur im schwächsten Grade verunreinigte Wasser ist verdächtig und muß entweder als Getränk verworfen oder vor seiner Verwendung desinficirt d. h. nicht bloß von übelriechenden und schmeckenden Beimengungen, sondern zugleich von etwaigen, jenen Sinnen sich häusig nicht verrathenden Fermenten befreit werden. Wie können wir aber letztere oder auch nur einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit ihres Vorhandenseyns sicher erkennen? Diese Frage war es vor Allem, welche ich in Bezug auf die Rostocker Wässer zur Erledigung des Polizei-Auftrages zu beantworten versucht habe. Man hat sich früher meistens damit begnügt, die Gesammtmenge organischer (verbrennlicher kohlenstoffhaltiger) Substanz in einem Wasser als Maaßstab für den Grad seiner Gesundheitsschädlichkeit zu nehmen. Daß dieß nicht unbedingt richtig ist, wurde oben bereits ausgesprochen. Zur weiteren Motivirung will ich zunächst auf die gelblichen und selbst bis zu bräunlich gelber Färbung tingirten Wässer hinweisen, welche auf torfigem Boden humusartige Stoffe in relativ reichlicher Menge aufgenommen haben, trotz dieses Gehaltes an organischer Substanz aber weder an einem warmen Orte stehend Disposition zu Fäulnißerscheinungen zeigen noch als Getränk verwendet sich ungesund erweisen, sofern die gelösten Humuskörper nicht von organischen Substanzen der anderen Kategorie begleitet sind. Aehnliche, wenn auch ungefärbte Producte der Humificationszersetzung, nun kommen nicht selten in Brunnenwässern von bewährter Güte und zwar in Quantitäten vor, welche, wenn diese und nicht weit mehr die Qualität entscheidend wäre, als warnender Zahlenausdruck uns erscheinen würde. Die Reste abgestorbener Organismen und die Auswurfsstoffe lebender thierischer Körper durchlaufen, für sich zusammengehäuft, deßgleichen im Wasser oder feuchten Boden eine Reihenfolge von Zersetzungen, welche wir, je nach den obwaltenden Bedingungen oder äußerlich hervortretenden Erscheinungen, Gährung, Fäulniß, Vermoderung oder Verwesung nennen. Je mehr der oxydirende Einfluß des atmosphärischen Sauerstoffes mitwirkte oder je länger der Zersetzungsproceß unter sonst gleichen Umständen andauerte, um so weniger erscheinen die noch übrigen verbrennlichen Producte desselben zu weiteren Veränderungen dieser Art, zu Angriffen von Fermentwirkungen und zur Function von Trägern der bezüglichen Fermente disponirt. Hiermit bis zu einem gewissen Grade parallel gehen andere Eigenschaften derselben: einmal ihre Absorbirbarkeit durch lehmig-sandige Erdschichten durch welche ihre wässerigen Lösungen filtrirt werden, und sodann ihre Geneigtheit, von gewissen Oxydationseinwirkungen afficirt zu werden. Ersteres beruhigt uns darüber, daß wir in dem Wasser einer Gebirgsquelle, ebenso in einem Brunnenwasser, welches durch mächtige Erdschichten hindurchgesickert war, ehe es als den Brunnen speisende Quelle auftrat, keine gesundheitsschädlichen organischen Stoffe zu befürchten haben, daß also die durch chemische Analyse nachgewiesene verbrennliche Substanz darin, auch wenn sie sich nicht auf ein Minimum beschränkt, nicht zu den Fäulnißkörpern zu zählen ist. Ist die andere Voraussetzung richtig, daß der Grad der Oxydirbarkeit in einem gewissen Verhältniß zu der noch ungeschwächten Fäulnißfähigkeit oder wohl gar zu dem mehr oder minder hohen Stadium dieses Processes stehe, so würden, um Wasser in dieser Beziehung zu prüfen, Prüfungsmittel in Anwendung zu bringen seyn, welche durch die jenem Verhältniß entsprechend hervortretende Reaction einen vergleichenden Ausdruck dafür geben. Zu diesem Zweck hat bis jetzt kein geeigneteres Reagens als das übermangansaure Kali aufgefunden werden können, es waltet aber noch Unsicherheit darüber ob, wie dasselbe am zweckmäßigsten anzuwenden sey. a. Anwendung des übermangansauren Kalis zur vergleichenden Untersuchung des Wassers auf seinen Gehalt an organischen Stoffen. Die Uebermangansäure, sey sie nun frei oder an Alkali gebunden, zeigt bekanntlich in ihren Lösungen die charakteristische violette Färbung, welche bei einem Verdünnungsgrade von 1 Theil des Kalisalzes auf mehr als 100,000 Theile Wasser nicht zu sehr abgeschwächt ist, um ohne Weiteres erkannt zu werden und bei beträchtlich über jenes Verhältniß hinausgehender Verdünnung noch wahrgenommen wird, wenn man durch eine dickere Schicht der Lösung gegen einen weißen Hintergrund, also etwa von oben durch einen damit gefüllten Glascylinder auf unterliegendes weißes Papier sieht. Versetzt man gewöhnliches Brunnenwasser, womit ein großes Reagirglas gefüllt ist, mit etwa einem Fingerhut voll einer Lösung von 1 Theil übermangansaurem Kali in 10,000 Theilen reinen Wassers, und daneben vergleichungsweise ebenso ein anderes Reagirglas, gefüllt mit reinstem, von organischer Substanz vollkommen freiem Wasser, so bleibt das letztere Gemisch selbst beim längeren Stehen nicht nur klar, sondern auch eben so stark gefärbt wie es unmittelbar nach dem Zusatz des übermangansauren Kalis erschien; das andere Gemisch dagegen entfärbt sich mehr oder minder schnell, wird schmutzig trübe und setzt braune Flocken von Manganoxyd, Mn2 O3, ab. Die Schnelligkeit dieser Veränderung ist maßgebend für die Geneigtheit der in dem Brunnenwasser vorhandenen organischen Substanz, sich auf Kosten von 4/7 des Sauerstoffes der Uebermangansäure, Mn2 O7, zu oxydiren; die Menge der Uebermangansäure, welche nach vollendeter Reaction zersetzt ist, gibt einen Ausdruck für die Quantität der vorhandenen zur Oxydation unter