Titel: Die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in der Färberei; von Carl Zulkowsky, Assistent für chemische Technologie am k. k. Polytechnicum in Wien.
Autor: Carl Zulkowsky
Fundstelle: Band 190, Jahrgang 1868, Nr. XX., S. 49
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XX. Die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in der Färberei; von Carl Zulkowsky, Assistent für chemische Technologie am k. k. Polytechnicum in Wien. Zulkowsky, über die isopurpursauren Salze und ihre Anwendung in der Färberei. Auf der letzten Welt-Ausstellung zu Paris hatte John Casthelaz (19, rue Sainte Croix de la Bretonnerie in Paris) einen Farbstoff unter dem Namen Grenat soluble ausgestellt. Derselbe soll das Ammoniaksalz der Isopurpursäure seyn, welche bekanntlich bei der Einwirkung löslicher Cyanmetalle auf Pikrinsäure gebildet wird. Ebenso bekannt ist es, daß diese Reaction längere Zeit hindurch unrichtig interpretirt wurde, indem man die hierbei auftretende dunkelrothe Färbung der Bildung von Pikraminsäure zuschrieb. Erst die umfassenden Untersuchungen von Hlasiwetz („über eine neue Zersetzungsweise der Trinitrophenylsäure“)Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. XXXV. — Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. CX S. 289. und BaeyerKopp und Will's Jahresbericht für 1859, S. 458. haben dargethan, daß durch diese Reaction Salze einer eigenthümlichen von der Pikraminsäure gänzlich verschiedenen Säure gebildet werden. Während nun Baeyer dieser Säure die Formel C16 H3 N5 O10 und den Namen Pikrocyaminsäure beilegte, weil sie als Pikrinsäure betrachtet werden könne, in der N O4 durch N Cy2 ersetzt ist, gelangte Professor Hlasiwetz zu anderen Ergebnissen. Nach ihm entspräche deren Zusammensetzung der Formel C16 H5 N5 O12 und sie wäre sonach als eine mit der Purpursäure isomere Substanz zu betrachten, mit welcher sie in der That eine große Aehnlichkeit besitzt. Nachdem mir bekannt geworden, daß das isopurpursaure Ammoniak Eingang in der bekannten Färberei der Gebrüder Chalamel in Puteaux gefunden, sah ich mich veranlaßt das Verhalten dieses Farbstoffes zu der thierischen Faser einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Ein kleiner Vorversuch und die von Casthelaz den Jurymitgliedern vorgewiesenen Stoffproben belehrten mich, daß dieses Salz als ein schätzbares Farbmaterial zu betrachten ist, und da ich ferner die Absicht hatte diesem Präparate auch in Wien eine Verbreitung zu verschaffen, so war ich zuerst bemüht mich mit seiner Darstellung näher vertraut zu machen. Das Kalisalz der Isopurpursäure bildet nothwendigerweise den Ausgangspunkt für die Darstellung aller übrigen Salze und dieses wird nach mehrfachen Erfahrungen Hlasiwetz's am zweckmäßigsten auf folgende Weise bereitet: „Es werden 2 Theile Liebig'sches Cyankalium in 4 Theilen Wasser gelöst und in die auf etwa 60° C. erwärmte Flüssigkeit die heiße Lösung von 1 Theil Pikrinsäure in 9 Theilen Wasser unter stetem Umrühren eingetragen. Die Masse riecht stark nach Ammoniak und Blausäure, und wird beim Erkalten zu einem weichen Krystallbrei. Nach einigen Stunden wird sie durch Leinen abgeseiht, und dann zwischen Papier unter starkem Druck abgepreßt. Die rothbraune, bronzeartige rohe Krystallmasse wird hierauf mit wenig Wasser zerrieben, in einer Schale erhitzt, auf ein Filter gebracht und mit kaltem Wasser nachgewaschen. Hierauf wird sie neuerdings abgepreßt, mit viel Wasser in einem Kolben siedend gelöst, durch ein warm gehaltenes Filter filtrirt und krystallisiren gelassen. Das dunkelpurpurne Filtrat überzieht sich bald mit einer metallgrünen Haut und setzt kleine braunrothe schuppige Krystalle an, welche das auffallende Licht grün reflectiren.