Titel: Untersuchungen über einen dem Rosanilin isomeren, im käuflichen Fuchsin enthaltenen rothen Farbstoff; von A. Rosenstiehl.
Fundstelle: Band 191, Jahrgang 1869, Nr. CIII., S. 483
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CIII. Untersuchungen über einen dem Rosanilin isomeren, im käuflichen Fuchsin enthaltenen rothen Farbstoff; von A. Rosenstiehl. Vorgetragen in der Versammlung der Société industrielle de Mulhouse vom 6. Januar 1869. – Aus deren Bulletin t. XXXVIII p. 931. Rosenstiehl, über einen dem Rosanilin isomeren rothen Farbstoff, welcher im käuflichen Fuchsin enthalten ist. Bei einer früheren Gelegenheit habe ich die Resultate meiner Untersuchungen über Coupier's flüssiges Toluidin mitgetheiltPolytechn. Journal Bd. CLXXXIX S. 393 und Bd. CXC S. 57. und nachgewiesen, daß diese Substanz aus einem Gemisch zweier Alkaloide von gleicher chemischen Zusammensetzung und demselben Siedepunkte besteht, von denen das eine das im Jahre 1845 von Hofmann und Muspratt entdeckte Toluidin und das andere ein bisher unbeachtet gebliebener, von mir Pseudotoluidin genannter Körper ist. In dieser ersten Arbeit habe ich den Unterschied zwischen dem neuen Alkaloid und dem Anilin, sowie dem Toluidin festgestellt, und die scharfen und sehr deutlichen Farbenreactionen angegeben, an denen man jedes dieser drei Alkaloide in Gegenwart der beiden anderen nachzuweisen vermag. In jener Mittheilung habe ich aber die Rolle, welche das Pseudotoluidin bei der Bildung der künstlichen rothen Farbstoffe spielt, deren Fabrication seit einigen Jahren eine so bedeutende Entwickelung gewonnen hat, nur andeutungsweise berührt. Die Ausfüllung dieser Lücke war der Zweck der im Folgenden mitgetheilten Arbeit. Seit Hofmann's classischen Arbeiten weiß man, daß die unter dem Namen Fuchsin im Handel vorkommenden künstlichen rothen Farbstoffe die farbigen Salze einer an sich selbst ungefärbten Basis, des Rosanilins, sind. Derselbe Chemiker hat nachgewiesen, daß zur Bildung dieser Farbstoffe die gleichzeitige Gegenwart des Anilins und des Toluidins erforderlich ist. Nach den Ergebnissen meiner mehrfach wiederholten quantitativen UntersuchungenPolytechn. Journal Bd. CLXXXI S. 389. beträgt das mit dem Gemische der beiden Alkaloide zu erreichende Maximalausbringen an rothem Farbstoff ungefähr 22,5 Procent. Nun erhält man aber beim regelmäßigen Fabrikbetriebe aus den käuflichen Anilinsorten beinahe 30 Proc. krystallisirtes Fuchsin. Dieses Resultat wäre unerklärlich, wenn die im Handel vorkommenden Anilinsorten wirklich bloß ein Gemisch von Anilin und Toluidin sind. Sie enthalten aber beträchtliche Mengen von Pseudotoluidin. Diese Thatsache im Zusammenhalt mit den angegebenen Zahlen führt uns ganz natürlich zu der Annahme, daß das Pseudotoluidin bei der Erzeugung des Fuchsins in günstiger Weise mitwirken muß. Die Richtigkeit dieser Annahme haben directe Versuche erwiesen. I. Darstellung des Pseudorosanilins und des Rosanilins. – Ich mischte 1 Theil Anilin mit 2 Thln. Pseudotoluidin und behandelte dieses Gemisch bei 180° C. mit Arsensäure. Dasselbe schmilzt, was ein sehr günstiger Umstand ist, sehr leicht; nach Verlauf von wenigen Stunden zeigte die Masse die harzartige Consistenz des rohen Fuchsins. Um den Farbstoff aus dieser Substanz auszuziehen, wurde sie mit Wasser gekocht, bis der