Titel: Der Bessemerproceß zu Königshütte in Oberschlesien und zu Witkowitz in Mähren.
Fundstelle: Band 188, Jahrgang 1868, Nr. CXV., S. 475
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CXV. Der Bessemerproceß zu Königshütte in Oberschlesien und zu Witkowitz in Mähren. Aus dem Engineer, April 1868, S. 268. Ueber das Bessemern in Schlesien und Mähren. Ueber das Bessemern in Schlesien und Mähren ist bis jetzt nur wenig bekannt geworden; deßhalb werden die nachstehenden zuverlässigen Angaben über die Anwendung dieses Processes auf den Rothschild'schen Werken zu Witkowitz in Mähren, sowie auf dem königl. Staatswerke Königshütte in Oberschlesien nicht ohne Interesse seyn. Die ersten Versuche zur Anwendung oberschlesischen Roheisens zur Erzeugung von Bessemermetall wurden zu Königshütte i. J. 1865 abgeführt, mißlangen aber vollständig, indem das Product in Folge eines bedeutenden Phosphorgehaltes sehr kaltbrüchig ausfiel. Alle Versuche zur Entfernung des Phosphors fielen ungünstig aus, so daß nichts übrig blieb, als phosphorfreie Erze aufzusuchen. Glücklicherweise gelang dieß auch; die neuen Erze sind nicht allein phosphorfrei, sondern auch reicher an Mangan. Dieselben finden sich bei Lagievnik und haben nachstehende Zusammensetzung: I. II. Kieselsäure 24,88 34,32 Thonerde 6,47 11,79 Eisenoxyd 52,37 39,02 Manganoxyd 4,65 3,19 Phosphorsäure 0,10 0,10 Wasser  9,52. Diese Eisensteine werden zu 2 Sbrgr. 7 Pfen. bis 2 Sbrgr. 10 Pfen. per Zollcentner an die Werke geliefert. Aus dem Erze Nr. I wurde bei Zuschlag von 70 Proc. Dolomit mit kaltem Wind ein Roheisen erblasen, welches im Durchschnitte 0,152 Proc. Phosphor enthielt. Das aus diesem Roheisen erzeugte Bessemermetall zeigte einen durchschnittlichen Phosphorgehalt von 0,156 Procent. Es ist demnach klar, daß dieser Bessemerstahl nicht von ausgezeichneter Qualität seyn kann; doch ist er zu Schienen und anderen geringeren Artikeln sehr wohl geeignet. Der zur Erzeugung des Roheisens für das Bessemerpuddeln dienende Hohofen hat fünf Formen, jede von 2½ Zoll Durchmesser, ist in der Formhöhe 5½ Fuß weit und producirt wöchentlich 1700 bis 1900 Centner Roheisen mit einem Kohksaufwande von 8 Kubikfuß oder 240 Pfd. auf 100 Pfd. des erzeugten dunkelgrauen Roheisens, während zur Production von ordinärem Roheisen nur 5 Kubikfuß oder 140 bis 150 Pfd. Kohks erforderlich sind. Die Pressung des Windes beträgt 3⅜ Pfd., seine Temperatur nur 76 bis 100° C. Die Bessemerwerke enthalten drei große und zwei kleine Flammöfen, zwei je 4 Tonnen haltende Birnen (Umwandlungsgefäße) mit Dampfapparat, einen hydraulischen Hebekrahn, einen hydraulischen Gießkrahn und ein Gebläse von 300 Pferdekräften mit einfachen Plattenventilen. Im Ganzen genommen stehen die maschinellen Einrichtungen zu Königshütte denen zu Neuberg und Witkowitz bedeutend nach. Die kürzlich erhaltenen besseren Resultate sind unzweifelhaft dadurch erzielt worden, daß jetzt das zum Bessemern bestimmte Roheisen aus dem Hohofen direct in die Birne abgestochen wird. Da man aber zu der Zeit wo die Werke errichtet wurden, an dieses Verfahren noch nicht dachte, so sind die hierzu bestimmten Einrichtungen noch sehr unvollkommen. Der Hohofen, aus welchem das Roheisen abgestochen