“ Da für die Zwecke der Färberei die Darstellung eines chemisch reinen Präparates jedenfalls nicht nothwendig erscheint, so begnügte ich mich damit, den Krystallbrei auf einem Papierfilter durch Abtropfenlassen und geringes Nachspülen mit kaltem Wasser von der Mutterlauge zu befreien. Die zwischen Papier abgepreßte Krystallmasse wurde in kochend heißem Wasser gelöst, mit Salmiak versetzt und die Flüssigkeit durch Abdampfen so weit eingeengt, bis dieselbe beim Erkalten zu einem Krystallbrei erstarrte. Die herauskrystallisirte Masse wurde wie das Kalisalz von der Mutterlauge durch Abfiltriren und 2–3maliges Nachspülen mit kaltem Wasser gereinigt. In dieser Weise dargestellt und nachher getrocknet, wird das Ammoniaksalz als braune Masse erhalten, welche noch immer etwas nach Blausäure riecht und aus mikroskopisch kleinen Krystallen besteht. Die Mutterlaugen, welche bei der Darstellung des Kali- und des Ammoniaksalzes resultirten, wurden versuchsweise unter Zusatz von Salmiak eingedampft, um zu sehen ob und wie viel noch etwa zu gewinnen sey. Die Bildung des isopurpursauren Kalis läßt sich durch folgende Gleichung ausdrücken: Textabbildung Bd. 190, S. 51 Der Theorie nach müßten aus 100 Theilen Pikrinsäure 133,2 Thle. Kalisalz und 124 Theile Ammoniaksalz resultiren. Es wurde für diesen Versuch 1 Pfund reine krystallisirte Pikrinsäure in Arbeit genommen und bei der ersten Krystallisation 60 Proc. von isopurpursaurem Ammoniak, also kaum die Hälfte jener Menge erhalten, welche obige Gleichung ergab. Aus den Mutterlaugen konnten nur 2,3 Proc. gewonnen werden; das äußere Aussehen der nachträglich herauskrystallisirten Masse verrieth sofort, daß selbe stark mit anderen fremden Substanzen verunreinigt sey. Diese auffallende Thatsache läßt sich in zweifacher Weise erklären. Entweder die Reaction zwischen Pikrinsäure und Cyankalium verläuft nicht so glatt wie es in obiger Gleichung angedeutet wurde, oder es finden bei der Concentration der mit einem Salmiaküberschusse versetzten Rohlauge des Kalisalzes Zersetzungen statt. Eine wiederholte Darstellung dieses Präparates — diesen Annahmen entsprechend abgeändert — würde den wahren Grund wohl bald zu Tage gefördert haben, allein ich war nicht mehr in der Lage diesen Versuch wiederholen zu können. Die Mutterlauge von der zweiten Krystallisation war nicht mehr dunkelroth, wie es die Lösungen der Isopurpurate sind, sondern braungelb, ein Zeichen daß dieselbe nur sehr geringe Mengen von isopurpursaurem Ammoniak enthalten konnte. Diese geringe Ausbeute ließe sich wohl durch das Verhalten der Isopurpurate zu den Säuren und Alkalien erklären. Professor Hlasiwetz fand, daß die Isopurpursäure gerade so wie die Harnpurpursäure nicht isolirbar sey, und daß sowohl die unorganischen als auch die organischen Säuren weiter gehende Zersetzungen bewirken, wobei die rothe Farbe in eine braungelbe unter Entwickelung eines stechenden, an Essigsäure erinnernden Geruches übergeht. Es scheiden sich gleichzeitig braune amorphe Flocken aus, wie sie als Zersetzungsproducte von Cyanverbindungen häufig auftreten. Die ätzenden