unlösliche Rückstand seine harzähnliche Consistenz verloren und sich gänzlich in Pulver verwandelt hatte. Hierauf wurde die überschüssige Arsensäure mit in Wasser zerrührter Kreide neutralisirt und das Ganze auf ein Doppelfilter aus Kattun, welcher auf einem dichten Wollenzeuge lag, gebracht. Die filtrirte Flüssigkeit wurde mit einer, 10 Proc. der in Arbeit genommenen Alkaloidmenge entsprechenden Quantität Chlorwasserstoffsäure und mit dem vierten Theile ihres Volums einer heißen gesättigten Chlornatriumlösung versetzt. Nach mehrtägigem Stehen wurde der niedergeschlagene Farbstoff auf einem aus feiner Leinwand bestehenden Filter gesammelt, mit kaltem Wasser ausgewaschen und dann langsam an der Luft, hierauf bei 100° C. getrocknet. Der größere Theil des Productes bleibt jedoch an den Wänden des Krystallisirgefäßes hängen und könnte ohne Verlust nur schwierig von denselben entfernt werden ohne nachstehenden Kunstgriff. Man bringt das Krystallisirgefäß in eine lauwarme Atmosphäre, so daß der Farbstoff langsam eintrocknet; alsdann läßt man die Substanz völlig trocken werden, indem man sie auf eine bis etwa 50° C. erhitzte Platte bringt, wornach sie sich mittelst eines Federbartes leicht ablösen läßt. Wenn man von vornherein das Product einer zu hohen Temperatur aussetzt, so erleidet die Masse eine oberflächliche Schmelzung und trocknet in Folge dessen nur sehr langsam. Dieses Rohproduct ist eine beinahe schon reine Substanz, wenn man es bei der Behandlung mit Arsensäure vermieden hat, die Temperatur über 180° C. steigen zu lassen. Im entgegengesetzten Falle entsteht eine gelbe, sehr lösliche Substanz, welche sich von dem Hauptproducte nur schwierig trennen läßt. Das Gewicht des Productes beträgt 50 Proc. von dem der der verbrauchten Alkaloide. Es zeigt die vollständigste Analogie mit dem im Handel vorkommenden Fuchsin. Seinem Ursprunge nach kann es mit den von Hofmann untersuchten Rosanilinsalzen nicht identisch, aber es konnte mit denselben isomer seyn. Zur Entscheidung dieser Frage stellte ich mit reinem Anilin und reinem Toluidin, und nach dem so eben beschriebenen Verfahren, ein Rosanilinsalz dar. Reinigung der beiden Producte. – Um eine vergleichende Untersuchung dieser beiden einander so ähnlichen Farbstoffe zu ermöglichen, war es nöthig beide im Zustande der größten Reinheit darzustellen. Bekanntlich scheiterten die Bemühungen der Chemiker, welche vor Hofmann die chemische Constitution dieser künstlichen Farbstoffe zu bestimmen suchten, gerade an dieser Klippe. Hofmann selbst schreibt seinen Erfolg der Mitwirkung des Hrn. Nicholson, eines geschickten Fabrikanten, zu, welcher gut krystallisirte, im großen Maaßstabe dargestellte Producte zu seiner Verfügung gestellt hatte. Da mir nur etwa 100 Gramme von jeder dieser Substanzen zu Gebote standen, so mußte ich eine Methode ermitteln, welche mir kleine Mengen in reinstem Zustande darzustellen gestattete. Die von mir befolgte Methode ist zwar mühsam, hat aber zum Ziele geführt. Der nach dem oben beschriebenen Verfahren dargestellte Farbstoff wurde in Wasser von 60° C. gelöst, und die durch schwedisches Filtrirpapier filtrirte Flüssigkeit ward wiederum mit einer verdünnten Chlornatriumlösung gefällt. Bei langsamem Erkalten der Flüssigkeit erhält man deutliche Krystalle, deren Form sich mit unbewaffnetem