diesen Umständen geeigneten organischen Substanz. Da nun die in Fäulnißzersetzung begriffenen ebenso wie die dazu besonders disponirten organischen Stoffe zugleich am stärksten dem zersetzenden Angriff der Uebermangansäure unterworfen sind, so läßt sich nach jenem Maaßstabe mit Hülfe der Uebermangansäure eines der wesentlichsten Momente für die Beurtheilung der Güte eines Wassers in gesundheitlicher Beziehung graduell feststellen. Die Art, wie ich bei der Anwendung des übermangansauren Kalis zur Untersuchung der Rostocker Brunnenwässer verfuhr, ist in verschiedenen Einzelheiten von den bisher üblichen Verfahrungsarten abweichend. Die Besonderheit meiner Methode war wesentlich aus vorstehender Betrachtung motivirt und außerdem noch durch deu Vorzug, welchen mir die Versetzung der betreffenden Wasserprobe mit etwas Kalkmilch, anstatt wie es gewöhnlich geschieht mit etwas Schwefelsäure, darum zu haben schien, weil die zu erkennenden organischen Substanzen in alkalischer Lösung stärker als in saurer von Uebermangansäure afficirt werden und der Zweck des Schwefelsäure-Zusatzes, das Gemisch klar zu erhalten, damit sich die unzersetzt gebliebene Uebermangansäure an der Gefärbtheit der Lösung gehörig beurtheilen lasse, oft nicht hinreichend erfüllt wird, während dagegen das mit Kalk versetzte Gemisch sich immer sehr schnell durch Sedimentirung klärt, indem der Kalk das sich ausscheidende Manganoxyd mit niederreißt. Die Einzelheiten des Verfahrens sind folgende: 3 Portionen von je 30 Kubikcentimeter des zu prüfenden Wassers werden mit etwas (etwa 2 Kubikcentimeter einer dünnen) Kalkmilch versetzt, aus einer Bürette zu der einen Portion 2, zu der zweiten 5, zu der dritten 10 Kubikcentimeter einer Lösung von 1 Theil reinen übermangansauren Kalis in 10,000 Theilen destillirten Wassers hinzugefügt, das Gemisch umgeschüttelt und die drei Proben auf einem Reagirgläsergestell zur Beobachtung hingestellt; durch die alsbald beginnende reducirende Einwirkung der organischen Stoffe des Wassers auf die Uebermangansäure tritt eine Entfärbung des Gemisches ein, welche in der mit nur 2 Kubikcentimeter jener Lösung vermischten Portion, selbst wenn es ein relativ gutes Wasser ist, sich meistens innerhalb 10 bis 20 Minuten vollendet, während die Portion, welcher 5 Kubikcentimeter der Lösung beigemischt waren, das Wasser als ein gutes erscheinen läßt, wenn nach ein paar Stunden die mittlerweile durch Sedimentirung geklärte Flüssigkeit noch gefärbt erscheint; einen genaueren vergleichenden Maaßstab für den Grad der Färbung geben reine Lösungen von je 1, 2, 3 Gewichtstheilen übermangansauren Kalis in 30,000 Th. reinen Wassers; die Vergleichung geschieht, indem man diese 3 Lösungen in Reagirgläser von gleicher Weite, daneben in ein eben solches das von dem Manganoxyd-Sediment klar abgegossene Wasser gießt und durch diese Gläser gegen unterliegendes weißes Papier sieht; es zeigt sich dann genau, welcher der 3 Probeflüssigkeiten das zu prüfende Wasser in dem Grade der Färbung gleicht, wie viel also von der zugesetzten Uebermangansäure unreducirt geblieben ist; würde die Färbung z. B. derjenigen der Lösung von 1 Th. übermangansauren Kalis in 30,000 Th. Wasser gleichen, so wäre daraus zu ersehen, daß von der Uebermangansäure, welche in 5 Kubikcentimeter der dem Wasser zugesetzten Lösung enthalten war, 4/5 zersetzt sind, also eine entsprechende Menge organischer Substanz in den 30 Kubikcent. Wasser wirksam war; auf 1 Liter oder 1000 Kubikcent. Wasser würde sich die zu Manganoxyd reducirte Uebermangansäure von 133⅓ Kubikcent. jener Probelösung, d. i. die in 1/225 Grm. oder in 4,44 Milligrm. übermangansauren Kalis enthaltene berechnen; 4/7 aber, d. i. der bei der betreffenden Reaction wirksame Theil des Sauerstoffes in der Uebermangansäure, entsprechen 20,25 Sauerstoff auf 100 Theile übermangansauren Kalis, oder 0,899 Milligrm. Sauerstoff auf 4,44 Milligrm. des Salzes; es sind also 0,899 Milligrm. Sauerstoff als zur Oxydation der chemisch leicht afficirbaren organischen Substanz in 1 Liter des untersuchten Wassers erforderlich nachgewiesen. Einzelne der Rostocker Brunnenwässer verbrauchten kaum die Hälfte jener Uebermangansäure-Menge und erwiesen sich dadurch als vorzüglich gut. Bei der einfachen Classification der untersuchten Wässer nach den 4 Kategorien: gut, nächstgut, mittel und schlecht, habe ich als Norm zu Grunde gelegt, daß zur ersten Abtheilung diejenigen Wässer zählen, von welchen 30 Kubikcent. die Entfärbung von nicht mehr als 3 Kubikcent. der Lösung von 1 Th. übermangansauren Kalis in 10,000 Th. Wasser innerhalb 2 Stunden bewirken; zur zweiten Abtheilung, also nächstgut, habe ich diejenigen Wässer gestellt, welche zwischen 3 und 6 Kubikcentimeter verbrauchen, zur dritten (mittel) zwischen 6 und 9, zur letzten (schlecht) über 9. Zu einer möglichst eingehenden chemischen Prüfung des Wassersin Bezug auf den von seinem Gehalte an organischen Stoffen bedingten diätetischen Werth möchte es sich empfehlen, noch eine Vergleichung des Verhaltens gegen Lösung von übermangansaurem Kali hinzuzufügen, je nachdem das Wasser frisch geschöpft war oder einige Tage an einem warmen Orte gestanden hatte. Bei einem Rostocker Brunnenwasser zeigte sich ganz deutlich ein Unterschied in der größeren Schnelligkeit, womit dasselbe, wenn es einige Zeit gestanden hatte, jene Lösung entfärbte. b. Ueber die Bestimmung der Gesammtmenge organischer Substanz im Wasser. Hinsichtlich dessen, was zur Lösung der Aufgabe, die