Alkalien (Aetzbaryt) bewirken anfangs Niederschläge, welche die neutralen Salze der Isopurpursäure darstellen, allein bald darauf, sehr schnell beim Erwärmen, werden die Lösungen mißfarbig, endlich braun. Unter den Producten der Reaction zwischen Pikrinsäure und Cyankalium finden wir kohlensaures Kali und Ammoniak, also Substanzen welche möglicherweise denselben Effect wie die ätzenden Alkalien hervorbringen. Das kohlensaure Kali findet sich im rohen Cyankalium noch obendrein in nicht unbedeutenden Mengen vor. John Casthelaz's Grenat soluble wird nicht aus der reinen krystallisirten Pikrinsäure, sondern aus einer geringeren Sorte fabricirt. Das krystallisirte Pigment kostet 22–24 Frcs., das flüssige hingegen 11–12 Frcs. per Kilogramm. Letzteres enthält einen Wassergehalt von 50 Proc. (?) Aus der reinen krystallisirten Pikrinsäure dargestellt, würde sich der Preis bedeutend höher stellen. Das Grenat soluble ist bestimmt, in vielen Fällen die Orseille zu ersetzen; es ertheilt der Wolle alle Farbentöne von Granat bis Kastanienbraun und läßt sich sehr leicht mit anderen Stoffen combiniren, wodurch eine große Anzahl verschiedenartiger Farben erhalten werden kann. Nach casthelaz wird das Färben der Wolle und Seide unter Zusatz einer organischen Säure, wie z. B. Essigsäure oder Weinsäure, vorgenommen; Mineralsäuren sind hiervon ausgeschlossen. Für Seide muß das Färbebad anfangs kalt oder höchstens lau seyn. Man erhält auf diese Weise verschiedene Farbentöne in Roth und Braun, welche abhängig sind von der Concentration der Färbeflotte, der Natur der Beize und der Färbedauer. Diese Farben sind ungemein feurig und ähneln im Allgemeinen jenen welche man mit Orseille erhält, sollen aber gegen Luft und Licht beständiger seyn. In der Broschüre, welche John Casthelaz den Mitgliedern der Jury auf der letzten Pariser Welt-Ausstellung zur Kenntnißnahme überreichte und worin eine detaillirte Schilderung seiner Etablissements und der darin befolgten Fabricationsmethoden enthalten war, wurde das Grenat soluble nirgends als das Ammoniaksalz der Isopurpursäure, sondern nur als Isopurpurat schlechtweg angeführt; als ersteres wurde dasselbe von Crace Calvert in einem Vortrage bezeichnet, welchen derselbe in der Société d'Encouragement gehalten hat.Polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 244. Es ist gewiß auffallend, warum gerade das Ammoniaksalz für die Zwecke der Färberei tauglich befunden wurde; sollte denn nicht auch das Kalisalz denselben Effect hervorbringen, dessen Darstellung doch weit einfacher ist? Es ließe sich mit Rücksicht auf die ökonomischen Nachtheile dieser Fabricationsmethode nur schwer denken, daß bei der Wahl zwischen Kali und Ammoniak die färbenden Eigenschaften des MurexidsMurexid ist die correspondirende Verbindung der Harnpurpursäure. einen Einfluß hätten ausüben können. Um sowohl hierüber als auch über das Verhalten der Isopurpurate zu der Thierfaser Aufschluß zu erhalten, sah ich mich zu mehrfachen Versuchen genöthigt, deren Resultate im Nachfolgenden angeführt werden sollen. Zu diesen Arbeiten standen mir zur Verfügung: 1) chemisch reines isopurpursaures Kali; 2) das von mir erzeugte, nicht völlig gereinigte isopurpursaure Ammoniak; 3) das aus den Mutterlaugen abgeschiedene Präparat; 4) die Mutterlauge, welche von letzterem abgetrennt wurde. Versuche mit reinen Isopurpuraten. Unter diesen schien mir ein besonderes Interesse