Titel: Ueber die Durchdringbarkeit des Eisens für Wasserstoffgas bei gewöhnlicher Temperatur; von L. Cailletet.
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XXXIII., S. 125
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XXXIII. Ueber die Durchdringbarkeit des Eisens für Wasserstoffgas bei gewöhnlicher Temperatur; von L. Cailletet. Aus den Comptes rendus, t LXVI p. 847; Mai 1868. Cailletet, über die Durchdringbarkeit des Eisens für Wasserstoffgas. Durch die Untersuchungen von H. Sainte-Claire Deville und Troost wurde erwiesen, daß das Eisen, sowie verschiedene andere Metalle, in stark erhitztem Zustande von Wasserstoffgas durchdrungen werden. Kürzlich hatte ich Gelegenheit mich zu überzeugen, daß diese Durchdringbarkeit des Eisens auch bei gewöhnlicher Temperatur existirt und mittelst einer Reihe von Versuchen gelang es mir, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen diese Eigenschaft auftritt. Ich war nämlich veranlaßt, Platten von Eisenblech in einem Bade von verdünnter Schwefelsäure abzubeizen und bemerkte zu meinem Erstaunen, daß die Platten, welche unmittelbar vor dem Eintauchen in das Bad vollständig eben gewesen waren, während der Einwirkung der sauren Flüssigkeit sich mit zahlreichen Aufwulstungen oder Blasen bedeckt hatten. Letztere zeigten eine vollständige Uebereinstimmung mit den Blasen, welche auf dem dem Cementationsprocesse unterworfenen Stabeisen erscheinen, so wie auf manchem Eisen, welches der hohen Temperatur der Schweißöfen ausgesetzt gewesen ist. Wie ich durch frühere Untersuchungen nachgewiesen habePolytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 305, sind es die Herdgase, namentlich das Wasserstoffgas, welche in die, in Folge einer unvollständigen Schweißung im Eisen zurückgebliebenen feinen Hohlräume eindringen, sich in denselben comprimiren und dann die schwächsten Theile auftreiben. Um die Beschaffenheit der Gase zu ermitteln, welche in den beim Abbeizen entstandenen Blasen enthalten sind, bohrte ich eine Anzahl dieser Austreibungen unter einer mit Wasser gefüllten Glasglocke an und fand, daß das aus denselben in zahlreichen Bläschen entweichende Gas aus reinem Wasserstoff bestand. Es war demnach klar, daß der Wasserstoff das Eisen durchdrungen hatte, denn wenn die Schwefelsäure in das Metall durch eine feine Spalte hätte eindringen können, so würde das durch ihre Einwirkung auf den inneren Wänden der Auftreibungen entwickelte Wasserstoffgas auf demselben Wege entwichen seyn, auf welchem die Schwefelsäure Zugang fand. Um diese unerwartete Erscheinung von Durchdringung zu studiren, construirte ich durch Verlöthen der Ränder zweier aufeinander gelegter dünner Eisenbleche eine künstliche große Auftreibung oder Blase und versah dieselbe mit einem engen kupfernen Rohre, welches zwischen beide Bleche hineinreichte und hier festgelöthet wurde. Legt man einen in dieser Weise vorgerichteten Apparat in verdünnte Schwefel- oder Salzsäure, so bemerkt man nach Verlauf einer, je nach der Stärke der Metallwände kürzeren oder längeren Zeit, daß aus dem freien, vorher in eine Sperrflüssigkeit getauchten Ende des Ableitungsrohres zahlreiche Gasblasen hervortreten. Da die Menge des durch die Wandungen des Apparates hindurchtretenden Gases in geradem Verhältnisse zu der Oberfläche des von der Säure angegriffenen Metalles steht, so braucht man zur Erzielung einer raschen Wasserstoffentwickelung nur Bleche von großer Oberfläche anzuwenden, denen ich die Form einer Schraube gebe, so daß sie leicht in ein Glasgefäß einer Bunsen'schen Säule gebracht werden können. Ein auf diese Weise construirter Apparat mit einer Oberfläche von 12 Quadratdecimeter gibt in einer Minute 4 Kubikcentimeter Wasserstoffgas, wenn er in mäßig concentrirte, zur Beschleunigung ihrer Wirkung gelinde erwärmte Schwefelsäure