Titel: Ueber Ermittelung fermentartiger organischer Stoffe.
Fundstelle: Band 191, Jahrgang 1869, Nr. CVII., S. 499
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CVII. Ueber Ermittelung fermentartiger organischer Stoffe. Ueber Ermittelung fermentartiger organischer Stoffe. Aus dem Nachlasse des Prof. Schoenbein bringt die Zeitschrift für Biologie die Mittheilung eines Verfahrens, welches die fermentartige Beschaffenheit organischer Materien leicht erkennen läßt. Das Wasserstoffsuperoxyd besitzt nämlich die Eigenschaft, selbst in einer sehr bedeutenden Verdünnung frisch bereitete Guajaktinctur in Verbindung mit dem wässerigen Auszuge von Gerstenmalz blau zu färben. Andererseits hat Schoenbein durch vielfache frühere Versuche nachgewiesen, daß alle wirksamen Fermente, besonders das Vorbild derselben, die Hefe, das Wasserstoffsuperoxyd zerlegen. Setzt man daher zu einer organische Substanzen enthaltenden Flüssigkeit Wasserstoffsuperoxyd, so wird bei weiterem Zusatz von Guajaktinctur das Ausbleiben der Bläuung eine deutliche Reaction für die fermentartige Beschaffenheit geben, indem es anzeigt, daß hier das Wasserstoffsuperoxyd bereits zerlegt sey. Alle fermentartigen Stoffe verlieren aber, wenn sie aufgekocht werden, wie die Fähigkeit, Gährung zu erregen, auch die, das Wasserstoffsuperoxyd zu zersetzen, und damit seine Reaction zu verhindern. Durch dieses Mittel hat Schoenbein die Gegenwart fermentartiger Substanzen in allen Pflanzensamen und in einer Reihe anderer Pflanzengebilde, ferner in den Blutkörperchen, wie in einer Anzahl niederer Thierkörper nachgewiesen, und hält es für gewiß, daß, wie keiner Pflanze, so auch keinem Thiere fermentartige Materien fehlen. „Ich habe schon in früheren Mittheilungen auf die chemisch-physiologische Bedeutung der über die ganze Thier- und Pflanzenwelt sich erstreckenden Verbreitung fermentartiger Materien aufmerksam gemacht und die Ansicht ausgesprochen, daß dieselben durch diese Wirksamkeit an den in den lebenden Organismen unaufhörlich stattfindenden Stoffeswandlungen einen wesentlichen Antheil haben, und zwar so, daß die einen der Materien eine Rolle spielen, vergleichbar derjenigen, welche in den Gährungserscheinungen den Fermenten beigemessen wird, und andere, wie z.B. die Blutkörperchen, den atmosphärischen Sauerstoff zur chemischen Thätigkeit anregen und dadurch die Oxydationswirkungen im Organismus einleiten. Es soll hier nicht verschwiegen bleiben, daß, je weiter ich meine Untersuchungen über das bezeichnete Erscheinungsgebiet ausdehne, ich um so mehr in der geäußerten Ansicht bestärkt werde, weßhalb ich auch dafür halte, daß es im Interesse der gesammten Physiologie liege, den in dieser Mittheilung hervorgehobenen allgemeinen Thatsachen einige Aufmerksamkeit zu schenken.“ Eine besondere praktische Bedeutung vindicirt Schoenbein dieser neuen Untersuchungsmethode bei der Prüfung des Trinkwassers, in welchem nicht der Gehalt an organischen Substanzen, sondern höchst wahrscheinlich das Vorkommen fermentartiger Materien krankmachend wirke. Er beabsichtigte, verschiedene Wässer in ihrer Einwirkung auf das Wasserstoffsuperoxyd kennen zu lernen, hat jedoch nur einen vorläufigen bestätigenden Versuch angestellt, welcher dazu auffordert, daß andere Forscher das von Schoenbein unvollendet hinterlassene Werk weiterführen mögen. (Aus dem Naturforscher.“)