Auge wohl erkennen läßt. Dieses krystallinische Product wird wieder bei 60° C. in reinem Wasser gelöst und durch Aetznatron gefällt; der ausgewaschene und getrocknete Niederschlag enthält die freie Basis. Diese wird mit Aether erschöpft, welcher einen Körper aufnimmt, der sich durch die schön grüne Fluorescenz auszeichnet, die er seinem Lösungsmittel mittheilt, während die Basis selbst ungelöst bleibt. Nach diesem Auswaschen mit Aether wird die Basis mit einer aequivalenten Menge von Chlorwasserstoffsäure behandelt und die erhaltene Lösung mit Chlornatrium niedergeschlagen. Die regenerirte chlorwasserstoffsaure Basis wird einer Reihe von Umkrystallisirungen aus reinem Wasser unterworfen. Von jeder Mutterlauge nimmt man eine Probe; ein Theil wird zu einem Färbeversuche verwendet, ein anderer dient zur Bestimmung der Menge von gelöster Substanz. Mittelst dieser zweifachen Probe, der Färbeprobe und der Prüfung der Löslichkeit, läßt sich der Zeitpunkt bestimmen, wo die Substanz vollkommen rein ist; dieses Resultat ist erreicht, wenn nach einem nochmaligen Umkrystallisiren die Löslichkeit, sowie die Nüance des Farbstoffes sich nicht mehr geändert haben. Die geringste Menge fremdartiger Substanz würde entweder die Reinheit des Farbetones, oder die Löslichkeit des Productes beeinträchtigen. Die vergleichende Untersuchung, deren Resultate ich nun mittheilen werde, stellte ich mit Substanzen an, welche mittelst der so eben beschriebenen Methode dargestellt worden waren. Chlorwasserstoffsaures Pseudorosanilin. – Diese Verbindung krystallisirt in grünen, goldschimmernden Oktaedern; ihre wässerige Lösung ist roth gefärbt. 1000 Grm. Wasser von + 9° C. lösen 2,40 Grm. des Salzes. Wolle und Seide werden von einer wässerigen Lösung ganz ebenso gefärbt, wie von gut gereinigtem Fuchsin. Das chlorwasserstoffsaure Pseudorosanilin ist in Alkohol löslich, in Aether unlöslich; es ist stark hygroskopisch. Die Elementaranalyse führte zu der Formel: (C²ºH¹⁹N³) HCl. Die löslichen Basen erzeugen in der wässerigen Lösung des Salzes einen Niederschlag, welcher sich allmählich entfärbt; wird die Fällung bei höherer Temperatur vorgenommen und die Flüssigkeit rasch abfiltrirt, so schießen beim Erkalten farblose Krystalle an. Von concentrirten Säuren wird der Farbstoff zu einer gelben Flüssigkeit aufgelöst; auf Zusatz einer großen Menge von Wasser erscheint die ursprüngliche Farbe wieder. Von reducirend wirkenden Substanzen, wie von Zink, Schwefelwasserstoff, Jodwasserstoffsäure wird das Salz rasch entfärbt. Es bildet sich das Salz einer ungefärbten Basis, des Leukanilins, welches an der Luft langsam wieder die Farbe des Fuchsins annimmt. Pseudorosanilin. – Wird diese Basis aus einer Flüssigkeit durch Fällung ausgeschieden, so ist sie amorph; oben wurde angegeben, wie sie in krystallisirtem Zustande erhalten werden kann. Sie ist farblos, färbt sich aber an der Luft allmählich. In Wasser ist sie nur sehr wenig löslich; in Alkohol löst sie sich gut; in Aether ist sie fast unlöslich; 40 Grm. Aether, welche unter einem Drucke von 10 Centimeter Quecksilber kochten, lösten keine wägbare Menge davon auf. In geringer Menge rasch erhitzt, entwickelt diese Basis eine geringe Menge violetter Dämpfe, der größere Theil hingegen verkohlt sich. Aus der Elementaranalyse ergab sich die Formel: (C²ºH¹⁹N³) H²O. Chlorwasserstoffsaures Rosanilin. – Dieser Körper zeigt ganz dieselben Eigenschaften, wie das entsprechende Pseudorosanilinsalz, weßhalb wir dieselben hier nicht wiederholt anführen. Rosanilin. – Diese Basis weicht vom Pseudorosanilin nur durch eine einzige, übrigens nicht wichtige Eigenschaft ab: wenn sie nämlich aus heißer Lösung durch ein Alkali frisch gefällt wird, so verwandelt sie sich binnen kurzer Zeit in krystallinische Schüppchen, während das ihr isomere Pseudorosanilin amorph bleibt. Demnach zeigen die den beiden Substanzen gemeinsamen Eigenschaften die vollständigsten Analogien; als die wichtigsten sind, weil sie genau bestimmt werden konnten, die nachstehenden hervorzuheben: 1) gleiche procentische Zusammensetzung der Basen und der entsprechenden chlorwasserstoffsauren Salze; 2) Gleichheit der Krystallform bei den chlorwasserstoffsauren Salzen; 3) gleiche Löslichkeit in Wasser; dieselbe wurde gefunden für das chlorwasserstoffsaure Rosanilin zu 2,41 Grm.,  „    „                „ Pseudorosanilin zu 2,40 Grm. auf 1000 Grm. Wasser von + 9° C. 4) Gleichheit des Farbetones und des Färbevermögens; 5) Gleichheit der chemischen Functionen. II. Wenn zwei Körper eine solche Übereinstimmung in ihren Eigenschaften zeigen, ist man versucht sie als identisch zu betrachten. Gegen einen solchen Schluß spricht indessen die Bildungsweise der beiden Verbindungen; man hat nämlich: 1 Molec. Anilin + 2 Molec. Toluidin + H²O – 6 H = Rosanilin. 1 Molec. Anilin + 2 Molec. Pseudotoluidin + H²O – 6 H = Pseudorosanilin. Können isomere Verbindungen ein identisches Derivat erzeugen? Hätte das Oxydationsmittel die Unterschiede in der Gruppirung der Atome aufheben können, welche die Ursache der Isomerie des Toluidins und des Pseudotoluidins ist? Wissenschaftlich ist dieß keineswegs unmöglich, es bedarf aber der experimentellen Constatirung. Hierzu muß man die beiden Farbstoffe durch ein Reductionsmittel auf die Körper, aus denen sie entstanden, zurückführen; man muß mit jedem Molecül 6 Atome Wasserstoff zu verbinden suchen. Berthelot hat kürzlich eine Reductionsmethode entdeckt, welche er mit Recht als eine allgemeine bezeichnet, indem sich mittelst derselben jeder Abkömmling des Kohlenstoffes in das entsprechende gesättigte Hydrocarbür umwandeln läßt. Seine Methode beruht auf der Anwendung einer sehr concentrirten wässerigen Lösung von Jodwasserstoffsäure; ich benutzte dieselbe und bin (in Folge der praktischen Nachschläge, mit welchen Berthelot selbst mich unterstützte) bald zu meinem Ziele gelangt. Vorversuche. – Zu diesen Versuchen, welche zur Feststellung der geeigneten Jodwasserstoffsäuremengen und Temperatur bestimmt waren, verwendete ich käufliches Fuchsin, und zwar ungefähr einen Gramm. Die von mir aufgefundenen, so empfindlichen FarbenreactionenPolytechn. Journal Bd. CXC S. 57. gestatteten mir in einem so kleinen Maaßstabe zu operiren. Ich benutzte Jodwasserstoffsäure von der doppelten Dichtigkeit des Wassers. Meine Resultate sind: 1. Das Fuchsin, mit der zehnfachen Gewichtsmenge Jodwasserstoffsäure in einem vor der Glasbläserlampe zugeschmolzenen Glasrohre 20 Stunden lang bei 100° C. erhitzt, wird einfach in Leukanilin verwandelt. 2. Erhitzt man Fuchsin mit derselben Menge von Jodwasserstoffsäure 24 Stunden lang bei 160°C., so entsteht ebenfalls Leukanilin, doch lassen sich bereits Spuren von Anilin und Toluidin nachweisen. 