Gesammtmenge organischer Substanz im Wasser zu bestimmen, in neuerer Zeit geschehen ist, verweise ich auf den Jahrgang 1866 S. 11 und 23 der Zeitschrift für analytische Chemie, außerdem auf einen Aufsatz von F. Frankland in Chemical Society's Journal, vol. IV p. 239. Der letztgenannte Chemiker war um dieselbe Zeit wie ich und aus gleicher Ursache zur Untersuchung von Wässern veranlaßt. Um den Lesern der vorliegenden Mittheilung, welchen der sehr beachtenswerthe Frankland'sche Aufsatz nicht zur Hand ist, Gelegenheit zur Vergleichung seines Verfahrens mit dem meinigen zu geben, will ich beide kurz beschreiben. Dieselbon beruhen in der Hauptsache auf gleichem Princip, nämlich der Ermittelung der Sauerstoffmenge, welche bei der Oxydation der im Wasser vorhandenen organischen Substanz aus übermangansaurem Kali entnommen wird. Der wesentliche Unterschied beider gänzlich unabhängig von einander aufgefundenen Methoden besteht darin, daß nach Frankland die Einwirkung der Uebermangansäure auf die organische Substanz des Wassers in mit Schwefelsäure angesäuerter Lösung und ohne Mitwirkung erhöhter Temperatur geschieht, während ich auf Grund vergleichender Untersuchungen über das Verhalten sehr verschiedenartiger organischer Stoffe gegen Uebermangansäure gefunden habe, daß die meisten derselben erst bei anhaltendem Erhitzen und in alkalischer Lösung vollständig oxydirt werden, unter diesen Umständen auch die Oxydation sich sehr schnell vollendet. Zur Bestimmung der Gesammtmenge organischer Substanz nebst anderen in der Hitze sich verflüchtigenden Stoffen empfiehlt Frankland folgendes Verfahren: 1000 Kubikcent. Wasser werden mit 10 Kubikcent. einer Lösung von kohlensaurem Natron, welche im Liter 10 Gramme trockenes Salz enthält, auf dem Wasserbade in einer Platinschale Zur Trockne verdampft, sodann im Oel- oder Luftbade bis zum Constantwerden des Schalen-Gewichtes auf 120 bis 130° C. erhitzt; die Wägung der im Exsiccator erkalteten Schale ergibt nach Abzug des kohlensauren Natrons das Gewicht des festen Rückstandes; die Schale wird darauf sorgfältig zum Dunkelrothglühen erhitzt, bis alle organische Substanz verbrannt ist und nach dem Erkalten mit einer wässerigen Lösung von Kohlensäure (20 Kubikcent. auf je 0,1 Grm. kohlensauren Kalk des Rückstandes) versetzt; darauf wird der Schaleninhalt wieder bei 120–130° C. und bis zum Constantwerden des Gewichtes eingetrocknet; die Summe der organischen und sonstigen flüchtigen Stoffe ergibt sich aus der Differenz der letzten Wägung gegen die vor dem Glühen vorgenommene. Zur Bestimmung der Sauerstoffmenge, welche zur Oxydation der organischen Materie erforderlich ist, gebraucht Frankland eine normale Lösung von übermangansaurem Kali in folgender Weiso: es werden 0,63 Grm. krystallisirter Oxalsäure, deßgl. etwa 0,4 Grm. übermangansaures Kali in je ein Liter reinsten destillirten Wassers gelöst; 10 Kubikcent. jener Oxalsäurelösung werden mit destillirtem Wasser auf ½ Liter verdünnt, 15 Kubikcent. verdünnter Schwefelsäure (1 Vol. Säure auf 5 Vol. Wasser) zugefügt und dann die Lösung des übermangansauren Kalis aus einer Bürette eingetropft, bis die Färbung des letzteren nach zehn Minuten langem Stehen der Flüssigkeit eben nicht mehr verschwunden erscheint; aus der verbrauchten Menge der Lösung des übermangansauren Kalis berechnet sich nun, wie viel Wasser zuzusetzen ist, damit die Vollendung jener Reaction genau durch gleiche Raumtheile der beiderlei Lösungen eintrete: je 1 Kubikcent. der Lösung des übermangansauren Kalis, 0,316 Milligrm. des festen Salzes enthaltend, repräsentiren 0,008 Milligrm. verwendbaren (5/7 von dem in der Uebermangansäure enthaltenen) Sauerstoff. Man versetzt nun ½ Liter des zu untersuchenden Wassers mit 15 Kubikcent. verdünnter Schwefelsaure und dann mit der auf die beschriebene Weise normirten Lösung des übermangansauren Kalis, bis die Färbung des letzteren eben nicht mehr verschwindet; wenn die Trübung des Wassers oder die Oxydationsproducte der organischen Materie die Erkennung der rothen Färbung unsicher machen, so verdünnt man 250 Kubikcent. davon mit dem gleichen Volumen destillirten Wassers; ist die Menge der organischen Substanz nur unbedeutend, so daß weniger als 1 Kubikcent. der Lösung des übermangansauren Kalis erfordert wird, so nimmt man 1 Liter Wasser. — Bei der vergleichenden Untersuchung des von verschiedenen Wassercompagnien Londons gelieferten Trinkwassers fand Frankland, daß der (am 1. Juli 1866) für 100,000 Th. Wasser der East Company 1,94 betragende Gehalt an organischer Materie in Beziehung zu stehen scheine zu dem Auftreten der Cholera in dem mit diesem Wasser versorgten Stadttheile. — Zur Entfernung der organischen Materie empfiehlt er Filtration durch Knochenkohlepulver, während er Holzkohle für denselben Zweck als völlig unwirksam erkannte. Die von mir benutzte Verwerthung der Uebermangansäure zur Bestimmung der Gesammtmenge organischer Substanz in verschiedenen wässerigen Lösungen, u. a. im Fluß- und Quellwasser, gründet sich, wie bereits bemerkt, auf die Wahrnehmung, daß die Uebermangansäure bei Gegenwart von überschüssigem Alkali die meisten Verbindungen dieser Art noch viel energischer oxydirt, als wenn sie im freien Zustande wirkt und selbst wenn diese Wirkung durch starke Säuren, namentlich Schwefelsäure, unterstützt ist; die alkalische Lösung hat aber noch den besonderen Vorzug, daß dabei die Uebermangansäure für sich, auch wenn das Gemisch andauernd gekocht wird, Sauerstoff nicht