wird, steht beinahe 900 Fuß von den Birnen entfernt und ist mit denselben durch einen offenen Schienenweg verbunden. Das Roheisen wird aus dem Hohofen in eine Gießpfanne abgestochen, welche in der unter dem Niveau des Abstiches befindlichen Grube steht; dann wird diese Gießpfanne mittelst eines gewöhnlichen Krahnes auf einen Wagen gehoben, auf demselben zu der Stahlhütte gefahren, hier mittelst eines hydraulischen Elevators zum Niveau der Flammöfen gehoben und dicht neben die etwa 50 Fuß lange Rinne gestellt. Schließlich wird das Roheisen durch einen in der Gießpfanne befindlichen Abstich in die Gußrinne abgestochen und gelangt aus dieser endlich in die Birne. Vom Abstechen des Roheisens aus dem Hohofen in die Gießpfanne an, bis zum Abstechen aus dieser in die Birne verstreichen 25 bis 30 Minuten; während dieser Zeit kühlt sich das Roheisen bedeutend ab und es entsteht viel Oxyd; allein dieses Verfahren das Metall direct aus dem Hohofen zu nehmen, hat sich doch als weit vorzüglicher bewährt als das Umschmelzen im Flammofen. Der Hohofen wird nach je acht Stunden abgestochen und gibt jedesmal 70 bis 75 Centner Roheisen, welches fast stets ganz zum Bessemern verwendet wird. Demnach werden täglich drei Chargen zu ungefähr 72 Centner umgewandelt; zu jeder Charge werden 5 Centner Spiegeleisen (etwa 7 Proc.) zugesetzt. Jede Charge währt 25–30 Minuten; etwas über die Hälfte dieser Zeit kommt auf die erste Periode des Processes, während welcher hauptsächlich das Silicium oxydirt wird. Die erhaltenen Resultate sind: Zaine 72 bis 76 Proc. (weit weniger als zu Neuberg, wo man durchschnittlich 87 Proc. Zaine erhält); Stahlabfälle 3 bis 6 Proc.; Roheisenabfälle 4 bis 5 Proc.; Verlust 16 bis 19 Proc. Jede Birne wird mit ungefähr 75 Ctrn. Roheisen beschickt; jeder Boden hat sieben Formen mit je sieben Blaselöchern von ¾ Zoll Durchmesser. Ein neuer Boden kostet im Ganzen 5 Thaler, das ganze Futter einer Birne kostet fünfundfünfzig Thaler. Die Gesammtproductionskosten des Bessemerstahles belaufen sich auf zwei und einen halben bis drei Thaler per Zollcentner; indessen würden sich dieselben durch verbesserte Einrichtungen des Werkes bedeutend vermindern. Die verhältnißmäßig neue Entdeckung der Verwendbarkeit des schlesischen Kohksroheisens zum Bessemern ist von besonderer Wichtigkeit. Ein bemerkenswerthes Resultat derselben bieten die großen Werke dar, welche von dem Berliner Borsig jetzt zu Zabrze in Oberschlesien errichtet werden. Dort werden neben den bereits vorhandenen Hohöfen noch sechs neue dergleichen gebaut, welche zur Erzeugung theils von weißem Puddelroheisen bestimmt sind, theils von Roheisen für den Bessemerproceß, welches aus den Oefen direct in die Birnen abgestochen werden soll. Von letzteren sollen acht eingerichtet werden. Die Bessemerwerke zu Witkowitz in Mähren enthalten drei Birnen, von denen zwei für einen Einsatz von je vier Tonnen und die dritte für zwei Tonnen eingerichtet sind. Ferner sind dort drei große Flammöfen zum Einschmelzen von je vier, und zwei kleine dergleichen zum Einschmelzen von etwa einer halben Tonne Spiegeleisen vorhanden. Außer diesen fünf Flammöfen existirt noch ein sechster, welcher die kleine Birne speist und zwei Herde enthält, deren