darzubieten das Kali-, Ammoniak-, Baryt- und Anilinsalz. Ich fand es zur Vornahme von Färbeproben ganz überflüssig die drei letztgenannten Salze in fester Form zu bereiten, sondern begnügte mich damit, 1 Gramm des reinen Kalisalzes in 1 Liter Wasser aufzulösen und zu dieser Lösung eine äquivalente Menge von Salmiak, beziehungsweise salzsaurem Anilin oder Chlorbaryum hinzuzufügen. Mit solchen Lösungen wurden die verschiedenen Färbeversuche vorgenommen, welche ohne Zweifel ganz denselben Effect wie die Lösungen der früher genannten Salze geben mußten. Jedes dieser Färbebäder besaß somit dieselbe Concentration, und um mit denselben vergleichende Prüfungen vornehmen zu können, wurden während der Färbeoperationen alle mittelst eines Wasserbades auf derselben TemperaturFür Wolle 40–80° C., für Seide 30–80° C. erhalten. Die Stoffproben hatten immer dieselbe Größe; wie überhaupt nichts unterlassen wurde, was beim Probefärben zur Erlangung verläßlicher Resultate nothwendig erscheint. Die Versuche führten nun zu folgenden nicht uninteressanten Ergebnissen: Schafwolle, mit dem gewöhnlichen Sud der Färber (80 Th. Alaun und 20 Th. Weinstein) stark angesotten (2 Stunden), nahm in den Färbeflotten aller vier Salze fast momentan eine schöne kastanienbraune Farbe an; jede Stoffprobe besaß die gleiche Nuance von gleicher Intensität. Ungebeizte Schafwolle erhielt in jedem Färbebad unter sonst gleichen Verhältnissen eine granatrothe Farbe von ungleicher Intensität. Das Kalisalz erwies sich am wenigsten wirksam; die mit demselben gefärbte Stoffprobe besaß den lichtesten Farbeton, dann folgten der Reihe nach die Salze des Ammoniaks, Baryts und Anilins. Dieser Versuch wurde wiederholt und hatte ganz denselben Erfolg. Ein anderes Mal wurde in den vier Färbebädern ungebeizte Schafwolle gleichzeitig bis zu ein und derselben Nuance gefärbt. Das Anilinsalz hatte derselben in der kürzesten Zeit den gewünschten Farbeton ertheilt, nach diesem folgten in umgekehrter Ordnung die Verbindungen des Baryts, Ammoniaks und Kalis. In den Lösungen der zwei letzten Salze mußten die Stoffproben besonders lange liegen gelassen werden, bis die erforderliche Farbe erreicht ward. Schwach mit Alaun und Weinstein angebeizte Wolle verhält sich ähnlich der ungebeizten; auch hier erhielt die Wolle von dem Anilinsalze die satteste Färbung, nur konnte man ein rascheres Anfallen der Farbe an die Faser bemerken. Die größten Farbenunterschiede lassen sich beim Färben der Seide wahrnehmen. Seide, welche in einem kalten und mit etwas Soda abgestumpften Alaunbade ungefähr 12 Stunden liegen gelassen und dann gut gespült wurde, nahm eine viel sattere Farbe an als nicht gebeizte. Für die gebeizte Seide treten die Farbenunterschiede, welche sich bei der Anwendung verschiedener isopurpursaurer Salze ergeben, besonders grell hervor. Die Farbe, welche das Kalisalz ertheilt, ist fast rosenroth mit einem Stich in Violett, die mit dem Ammoniaksalze erhaltene um weniges dunkler; dagegen gibt das Barytsalz ein schönes volles Granatbraun, welches noch intensiver und prächtiger von dem Anilinsalze gegeben wird. An ungebeizter Seide erscheinen die Farben um vieles lichter, obgleich auch hier dieselben Abstufungen, parallel den obigen, wahrgenommen werden können. Wenn das Färbebad mit einer organischen Säure wie z. B. Weinsäure oder Essigsäure angesäuert wird, so verhalten sich alle isopurpursauren Salze