anders als an daneben befindliche oxydirbare Substanz abgibt, daß daher die Vollendung des Oxydationsprocesses durch Hitze bewerkstelligt und beschleunigt werden kann, ohne den Fehler zu verursachen, welchen durch jene Sauerstoffabgabe das Kochen saurer Lösungen befürchten läßt. Die Beständigkeit der Uebermangansäure in alkalischer Lösung gestattet auch die Anwendung eines gegen die Menge vorhandener oxydirbarer Substanz verhältnißmäßig großen Ueberschusses, wodurch die Energie ihrer Einwirkung noch mehr erhöht wird. Den Kohlenstoff der oxydirten organischen Substanz findet man in den Producten theils als Kohlensäure, theils als OxalsäureDie Ausbeute an Oxalsäure steigert sich mit der Vermehrung des freien Alkalis bis zu einem gewissen Punkte, welcher nicht weiter überschritten wird: von den 42 Proc. Kohlenstoff im Rohrzucker fand ich, wenn dieser so behandelt wurde, unter den Oxydationsproducten fast genau ⅔ als Oxalsäure, den übrigen Theil als Kohlensäure; das Maximum der aus 0,5 Grm. Phenylsäure erhaltenen Oxalsäure betrug 1,21 Grm., dei wenig freiem Alkali nur 0,8 Grm.; jener Zahl entspricht 0,23 Kohlenstoff, d. i. 46 Proc. der Phenylsäure, während deren ganzer Kohlenstoffgehalt 76,7 Proc. beträgt, es ist also fast genau 3/5 des Kohlenstoffes der Phenylsäure zur Bildung von Oxalsäure verwendet., weche letztere von alkalischer Uebermangansäurelösung nicht weiter afficirt wird. Von den zahlreichen organischen Stoffen, von welchen ich mich überzeugt habe, daß sie einer vollständigen Oxydation in diesem Sinne unterliegen, will ich nur anführen: alle gasförmigen und flüssigen Kohlenwasserstoffe, z. B. die in dem Leuchtgas enthaltenen, deßgleichen Benzin, Terpenthinöl etc., ferner Phenylsäure, zuckerartige Körper, Gerbsäure, Glykoside, das in Alkalien lösliche Stoffgemisch der Humuskörper u. s. w.; auch die Oxydation von freiem Wasserstoffgas erfolgt, wenn man dasselbe mit alkalischer Uebermangansäurelösung in einem zugeschmolzenen Glasröhre erhitzt; Essigsäure und die ihr aufsteigend in der Reihe der Fettsäuren zunächst folgenden Säuren gelten gewöhnlich als unafficirbar durch Uebermangansäure, aber auch sie unterliegen der Einwirkung bei hinreichend andauerndem Erhitzen mit concentrirter überschüssiger alkalischer Uebermangansäurelösung und dabei wird ebenso wie aus allen anderen organischen Stoffen Oxalsäure gebildet; die einzige organische Verbindung, welche keine Oxalsäure gibt, sondern mit alkalischer Uebermangansäure schnell und leicht nur zu Kohlensäure und Wasser oxydirt wird, ist Ameisensäure. Uebersättigt man das alkalische Gemisch, worin die Uebermangansäure auf organische Substanzen gewirkt hat, nach dem Erkalten mit Schwefelsäure, so wird nun die gebildete Oxalsäure sofort zu Kohlensäure und Wasser oxydirt und bewirkt die Reduction einer entsprechenden Menge Uebermangansäure. Hatte man eine bestimmte überschüssige Menge titrirter Uebermangansäurelösung zu dem auf organische Stoffe zu untersuchenden Wasser (oder einer anderen Flüssigkeit) gesetzt, die alkalische Lösung nach beendigter Reaction mit Schwefelsäure übersättigt, und dann von einer titrirten Oxalsäurelösung ein abgemessenes, mehr als zum Farbloswerden des Gemisches ausreichendes Quantum hinzugefügt, so berechnet sich aus der Menge von titrirter Lösung übermangansauren Kalis, welche, erkennbar an dem Eintreten der dauernden röthlichen Färbung, zuletzt anzuwenden ist, um die überschüssige Oxalsäure wegzunehmen, der von dem ursprünglichen Uebermangansäure-Quantum zur Oxydation verwendete Sauerstoff. Der Ansatz zu dieser Rechnung versteht sich für jeden Chemiker von selbst. Bei genauen Untersuchungen wird noch besonders zu berücksichtigen seyn, ob neben der organischen Substanz andere Körper zugegen sind, welche gleichfalls oxydirt werden, besonders Eisenoxydul, Schwefelwasserstoff nebst Sulfureten von Alkalimetallen und salpetrige Säure. Nach dem beschriebenen Verfahren hat mein Arbeits-Camerad, Hr. Dr. Weidner, die Gesammtmenge organischer Substanz in mehreren Rostocker Wässern bestimmt und gefunden, daß die Menge des zur Oxydation der organischen Substanz erforderlichen Sauerstoffes bei den oben als gut bezeichneten Wässern auf den Liter Wasser durchschnittlich 0,8 bis 1,6 Milligramme beträgt, bei den als mittelmäßig bezeichneten 3 bis 5 Milligramme, bei den schlechten 6 bis 8 Milligramme; dieß würde, wenn wir eine Zusammensetzung der organischen Substanz, ähnlich derjenigen der Humuskörper, zu Grunde legen, einem Gehalte der Wässer an resp. 0,53 bis 1,06, 2 bis 3,3 und 4 bis 5,3 Milligrammen organischer Substanz im Liter, oder in 100,000 Gewichtstheilen Wasser resp. 0,053 bis 0,106, 0,2 bis 0,33 und 0,4 bis 0,53 Gewichtstheilen organischer Substanz entsprechen. Dieses Zahlenverhältniß zeigte sich jedoch in nicht seltenen Fällen keineswegs der wirklichen Güte des Wassers correspondirend; als Beispiel, welches zugleich zur Bekräftigung der obigen Ausführungen über die mehr motivirt erscheinenden Maßnahmen zur Prüfung der Wässer auf ihren gesundheitlichen Werth dienen möge, will ich das Wasser des Brunnens unter meinem Hause anführen, welches nach seinem Geschmack, den daran gemachten gesundheitlichen Erfahrungen und nach dem Ergebniß der Prüfung durch zugesetzte Kalkmilch und kalte Einwirkung von Uebermangansäure zu den besten Wässern Rostock's zählt, nach seiner Gesammtmenge organischer Substanz aber in dieselbe Kategorie gestellt werden müßte, wie die geringsten unter den als mittelmäßig bezeichneten Rostocker Wässern: zur Oxydation der im Liter dieses Brunnenwassers enthaltenen organischen Substanz sind 4,78 Milligramme Sauerstoff erforderlich. 