3. Bei 230° C. wird das Leukanilin selbst reducirt; es verwandelt sich in Ammoniak und in Hydrocarbüre welche mehr Wasserstoff enthalten als Benzol und Toluol. Eine geringe Menge Toluidin entgeht der Zersetzung, aber von Anilin bleibt keine Spur zurück. 4. Bei dem vorhergehenden Versuche war das Ziel überschritten worden. Operirt man bei der Temperatur von 190 bis 200° C., so erhält man die besten Resultate. Bei dieser Temperatur stellte ich Versuche mit 10, 15 und 20 Th. Jodwasserstoffsäure an und ließ die Röhren 24, 28, 59 und 113 Stunden lang im Oelbade. Es ergab sich, daß das zweckmäßigste Verhältniß der Jodwasserstoffsäure zum Fuchsin zehn Gewichtstheile des ersteren auf einen Theil des letzteren ist, und daß die Röhren im Oelbade nicht länger als ungefähr 50 Stunden erhitzt werden dürfen. Allein selbst unter diesen Bedingungen erfolgt die Reduction nicht vollständig. Die Gewichtsmenge der regenerirten Alkaloide entspricht höchstens einem Drittel, die des Leukanilins zwei Dritteln der angewandten Fuchsinmenge. Verlängert man die Versuchsdauer, so erfolgt die Wirkung der Jodwasserstoffsäure nicht auf das Leukanilin, sondern auf das regenerirte Anilin; dieses wird in Ammoniak und in ein von Salpetersäure nicht angreifbares Hydrocarbür (Hexylenhydrür?) umgewandelt. Das Toluidin widersteht der Reduction besser. Um das Leukanilin vollständig umzuwandeln, isolirte ich dasselbe und behandelte es mit einer neuen Portion Jodwasserstoffsäure; auf diese Weise gelang es mir, dasselbe in ein neues Quantum von Alkaloiden zu spalten, welche mit den bei der ersten Reduction erhaltenen identisch sind. Die Feststellung dieses Punktes war von Wichtigkeit. Reduction des Rosanilins. – Es wurden angewendet:      chlorwasserstoffsaures Rosanilin          5 Grm.      Jodwasserstoffsäure 50 Grm. An Reactionsproducten wurden erhalten:      regenerirte Alkaloide   1,20 Grm.      Leukanalin   2,01  „      braune theerartige Substanz   0,39  „ An Jod wurden frei   8,50  „ während bei vollständiger Reduction     11,30  „      hätten frei werden müssen. Beim Oeffnen der Röhre fand keine Gasentbindung statt. Die Menge des frei gemachten Jods wurde mittelst wässeriger Schwefligsäure titrirt. Die saure Flüssigkeit wurde mit Aetznatron gesättigt und dann wurde so lange destillirt, als der sich condensirende Wasserdampf Tröpfchen von Alkaloiden mit sich führte. Während der Destillation krystallisirte das Toluidin im Kühlapparat. Das Destillat wurde wiederholt mit Aether geschüttelt; die ätherischen Lösungen wurden nach dem Austrocknen auf Stückchen von frisch geschmolzenem Kali in einem tarirten Kolben destillirt; die Alkaloide, welche weit weniger flüchtig sind als der Aether, bleiben zurück; man bestimmt ihr Gewicht durch eine neue Wägung. Bei dem in Rede stehenden Versuche krystallisirte der größere Theil derselben beim Erkalten. Qualitative Untersuchung der erhaltenen Producte. Eine kleine Menge der Substanz (der erhaltenen Alkaloide) wurde in Gegenwart von Aether mit Wasser und Chlorkalk behandelt, wodurch die für das Anilin charakteristische blaue Färbung eintrat. Die ätherische Schicht wurde decantirt und mit einigen Tropfen angesäuerten Wassers geschüttelt; es erfolgte aber keine Färbung, was