gebracht wird. Läßt man das freie Ende des Ableitungsrohres unter Quecksilber münden, so hört die Gasentwickelung keineswegs auf und bei einem meiner Versuche konnte ich mich sogar überzeugen, daß ein Quecksilberdruck von 35 Centimeter das Hindurchtreten des Wasserstoffes durch die Wandungen des Apparates nicht zu verhindern im Stande war. Das Verhältniß zwischen der das Eisen durchdringenden Wasserstoffmenge und der an den Wandungen durch den Contact mit der Säure entwickelten Menge dieses Gases läßt sich leicht bestimmen. Bei Anwendung von Blech von etwa 1/10 Millimet. Stärke und einer auf 40° C. erwärmten Säure fand ich dieses Verhältniß = 1/60. Bei meinen zahlreichen Versuchen über die Durchdringbarkeit des Eisens bei gewöhnlicher Temperatur benutzte ich zur Construction meiner künstlichen Blasen Gußstahlblech von 0,1 bis 0,4 Millimet. Stärke; denn offenbar verdient ein geschmolzenes und dadurch möglichst homogen gemachtes Metall selbst vor dem ausgezeichnetsten Eisen den Vorzug, da letzteres häufig feine Risse oder Spuren einer unvollkommenen Schweißung zeigt. Diese bei Anwendung von reinem oder amalgamirtem Eisen und Stahl so deutlich und so leicht hervorzurufenden Erscheinungen sind bei Anwendung von Zink durchaus nicht zu beobachten, selbst wenn man äußerst schwache Bleche von diesem Metalle benutzt. Um sich von diesem merkwürdigen Verhalten des Eisens Rechenschaft geben zu können, muß man folgende Punkte in Betracht ziehen: 1) Wenn man im Inneren meiner künstlichen Blasen, nachdem man sie vorher in eine Atmosphäre von trockenem Wasserstoff gebracht hat, das Vacuum herstellt, so zeigen sie sich bei gewöhnlicher Temperatur für dieses Gas absolut undurchdringlich. 2) Taucht man unter atmosphärischem Drucke ein Eisenblech in verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure und wäscht dasselbe nach kurzem Verweilen in der Beizflüssigkeit rasch zuerst mit alkalihaltigem, dann mit reinem Wasser ab, so bemerkt man, daß sich auf der Oberfläche des Eisens einige Zeit lang sehr kleine Gasblasen entwickeln. Aus dieser Thatsache dürfen wir schließen, daß das Eisen von der sauren Flüssigkeit durchdrungen wird, welche in dem Metalle Zellen aushöhlt und zwar zu einer Tiefe, die sehr klein seyn kann, aber sicherlich nicht unmeßbar ist. 3) Der einzige Unterschied, welcher sich zwischen der in der verdünnten Schwefelsäure Wasserstoffgas entwickelnden Eisenfläche und derselben in trockenem Wasserstoffgas befindlichen Fläche sofort bemerkbar macht, ist die Gegenwart einer sauren Flüssigkeit, von welcher das Eisen bis zu einer größeren oder geringeren Tiefe durchtränkt wird. Bekanntlich verliert aber eine poröse und für Gase in hohem Grade durchdringbare Masse, wie trockener Gyps oder auch trockene Thierblase, die Eigenschaft, bei geringem Drucke von Gasen durchdrungen zu werden, sobald man derartige Substanzen mit irgend einer Flüssigkeit imprägnirt. Füllt man ein geschlossenes, aus solchen porösen Substanzen bestehendes und angefeuchtetes Gefäß mit irgend einem Gase, so müßte man auf dieses Gas einen Druck ausüben, um dasselbe zu zwingen diese angefeuchteten Wandungen zu durchdringen. Nach allen diesen Thatsachen können wir Folgendes annehmen: Indem die Schwefelsäure oder Salzsäure in das Eisen bis zu einer meßbaren Entfernung von dessen Oberfläche eindringt, setzt sie der Entwickelung des Wasserstoffes, der am Boden der metallischen Zellchen frei wird, in welche die Säuren eingedrungen sind, ein fast absolutes Hinderniß entgegen. Dieser Wasserstoff ist daher im Inneren dieser Zellchen einem beträchtlichen Druck unterworfen, der so groß werden kann, daß er den Wasserstoff zwingt durch das Metall zu dringen, welches von der Säure nicht befeuchtet ist, und sich an der inneren Oberfläche meiner künstlichen Blasen zu entwickeln.