2. Verfahren zum Desinficiren und Trinkbarmachen schlechten Wassers. Wenn Frankland zur Reinigung eines schlechten Wassers das Filtriren durch Knochenkohle empfiehlt, so geschieht dieß gewiß mit gutem Grunde, ich halte aber dennoch dieses Reinigungsverfahren, so sehr es auch alle färbende, riechende und schmeckende Beimengung entfernt, nicht radical genug, um Sicherheit zu geben, daß in einem so gereingten Wasser nicht beim Stehen nach einiger Zeit wieder Fäulnißfermentationen auftreten, oder es müßte von dem Reinigungsmittel so viel verwendet werden, daß dadurch seine universelle praktische Anwendbarkeit wiederum beschränkt wird. Die Sicherheit der Ertödtung von Fermenten durch starkes Kochen empfiehlt letzteres als das einfachste und nächstliegende Mittel, unsere Gesundheit vor den schädlichen Einflüssen des schlechten Trinkwassers, worauf wir angewiesen sind, zu schützen. Es ist aber auch dieses Mittel unter vielen Umständen, z. B. für Truppenmassen auf Märschen, für Reisende u. f. w. nicht anwendbar, abgesehen davon, daß das Wasser nach dem Kochen und Abkühlen gewöhnlich noch filtrirt werden muß und dennoch mehr oder minder unappetitlich bleibt. Eine sehr leicht und überall anwendbare Hülfe zum Desinficiren und Trinkbarmachen schlechten Wassers gewährt wiederum das übermangansaure Kali. Dasselbe ist rein und wohlfeil aus chemischen Fabriken zu beziehen, die auf Märschen und Reisen etwa nothwendig werdenden Mengen desselben sind viel zu klein, um unter etwaigen Bedenken mit in Betracht zu kommen und den Zweck selbst erfüllt das Mittel besser als jedes andere. Die Reinigungsprocedur besteht einfach darin, daß man in dem Wasser ein wenig Kalkmilch (welche in der nöthigen Menge aus vorräthigem Pulver von staubförmig gelöschtem Kalk jedesmal ohne Weiteres bereitet werden kann) vertheilt und von einer nach Bedarf frisch bereiteten Lösung des übermangansauren Kalis so viel nach und nach zusetzt, bis das umgerührte und durch freiwillige Sedimentirung geklärte Gemisch nach etwa ¼ Stunde noch schwach röthlich gefärbt erscheint; es verliert diese Färbung alsbald noch vollends; das Wasser von dem gebildeten Niederschlage, welcher außer Manganoxyd und Kalkverbindungen auch alle im Wasser suspendirt gewesenen organischen und unorganischen Massen (Infusorien, Algen, Schlammtheile etc.) einschließt, abgegossen (oder zur Noth abfiltrirt) enthält noch Aetzkalk gelöst und entbehrt des den Wohlgeschmack wesentlich mitbedingenden Kohlensäuregehaltes; es bedarf nur noch eines Zusatzes von etwas doppelt-kohlensaurem Natron und nach der durch dieses geschehenen Ausfüllung des Kalkes der Hinzufügung einer das kohlensaure Natron kaum übersättigenden Menge Salzsäure, um den vorher vermißten Wohlgeschmack hervorzurufen. Der Verbrauch an übermangansaurem Kali wird sich in den seltensten Fällen höher als 1/10000 des Wassers, in der Regel kaum halb so groß herausstellen; wäre es 1/20000, so würden sich auf den Kubikfuß Wasser 1 ½ Gramme berechnen, es würde 1 Pfd. übermangansaures Kali, welches aus chemischen Fabriken zum Preise von ungefähr 4 Thlr. bezogen werden kann, ausreichen zum Desinficiren von 333 Kubitfuß oder 50 Oxhoft. 3. Bestimmung des Härtegrades eines Wassers. Für die Hauswirthschaft und technische Verwendung des Wassers ist von überwiegender Bedeutung sein Gehalt an Kalk und Magnesia als denjenigen Bestandtheilen, welche die als Härte bezeichnete Eigenschaft des Wassers bedingen. In dem Grade der Härte begegnen wir Abstufungen innerhalb weiter Grenzen. Um dieselben in Zahlen auszudrücken, dient als Einheit, also als ein Härtegrad, gewöhnlich nach der von dem Engländer Clark eingeführten Norm: je 1 Theil kohlensaurer Kalk oder die dafür äquivalente Menge Magnesia auf 70,000 Theile (1 Gran auf 1 Gallon = 70,000 Grans) Wasser; es ist aber schon mehrfach mit Recht monirt, daß wir uns von dieser aus dem Verhältniß des genannten englischen Gewichtes und kubischen Maaßes entnommenen auf die Maaße und Gewichte anderer Länder nicht zutreffenden Norm lossagen und dafür lieber je 1 Theil Kalk (Calciumoxyd) oder die diesem äquivalente Menge Magnesia auf 100,000 Theils Wasser als einen Härtegrad annehmen sollten. Die von Clark empfohlene und später von Wilson verbesserte Methode der HärtegradbestimmungAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXIX S. 318; polytechn. Journal Bd. CLXIII S. 370. beruht bekanntlich auf Messung der Menge einer entsprechend titrirten Seifelösung, welche mindestens nothwendig ist, um nach dem Messen mit einer bestimmten Menge des zu prüfenden Wassers und nach dem Schütteln des Gemisches einen Schaum zu geben, welcher nach 5 Minuten langem ruhigem Stehen des Gefäßes noch nicht wieder zusammengesunken ist, wie dieß der Fall seyn würde, wenn nicht genug Seifelösung zugesetzt war. Der Härtegrad des Rostocker Warnowwassers ist etwas über 9; fast eben so groß, nur meistens etwas geringer, ist derjenige des Wassers in dem Röhrennetz der städtischen Wasserleitung, derselbe steigt auch zuweilen etwas über 10; nahe damit übereinstimmend, also 9 bis 10 Grad, ist die Härte des Wassers unserer Teiche; in den gegrabenen Brunnen Rostock's steigt die Härte bis auf 60 Grad, meistens jedoch nicht über 30 bis 50 Grad, varürt auch in einem und demselben Brunnen zu verschiedenen Zeiten je nach dem Wechsel der Reichlichkeit