die gänzliche Abwesenheit von Pseudotoluidin beweist. Ein anderer Antheil der Substanz, in Schwefelsäurebihydrat gelöst, gab in Berührung mit einem Tropfen Salpetersäure die für ein Gemisch von Anilin und Toluidin charakteristische purpurrothe Färbung. Zu allen diesen Reactionen sind nur 1 bis 2 Milligrm. Substanz erforderlich. Sie beweisen, daß sich das Rosanilin nur in zwei Alkaloide, Anilin und Toluidin, also in diejenigen spaltet, aus denen es entstanden ist. Quantitative Untersuchung. Da es sehr wichtig war, die gänzliche Abwesenheit von Pseudotoluidin nachzuweisen, so wandelte ich die ganze Menge der aus dem Rosanilin regenerirten Alkaloide mittelst eines geringen Ueberschusses einer titrirten Oxalsäurelösung in Bioxalate um. Das Wasser wurde aus dem Gemisch der Oxalsäuresalze zur Verhütung jeder Zersetzung durch Abdampfen in einem Kohlensäurestrome bei nicht über 60° C. gesteigerter Temperatur entfernt. Der trockene Rückstand wurde mit 50 K. C. wasserfreiem Aether übergossen und damit bei gewöhnlicher Temperatur einige Zeit digerirt. Unter diesen Umständen ist das oxalsaure Anilin, sowie das oxalsaure Toluidin ziemlich unlöslich, während das oxalsaure Pseudotoluidin sich ohne Schwierigkeit löst. Der Aether wurde decantirt und in einem tarirten Kölbchen verdampft; er hinterließ 0,07 Grm. eines Rückstandes, welcher in Nadeln krystallisirte, und mit den geeigneten Reagentien auf Pseudotoluidin untersucht, sich als vollkommen frei von diesem Alkaloid erwies; er bestand nur aus Oxalsäure. Dieser Versuch, den ich als fundamentalen betrachte, ist meines Wissens der erste analytische Beweis, welcher für die von Hofmann mit bewundernswerthem Scharfblick vorausgesehene chemische Constitution des Rosanilins geliefert wurde. Reduction des Pseudorosanilins. – Angewendet wurden:     chlorwasserstoffsaures Rosanilin     5,0 Grm.     Jodwasserstoffsäure 50,0 Grm. Als Producte der Reaction wurden erhalten:     regenerirte Alkaloide   0,42 Grm.     Leukanilin   3,40   „     braune theerartige Substanz           0,075 „ An Jod wurden frei 12,20   „ während die Theorie verlangt 11,30   „ Bei dieser Reduction wurde eine gewisse Quantität Anilin reducirt; es wurde etwas Ammoniak gebildet. Qualitative Untersuchung. Aus der qualitativen Analyse ergibt sich, daß die regenerirten Alkaloide nur aus einem Gemisch von Anilin und Pseudotoluidin bestehen; das Toluidin fehlt. Quantitative Untersuchung. Um in dieser Beziehung volle Gewißheit zu erlangen, wandelte ich die Alkaloide in Bioxalate um; durch Behandlung mit Aether wurde das Pseudotoluidinsalz entfernt.      Gesammtmenge der Oxalsäurefalze     0,79 Grm.      in Aether unlöslicher Rückstand 0,18 Grm. Dieser aus zweifach-oxalsaurem Anilin bestehende Rückstand mußte sämmtliches Toluidin enthalten; die qualitative Prüfung, durch welche die geringsten Spuren dieses Alkaloides entdeckt werden können, ergab aber daß dasselbe gänzlich fehlte. Bemerkenswerth ist die geringe Menge des gefundenen Anilins; dasselbe wurde in dem Moment wo die Regeneration stattfand, zum Theil in Ammoniak umgewandelt. Demnach können aus dem Pseudorosanilin durch vorsichtige Reduction die Alkaloide regenerirt werden, deren Abkömmling es ist. Von dem Rosanilin ist es darin verschieden, daß es die Entstehung von Pseudotoluidin veranlaßt. Durch