gleich; man erhält mit dem Kalisalze dieselbe Farbentiefe wie mit dem Salze des Anilins. Die in Freiheit gesetzte Isopurpursäure besitzt eine größere Verwandtschaft zur thierischen Faser als die meisten ihrer Verbindungen und stellt sich ungefähr dem Anilinsalze gleich, während hingegen das Färbungsvermögen des Kalisalzes am geringsten ist, so daß mit demselben niemals tiefe, satte Farbentöne erhalten werden können. Das Ansäuern des Färbebades, wie es Casthelaz in seiner Broschüre vorschreibt, steht in gar keinem Einklänge mit dem was Hlasiwetz über die Einwirkung der Säuren auf die Isopurpurate angibt. Man sollte meinen, daß der Säurezusatz von großem Nachtheile wäre, während nichts von einem solchen zu bemerken ist. Auf Grund dieser unerwarteten Thatsache darf man wohl mit Recht fragen: sollte die Kraft, mit welcher die Isopurpursäure von der Faser zurückgehalten wird, dieselbe nicht auch vor der Zersetzung bewahren? Es wäre jedoch sehr wohl möglich, daß die Farben, welche man aus sauren Färbebädern erhält, den Einwirkungen der Luft und des Lichtes geringeren Widerstand leisten als jene, wo man ohne Beihülfe der Säuren zu Werke ging. Versuche mit rohem isopurpursaurem Ammoniak. Dieses Präparat, welches in der vorher geschilderten Weise dargestellt wurde, ertheilt der thierischen Faser nicht jene Farbentöne wie das chemisch reine Salz. Die Farbenreihen, welche man mit dem einen und mit dem anderen Pigmente erhält, unterscheiden sich von einander etwa so wie der Zinnober von dem Carmin oder wie ungeseiftes Krapproth vom geseiften. Der gelbliche Ton, welchen die mit dem rohen Präparate gefärbten Wollstoffe zeigen, rührt ohne Zweifel von beigemengten Zersetzungsproducten der Isopurpursäure her; übrigens sind die Farben in ihrer Art sehr schön zu nennen und nehmen sich auf Seide besonders prächtig aus. In allem Uebrigen verhält sich der unreine Farbstoff genau so wie der reine. Versuche mit den bei der Bereitung des Ammonpurpurates erhaltenen Rückständen. Aus den Waschwässern und Mutterlaugen wurde das unter 3) angeführte Präparat durch starke Concentration unter Zusatz von Salmiak als dunkelbraunes Pulver erhalten. Durch den Salmiak wurde bewirkt: 1) die Ueberführung des in der Mutterlauge befindlichen isopurpursauren Kalis in die Ammoniakverbindung; 2) eine Zersetzung des kohlensauren Kalis und Cyankaliums in Chlorkalium, wobei der größte Theil des gebildeten kohlensauren Ammoniaks und Cyanammoniums wohl durch das Eindampfen verflüchtigt wurde. Dieses Pulver schien zum allergrößten Theil aus Zersetzungsproducten der Isopurpursäure zu bestehen; die Lösung erschien gelbbraun und ertheilte der Wolle eine schöne Zimmtfarbe. Die mit Alaun und Weinstein gebeizte Wollfaser färbt sich sonderbarer Weise nicht so satt als nicht gebeizte. Der Seide ertheilt diese Lösung ein glänzendes Holzgelb, ähnlich der Farbe, welche das Kirschholz durch eine gelbe Politur annimmt. Fast dieselben Farbentöne erhält man mit der zuletzt erhaltenen Mutterlauge, welche unter 4) angeführt ward; nur sind sie um ein Geringes gelber. Das Auftreten dieser gelbfärbenden Substanzen brachte mich auf den Gedanken, ob sich in den letztgenannten Rückständen nicht vielleicht Pikrinsäure vorfinde, welche der Metamorphose entgangen wäre. Da die bei der Bereitung des Kalisalzes zuerst erhaltene Mutterlauge äußerst stark nach Blausäure roch, also jedenfalls einen Ueberschuß von Cyankalium