des Zuflusses von weicherem oder härterem Wasser. Wie sehr wir Ursache haben, für eine Menge von Verwendungen des Wassers den Härtegrad zu berücksichtigen, um nach genommener genauerer Kenntniß desselben unter den verfügbaren Wässern das als das weichste erkannte auszuwählen oder da wo uns nur ein hartes Wasser zu Gebote steht, dieses vor dem Gebrauche weich zu machen, ergibt sich aus folgenden Betrachtungen: Die universellste von den Verwendungen des Wassers, wobei dessen Härte schwer in das Gewicht der Leistung und der Geldkosten fällt, ist: zum Waschen. Hierzu ist Seife als unentbehrliches, durch keinen anderen Stoff genügend ersetzbares Hülfsmaterial erforderlich. Die Größe des Seifeverbrauches beim Waschen hängt wesentlich von der Härte des Wassers ab: man kann annehmen, daß durch 1 Theil Kalk oder eine äquivalente Menge (0,7143 Gewichtstheile) Magnesia 12 Theile guter (70 Procent Fettsäure, 10 Natron und 20 Wasser enthaltende) Kernseife unwirksam gemacht werden; das fettsaure Alkali der Seife zersetzt sich mit den erdigen Salzen so, daß eine Verbindung der Fettsäure mit Kalk resp. Magnesia entsteht; diese Erdseife vereitelt durch ihre Unlöslichkeit und sonstigen Eigenschaften die beabsichtigten Wirkungen, erweist sich sogar als eine die Losspülung des Schmutzes von unserer Haut oder von den Zeugfasern der Wäsche erschwerende zähschmierige Substanz, welche auf die zu reinigenden Flächen sich auflegend und Staub-, Ruß- etc. Theile durch Adhäsion festhaltend, als neu hinzutretende hinderliche Verunreinigung zum Vorschein kommen kann. Die ausgezeichneten Wirkungen der durch Erdsalze nicht zersetzten Seifelösung sind zum vorwiegenden Theile mechanischer Art und hängen mit der Eigenschaft einer solchen Lösung, beim Schütteln Schaum zu bilden, zusammen, können daher auch durch ähnlich sich verhaltende Flüssigkeiten, z. B. Abkochungen von Seifenkrautwurzel oder Quillay-Rinde, in einem gewissen Grade, hervorgebracht werden; die Oberfläche eines jeden einzelnen von den unzähligen Bläschen, welche in einer Seifenschaum-Masse beisammen sind und beim Waschen an dem zu reinigenden Gegenstande hin und her bewegt werden, dient als Adhäsionsfläche zum Anheften der fettigen und festen Partikelchen mannichfaltigster Kategorie, welche durch diesen gegen die Adhäsionswirkung der Zeugfasern erfolgreich geführten Kampf von letzteren losgerissen, nach dem Zusammensinken des Schaumes in der Seifenmasse suspendirt bleiben und leicht vollends weggespült werden können. Seife zu einem Wasser zugesetzt fängt erst an zu wirken, wenn die Lösung schäumt, dieß geschieht aber nicht eher, als nachdem alle im Wasser gelösten Erdsalze mit einer entsprechenden Menge von Seife in dem oben ausgesprochenen Sinne sich umgesetzt haben und die erdige Substanz als unlösliche Erdseife ausgeschieden ist. Nach der wohlbegründeten Annahme, daß hierbei 1 Theil Kalk 12 Theile Seife verbraucht, läßt sich leicht berechnen, wie groß in jedem besonderen Falle dieser Verlust nach Maßgabe des bei dem Wasser befundenen Härtegrades ist. Beträgt dieser z. B. 30, so wird auf jeden Kubikfuß solchen Wassers 1/5 Pfd. Seife nicht nur unnütz, sondern noch obendrein zur Erschwerniß des Waschens und zum Schaden für das schöne Aussehen der Wäsche verbraucht. In meinem eigenen Haushalte von 9 Personen sind jährlich ungefähr 17 größere Wäschen; zu jeder derselben werden mindestens 12 Kubikfuß Wasser verbraucht, auf's Jahr also in runder Zahl 200 Kubikfuß; würde statt des vom Dache des Hauses weit mehr als hinreichend zu Gebote stehenden Regenwassers Brunnenwasser von 30 Härtegraden zur Wäsche genommen, so müßten jährlich 40 Pfd. guter Seife und außerdem ein guter Theil Arbeit mehr aufgewendet werden. Die 9 Härtegrade des Warnowwassers repräsentiren fast den dritten Theil jenes Verlustes, motiviren es daher immer noch, dem viel weicheren Regenwasser, wo man dasselbe haben kann, den Vorzug zu geben und auf Ansammlung desselben zu wirthschaftlichen Verwendungs-Zwecken Bedacht zu nehmen. — Aus den Betrachtungen über die Art, wie beim Waschen die Härte des Wassers doppelt nachtheilig wirkt, leitet sich der Vortheil her, den es gewährt, wenn die Menge des hierzu verbrauchten Wassers auf das möglichste Minimum reducirt wird. Eine ähnliche Zersetzung wie mit der Seife gehen die Erdsalze des Wassers mit den casein- und albuminartigen Bestandtheilen unserer Nahrungsmittel ein, wenn diese mit hartem Wasser gekocht werden. Dieß hat namentlich Anwendung auf Hülsenfrüchte, aber auch auf andere Gemüse, ferner auf Reis, Milch, Fleisch, Thee u. s. w.; die so entstehenden Kalkalbuminate widerstehen der erweichenden Einwirkung des Kochens und machen es jeder Hausfrau zu einem wohlberechtigten Gegenstande der Fürsorge, in der Küche weiches Wasser zu haben, zumal da solches auch die Reinigung der gebrauchten Koch- und Eßgeschirre erleichtert. Wie sehr der Betrieb vieler technischer Gewerbe durch weiches Wasser, zumal wenn mit seinem Verbrauche nicht gegeizt zu werden braucht, begünstigt wird, ist allbekannt und von jedem dabei betheiligten Gewerbetreibenden gewürdigt. Von Seiten der Chemie erwarten manche Gewerbe, u. a. Bäckerei, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Gerberei, Leimfabrication, Färberei, zu dem allgemeinen wissenschaftlich erklärenden Commentare über die Bedeutung der Qualität des Wassers noch ein genaueres Eingehen auf allerlei bisher ungelöst gebliebene Einzelfragen. Der Architekt zählt die erdigen Bestandtheile