die vorstehenden Versuche glaube ich bewiesen zu haben, daß die Isomerie des Toluidins mit dem Pseudotoluidin sich bis auf ihre gefärbten Abkömmlinge erstreckt, und daß die Identität des Rosanilins mit dem Pseudorosanilin nur eine scheinbare ist, indem sie aufhört, sobald man auf die Körper zurückgeht, aus denen sie entstanden. Untersuchungen über die im Handel vorkommenden Fuchsinsorten. – Nachdem die Existenz zweier isomerer und isomorpher rother Farbstoffe festgestellt war, sah ich mich natürlich veranlaßt, sie in den käuflichen Fuchsinsorten aufzusuchen. Das Vorhandenseyn des Pseudotoluidins in den im Handel vorkommenden Anilinsorten macht ihre gleichzeitige Gegenwart in den Fuchsinsorten wahrscheinlich. Die Reduction durch Jodwasserstoffsäure bietet für diese Untersuchung ein bequemes und zuverlässiges Mittel dar. Nach dieser Methode untersuchte ich die nachstehenden, absichtlich von sehr verschiedenem Ursprunge gewählten Fuchsinsorten: 1. Gut krystallisirtes, im Jahre 1867 von Gerber-Keller in Basel fabricirtes Fuchsin. 2. Fuchsin, von der ersten, in Lyon mittelst Arsensäure ausgeführten Operation herrührend. Die Probe hatte ich von Hrn. Fayolle in Mülhausen erhalten. 3. Fuchsin von Frank und Renard in Lyon, mit Zinnchlorid dargestellt. 4. Fuchsin, im Jahre 1860 von Gerber-Keller in Basel mit salpetersaurem Quecksilberoxyd erzeugt (Azalëin). 5. Fuchsin, in vollkommenen Oktaedern krystallisirt, im Jahre 1864 in England fabricirt. 6. Fuchsin, durch fractionirte Krystallisation vom Coupier'schen Toluolroth abgeschieden. Die mit diesen sämmtlichen Fuchsinsorten erhaltenen Resultate waren einander gleich; alle lieferten durch Spaltung die drei Alkaloide: Anilin, Pseudotoluidin und Toluidin, und zwar wurde, was ich besonders hervorheben muß, das Pseudotoluidin im Verhältniß zu den beiden anderen Alkaloiden in vorwaltender Menge gefunden. Ein weiterer, wohl zu beachtender Punkt ist die Entstehung von Anilin bei Bildung des Toluolroth. Das Toluolroth wird mit vollkommen anilinfreien Substanzen dargestellt. Ich habe in diesem Farbstoffe die Gegenwart von 50 Proc. Rosanilin nachgewiesen. In diesem Falle ist die Entstehung des Farbstoffes eine noch unerklärte Erscheinung; sie erheischt das Vorhandenseyn des Anilins in den Producten der Reaction; dieses Anilin kann sich nur auf Kosten des Toluidins oder des Pseudotoluidins bilden. Somit ist das von mir aus dem Toluolroth isolirte Anilin merkwürdig in Bezug auf seinen Ursprung. – Nach den in der vorstehenden Arbeit gegebenen analytischen und synthetischen Beweisen muß man die Existenz zweier isomerer und isomorpher rother Farbstoffe von gleichem Färbevermögen und gleicher Löslichkeit annehmen. Beide Farbstoffe sind in den käuflichen Fuchsinsorten neben einander vorhanden; in Folge ihrer Isomorphie können sie gleichzeitig in demselben Krystalle enthalten seyn; bei ihrer übereinstimmenden Löslichkeit lassen sie sich durch fractionirtes Krystallisiren nicht von einander trennen. Es bleibt mir noch die vergleichende Untersuchung des Rosanilins und des Pseudorosanilins bezüglich deren Umwandlung in blaue, grüne und violette Abkömmlinge übrig. Diese Seite der Frage ist von praktischem Interesse, denn nicht alle gut krystallisirten Fuchsinsorten sind in gleichem Grade zur Erzeugung schöner Farbstoffe geeignet.