verrieth, so war eine solche Annahme wohl etwas gewagt, allein es schien doch der Mühe werth diese Prüfung vorzunehmen. Ich begann vorerst Versuche anzustellen, ob Pikrinsäure, combinirt mit isopurpursaurem Kali, nicht die gleichen oder ähnliche Farbentöne ertheile, wie solche mit den zwei genannten Rückständen erhalten werden. Zu diesem Zwecke wurde Seide und Wolle mit Pikrinsäure satt gefärbt und nachher in ein Bad des Kalisalzes gegeben; im ersten Moment schien es als ob sich eine der vorigen ähnliche Mischfarbe fixiren wollte, allein binnen Kurzem trat eine Wandlung ein und die Zeugprobe erhielt eine Farbe als ob mit reinem isopurpursaurem Kali gefärbt worden wäre; frei von jeder gelben Beimischung. Ein Unterschied war nur in der Intensität wahrzunehmen, denn der Farbeton besaß eine Tiefe wie sie nur etwa mit dem Anilinsalze erzielt werden kann. Der Versuch wurde ferner in der Weise abgeändert, daß die zu färbenden Wollen- und Seidengewebe nicht vorher mit Pikrinsäure grundirt, sondern in ein Gemisch von letzterer und isopurpursaurem Kali eingetragen wurden; der Effect war auch dießmal ganz derselbe. Diese auffallende Thatsache zeigt, daß die Pikrinsäure in diesem Falle weniger die Rolle eines Farbstoffes als vielmehr die einer Säure spiele, welche darin zu bestehen scheint dem isopurpursauren Kali die Basis zu entziehen, dagegen der frei gewordenen Isopurpursäure den Platz innerhalb der Faser zu überlassen. Dieser Fall besitzt eine frappante Aehnlichkeit mit manchen chemischen Processen; die Wollfaser tritt hier gleichsam als Basis auf. Es ergibt sich daraus mit Gewißheit, daß der gelbe Farbeton der Rückstände keineswegs einem Gehalte an Pikrinsäure, sondern den Zersetzungsproducten der Isopurpursäure zuzuschreiben sey, sonst müßten sich dieselben ähnlich den Gemischen von Pikrinsäure und isopurpursaurem Kali verhalten. Diesen Ergebnissen zufolge stellt sich die Darstellung des isopurpursauren Ammoniaks im krystallisirten Zustande als nicht vortheilhaft heraus. Das Kalisalz leistet dasselbe, wenn man ein Ansäuern der Färbeflotte für zweckmäßig erachtet. Etwas Anderes wäre es, wenn ein Farbenfabrikant es vorziehen wollte jenes Product in Handel zu setzen, welches unmittelbar durch die Einwirkung des Cyankaliums auf Pikrinsäure erhalten wird. Diese breiige Flüssigkeit enthält eine nicht unbedeutende Menge von Cyankalium, riecht stark nach Blausäure und wäre aus Gesundheitsrücksichten keinem Färber anzurathen. Wird aber diese Masse mit Salmiak bis zum Ueberschusse versetzt, nöthigenfalls etwas verdünnt und längere Zeit unter Zusatz des verdampfenden Wassers erhitzt, so entweicht das Cyan als Cyanammonium zum größten Theil, so daß das Uebrigbleibende nur wenig mehr nach Blausäure riecht. Für den Färber erscheint es aber wieder zweckmäßiger sich des krystallisirten isopurpursauren Kalis zu bedienen, einerseits um Uebervortheilungen zu entgehen, andererseits weil ihm dasselbe den größten Spielraum bei der Färbemanipulation gestattet. Er kann: 1) durch starkes Anbeizen der Wolle das dunkelste Kastanienbraun erhalten; 2) ohne Zuhülfenahme irgend eines Agens die helleren Töne in Granat erzeugen; 3) durch Ansäuern der Färbeflotte, noch zweckmäßiger durch Hinzugabe von etwas salzsaurem Anilin, das dunkelste Granatbraun erzielen. Die Menge des erforderlichen Anilinsalzes ist gering und beträgt für 1 Theil isopurpursaures Kali nur 0,424 Theile.