des Wassers in den Verbindungsformen, wie sie den Brunnenwässern gewöhnlich angehören (als kohlensaure und schwefelsaure Salze) nicht zu seinen Feinden, wohl aber und um so mehr Kochsalz und andere Alkalisalze und von erdigen Salzen die durch Leichtlöslichkeit ausgezeichneten, insbesondere Chlorcalcium, Chlormagnesium und salpetersaure Kalkerde resp. Magnesia. Das Feuchtwerden des Mauerwerkes und der Stuccaturarbeiten mit allen daraus hervorgehenden schlimmen Consequenzen ist häufig nur dadurch verschuldet, daß das erste beste hierauf zuvor nicht untersuchte Wasser zum Kalklöschen, zur Mörtelbereitung und zum Anrühren der Stuckmaterialien verwendet war. 4. Ueber das künstliche Weichmachen harten Wassers. Die Maßnahmen zum Weichmachen des Wassers sind zum Theil eben so leicht ausführbar als wohlfeil und es ist daher unbegreiflich, daß sie im Allgemeinen fo wenig zur Anwendung kommen, wo kein weiches Wasser zu Gebote steht und das verfügbare harte Wasser fortwährend die größten Uebelstände verursacht, wie dieß z. B. aus den alltäglichen Klagen über den Kesselstein der Dampfkessel hervorleuchtet. Am leichtesten sind der kohlensaure Kalk und die kohlensaure Magnesia zu beseitigen, von denen besonders der erstere überwiegenden Antheil an der Härte der gewöhnlichen Wässer hat. Der kohlensaure Kalk ist in etwas mehr als 10,000 Theilen bloßen Wassers von gewöhnlicher Temperatur und in ungefähr 8900 Theilen kochenden Wassers löslich; ersteres entspricht, da der kohlensaure Kalk 56 Proc. Kalk enthält, 5,6, die andere Zahl beinahe 5 Härtegraden. Durch Zusatz von Ammoniak oder kohlensaurem Ammoniak wird die Löslichkeit abgeschwächt auf das Verhältniß von 1 Theil kohlensaurem Kalk, welcher in 65,000 Thln. Wasser gelöst bleibt, der Härtegrad also auf weniger als 1 vermindert; hieraus erklärt es sich, daß Wasser, welches mit Ammoniak versetzt ist, beim Gebrauche zum Waschen von Händen und Gesicht eine so außerordentlich weiche Beschaffenheit zeigt und darf eine Flasche mit wässerigem Ammoniak (Salmiak-Spiritus) als eine angenehme Zuthat zu den Utensilien des Waschtisches empfohlen werden, zumal dasselbe die schon an und für sich wohlthätig reinigende Wirkung des reinen Wassers auf die Haut sehr unterstützt; es genügt etwas mehr als ein Theelöffel voll davon auf eine Portion Wasser, wie sie dem Toilette-Zwecke gewöhnlich dient. Gegenwart von Kohlensäure in dem Wasser erhöht die Löslichkeit des kohlensauren Kalkes dahin, daß, wenn das Wasser bei gewöhnlicher Temperatur und unter dem einfachen Atmosphärendruck mit Kohlensäure gesättigt ist, das ungefähr Achtfache der ohne Mitwirkung freier Kohlensäure löslichen Menge kohlensaurer Kalk darin enthalten, der durch diesen Stoff bedingte Härtegrad also auf etwa 45 erhöht feyn kann. Nicht nur das aus tieferen Bodenschichten kommende gewöhnliche Quellwasser enthält freie Kohlensäure und durch deren Vermittelung eine größere Menge kohlensauren Kalk gelöst, sondern auch das Wasser der Bäche, Flüsse und Binnen-Seen, ja selbst das Regenwasser; in 1 Liter des letzteren fand Baumert 17,7 Kubikcentimeter (etwa 35 Milligramme) Kohlensäure, Poggiale in dem Seine-Wasser bei Paris durchschnittlich 23,3 Kubikcentimeter (46 Milligramme); im Liter Warnow-Wasser wurden bei einer kürzlich im hiesigen Laboratorium damit vorgenommenen Untersuchung sogar 57, in demjenigen aus einer Röhrenleitung 51 Milligr. freier Kohlensäure nachgewiesen. Es ist daher begreiflich, daß der Härtegrad der Flußwässer, auch wenn er nur durch kohlensauren Kalk bedingt ist, sehr gewöhnlich größer befunden wird als der Löslichkeit dieses Körpers in bloßem Wasser entspricht. Durch Kochen wird die Kohlensäure aus dem Wasser entfernt und mit ihr die ganze Menge des durch ihre Vermittelung gelöst gewesenen kohlensauren Kalkes. An dem Warnow-Wasser habe ich mich selbst überzeugt, daß wenn es stark gekocht wird, kohlensaurer Kalk sich daraus niederschlägt und die Härte bis auf ungefähr 6 Grad vermindert wird. Von der kohlensauren Magnesia gilt in den erwähnten Beziehungen etwas Aehnliches wie vom kohlensauren Kalk. Neben der Anwendung des Kochens zum Erweichen des Wassers empfiehlt sich ein anderes, meistens noch leichter ausführbares Mittel: das Vermischen des Wassers mit so viel Kalkmilch, daß die freie Kohlensäure durch Kalk gebunden und der so neu gebildete kohlensaure Kalk zugleich mit dem durch die Kohlensäure gelöst gewesenen niedergeschlagen wird. Das hierdurch oder durch Kochen erweichte Wasser wird nicht eher in Gebrauch genommen werden dürfen, als bis der gefällte kohlensaure Kalk sich nebst etwaiger Magnesia, auch wohl einem Theile der organischen Substanz und gelöst gewesenem Eisenoxydul, gehörig abgesetzt hat, was ziemlich schnell zu geschehen pflegt. Wie viel Kalkmilch für ein bestimmtes Wasser zu nehmen sey, ist durch einen besonderen Versuch festzustellen, dessen Ergebniß natürlich nur so lange maßgebend seyn kann, als sich die Beschaffenheit des Wassers nicht ändert. Von klaren: Kalkwasser, dessen Kalkgehalt mittelst einer titrirten Oxalsäurelösung festgestellt war, läßt man zu einem bestimmten Volumen des zu prüfenden Wassers so viel zufließen, bis nach vorausgegangenem Umrühren ein weiterer Zusatz des Kalkwassers keine Trübung mehr hervorbringt; waren z. B. auf 1 Liter Wasser 150 Kubikcentimeter eines Kalkwassers verbraucht, welches genau 1 Gramm Kalt im Liter enthält, so gehört zum Weichmachen von je 1 preuß. Kubikfuß (30,92 Liter) Wasser die aus 4,638 Grm. reinem