einer etwa zwei Tonnen Roheisen faßt, während in dem anderen die entsprechende Menge Spiegeleisen eingeschmolzen werden kann. Ferner ist die Witkowitzer Bessemerhütte mit einem hydraulischen Apparate zum Heben der Gießkelle für die Zaine, sowie mit zwei kleineren hydraulischen Krahnen zum Ausheben der Formen und der Gießpfanne aus der Grube versehen. Unter jeder der beiden größeren Birnen ist ebenfalls ein hydraulischer Elevator zum Heben und Hinablassen von einzelnen Theilen der Birnen bei vorkommenden Reparaturen angebracht. Die von Leyser und Stiehler construirten Gebläse stehen den besten Bessemer'schen Gebläsen nicht nach; die Gebläsecylinder sind mit Kautschukventilen versehen. Die Dampfcylinder haben 26 Zoll Durchmesser und 3 Fuß 6 Zoll Kolbenhub; der Durchmesser der Gebläsecylinder beträgt 36 Zoll. Der Boden der Bessemerbirne hat zwölf Formen mit je acht oder neun Blaselöchern von ⅓ Zoll Durchmesser; die Formen haben 18 Zoll Länge und 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Der Boden hält fünf bis sechs Chargen aus und zu seiner Auswechselung sind ungefähr sechsunddreißig Stunden erforderlich, da die Birne gehörig erkalten muß, bevor der Arbeiter in sie gelangen kann. (Die in dieser Beziehung in Neuberg getroffene Einrichtung ist besser, indem stets fertige Böden vorräthig sind, so daß sie jederzeit ohne weiteren Aufenthalt von unten her eingesetzt werden können). Das zum Bessemern in Witkowitz angewendete Roheisen ist mittelgraues ungarisches Roheisen, zuweilen benutzt man auch steierisches Roheisen von Mariazell; das Spiegeleisen ist auf der Concordiahütte in Ungarn erblasen. Der Einsatz beträgt in den größeren Birnen durchschnittlich 70 Ctnr. Roheisen und 6½ Ctnr. (9 Proc.) Spiegeleisen; der Verlust beim Umschmelzen und Umwandeln 15 Proc.; zum Umschmelzen sind drei Stunden erforderlich. Binnen zwölf Stunden werden drei bis vier Chargen vollendet, und zwar am Tage, da hier nicht, wie zu Königshütte, Nachtschichten gemacht werden. Jährlich werden ungefähr 60,000 Ctnr. Bessemermetall erzeugt. Das Metall wird dem Verhalten der Probezaine beim Auswalzen und Härten entsprechend sortirt. Eigener Beobachtung des Referenten zufolge beanspruchte die Umwandlung einer zu zwei Dritteln aus ungarischem und zu einem Drittel aus steierischem Roheisen bestehenden Charge dreiundzwanzig Minuten; die erste Periode währte zwölf, die zweite acht und die dritte drei Minuten. Während dieser Charge waren zwei Formen geschlossen, so daß im Ganzen achtzig ⅓zöllige Blaselöcher in Thätigkeil waren. Die Windpressung betrug während der ersten Periode 15 Pfd. bei dreißig Kolbenhüben; während der zweiten Periode 12 Pfd. bei vierzig Kolbenhüben, und während der dritten 15 Pfd. bei fünfundvierzig bis fünfzig Kolbenhüben. Die zu Witkowitz abgeführten Versuche zur Benutzung von selbst erblasenem Roheisen zum Bessemern, fielen in Folge des großen Phosphorgehaltes ganz ungünstig aus; da indessen dort alles selbst erzeugte Roheisen zum Verpuddeln und zum Vergießen verbraucht wird, so ist dieses Mißlingen ohne Bedeutung. Der mit dem angegebenen fremden Roheisen erzeugte Bessemerstahl wird hauptsächlich zu Schienen und Radbandagen, aber nur wenig zu Achsen und Platten verwendet.