Aetzkalk dargestellte Kalkmilch. Vergleicht man mit diesem Ergebniß die Differenz zwischen dem Härtegrad des gekochten und nicht gekochten Wassers, so stellt sich heraus, ob die freie Kohlensäure einem gleichen Aequivalente des durch ihre Vermittelung gelöst gewesenen kohlensauren Kalkes entsprach oder ob gegen diesen ein Ueberschuß freier Kohlensäure vorhanden war. Weder durch Kochen, noch durch Kalkmilch wird der Kalk-Antheil aus dem Wasser gefällt, welcher als gelöster Gyps oder Chlorcalcium, salpetersaurer Kalk etc. darin enthalten war; aus allen Magnesiumverbindungen wird durch Kalk Magnesia abgeschieden. Das bloße Kochen des Wassers reicht daher zum Weichmachen nur aus, wenn die Erden ausschließlich als kohlensaure Salze darin enthalten sind; von den nach dem Kochen gelöst bleibenden Erdsalzen werden durch Kalk nur die Magnesiumverbindungen so zersetzt, daß der auf diese kommende Theil der Härte beseitigt wird. Zusatz von kohlensaurem Natron zu einem Wasser, welches lösliche Kalk- und Magnesiasalze enthält, fällt den Kalk als kohlensauren Kalk, minder vollständig die Magnesia, letztere als basisch kohlensaures Salz; die mit beiden Erden verbunden gewesenen Säuren bleiben als Natriumverbindungen gelöst. Enthielt das Wasser freie Kohlensäure, so verhindert diese die Vollständigkeit der Fällung in so weit, als sie das Gelöstbleiben von kohlensauren Erden vermittelt; ein entsprechend reichlicherer als aus dem Härtegrade des Wassers berechneter Zusatz von kohlensaurem Natron würde zweifach-kohlensaures Natron bilden, welches, wenn auch noch überschüssiges neutrales kohlensaures Natron hinzukäme, die Fällung des Kalkes nicht wesentlich und noch weniger die der Magnesia vervollständigen würde. Mit Rücksicht auf die Magnesia hat man neben dem kohlensauren Natron eine Beigabe von Natron-Wasserglas (für je 1 Theil Magnesia auf 100,000 Theile Wasser eine Quantität Wasserglas, welche 3 Theile Kieselsäure enthält) empfohlen; die Menge des kohlensauren Natrons, wodurch der Kalk gefällt werden soll, berechnet sich (ohne Rücksicht auf die freie Kohlensäure des Wassers) zu je 19 Milligrm. krystallisirter Soda auf jeden durch den Kalk löslicher Kalksatze bedingten Härtegrad eines Liters Wassers, oder die 30,9fache Menge für jeden Härtegrad eines preuß. Kubikfußes Wasser; bei einem Wasser von 30 Härtegraden würde demnach auf jeden Liter 0,57 Grm. entwässerte oder 1,538 Grm. krystallisirte Soda zum Weichmachen gehören; auf den Kubikfuß macht dieß 17,6 Gramme ( = 1 1/16 Loth) resp. 47,52 Grm. ( = 2 9/10 Loth). Als das zweckmäßigste Mittel, Wasser, worin außer kohlensauren Erden noch Gyps und andere lösliche Kalk- und Magnesiasalze enthalten sind, weichzumachen, empfehle ich die combinirte Anwendung von Aetzkalk und Soda; die Berechnung der Menge beider ergibt sich aus der an einer Portion des Wassers vorausgegangenen Ermittelung zuerst des Quantums Kalk, welches zur Fällung der freien Kohlensäure, sowie der mittelst dieser gelösten kohlensauren Erde und der Magnesia erforderlich ist, und sodann des nach dieser Fällung übrig gebliebenen Härtegrades; nach dem letzteren bemißt sich der nöthige Zusatz von kohlensaurem Natron. Der Techniker, welcher in dergleichen Ermittelungen nicht geübt ist, thut wohl, wenn er deßhalb die Hülfe eines erfahrenen Chemikers angeht, indem er demselben wegen des betreffenden Wassers die Fragen vorlegt: 1) welches ist der gesammte Härtegrad des Wassers? 2) wie viel reiner Aetzkalk gehören auf eine Maaßeinheit, etwa auf 1 preuß. Kubikfuß des Wassers, um Alles zu fällen, was durch Kalkmilch fällbar ist? 3) wie viel reiner Aetzkalk ist in dem zur Verfügung stehenden gebrannten Kalk enthalten? und um wie viel mehr ist von letzterem zu nehmen, damit der ad 2 gefundenen Kalkmenge entsprochen werde? 4) wie groß ist die Zahl der Härtegrade, welche bleibt, nachdem der Kalk, soweit als es durch ihn geschehen kann, erweichend gewirkt hat? und welche Menge von krystallisirter, resp. entwässerter Soda berechnet sich daraus auf die angenommene Volumeinheit des Wassers, um das Weichmachen zu vollenden? Die Manipulation mit dem Kalk und der Soda ist, ersteren betreffend, schon oben erwähnt; der Kalk wird also gelöscht und vor dem Zusetzen zum Wasser mit einer kleineren Menge Wasser zu homogener Kalkmilch zerrührt, die Soda wird einfach vorher im Wasser gelöst; meistens wird es genügen, die bemessenen Portionen von Kalkmilch und Sodalösung gemeinsam zum Wasser zu gießen und durch Umrühren gleichmäßig darin zu vertheilen, in manchen Fällen könnte es jedoch wirksamer seyn, daß man erst die Kalkmilch wirken lasse und nachdem der durch sie gebildete Niederschlag sich abgesetzt hat, die Soda zusetze. Vollkommenste Enthärtung, wenn eine solche in einzelnen Fällen erwünscht seyn könnte, würde sich durch Zusatz von Seifelösung zu dem Wasser, welches durch Kochen oder durch Kalk resp. letzteren und Soda bis auf 5,6 Härtegrade herabgebracht ist, erreichen lassen; es würden für jeden Liter Wasser 67 Milligramme guter Seife, für den preuß. Kubikfuß also etwas über 2 Gramme (⅛ Loth) zu verwenden seyn. Als ich einmal in dem eigenen Haushalte bei einer großen Wäsche, wozu das Regenwasser fehlte, veranlaßt war, das harte Wasser meiner Pumpe zu erweichen, verfuhr ich genau nach den beschriebenen Normen; die davon nicht unterrichteten Wäscherinnen waren über die Leistung dieses Wassers so erstaunt, daß sie den Wunsch aussprachen: sie möchten immer nur mit solchem Wasser waschen dürfen.